Wir brauchen freie Universitäten

06.06.1994

Interview mit Konrad Schily (Präsident von Freie Universität Witten-Herdecke) und Michael Bleks (Leiter Finanzbeschaffung u. Entwicklung) / Themen u.a. Bildungsfreiheit, "Dreigliederung des sozialen Organismus", Gesellschaftsreformen / am 06.06.1994 in der Universität / Interviewer (c) Sebastian Schöck Berlin, (c)-Vetorecht bei Publikationen hat der Interviewpartner / Kamera Friedel Hans / Bandformat: BetacamSP

Interview-Länge: ca. 2 Std.

Sebastian Schöck: Ja, wir sind jetzt in der Freien Universität Witten und sprechen mit Konrad Schily, dem Präsidenten. Würden Sie sich bitte kurz vorstellen und Ihre Arbeit vorstellen?

Konrad Schily: Es ist immer das Schwerste zu sagen, was man eigentlich tut. Also ich bin Präsident, ich bin an der Gründung beteiligt gewesen, wobei ich immer wieder betonen muß, daß ich eigentlich mehr oder weniger zufällig dort Präsident geworden bin. Da gibt es eben Gründe, die älter sind als ich und diese Gründe sind vor mir gestorben, also um die Zeit der Anerkennung herum, und das waren insbesondere Herr Kienle und Herr Hänsel, die vorgesehen waren für die Führung dieser Universität und ihr Tod hat es mit sich gebracht, daß ich dann in der ersten Position stand und seit jetzt elf Jahren in dieser Position bin.

Was ich tue - mein Amt ist - diese Universität nach innen und außen zu vertreten, ich mach es natürlich nicht alleine, da gibt es Dekane, die ihre Fakultäten nach innen und außen vertreten, es gibt im Präsidium den Kaufmann - also den Kaufmann, der die/die kaufmännische Geschäftsführung macht und im Präsidium noch den wissenschaftlichen Geschäftsführer, also es ist ein dreiköpfiges Gremium und der Präsident ist so der primus inter paris.

Sebastian Schöck: Das heißt auf deutsch?

Konrad Schily: Der - ja, der erste unter gleichen. Das kommt natürlich auch durch die Gründungssituation, aber jede Institution, so meinen wir, muß eine deutliche personale Zuordnung haben, das suchen wir immer wieder in - in dem ganzen Aufbau unserer Universität, daß - der Student ist in erster Linie für sein Studium verantwortlich und/und nicht die Universität. Er wird nicht studiert, er studiert oder sie studiert und/und der Professor ist natürlich für die Lehre und für die Forschung seines Bereiches verantwortlich und der Dekan ist wiederum personalverantwortlich für das Ganze. Das heißt, wir haben eigentlich immer ein duales Prinzip. Auf der einen Seite gibt es einen Fakultätsrat oder ein Fakultätsgremium, das berät im Konsens, und dann gibt es einen, der/der das Ganze wieder vertreten muß, der dann auch nur sagen darf, also, wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen.

Sebastian Schöck: Und wie wirken da die Studenten mit? Sie haben erwähnt, der Student ist im Zentrum der - irgendwo - ?

Konrad Schily: Die Studenten wirken mit in verschiedener Ausformung, sie sind Mitglieder im Senat, sie sind Mitglieder in den Fakultätsräten, sie sind - das ist different in den einzelnen Fakultäten, die sind nicht alle satzungs- oder strukturgleich, haben ja auch andere Studieninhalte - also bei den Wirtschaftswissenschaftlern siehts anders aus als bei den Medizinern - und/und so haben wir eigentlich immer wieder dieses, auf der einen Seite bin ich, habe ich eine personale Verantwortung, (das) die ist definiert, und auf der anderen Seite bin ich verantwortlich mit anderen in einem Gremium. Und da gilt wiederum der Konsens, also (das Über-) die Übereinstimmung. Was wir zu vermeiden versuchen, sind Mehrheitsabstimmungen, weil wir da nicht dran glauben, wenn - Mehrheiten haben immer Minderheiten und/und das ist keine Willenseinheit eigentlich. Das demokratische Prinzip oder das parlamentarische Prinzip dort der/der Mehrheit finden wir nicht so toll.

Sebastian Schöck: Sie gehen also vom Einzelnen aus oder/oder wie kann man sagen, wie - berücksichtigen Sie die Minderheiten?

Konrad Schily: Na wir gehen eigentlich davon aus, daß dieses Unternehmen ein Ziel hat, oder Ziele. In Forschung, Dienstleistung und Lehre. Dienstleistung macht die Universität ja auch an vielen Stellen. Denken Sie nur an die Zahnmedizin, da macht sies direkt, oder die Wirtschaftswissenschaftler beraten Firmen oder sowas, sind alles Dienstleistungen. Und da gibt es andere - in den Dienstleistungen sind die Verantwortlichkeiten anders als im Studium. Im Studium wickelt sich das ab zwischen der Fakultät und dem Studierenden, und es ist jeweils die Frage, was dann bewegt werden muß, auf das Ziel hin. Und es können nicht alle für alles verantwortlich sein. Und/und so gibts immer wieder die Ausformung, daß - meinetwegen nehmen Sie diesen Neubau, den sie jetzt gerade - also wir bezeichnen ihn, obwohl er jetzt ein halbes Jahr alt ist, immer noch als Neubau - da haben viele Professoren und Studierende dran mitgewirkt/wirkt, aber es gab eine ganz deutliche Regelung, keiner dieser Mitwirkenden erteilt irgendeinen Auftrag an den Architekten, das macht nur der kaufmännische Geschäftsführer, und/und nicht weil er der Kaufmann ist, sondern weil er diesem Gremium - der Vorsitzende dieses Gremiums war. Und dadurch war eine ganz deutliche Zeit- und Kostenkontrolle jederzeit möglich.Und auf der anderen Seite war die Mitwirkung möglich in der Gestaltung, wie etwas werden soll. Wir Wirtschaftswissenschaftler, wir Mediziner brauchen dieses oder jenes. So kommt die Anwenderfreundlichkeit des/des/des Baues zustande. Und auch das zustande, daß man natürlich auch ein paar funktionale Fehler inzwischen findet, daß man aber nicht sagen kann, das haben die anderen gemacht, sondern man muß sagen, diesen Fehler haben wir alle gemacht.

Sebastian Schöck: Wie unterscheidet sich (das Entscheidungs-) die Entscheidungsfindung hier jetzt in dieser Uni oder vielleicht auch grundsätzlich im Geistesleben von dem im/im Rechtsleben? Um diese Abgrenzung des demokratischen Prinzips haben Sie jetzt mal - ?

Konrad Schily: Ich weiß nicht, ich könnte mit den - an der Stelle mit den Begriffen könnte ich definitorisch nicht so vorgehen. Wenn Sie ein Gericht haben - also eine Einrichtung aus dem Rechtbereich - dann hat das eine Struktur und die ist gegeben, die muß wohl auch gegeben sein. Die kann man ändern, das ist eine politische Vereinbarung. Rechte ganz allgemein müssen in irgendeiner Weise gefunden werden und dann sagen wir eben, das ist demokratisch-parlamentarisch, die Mehrheit findet das Recht. Bisher wohl ein unübertroffenes Verfahren, daß die Minderheit sich der Mehrheit beugt, im Rechtsbereich. Auch wenn ich da nicht mitmachen will. Wir wissen heute, daß das entgleisen kann (nicht ähm) dann ist es die Frage (der) sozusagen der Weltbevölkerung, was/was macht sie mit diesem Land, wo also die Menschenrechte meinetwegen verletzt werden oder so. Aber auch da haben Sie wieder das Mehrheitsprinzip. (Die Uni muß sich -) Die UNO muß sich in irgendeiner Weise entscheiden.

Wenn Sie ein Unternehmen haben, gleichgültig welcher Art - ich glaube eine Universität, eine Schule, eine Fortbildungseinrichtung sind auch Unternehmen. Sie haben nur eine andere Zielgebung, sie machen eben kein Produkt jetzt, das man sehen kann, also sie machen keine Schuhe oder Schränke, sondern sie vermitteln irgendetwas anderes. Und/und dieses/dieses Element der/der Produktion von/von/von jetzt Bildungsinhalten ist etwas anderes als etwas Naturgegeben - ähm also wenn ich aus der Natur etwas umforme, also Leder zu Schuhen mache, aber nur insofern ist es ein anderes Unternehmen. Es ist ansonsten ein wirtschaftliches Unternehmen.

Sebastian Schöck: Mhm -

Konrad Schily: Nur das Produkt ist anders.

Sebastian Schöck: Und da kann nicht demokratisch einfach so abgestimmt werden?

Konrad Schily: Das würde jedes Unternehmen schnell unter den Hammer bringen, und das sehen Sie ja auch, dort, wo unternehmensfremde Einflüsse (ähm) vorhanden sind. Also wenn meinetwegen die Politik plötzlich in ein Unternehmen rein geht. Es ist etwas anderes, wenn die Politik über Rechtsbegrenzung reingeht, also die Kinderarbeit verbietet, oder sagt, die dürfen keine Gifte ins Abwasser schütten, dann ist es eine Begrenzung, ist aber eine Rechtsbegrenzung, die gilt dann für alle. Und ist sozusagen der Rechtsraum, in dem ich mich bewege als Unternehmen, aber ich bleibe natürlich Unternehmen und/und/und muß mich auf mein Ziel hin optimieren.

(Sebastian Schöck: Mhm. Konrad Schily: Können wir hier unterbrechen? Sebastian Schöck: Gerne. - "Friedel Hans aus Österreich." - Sebastian Schöck: Zusammenfassung der Stichpunkte: Person, Arbeit, Motivation, Unternehmensphilosophie, Hierarchie, Fächer/Inhalte, Studium fundamentale wozu überhaupt, Was ist Freiheit im Geistesleben? Frage, ob eine neue zentrale Steuerung des Geisteslebens durch traditionelle Wirtschaftsbetriebe entstehen kann. "Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe." Bildungsgutschein. Frage der Freiheit im Geistesleben als übertragenswert auf andere Unis oder das ganze Volk. Risiko der neuen zentralen Steuerung durch einen Kulturrat. Nationalitätenlösungsansatz. EG. Ihr Buch. Abgrenzung zur Anthroposophie und Steiner. Institutionalisierter Geist.)

Konrad Schily: Wenn wir uns alle entschließen, daß wir gut sein wollen, dann wirds ganz schrecklich unter uns. Dann kommen wir nämlich dazu zu sagen ja hier, also das ist außerhalb der Vereinbarung. Sie wollten doch immer vorne reingehen, jetzt gehen Sie immer hinten rein. Das ist aber schlecht, wir hatten uns doch da anders entschieden. Und das ist das, was die Studenten ständig vorführen. Die Studenten suchen ständig Türen die eigentlich - die zu sind, das ist Sport, ja. Und da ärgert man (es) sich natürlich, wenn es äußerlich ist in der Ordnung, aber/aber man muß ihnen natürlich immer - muß ihnen immer noch zugestehen, daß dabei ja ne Tür gewesen hat, das ist schon recht (??unverständlich), und das ist wieder eine Aufgabe, und die kann ich ja auch nicht (das kann ich nicht, wenn ich das) wenn ich aber jedem sage, du mußt mindestens eine Tür finden, die verschlossen ist pro Woche, dann ist auch wieder schlecht, dann sagt der, nö, wenn der das sagt, dann tu ich das schon gleich gar nicht, wenn er - wenn er vernünftig ist, wenn er frei ist, ?? eine Trotzreaktion.

Sebastian Schöck: Klappe die zweite.

Sebastian Schöck: Ja, wir sind jetzt in der Freien Universität Witten/Herdecke und ich spreche mit dem Präsidenten, Dr. Konrad Schily und mit dem Herrn Michael Bleks -

Konrad Schily: - dem Leiter des Fundraisings und der Entwicklung.

Sebastian Schöck: Würden Sie sich bitte kurz vorstellen und Ihre Arbeit vorstellen?

Konrad Schily: Der Präsident ist der Erste unter gleichen, das heißt er hat neben sich einen kaufmännischen Geschäftsführer und einen wissenschaftlichen Geschäftsführer. Er vertritt die Universität nach innen und nach außen. Er ist dafür verantwortlich, daß zum Beispiel die Universität auch ihre Ziele definiert, sowohl nach innen wie nach außen und/und er ist sozusagen höchstes Berufungsorgan, wenn/wenn irgendwie jemand denkt, also jetzt werden satzungsmäßige Rechte hier oder so etwas verletzt. Das ist seine Hauptaufgabe, und/und dann gibt es sicher eine ganze Reihe Sonderaufgaben, die er hat, (die) das würde jetzt zu weit führen, die zu beschreiben.

Sebastian Schöck: Mhm.

Bleks: Ja, das Fundraising ist die Tätigkeit, um Spenden aus der Industrie, aus Stiftungen und von Privatpersonen für eine gemeinnützige Einrichtung einzuwerben, und die Öffentlichkeit, was Öffentlichkeitsarbeit ist deswegen bekannt, wir versuchen, unsere Ziele nach außen darzustellen, sowohl an die Förderer, aber auch für die Studenten und die Mitarbeiter. Wir geben eine eigene kleine Zeitschrift heraus und versuchen so, die Freunde über die Entwicklungen der Hochschule auf dem Laufenden zu halten. Denn selbstverständlich ist es so, daß die Motivation, auch in Zukunft weiterzuspenden, davon abhängig ist, ob man mit der Entwicklung einer Einrichtung einverstanden ist oder nicht.

Sebastian Schöck: Was begeistert und motiviert Sie, hier mitzuarbeiten?

Bleks: Ich bin vom ersten Tag an mit dabei. Man wächst mit den Jahren mit einer Einrichtung doch so auch seelisch zusammen, daß es wie - ein bißchen wie ein eigenes Kind ist, und die Begeisterung, die tägliche Begeisterung kommt letzten Endes aus den Begegnungen mit unseren Freunden, aus den Begegnungen mit unseren Lehrenden und den Studierenden, und daß man nach zwölf Jahren den Eindruck haben kann, daß die Ziele, die man sich gesteckt hat, ein Stück weit in den zwölf Jahren erreicht werden konnten, daß man noch einen langen Weg vor sich (tat) hat, auch das motiviert, daß es noch viel zu tun gibt. Letztendlich aber eigentlich immer die Begegnung mit den Menschen.

Konrad Schily: Ich wills wiederum versuchen, kurz zu fassen, ich bin überzeugt, daß wir nicht nur ein Witten-Herdecke, sondern viele Witten-Herdeckes brauchen, die freie Orte sind, wirklich inhaltlich freie Orte. Weil nur über (die) das freie Entwickeln neuer Strukturen dabei und neuer Inhalte ein gesellschaftlicher Fortschritt möglich ist. Gesellschaft muß sich in Universitäten spiegeln können, aber sie muß sich inhaltlich spiegeln können, in ihren Gedankeninhalten, nicht in ihren Tarifsystemen oder so etwas. Also die - was wir in Deutschland vor uns haben, die Übertragung der/der Tarifparteiensysteme auf die Mitbestimmungsstruktur der Univerität -. Es gibt - es gibt da eben die sogenannte Gruppenuniversität, das sind im Grunde die Tarifgruppen. Der Staat ist vertreten als sozusagen der/der Kapitalhalter, es sind die Professoren, leitenden Angestellten (sie) können nicht überstimmt werden, und dann gibt es die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter und die Studierenden. Also im Grunde ist es ein Tarifmodell. Das kann nicht sein, sondern die Einrichtung muß so strukturiert sein, daß eigentlich sie auch immer wieder in sich selbst erneuerungsfähig ist, aus dem, was die Gesellschaft bringt und was sie in die Gesellschaft hineinspiegelt.

Sebastian Schöck: Was ist Ihre Unternehmensphilosophie?

Konrad Schily: Ein bißchen habe ich das eben (ge-)angedeutet. Ich möchte es nochmal anders sagen. Das Gehirn schwebt oder schwimmt in unserem Kopf, es ist da ganz dunkel und schön warm. Es ist völlig autonom. Und trotzdem ist das Gehirn eigentlich für uns nur nützlich, wenn wir mit unseren Sinnesorganen, das heißt, ich taste etwas, ich sehe Sie, ich höre Sie sprechen, ich nehme die Welt wahr, ich nehme die Fragen der Welt wahr, ich nehme die Fragen der Welt mir zu Herzen. Eigentlich erst dann ist das Gehirn richtig nützlich.

Wenn es da nur autonom ist und für sich, (dann ist es, ja -) dann könnten wir auch bewußtlos sein, dann wärs Gehirn immernoch da, und beides ist wichtig. (Die) Das für sich sein und das Hingegebensein an die Welt. Und/und in diesem Spannungszustand zu verharren, also diesen Spannungszustand nicht zu verharren, sondern ihn auszuhalten und daraus etwas zu entwickeln, das ist die Unternehmensphilosophie.

Sebastian Schöck: Wollen Sie was zur Hierarchie Ihrer Unternehmung sagen?

Konrad Schily: Also wir haben -

Sebastian Schöck: Auch zur Rolle der Studenten, wie dieses Verhältnis zwischen den Lehrenden und den Belehrten, sage ich jetzt mal provokativ -

Konrad Schily: Also ich/ich ziele immer wieder ab, ich sage, das ist die Hänselsche Trias, Herr Hänsel, Professor Hänsel, das war ein Professor für Physiologie in Marburg, der zu den Gründern dieser Universität mitzählt, ich glaube nicht, daß er sie erfunden hat, aber ich habe sie von ihm gelernt. Das ist die/die Bezogenheit, die Kompetenz und die Verantwortung. Das heißt, es kann sein, daß die - daß meinetwegen, nehmen wir mal ein ganz einfaches Beispiel, es sind Räume zu putzen und es müssen Menschen da sein, die diese Räume putzen, dann sind die sicher bezogen auf die Arbeit, sie sind auch kompetent darauf hin, aber sie haben die Verantwortung nicht. Das heißt, es muß einer da sein, der dafür verantwortlich ist, daß diese Räume gemacht werden. Und dieser würde jetzt ganz falsch handeln - das hat die moderne Unternehmensstrategie schon lange entdeckt - wenn sie nicht hergehen würde, der Verantwortliche oder die Verantwortliche und sagen würde, wie schaffen wir das, daß morgens um acht die Räume sauber sind. Wann müssen wir anfangen, also wie ist der Arbeitsablauf, daß das mit den Betroffenen und Kompetenten besprochen wird und entschieden wird. Und das können Sie natürlich auch ins Studium hineinspiegeln. Ein Student kann nicht verantwortlich sein für den Gesamtbestand der Universität. Der ist - der ist sozusagen in dem - er ist weder verantwortlich noch kompetent. Aber, um zu sagen, wie sein Studium ist, sein eigenes Studium ist, da ist er wahnsinnig kompetent und auch verantwortlich. Und auch der Bezogene. Nun gibt es da Verantwortung, die er nicht darstellen kann. Also er kann zum Beispiel nicht hergehen und sagen, den Prüfungsinhalt lege ich fest. Sondern da muß die Einrichtung hergehen und sagen, wir sind eine verantwortliche Einrichtung, wenn einer ein Diplom bei uns haben will oder eine verantwortliche Qualifikation, dann gibt es bestimmte Hürden, und über die müssen die Kandidaten springen. Also inhaltlich. Aber jetzt kann die Einrichtung nicht hergehen und sagen wir (le-) stellen fest, wie der Anlauf zu nehmen ist und wie die Strecke ist und so. Das sind diese furchtbaren Festlegungen. Sechs Jahre Medizin in Deutschland - ist eine Barbarei. Warum wollen Sie das nicht in vier Jahren lernen können, das geht sicher. Da legt man den Anlauf und auch die Richtung fest. Das darf die Einrichtung eigentlich nicht tun. Sondern wenn einer kommt und sagt, was wir da wollen, das kann ich alles, nun prüft mich doch mal, dann muß man sagen, vielleicht brauchen wir dafür ein halbes Jahr, das zu prüfen, aber in der Zeit können wir das feststellen. Das wäre das Ideal.

Sebastian Schöck: Welche Fächer und Inhalte vertreten Sie an Ihrer Universität?

Bleks: Wir haben die Fakultäten Medizin, Zahnmedizin, Wirtschaftswissenschaft, Naturwissenschaft, und als gleichrangiges fünftes das Studium Fundamentale. Wir haben innerhalb der Medizin einen Schwerpunktbereich (und) die Musiktherapie, und wir bauen -

Konrad Schily: - als Studienbereich -

Bleks: - als Studienbereich Musiktherapie, und es ist in der Aufbauphase ein Postgraduiertenstudiengang im Bereich der Naturwissenschaften. Dort gibt es einen Schwerpunktbereich Umweltwissenschaften und dort wird in den nächsten Jahren ein Fortbildungsstudiengang - Promoviertenstudiengang eingerichtet werden.

Sebastian Schöck: Was hat das mit dem Studium Generale oder Fundamentale zu tun? Was - Wozu richten Sie so etwas ein, wozu brauchen wir sowas?

Konrad Schily: Ja - ich will mal so sagen, wenn wir Medizin mit Schwerwissenschaften, Chemie oder irgendwas lernen, lernen wir eigentlich akademische Berufe, das sind eigentlich akademische Handwerke. Man lernt, wie man eine Substanz untersucht, wie man eine Brücke konstruiert, wie man ein Klärwerk optimiert, wirtschaftlich und technisch. Man lernt, wie man - wie man in einer Wirtschaft sich bewegen soll, was kaufmännische Buchführung ist, und so. Jetzt sage ich mal ganz hart, ist alles gar keine Wissenschaft. Sondern Wissenschaft heißt ja das: Wie gehe ich methodisch vor, um eine Aufklärung über ein Problem zu kriegen. Und da ist das, was ich in der Praxis tue, immer einseitig, notwendigerweise. Also, ich nehme das ärztliche Beispiel, weil wir die - von - ich bin ausbildungsmäßiger Arzt, ist mir am Geläufigsten, wenn ich Sie jetzt also mit meinen Sinnesorganen untersuche und dann mich frage, was tue ich denn mit den Laborgeräten bei Ihnen - also was machen denn diese - wenn ich diese Erkenntnisse nebeneinandersetze und sage, (was) wie unterscheidet sich qualitativ der Sinneseindruck vom/von dem Maschinenbild, was ich von Ihnen entwerfe, also meinetwegen kernspintomographisch oder ein Röntgenbild oder irgendsoetwas - wenn ich diese Frage erkenntnismäßig untersuche, dann wird es Wissenschaft. Oder wenn ich mich frage, wie komme ich überhaupt zu Erkenntnissen über einen anderen Menschen? Oder, wie ist den überhaupt der Erkenntnisfortschritt im Leben der Menschheit gewesen? Wir sind ja offenbar anders, wir machen ja offenbar andere Dinge als die Griechen. Waren die dümmer, oder was war da. Und auf der anderen Seite sagt man immer, die Griechen haben alles schon angelegt. Das heißt, wie wird aus meinem akademischen Handwerk eigentlich eine Wissenschaft. Das ist Studium Fundamentale. Das Studium Fundamentale kann auch immer in den Fachdisziplinen stattfinden. Also es kann jemand so Anatomie unterrichten, daß es sozusagen auch eine Philosophie ist, auch eine Philosophie ist. Dann ist es Studium Fundamentale.

Sebastian Schöck: Das hat also gar nichts mit Inhalten zu tun, das ist mehr die - ?

Konrad Schily: Das ist eigentlich, wie - (Das/das/das) Das sind zwei wesentliche Aspekte. Das eine ist, wie bilde ich überhaupt - wie werde ich mir klar - wie komme ich zu Erkenntnissen. Überhaupt. Also Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie, Ideengeschichte. das zweite: Was mache ich überhaupt sinnlich mit der Welt, wie setze ich mich sinnlich mit der Welt auseinander. Schaue ich überhaupt richtig hin, beobachte ich scharf genug. Das ist zum Beispiel beim Ärztlichen immer wieder die Frage, oder auch beim Naturwissenschaftlichen. Und das Dritte ist: Wie kriege ich einen breiteren Horizont, also, bin ich denn eben nur Mediziner, oder Chemiker, oder chemischer Mediziner, oder wie kriege ich einen Überblick über den Wissenschaftsprozess überhaupt. Und das ist immer Philosophie, die da auch -, oder Geschichte, oder wenn Sie auf die Sinnesleere (schauen), ist es die Ästhetik, nehmen. Und das sind eigentlich die drei Schwerpunkte.

Sebastian Schöck: Sie sagten, wir bräuchten mehrere solche - mehrere Universitäten Witten-Herdecke sozusagen. Freie Stätten der Bildung. Was heißt Freiheit im Geistesleben oder im Bildungsbereich?

Konrad Schily: Freiheit heißt eben immer Freiheit, es heißt nicht Willkür. Also nicht jeder kann machen, was er will. In der sehr modernen meines Erachtens und guten Verfassung der Bundesrepublik steht: Die Freiheit von Forschung und Lehre ist garantiert, also Forschung und Leere sind frei. Dies entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Das heißt, ich kann jetzt nicht hergehen und sagen, bestimmte Dinge, rassistische Dinge oder so, und das unter die - oder zu kriminellen Handlungen aufrufen und das unter die Freiheit von Forschung und Lehre stellen, das geht nicht. Also auch diese sehr freie Verfassung grenzt das ein. Wie gesagt, also das heißt nicht Willkür.

Die Freiheit heißt aber, etwas prinzipiell als bisher noch nicht Gewußtes, Gekanntes, Gekonntes, sozusagen als Möglichkeit vorwegzunehmen. Wobei Sie den Inhalt noch nichtmal kennen. Also man braucht ja nur 200 Jahre zurückzugehen, stellen Sie sich vor, also die Menschen des/des/des hier, die Menschen der Goethezeit wären nach New York oder Düsseldorf oder Wien gestellt worden, die/die wären auf den Schlag verreckt. Und dieses alles hätte sich nicht entwickeln können, wenn es nicht Forschung gegeben hätte, wenn man nicht immer in Neues und Unbekanntes vorgestoßen wäre. Hat sich ungeheuer produktiv entwickelt. Daß man sagen kann, daß da bestimmte Dinge sehr ängstigend sind, ist ganz was anderes. Freiheit heißt aber auch immer, etwas - das andere als prinzipiell möglich anzuerkennen. Ihre Weltsicht ist unterschiedlich von meiner. Die dritte Weltsicht ist unterschiedlich von diesen beiden. Und dann gilt es erstmal zu untersuchen, warum wer wie Recht hat. Oder warum wie wer Unrecht hat. Und dies ist ein Spannungszustand. Und wenn Sie den irgendwie festlegen, in irgendeiner Weise, und sei es, daß jeder -, daß man sagt, jeder muß eine andere Auffassung haben, sofort, wenn da ein Muß hereinkommt, lähmen Sie den Prozeß. Also für Freiheit muß man sozusagen ein Sinnesorgan entwickeln. Und immer schnu/schnuppern, hat das noch was mit Freiheit zu tun oder nicht. Freiheit enthebt nicht von der Verbindlichkeit. Enthebt nicht von der Verantwortung.

Sebastian Schöck: Wie läßt sich diese Freiheit organisieren oder institutionalisieren? Im großen Stil?

Konrad Schily: Nein, sie kennt - Freiheit kennt immer nur Rahmen. Also es gibt Vereinbarungen, und dann gibt es innerhalb der Vereinbarung - ist die Freiheit vereinbart eingegrenzt. Also wenn es eine Vereinbarung gibt, daß/daß diese Universität ihren Betrieb morgens um halb neun beginnt, und dann sagt einer, ich nehme mir die Freiheit, ich komme immer um halb eins, das ist ein Sonderfall, da muß man drüber reden. Oder man kann auch sagen, ne, wir gestatten es nicht. Aber da gibt es eben auch Verantwortung. Aber das ist ein ganz anderer Bereich, das ist der Bereich der Organisation. Die geistige Freiheit selber ist prinzipiell nur in dem Bereich eingrenzbar, daß sie sagt - daß man sagt, also im Sinne der Verfassung, dies enthebt nicht von der Treue zur Verfassung. Ansonsten können Sie sie nicht institutionalisieren.

Sebastian Schöck: Es gibt den Gedanken eines Kulturrates. Wir haben ja jetzt hier eine behördliche oder politische Schulaufsichtsbehörde oder - und wohl auch ähnlich bei den Universitäten. Wäre es nicht sinnvoller, wenn/wenn also diese Aufgabe der Schulaufsicht oder auch der inhaltlichen - vor allem der inhaltlichen Vorgaben an das Bildungswesen, daß die von/von/von den Bildung Treibenden gemacht werden, und nicht von Politikern?

Bleks: Da kommen wir ja zurück in die Diskussion um die Freiheit. In der Regel haben wir bei dem Begriff Freiheit so eine Assoziation Freiheit wovon. Herr Schily hat gerade eingeführt den Begriff der Verbindlichkeit, der die Kehrseite der Medaille der Freiheit ist. Die Frage bei der Freiheit wofür deutet ja auf etwas hin, das mit der Initiativfreiheit des Menschen zu tun hat, daß man sich frei entschließen kann, bestimmte Aufgabenstellungen beispielsweise in der Forschung oder im Bezug auf gesellschaftliche Fragestellungen zu übernehmen. Wir kennen heute ja den Begriff der Gewissensfreiheit, daß man also in Bezug auf seine Entschlüsse, in Bezug auf sein Denken und sein Handeln nicht durch irgendwelche Sanktionen ein- oder ausgegrenzt wird. Wenn wir - wenn Sie das auf die (auf die) Studenten beziehen, dann ist man ja immer sehr sehr schnell bei den - insbesondere bei privaten Universitäten bei dem Produktbegriff. Und dann ist wieder die Frage, was hat das eigentlich mit der Freiheit des Einzelnen zu tun? Und ich denke, es geht bei der Freiheit - bei einer freien Ausbildungsstätte kann es nicht darum gehen, daß die Studenten einem Produktbegriff unterzogen werden, und man dabei wieder so täte, als wüßte man vorher, wie sie aussehen müssen - Produkt muß ich beschreiben können.

Hat eine Ausbildung hauptsächlich an einer freien Stätte damit zu tun, daß jemand selbstverantwortlich das aus sich macht, was als Möglichkeit in ihm steckt. Und ich muß als Universität Rahmenbedingungen bieten. Also ich kann ihm nicht sagen, wie er in fünf Jahren auszusehen hat. Dann bin ich aus der Freiheit raus. Ich kann ihn aber sehr wohl befragen, ob er sich diese Frage gestellt hat, was er sein möchte, und auch, was wir vielleicht gemeinsam in Zukunft zu tun haben. Ich habe die Vorstellug, daß wenn man wieder eine übergeordnete Institution, jetzt nach dem Ministerium einen Kulturrat oder was auch immer, einrichtet, der darüber abstrakt nachdenken soll, wie denn Bildung sein soll, sind Sie ganz schnell wieder bei der Vorstellung, daß abstrakt sozusagen unabhängig von der Bildung des Einzelnen in der Selbstbildung ist, etwas definiert wird, was in Richtung eines Produktbegriffes geht. Und das kann es ja nicht sein, dafür kann man ja die Freiheit nicht anstreben. Ein Kulturrat kann doch meineserachtens nur insoweit Sinn machen, indem es die konsensfähigen Rahmenbegriffe und Rahmenverhältnisse für Forschung, für Lehre und für Ausbildung definiert, und ich denke, dafür gibt das Grundgesetz einen ausreichend liberalen, ausreichend freien, aber auch definierten Rahmen ab. Ich sehe nicht, wofür man darüberhinaus noch einen Kulturrat gegenwärtig bräuchte. Es ist eine andere Frage, inwieweit vielleicht in Zukunft freie Bildungseinrichtungen untereinander eine Art von Koordinationsstelle benötigen, um Erfahrungen auszutauschen und solche Dinge. Aber das liegt gegenwärtig nicht an.

Konrad Schily: Und es wäre ein Bereich im organisatorischen Rahmen, also die/die - in meinem Buch versuche ich darzustellen, daß - es gibt eine wichtige Aufgabe des Staates, der einen Freiraum, den Rechtsraum definiert, er darf sogar bestimmte Standards vorgeben, also er kann sagen, eine Hochschule ist ein Gebilde, das die und die beruflichen Qualifikationen vermittelt, aber wenn dann eine Institution antritt und sagt, das können wir, dann gibt es eben auch den Rechtszwang, das anzuerkennen, und die Chance dadrinnen wäre, daß es eben ausgesprochen viele verschiedene Institutionen geben würde, die sich auch untereinander sehr stark differenzieren. Und es wäre gar nicht schlimm, wenn es eine landwirtschaftliche Hochschule geben würde, die würde mehr mit Agraringenieuren kooperieren, und eine landwirtschaftliche Hochschule, die/die mehr mit Biobauern, wie man das heute so sagt, obwohl das ja irgendwo ein/ein/ein doppeltgemoppelter Begriff ist, - also warum sollen die sich nicht zusammenschließen und sagen, wir wollen eine Forschung und Lehre haben in dem Bereich. Warum wollen Sie die Bauern ausschließen? Warum wollen Sie das vorgeben. Und (und wenn) dazwischen steht die freie Institution, wenn/wenn/wenn/wenn die Institution jetzt nicht keinen eigenen Charakter entwickelt und sagt, also, wer hier Biobauer wird und die Hochschule verläßt und hat noch nicht mal Ahnung, was modernerweise heute betriebswirtschaftlich da los ist und so, das können wir uns gar nicht erlauben. Dann kommt - das ist ja ein - ein durchaus dreiseitiges Verhältnis: die Studierenden, die Institution, und die Gesellschaft, sprich, die Praxis.

Sebastian Schöck: Wie - glauben Sie, daß die Politiker also diese Standards vorgeben sollen oder diese konsensfähigen Rahmenbegriffe. Also ich habe irgendwie ein bißchen Probleme damit, daß eben Politiker, oder vielleicht in unserem System eher Parteien eben Inhalte - vor allem in den Schulen weiß man halt, daß/daß fast alle Inhalte, sogar die Lehrbücher, alles vorgegeben wird, also fast alles vorgegeben wird, und das ist doch irgendwo ein Problem, das eigentlich also nicht die Pädagogen und nicht die Schüler - also nicht die Betroffenen - sondern eben Außenstehende, ich empfinde sie als dem Kulturleben außenstehend - daß Politiker diese Rahmenbegriffe und Inhalte - also nicht nur Rahmenbegriffe, das wäre ja noch akzeptabel?

Konrad Schily: Also, Sie können es vielleicht schon so sagen, wir haben die Kulturhoheit der Länder, und die haben untereinander sozusagen ein/ein/ein Kartell gebildet, das nennen sie dann die Kultusministerkonferenz, wo sie sagen, also wir bewegen uns alle gleichmäßig, und dann können Sie genausogut formulieren, daß dann das Parlamanet, das Landesparlament zur pädagogischen Konkurrenz erhoben wird. Und das ist genau wie Herr Bleks sagt, wo Produkte vorgeschrieben werden. Und da trommelt dann die Industrie, was da sein müßte, und da trommeln dann die Parteien, was da sein müßte, also das sind Managementfragen und Inhaltsfragen, definitorische Fragen, keine Rechtsfragen, die da abgestimmt werden. Und die gehen nach dem parlamentarischen Prinzip. Und so hatten Sie in den letzten zwanzig Jahren bei uns die wunderbare Debatte über die mathematische Mengenlehre, ob die nun in den Schulen sein sollte, und wenn die CDU in der Mehrheit war im Landesparlament und die Mengenlehre wurde eingeführt, dann war die SPD in diesem Land schwer dagegen, in einem anderen Land hatte die SPD die Mehrheit, kraft Kartell führte sie sie dort ein, die Mengenlehre, und die CDU war dagegen. Das war -, ja, das war nichts als ein Durcheinander. Und so finden Sie das an vielen Stellen. Der Staat soll uns - soll - der Staat - die vornehme Aufgabe des Rechtsstaates ist, den Rechtsraum zu definieren. Aber keine Inhalte vorzugeben.

Bleks: Außerdem hat die Politik und die Parteiendemokratie, insbesondere die Politik, die Aufgabe, Macht zu akkumulieren, also das ist so, und die Parteiendemokratie hat die Aufgabe, Interessen auszugleichen. Und beides hat in dem Ausbildungswesen überhaupt nichts zu suchen, denn das Ausbildungswesen orientiert sich immer auf das einzelne Individuum, und das kann nicht Gegenstand - oder die Forschung auch kann nicht Gegenstand von Machtakkumulation sein oder auch von Interessensausgleich, sondern nur von Wahrheit.

Sebastian Schöck: Es würde also (ein) das Risiko einer neuen zentralen Steuerung auch entstehen, wenn man einen Kulturrat einrichten würde, (wenn er eben über die) wenn er auch Inhalte vorgeben würde?

Konrad Schily: Ja, er wird entweder ein Kartell oder wollen wir mal sagen geistig gesprochen eine Loge. Alle, will mal sagen, jetzt geistig schwarzhaarigen tun sich zu sammen und sagen wir machen das - meistens werden sie grauhaarig sein, und dann wird das so (so) organisiert. Und wenn sie (denen) diesem Rat die Macht geben, dann wird das eben wieder gleichfarbig.

Sebastian Schöck: Können Sie eine positive Vision eines solchen Kulturrates sehen, also eine aus Ihrer Sicht sinnvolle?

Konrad Schily: Nein, der Herr Bleks hat das gerade gesagt, nur im Sinne der gegenseitigen Unterstützung. Also der organisatorischen Unterstützung.

Sebastian Schöck: Entsteht nicht die Frage hier, in der Art wie Sie die Universität finanzieren - also durch Wirtschaftsbetriebe, also das Risiko, daß die Wirtschaftsbetriebe da irgendwo inhaltliche Vorgaben geben -

Konrad Schily: Die Gefahr ist immer da.

Bleks: Außerdem muß man da vielleicht eine kleine Korrektur anbringen. Wenn Sie das statistisch aufdröseln, von wem kommt eigentlich das Geld, dann können Sie sehen, daß in den letzten Jahren zu 77 % das Geld aus Stiftungen gekommen ist, zu 16 % aus Unternehmen und der Rest von Privatpersonen. Insofern ist nicht mal formal - das ist ja eine Vermutung, die Sie da gerade ausgesprochen haben - eine Abhängigkeit da. Außerdem gibt es nicht eine oder zwei, sondern es gibt über 400 Firmen, auf die sich diese Förderung von nur 16 % des Gesamtetats verteilt.

Konrad Schily: Andererseits würde ich es jeder freien Einrichtung wünschen, daß sie in einem gewissen Maße von den Studierenden und der Gesellschaft abhängig ist. Denn sonst entstehen diese/diese lebenden Fossile, also Institutionen, die eigentlich schon lange überlebt sind und die nicht mehr erneuerungsfähig sind. Sie werden einfach als Institutionen weiterfinanziert. Es wird nicht die Aufgabe finanziert, also Studenten auszubilden, zu forschen oder irgendwas, sondern die Institution ist zu finanzieren, schließlich gibts jetzt dieses Ding. Das haben staatliche Systeme, weil sie eben - haben das so an sich, weil sie im Rechtsbereich gegründet worden sind. Und ein Einfluß der Industrie ist natürlich auch über die Politik gegeben, ist ja klar. Ist ja auch - würde ich auch noch gar nicht mal für falsch halten, weil/weil wer solls den eigentlich wissen, ja, also die Industrie muß schon sagen dürfen, daß/daß die/die Neuankömmlinge bei ihnen lesen und schreiben können müssen.

S. Sie reden von einer Abhängigkeit auch von den Studenten speziell,

S. da komme ich auf den Gedanken des Bildungsgutscheins, das wäre also eine Steuerung der Gelder pro Person und nicht pro Institution. Dadurch würde natürlich eine Steuerung der Universitäten oder Schulen vielleicht finanziell auf den Kopf gestellt oder auf die Füße gestellt.

Konrad Schily: Also wir haben ja zwei Prinzipien. Auf der einen Seite haben wir Leistung und Gegenleistung, und auf der anderen Seite haben wir den Prinzip des Schenkens, das ein - wenn ich das Kind an der Mutterbrust schon berechne, was bringt mir das in der Rente, das ist nicht ein gedeihliches Stillen würde ich mal sagen. Eltern schenken in die Kinder hinein und müssen das auch tun, und die Gesellschaft muß natürlich in die Jugend hineinschenken, in die Kultur überhaupt. Und sie muß es - sie müssen es ja nicht, aber sie muß es im übertragenen Sinne tun, damit, weil wenn sies nicht tut, dann stirbt diese Gesellschaft aus, entweder kulturell oder biologisch, wenn Sie keine Kinder mehr haben. Ein bißchen davon haben wir ja diese Probleme bereits.

Das Zweite ist, jetzt habe ich ja die Frage, wer soll eigentlich studieren dürfen, und da kommt (das) die Frage der Elite, die wir heute immer mit Privileg verwechseln, also die Frage der goldenen Wiege oder des silbernen Löffels wie die Engländer das sagen - er ist mit einem silbernen Löffel geboren und wir sagen, er ist in einer goldenen Wiege geboren, und das sind dann eben die besseren, die die besseren materiellen Chancen haben.

Nun könnte ja der Staat so organisiert sein, daß er sagt, also jeder, der, was weiß ich, 18 Jahre oder 19 Jahre ist, der von einer Hochschule akzeptiert wird, bekommt fünf Jahre lang einen Bildungsgutschein. Der wird aber immer nur gültig, dadurch daß eine Universität ihn akzeptiert, mit einem Stempel oder was weiß ich versieht, mit einem Signum, und dann wird er was wert, dann kann die Universität ihn einlösen, also das ist kein marktfähiges Produkt, womit ich da handeln kann. Und in dem Moment, wo die Studierenden dann sagen würden, wir sind für einen großen Teil dieser Finanzierung hier zuständig, würden sie nicht mehr die Füße unter den Tisch ihrer Institution stellen, sondern würden sagen, Moment, ich bin hier vollkommen auch wirtschaftlich gleichberechtigtes Mitglied. Und selbstverständlich würden sich dann auch die Hierarchien verändern. Deswegen bräuchte die Institution ihren Charakter gar nicht aufzugeben, aber sie müßte ihn ändern. Und jetzt können die Studenten lange rumlaufen und streiken oder was, das rührt keinen, wieso, was wollen die eigentlich, ja, wir tun eh soviel für die. In dem Moment, wo die, was weiß ich, in irgendeiner Universität oder bei uns - sagen würden, wir streiken nicht nur, wir kommen gar nicht mehr und wir zahlen vor allen Dingen auch nicht, - dann wäre ja Holland in Not. Dann muß ich mit denen wohl reden.

Sebastian Schöck: Ist es nicht ein Risiko, wenn die - wenn die zu Belehrenden, sag ich mal, die Steuerung finanziell übernehmen würden, also weil man denkt ja wohl normalerweise vielleicht, daß die Intelligenten also die Weisen also die - vielleicht die Professoren entscheiden sollen, was gelehrt wird, wenn man jetzt plötzlich den/den Studenten alle Gelder, alle Kultur oder alle Schulbildungsgelder pro Person auszahlen würde und gar nicht mehr, nichts mehr an die Institution -

Konrad Schily: Man braucht das ja nicht vollkommen zu vereinseitigen. Sie können auch - Die Bildungsgutscheine kann zum Beispiel - können nicht die Forschungshaushalte abdecken, das geht gar nicht. Also es würde so, es würde da landen, wo es bei allen - bei guten amerikanischen Universitäten landet, bei 25 bis 35 Prozent des Budgets. Wiederum wäre es ja so, die Institution muß sagen, wir sind so selbstbewußt, daß wir sagen, wir bieten etwas sehr Gutes an und wir sind auf den Einzelnen nicht angewiesen. Das kann schon sein. Aber der Charakter würde sich ändern, man würde schon mehr hinhören. Und das wäre auch gar nicht schlecht. Es sind ja - auf der anderen Seite sind es ja - Herr Kappler betont das immer wieder, Herr Kappler ist bei uns der Gründungsdekan der/der Wirtschaftswissenschaft gewesen - der sagt, Universität ist die Veranstaltung unter unwiederbringlich Erwachsenen. Also man ist ja nicht plötzlich dann wieder sozusagen unmündig, indem man in die Universität hineingeht. Man ist nur wollen wir mal sagen unmündig in bezug auf irgendetwas, und das heißt nicht unmündig, sondern nicht kompetent. Ich bin zum Beispiel als Jurist nicht kompetent. Trotzdem sagt mir der Polizist an der Straßenkreuzung, also, hier hat man sich so zu bewegen, dann sag ich, also ich bin ja kein Jurist, dann sagt er, das spielt gar keine Rolle, Sie sind mündig und Sie sind für Ihre (Hand-, für Ihre) rechtlichen Handlungen verantwortlich. Selbst wenn das Recht nicht so eindeutig ist wie an der Kreuzung. Also die Mündigkeit hebt sich nicht auf, nur der Charakter, wie es denn läuft, der wird mehr wollen wir mal sagen, mehr dem modernen Management entgegenkommen, im Sinne der Dienstleistung. Kann man sich ja auch mal für eine Stadt überlegen, daß die Aufgaben finanziert werden wirklich, und nicht die Institution der Kommune. Und wo man das gemacht hat in der Welt, haben sich die/die sogenannten Beamten sehr bewegt. Gibts schöne Beispiele heute.

Sebastian Schöck: Haben Sie eins?

Konrad Schily: Ja, Dallas/Texas zum Beispiel, nicht Dallas, ähm, Phoenix/Arizona, hat eine - ist wirklich eine Millionenstadt, hat - da gibt es heute eine Müllabfuhr, die konkurriert gegen die privaten Müllabfuhren, und sie ist stolz, daß sie etwa 50 Prozent aller Stadtteile für sich gewinnen konnte. Aber der Service, den die anbieten, ist natürlich ein völlig anderer geworden innerhalb dieser - in der Kompetition, in der wirtschaftlichen - im wirtschaftlichen Wettbewerb gegen private Anbieter. Nur ein Beispiel unter vielen. Die haben das sehr durchgängig gemacht in ihren gesamten Leistungen, von der Sicherheit bis - und ja, der Stadtcharakter soll sich ganz gewaltig verändert haben.

Bleks: Ich wollte zum Bildungsgutschein noch was sagen. Herr Schily hat ja vorhin ausgeführt, daß die Universität nicht nur Dienstleistungscharakter hat, sondern auch in einem - oder Ausbildung überhaupt in einem Schenkungszusammenhang steht. Wenn man Universität nur als Dienstleister sieht, fallen sie aus einem - aus diesem Freiheitsgedanken, daß der Studierende werden kann, was er werden will, ein bißchen raus, weil sie beim Dienstleistungszusammenhang natürlich an Produkte denken. Insofern ist eben eine Ausbildungseinrichtung nie nur ganz Dienstleister, was ich auch da schon in Frage erheben würde, gegen wen eigentlich. Wem gegenüber eigentlich, das ist eine mannigfache Beziehung. Auf der einen Seite gegenüber den zukünftigen Arbeitgebern, dem Berufsstand der Gesellschaft überhaupt, aber auch gegenüber den Studenten. Und ich hab den Eindruck, daß die/die Überlegung des Bildungsgutscheines letztendlich eine - ein Bild von Ausbildung hat, was sich fast vollständig auf den Dienstleistungscharakter bezieht. Ich meine, es hängt die Zukunft der Finanzierung von Universitäten dann auch ein bißchen davon ab, ob sich Universitäten oder Ausbildungsstätten überhaupt darauf verständigen können, welche Aufgabe sie haben. Denn die Selbstdefinition von Ausbildung wird mitbeeinflußt davon, wie die Finanzierung geregelt wird. Das ist ja gerade das Thema heute, worüber viel kritisiert wird, daß der - die staatlichen Universitäten so vollständig an einem Tropf der Ministerien hängen. Und das ändert sich schon auch in der gesamten - das darf man jedenfalls erwarten, auch in der Stimmung einer Universität wird sich einiges ändern, wenn über - wenn die Finanzierung über einen Globalhaushalt geregelt wird. Und ich denke, hier sind für die Zukunft noch Finanzierungsmodelle zu überlegen, die sich ableiten lassen von dem, wie sich eine Universität definiert. Definiert sie sich als Dienstleister, definiert sie sich als Partner beispielsweise, das wäre mal was anderes, und ich denke, das kann sicher ganz ganz unterschiedliche Möglichkeiten auch der Finanzierung in Zukunft geben, aber sie werden sich sicher ableiten lassen müssen, wenn sie sachgerecht sein sollen, von der Art, wie sie sich selbst definieren.

Sebastian Schöck: Sie würden aber doch eigentlich definiert werden durch den einzelnen Studenten, wenn er - wenn sie weglaufen oder zulaufen. Das heißt also, daß eine Uni schnell merken würde, ob sie - ob sie das Bedürfnis wirklich trifft, einfach an der Besucherzahl und ein Student wäre halt sehr frei, wenn er einen Bildungsgutschein hätte, könnte er eine eigene Uni gründen, mit 50 anderen Studenten.

Konrad Schily: Das könnte er, müßte er auch dürfen. Nur, es würde schon dann auch, also ich glaube, daß das sehr schnell entstehen würde, daß ich weiß, was ist das für eine Institution. Was kommt da heraus. Also es ist dann nicht mehr das Diplom für - und dann muß ich überhaupt erstmal kucken, ob der was kann, sondern ich sage, wo kommen Sie her. Und dann zeigt eben die/die/die Universität, die hat einen eigenen Charakter. Und ich meine nicht, daß wir amerikanisches Hochschulsystem hier einführen sollen, aber, das können Sie natürlich in den USA beobachten. Zwei Dinge können Sie beobachten. Die Konkurrenz um Studierende, um gute Studierende der privaten und der staatlichen untereinander, die sind teilweise ja auch privat organisiert. Also wenn Sie Michigan State nehmen, das ist nahezu wie privat organisiert. Und auf der anderen Seite, die Studierenden haben - greifen nicht die Institution an, aber sie haben ein anderes ständing innerhalb des/des/des der Universität. Also wenn die sagen, dieser Professor kommt zu spät, dann ist das ein sehr gewichtiges Wort. Und wenn der keine Studierenden mehr hat, dann muß die Universität entscheiden, ob der für die Forschung so wichtig ist, aber für die Lehre scheint er nicht wichtig zu sein. Das merkt die Universität auch wirtschaftlich, und das sehr nachhaltig. Also das Bewußtsein ändert sich. Das ist nicht eine Frage, daß sich - daß sich da gleich alles ändert, aber das Bewußtsein.

Sebastian Schöck: Können Sie etwas zum Nationalitätenproblem sagen, wie man damit umgehen könnte.

Konrad Schily: Auf Deutschland bezogen jetzt oder - ? Die Universität der Zukunft in Europa ist die europäische Universität. Die hat - die hats eigentlich mal gegeben, und zwar zu einem kurzen Zeitpunkt im/im 18. Jahrhundert, als aufgeklärte Monarchen regierten. Die/die - in dem - dann wurden die Studierenden freizügig, Jaspers beschreibt diesen Prozeß sehr schön, und konnten von Königsberg nach Straßburg nach Montpellier, (nach) an die Sorbonne, nach Italien und so weiter gehen, und sie haben es auch getan. Natürlich nicht alle, aber viele, und das hat eine große Mischung gebracht. Interessanterweise war die Universität in der Zeit vielsprachig. Man sprach eben französisch, englisch, deutsch, das war ganz klar, weil man die Texte halt lesen wollte. Und/und das vergessen wir immer, Goethe, Schiller und wie sie alle hießen, waren intelligente Leute, aber die - was wir immer vergessen, daß die selbstverständlich alle vier, fünf Sprachen hatten. Und das war für einen Studierenden auch ganz normal. Der konnte Griechisch, Latein, seine Landessprache, Englisch, Französisch, meistens auch noch Italienisch, Spanisch. Viele, die aus Rußland kommen, konnten dann auch zusätzlich noch Russisch.

Sebastian Schöck: Und zu der Frage, wie man jetzt mit diesem Rassismus umgehen kann, irgendwie, und wie das mit dem Geistesleben zusammenhängt, vielleicht das Individualrecht und dieses Gruppendenken, Nationendenken, möchten Sie da etwas sagen?

Konrad Schily: Also die Nationalstaatsidee ist eine der falschesten Ideen der letzten 150 Jahre. Und/und die Frage der - daß sozusagen der Stamm die Macht erwirbt, ist etwas Furchtbares. Und wir werden das schon überwinden müssen, daß die Verwaltungsgrenzen keine Sprachgrenzen sein müssen. Und das können eben Verwaltungsgrenzen, Wirtschaftsgrenzen, Sprachgrenzen, können vollkommen schwimmend sein, und/und in allen vernünftigen Demokratien, im Libanon war das früher so auch, das war die Schweiz des Vorderen Orients, ja, vor vielen Jahren, und da sprach (da sprach) man in der Regel vier Sprachen. Da wurde man eben auch so erzogen, das war wichtig, daß man die Drusen verstand, und die Mauniten verstand und selbstverständlich ging man in eine englische oder französische Schule oder - oder oder, ja, und sprach in der Regel vier Sprachen. Und - und solange die das machten und da noch keine Stammesfehden waren, ging das ja auch gut.

Sebastian Schöck: Können Sie was zum EG - zur EU, zur Europäischen Union (sagen) - ?

Konrad Schily: Jaja, ich sag auch immer noch EG, ich weiß nicht wie Herr Bleks dazu denkt, ich meine nur eins:

Konrad Schily: In einer Zeit, da jede vernünftige größere Firma versucht, flache Hierarchien herzustellen, pfropfen wir auf jede Bürokratie in Europa - und wir haben derer viele und/und/und sehr hochgestachelte - noch eine obendrauf, die kein Mensch mehr durchschaut. Ein Europa, das hergeht und sagt, wir vereinfachen die Dinge, wird jeder Europäer begrüßen. Ein Europa, was hergeht und sagt, da gibts irgendeine Behörde, die kein Mensch mehr durchschaut, und deswegen gibts jetzt nur noch zwei Sorten Äpfel, weil die festgestellt haben, daß im Sinne der europäischen Verordnung Schokoladenweihnachtsmänner auch Schokoladenosterhasen sind, das versteht eben keiner mehr. Und das wird lähmen.

Also Europa ist natürlich völlig richtig. Nur es muß ein ganz starker politischer Willen entstehen, die Hierarchien abzubauen. Und die Hierarchien zu dezentralisieren. Also vor Ort das zu bringen. Vor Ort. Das ist ja auch immer wieder das, was eingefordert wird, also nicht nur von mir, sondern auch von vielen Politikern, was auch im Maastricht-Vertrag steht im Prinzip, ist ein wichtiger Satz, daß das, was vor Ort entschieden werden kann auch gefüllt wird (?), nur man muß es dann auch wirklich tun. Und/und Europa muß sich zurückziehen auf die ganz großen, allgemeinverbindlichen Dinge. Also auf die Garantie der Menschenrechte, und auf Arbeitssicherheit, und auf alle diese Dinge. Und dann werden die Menschen sagen, es ist toll, ja, wir sind Europäer.

Bleks: Man kann das, glaube ich - Die/die Wirkung von Europa kann man an dem Vergleich zwischen den politischen und den wirtschaftlichen Systemen etwas deutlich machen. Da, wo die europäische Vereinigung für die Gleichartigkeit von Verhältnissen - also DIN-Normen und ähnliches, Aufhebung von unterschiedlichen Zöllen, von Steuern und dergleichen, gesorgt hat, sind die Warenströme verflüssigt worden. Überall da, wo sie die Regelungsdichte in die Politik reingebracht haben, ist behindert worden, es wirkt lähmend, die Politik wird auf - wenn die europäische Politik in dem Maße weitermacht wie bisher, wird sie lähmen. Sie sehen das ja auch, daß sich die europäische Politik in bezug auf die Problematik auf dem Balkan überhaupt nicht einigen konnte, hier sind die nationalstaatlichen Interessen maßgeblich. Und eins darf ganz sicher überhaupt nicht passieren, und das ist, daß eine ähnliche Regelungsdichte oder eine Art von Vereinheitlichung in der Kultur angestrebt wird. Da gibt es ja einzelne Initiativen, wenn man zum Beispiel das liest, was (die) über die Entwicklung der Universitäten in Europa geschrieben worden ist, dann hat man es mit einem ganz klaren vereinheitlichenden Bild zu tun, das darf in der Kultur gar nicht sein. Insbesondere in der Kultur muß man die Vielfalt der Religionen erlauben und fördern.

Sebastian Schöck: Können Sie noch etwas zu Ihrem Buch sagen, wozu wir das lesen sollen?

Konrad Schily: Ich habe das Buch geschrieben, weil ich - ich habs ja auch genannt "Der staatlich bewirtschaftete Geist", - weil ich meinte, entwickeln zu müssen, oder immer noch meine entwickeln zu müssen, (daß -) daß wir bestimmte Dinge auch geschichtlich gar nicht richtig sehen. Wir erkennen noch gar nicht, daß wir in Deutschland Humboldt sehr unvollständig gefolgt sind. Humboldt der eine - keine staatsferne Schule, sondern aber eine staatsunabhängige Schule wollte. Zwischen Schule und Universität und Staat allenfalls ein gesellschaftliches - jetzt zitiere ich wohl wörtlich - billiges Kuratorium, was aufpaßt, daß da keine Vetternwirtschaft entsteht und daß bestimmte Standards, also wenn wir das heute formulieren, erhalten werden.

Das zweite ist, wir haben - es geht gar nicht, uns zurückzuwünschen in Deutschland in die gute alte Zeit Preußens. Preußen hat - ist eben nicht Humboldt gefolgt, oder der idealistischen Richtung, das war ja nicht nur Humboldt, sondern hat einen Kulturverwaltungsstaat geschaffen, so daß Dubois Remont am Ende des Jahrhunderts vom geistigen Leiregiment der Hohenzollern gesprochen hat in bezug auf die deutsche Professorenschaft.

Und wir haben eigentlich diesen kulturellen Bereich nicht entwickelt im Sinne einer/einer auch wirklichen Rechtsentwicklung. Die Wirtschaft hat sich entwickelt, es gibt auch ein ganz stark ausgebautes Wirtschaftsrecht heute bei uns, es gibt ein enorm ausgebautes Verwaltungsrecht, fast in allen Staaten, aber ein Freiheitsrecht gibts kaum. Und man weiß eigentlich auch gar nicht, wenn Sie ein Theater gründen oder/oder eine Schule oder eine Hochschule, dann müssen Sie eigentlich immer sich - wir/wir sind eine GmbH, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist eine - das ist eine Sache aus dem Wirtschaftsbereich. Wie man so eine Firma macht, die eigentlich wirklich, jetz wollen wir mal sagen im/im/im Bereich (des) der Bildung sich bewegt, da müssen Sie einen Verein machen oder irgendsowas, aber es sind eigentlich immer nur hilfsrechtliche Institutionen. Ich versuche zu entwickeln, daß der Staat den Rechtsraum geben soll und insbesondere (den) die Bildung nicht vorgeben kann. Das/das Recht muß sich auf Bewährtes stützen. Also ich kann keinen Vertrag schließen und sagen, wir werden mal sehen, wies uns beiden geht in fünf Jahren, sondern das Recht sagt immer, ich will jetzt festschreiben, wie es denn gewesen sein wird, wenn man sich in fünf Jahren nicht mehr verträgt oder so, und wie man dann auseinander kommt. Das Neue kann das Recht nicht beschreiben, weil wirs noch nicht wissen.

Und wenn Sie jetzt die ganze Debatte hergehen und sagen wie, so sehen Sie zum Beispiel, daß - den Bereich des Rechtes, wenn Sie - der/der geht ja auch - ist ja auch hochschulintern oft da, daß die, was weiß ich, jeder Hochschullehrer sagt, bevor der gar nicht so denkt wie ich, kann ich denn auch gar nicht akzeptieren, den Schüler. Na ja, das ist - aber das ist -

Hochschule könnte auch sein: Wir probieren jetzt aus, wies denn sein müßte, also im medizinischen oder im Ingenieurbereich. Nicht nur die neue Erfindung, sondern gesamt, dafür müßte ein neues Studium sein. Also nehmen Sie doch hier die Umweltwissenschaften. Das ist heute eine Addition in der Regel, wenn Sie diese Studiengänge sich ankucken, von Bekanntem. Das ist Meteorologie, und Geodäsie, also Erdvermessung, und Geologie, und Mineralogie, und Biologie, also was man so kann, alles kann, da kriegt (man) jeder ein bißchen davon, und das soll dann integriert werden, der arme Studierende soll das integrieren. Dann soll der Umwelt machen.

Nein. Wir müßten hergehen können und ausprobieren, wie mache ich das. Mit der Industrie, mit der Gesellschaft, auch mit der Politik. Ganz frei. Dann können Sies aber vorher noch nicht beschreiben, weil wir noch gar nicht wissen, was rauskommt. Und wenn Sie das (aus) auf den Bereich des Rechtes nehmen,

der Herr Kirn, ein Professor in Hamburg, hat das mal so charakterisiert: (Das Rechts-) Die Rechtsausbildung - ich weiß nicht, ob ers alleine so charakterisiert, aber von ihm hab ichs - der hat mal so formuliert: Die Rechtsausbildung ist so organisiert, daß wir sie mit vereinten Kräften, die Studierenden, zu Krüppeln schlagen. Das heißt, wir geben ihnen Antworten auf Fragen, die sie gar nicht gestellt haben. Und wenn sie dann unsere Antworten richtig repetieren können, das nennen wir dann die Prüfungshilfe, mit der sie dann durch die Prüfung humpeln. Das ist die Krücke.

Also das Vorstoßen in den neuen Raum kann dann eigentlich nur der Professor, der sozusagen noch nicht alt genug geworden ist, der Neues dann entdeckt und/und neuen Raum gewinnt. Das ist einer der Gründe, warum der Fortschritt so wenig in den Hochschulen vorbereitet wird. Weil man sozusagen nur das Alte pflegt. Eigentlich müßten Hochschulen darüber nachdenken, wie - ständig über neue Weltentwürfe nachdenken, ist natürlich beängstigend. Aber sie müssen es tun, woher soll es denn sonst kommen. Und es ist übrigens auch wieder, wenn ich das sage, nicht daß ich das amerikanische Hochschulsystem hierrübertransportieren will, aber man kann einiges an einem Hochschulsystem beobachten, was freie Züge hat, sehr freie Züge hat. Die Universitäten spielen gesellschaftlich in den USA eine ganz große Rolle. Also wenn Stanford sich äußert oder wenn/wenn das berühmte Harvard sich äußert oder das MIT sich äußert, oder wenn die Studierenden in Harvard oder in Stanford zu dem Commencement, also dem Gründungstag oder zum besonderen Tag (jemanden) einen Sprecher einladen, das wird sehr beachtet. Wen laden die ein. Und die laden da nicht nur so - jetzt Mainstream, also die/die/die Modeleute eine, sondern (die) das sind oft Leute, die/die ganz starke Antithesen vertreten. Und wenn Sie die amerikanische Geschichte sehen, dann ist das sehr stark von denen beeinflußt. Also (sind ein) sie sind in der Gesellschaft lebhaft drin. Und das ist ja ein wichtiges Element.

Sebastian Schöck: Können Sie vielleicht nochmal den Zusammenhang mit dem institutionalisierten Geist sagen?

Konrad Schily: Die Frage nach der Dreigliederung ist das eigentlich,

Dreigliederung Steiners. Ich glaube, daß das eine ganz ganz fruchtbare Idee von Steiner, ganz ganz fruchtbare Beobachtung eigentlich von Steiner ist. Er sagt ja immer wieder, es ist eigentlich eine Entdeckung. Und wir haben drei Elemente: wir haben den Wirtschaftsbereich, den/den/den- wie er das nennt - den geistigen Bereich und wir haben den Rechtsbereich. Und daß diese drei Dinge immer ineinander spielen - Also er will sie ja nicht scheiden, er spricht ja vom Organismus. Wenn Sie hier den Magen hinpacken und dort das Herz, dann ist es kein Organismus mehr, dann ist es ein toter Magen und ein totes Herz. Also sie wirken in einem Organismus - ein Organ wirkt in einem Organismus immer zusammen. Es hat nur eine Tendenz zu - Und natürlich muß auch das Hirn noch ein bißchen stoffwechseln, ist doch klar. Sonst ist das auch tot. Aber es hat eine Tendenz nicht gerade zum verstoffwechseln. Das macht schonmal der Darm und der Magen. Und ich glaube, daß/daß/daß es unheimlich fruchtbar ist, wenn man sich mit/mit Steiners Dreigliederung auseinandersetzt, weil es in Bewegung bringt.

Ich bin nur will mal sagen negativ bewegt, wenn ich dann höre, daß es eine Institution für den freien Geist geben soll. Die Institutionalisierung des freien Geistes ist die Aufhebung des freien Geistes. Und dann haben Sie eben irgendwelche Leute, die über die Wahrheit wachen. Nicht, dann sind Sie schon schnell bei Khomeini. Die Gemeinde in Allah ist einig, und wer nicht einig ist, gehört nicht zur Gemeinde. Und wer nicht bei Allah ist, den kann man ausgrenzen. Dann haben Sie eben - das brauchen Sie aber nicht, (bei) Khomeini hat das nur gut formuliert. Und/und Sie haben dieses Institutionelle immer, nicht, wenn/wenn die Institution für eine Wahrheit war, und eben dann gleich noch die institutionalisierte Wahrheit, dann haben Sie eben eine Kirche, das mögen die gerne tun, besser ist - also wir haben nichts mit der Universität zu tun. Universität heißt erkennen, und Kirche sagt: bekennen. Das ist ein ganz verschiedener Prozeß, und beide sind gültig, nur, wenn Sie in die Universität (wenn Sie Universität) das Bekenntnis reinpacken als erstes, dann ist es ziemlich schlimm.

Sebastian Schöck: Wie stehen Sie - (Moment, erst:) Hat Steiner sich das so vorgestellt mit der Institutionalisierung des Geistes oder - ?

Konrad Schily: Also ich glaube das nicht, also soweit ich das sehe, auch aus verschiedenen Dingen, also ich bin da sicher (kein/kein) nicht der Steiner-Kundige, ja, aber so beschreibt er Waldorfschule zum Beispiel als einen wirtschaftlichen Betrieb. Und der freie Geist ist also nicht irgendwo da übergeordnet angesiedelt, sondern der freie Geist ist halt anwesend oder nicht. Und das liegt in jedem der Mitarbeiter.

Sebastian Schöck: Inwiefern ist eine -

Konrad Schily: Und auch bei den Eltern.

Sebastian Schöck: Inwiefern ist eine Schule oder eine Universität ein wirtschaftlicher Betrieb?

Konrad Schily: Tja nach - der hat - der hat eine ganz große Funktion in der Gesellschaft. Schüler, die nichts lernen, die nicht kreativ sind, die/die werden auch nichts zuwege bringen, oder weniger zuwege bringen. Dann hat die Industrie dann große Mühe, das denen alles beizubringen oder sie freizumachen, da gibts dann so - so Trainee-Programme für "Entdecke dich selbst", und daß du was kannst, oder dann werden sie nach irgendwo, nach Kanada geschafft und dürfen vier Wochen auf Bärenjagd oder Bärenpirsch gehen oder sowas, ist ja alles nur Unsinn.

Sebastian Schöck: Ist etwas spät.

Konrad Schily: Ja.

Sebastian Schöck: Wie stehen Sie zu Steiner und zur Anthroposophie?

Konrad Schily: Ich stehe zu Steiner sehr sehr positiv, ich halte ihn für einen der ganz ganz großem Geister dieses und des vergangenen Jahrhunderts, ich glaube, daß er den deutschen Idealismus und Goethe wirklich weiterentwickelt, ich glaube, daß es gar nicht um die (um die) Auseinandersetzung mit Steiner gar nicht herumkommen. Es ist schade, daß es so wenig kritische Auseinandersetzung gibt. Also man findet sozusagen nur Leute, die sagen, davon habe ich mal gehört, das war sehr lustig, und es gibt die anderen, die sagen, also wenn Sie meinen, Steiner hätte da nicht Recht, dann müssen Sies nochmal richtig nachlesen. Es ist auf beiden Seiten nicht eine sehr fruchtbare Auseinandersetzung.

Sebastian Schöck: Was halten Sie von der anthroposophischen Gesellschaft?

Konrad Schily: Das ist eine feine, nette Gesellschaft, die sicher Gutes tut. Ich bin dort nicht Mitglied und - und die tut sicher lobenswerte Werke.

Sebastian Schöck: Wie steht die Universität zur Anthroposophie?

Konrad Schily: Die Universität steht zu keiner Weltanschauung. "Die Universität" weltanschaulich gibt es nicht. Es gibt hier nur Studierende, Mitarbeiter, die jeweils für sich selber bezogen kompetent und verantwortlich im Bezug auf Weltanschauung sind. Der Unterschied nur ist, daß in einer Universität man darüber spricht, und das ist der Sinn der Universität, warum man was wie interpretiert, also erläutert. Man sagt eben: ich glaube, es ist folgendermaßen. Also dann glaube ich an das Modell. Und Universität muß immer zulassen, daß jemand anders das nicht glaubt. Also wir sind wahrscheinlich alle im Raum überzeugt, daß es das Modell der Schwerkraft gibt und daß das eine feine Sache sei und daß damit man ganz viel erklären kann. Universität muß immer zulassen, daß einer auftritt und sagt: das erklärt nur die halbe Wahrheit. Dann sind wir in unserer Weltanschauung erschüttert. Würden sagen: ja was hier, oben und unten so, das solls alles gar nicht mehr geben? Und dann kommt der und sagt: also, wenn man genau hinkuckt, ist das alles ganz anders. Und das muß Universität zulassen, das ist ihr Sinn.

Nun, solche weltumkrempelnden Beobachtungen gibt es selten. Und meistens haben die dann hundert Jahre Zeit bis die Menschheit das überhaupt begreift und die Universitäten auch. Aber je stärker sich die Universität sich diesem Idealbild nähert, daß sie sagt, warum wer was wie interpretiert. Warum denkt einer, wie er denkt, falls er denkt. Das ist eine der Grundfragen des Studium Fundamentale und eine der Grundfragen der (Univer-) der Wissenschaft überhaupt.