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Die Folgen des Immobilienhandels für Demokratie und Kultur
Vortrag am 3. Abend des Arbeitskreises Finanzkrise und soziale Dreigliederung (jeden 1. und 3. Montag im Monat, 19:15 Uhr, Sinnewerk gGmbH, Rigaer Str. 104, 10247 Berlin. Kontakt: Andreas Schurack, 030/27496797, oder Johannes Mosmann 030/26305202)
Einleitung
Liebe Freunde,
Das letze Mal hatten wir gesehen, dass es zwei ganz verschiedene Vorgänge sind, ob ich Geld für eine Ware gebe, oder ob ich Geld für den Boden gebe. Wenn ich Geld für die Ware gebe, dann wird dieses Geld die Grundlage der Reproduktion dieser Ware, wird Kapital für die nächste Produktion. Der Produzent erbringt eine Leistung für mich, und indem ich Geld dafür gebe, das ja wiederum ein Repräsentant von Leistungen ist, tausche ich Leistung gegen Leistung. In der arbeitseiligen Wirtschaft muss deshalb die Leistung des einen Menschen in das richtige Verhältnis zu der Leistung des anderen Menschen gebracht werden können, wenn das ganze funktionieren soll. Denn unser Leben hängt seit dem Augenblick, da wir von der Selbstversorgung zur arbeitseiligen Wirtschaft fortgeschritten sind, nicht mehr nur von der Natur, sondern ebenso von den weltweiten Preisverhältnissen ab.
Etwas ganz anderes als eine Ware ist der Boden. Denn der Boden als solcher unterliegt nicht der Arbeitsteilung. Er ist vielmehr die naturgegebene Grundlage der arbeitseiligen Wirtschaft. Und das Verhältnis, das der Mensch zu dieser Grundlage haben kann, ist etwas ganz anderes als das Verhältnis, das er zu einer Ware haben kann. Den Boden als solchen kann ich weder produzieren, noch kann ich ihn konsumieren. Wenn ich etwas konsumieren will, dann muss eine Arbeit vorangehen, und sei es nur, dass ich etwas aufsammle. Das, was ich so erarbeitet habe, das kann ich mir bezahlen lassen, das muss ich mir sogar bezahlen lassen, wenn ich leben will. Leistung muss gegen Leistung getauscht werden. Das ist ein Wirtschaftsprozess. Der Boden selber hat mit dieser Frage gar nichts zu tun. Der Boden kann keinen Preis haben. Denn in Bezug auf Grund und Boden stellt sich nur eine Frage: habe ich das Recht, an dieser Stelle zu leben und zu arbeiten, oder hat es ein anderer. Das ist ausschliesslich eine rechtliche Frage. Und wir sind bei unserem letzten Treffen soweit gekommen, dass wir das Ideal dieses Rechts formuliert hatten. Wir hatten gesagt: wenn wir demokratische Verhältnisse hätten, dann wäre die demokratische Mehrheit immer bei dem, der den Boden am ehesten im Interesse der Gemeinschaft zu nutzen weiß.
Im Augenblick haben wir keine demokratischen Verhältnisse. Das Recht ist käuflich. Im Augenblick wird das Recht mit Geld gekauft. Es beruht nicht auf einem rechtlichen Prozess, dass ausgerechnet ich an diesem Ort stehe und nicht ein anderer, sondern das beruht darauf, dass ich Geld dafür gegeben habe. Das hat katastrophale Folgen für nicht nur für unser Wirtschaftsleben, sondern auch für unser Rechtsleben und unser Kulturleben. Und diese Folgen wollen wir uns heute Abend etwas genauer ansehen.
Die Krise
Ich habe Ihnen einen Artikel mitgebracht aus dem Tagesspiegel. Darin heisst es, dass in Berlin die Mieten steigen, während gleichzeitig das Einkommen sinkt. Ich hatte in meinem Essay Mit Spekulation gegen die Finanzkrise ja entwickelt, wie das mit der Finanzkrise zusammenhängt. Ich will das kurz beschreiben. Es ist recht einfach, wenn Sie nur zwei Tatsachen auseinanderhalten. Die eine Tatsache ist: Wer Grund und Boden besitzt, der kann Leistungen beziehen, ohne Leistungen zu erbringen. Das ist der reale Wert des Immobilienbesitzes. Dafür, dass er arbeiten muss, dass er z.B. das Haus instand halten muss, dafür kauft sich nämlich niemand eine Immobilie. Man kauft sich eine Immobilie wegen dem, was man sich zusätzlich zu den Instandhaltungskosten und sonstigen Kosten bezahlen lassen kann – das gilt aber dem Recht. Man kauft sich eine Immobilie, weil man jemandem für das Recht, zu wohnen, oder für das Recht, zu arbeiten, Geld abknöpfen kann. Das ist der reale Wert des Eigentums an Grund und Boden. Das ist sein realer Wert. Und wegen dieses Wertes wird mit Grund und Boden gehandelt.
Indem der Grund und Boden dann aber im Handel zirkuliert, kommt noch etwas zu diesem Wert hinzu. Und das ist, dass die Möglichkeit selber, durch den Kauf der Immobilie andere mit ihrem Recht zu erpressen, ihrerseits wiederum bewertet wird. Das erste ist also die Möglichkeit, sich das Recht bezahlen zu lassen. Das zweite ist dann, dass diese Möglichkeit selber einen Preis bekommt. Zunächst kauft man den Boden, weil man den Menschen etwas abnehmen kann. Dann kommt aber einer, der glaubt, dass er ihnen noch mehr abnehmen kann. Der bietet etwas für diese Möglichkeit, den Menschen etwas abnehmen zu können. Aber ehe er herausgefunden hat, ob sich seine Investition rechnet, ob er den Kaufpreis tatsächlich von den Mietern wiederbekommt, ist da schon der dritte, der noch mehr dafür bietet, und an diesen verkauft er dann. Und so weiter.
So bekommt der Boden einen immer höheren Preis. Für die meisten Spekulanten, nämlich für die, die nachher ihr Geld verloren haben werden, sieht das so aus, als ob der Boden deshalb auch im Wert gestiegen sei. Das eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun. Der reale Wert des Bodens ist das, was man den Menschen, die auf ihm wohnen oder arbeiten, abnehmen kann, ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Das ist sein realer Wert. Der Handel hat aber den Preis dieses realen Wertes in die Höhe getrieben. Der erhöhte Preis, das, was über den realen Wert steigt, ist das, was man einen Scheinwert nennen muss.
Über diesen Scheinwert ist viel geredet worden in den letzten Jahren. Man hat ihn entdeckt, den Scheinwert, weltweit in dem Eigenkapital der Unternehmen. Man entdeckte, dass die Unternehmen als ihr Vermögen etwas gerechnet hatten, was in Wahrheit nur ein erhöhter Preis ist. Man hat es in dem Augenblick entdeckt, da niemand mehr diesen erhöhten Preis bezahlen wollte. Da hat man bemerkt, dass der reale Wert, das, was man den Menschen tatsächlich abnehmen kann, ohne eine Gegenleistung zu erbringen, dass das viel weniger ist, als man eingeplant hatte. Die Krise, von der die Banker reden, die Finanzkrise, die besteht darin, dass die Banker den Menschen nicht so viel abnehmen können wie sie dachten. Für uns ist dagegen das die Krise, dass man uns überhaupt etwas abnehmen kann. Machen Sie sich diesen Unterschied klar.
Das heisst allerdings nicht, dass es nur die Banker betrifft, wenn sie uns weniger abnehmen können, als sie dachten. Es ist schon richtig, dass das Platzen der Blase, dass die Abschreibungen, die man jetzt machen muss, dass die uns alle betreffen. Das liegt einerseits daran, dass man die Scheinwerte als Ausgangspunkt auch für die reale Produktion genommen hat. Denn derjenige, der so einen Scheinwert kaufte, der hat ja mit dem vermeintlichen Wert gerechnet. Das heisst, der hat zum Beispiel einen Kredit aufgenommen, und dieses Geld für die Produktion von Autos ausgegeben. Dabei hat er sich ausgerechnet, dass er zusammen mit seinem Scheinwert dann noch so und so viel übrig hätte, um den Kredit zurückzubezahlen, falls sich die Autos nicht wie erwartet verkauften. Dann geriet der Handel mit Grund und Boden aber ins stocken. Das heisst, der Scheinwert schrumpfte. Sein Eigenkapital schrumpfte. Und das bedeutete wiederum, dass weitere notwendige Kredite ausblieben, dass Kapitalgeber Angst bekamen und ihr Geld zurückhaben wollten oder ihre Anteile verkauften.
Wenn der Scheinwert schrumpft, dann sehen die Spekulanten wieder auf den realen Wert, den sie gehandelt haben. Und das ist der andere Grund, warum das Schrumpfen des Scheinwertes nicht nur für die Banker, sondern auch für uns ein Problem ist. Denn dieser reale Wert des Grundbesitzes besteht eben in den Abgaben der Menschen, die auf dem Boden wohnen oder arbeiten. Es muss jemand arbeiten, wenn ein Wert vorhanden sein soll, und man hat nur die Wahl, entweder selber zu arbeiten, oder jemand anderem das abzunehmen, was der erarbeitet hat, wenn man dem Boden einen Wert geben will. Wer Grund und Boden kauft, der will meistens natürlich nicht selber arbeiten, sondern er spekuliert ja darauf, dass er den arbeitenden Menschen etwas abknöpfen kann. Und auf diesen Wert, auf das, was man den arbeitenden Menschen abnehmen kann, darauf greifen die Spekulanten jetzt zurück. Jetzt wollen sie wenigstens das haben, was der Grundbesitz echt wert ist. Dadurch steigen für den, der den Boden wirklich nutzen will, die Arbeitskosten. Der arbeitende Mensch muss jetzt etwas abgeben, er muss z.B. mehr Miete zahlen. Und darum geht es in dem Artikel aus dem Tagesspiegel vom März diesen Jahres. Da heisst es, die Mieten seien um 25% gestiegen.
Beschrieben wird ferner, wie der Bezirk Friedrichshain zerstört wird, weil die Bewohner wegen den steigenden Mieten wegziehen müssen. Das war abzusehen. Friedrichshain war vor ein paar Jahren plötzlich besonders beliebt bei jungen Leuten geworden. Das führte dazu, dass viele neue Geschäfte, auch viele interessante neue Geschäftsideen entstanden. Und das zog wiederum die Leute an, die selber keine Geschäftsidee hatten, sondern denjenigen, die ein Geschäft betrieben, über die Mieten das Geld abnehmen wollten. Jeder wusste das, ich habe damals auch da gewohnt, und wir jungen Leute wussten damals schon, dass es genau so laufen würde, weil es eben in anderen Bezirken auch so gelaufen ist. Friedrichshain wird bald ein moderner, stinklangweiliger Beton-Kiez ohne Kultur und Leben sein, mit überteuerten Krokodils-Handtaschen-Läden für ein paar zugezogene Münchener, die sich einbilden, sie lebten jetzt in Berlin.
Die Situation ist ernst. In Berlin sind die Mieten in diesem Jahr vielerorts bereits um bis zu 14% gestiegen. Die Stadt versucht jetzt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Sogar unser Verein, der Verein Bewegung für soziale Dreigliederung, wurde von den Grünen eingeladen, auf dem Mietenkongress 2010 Konzepte zum sozialen Wohnungsbau vorzulegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man wirklich hören will, was wir dazu zu sagen haben, aber versuchen müssen wir es. Aber daran sehen Sie, wie spät es sein muss, wenn das Problem jetzt sogar schon von politischer Seite geahnt wird.
Goldman Sachs hat 2007 auf einen Schlag 93.000 Wohnungen von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens gekauft. Warum, glauben Sie, hat Goldman Sachs das gemacht? Weil sie den Mietern eine Leistung erbringen will? Goldman Sachs hat auch meine Wohnung gekauft, genauer gesagt, die Immobilien-Tochter von Goldman Sachs, die Archon Group. Ich wohne in einer kleinen Wohnung in Berlin-Neukölln, eine schöne, modernisierte Altbau-Wohnung. Ich wollte nicht unbedingt nach Neukölln, ich bin da hingezogen, weil ich mir sonst nirgendwo die Miete leisten konnte. In den 7 Jahren, in denen ich jetzt da wohne, habe ich mich aber in dem Kiez eingelebt, und ich fühle mich wohl da. Vor 2 Wochen stand jetzt plötzlich ein Architekt im Hof. Er wolle für den Eigentümer den Verkehrswert des Hauses ermitteln. Mein Nachbar hat zum Glück richtig reagiert, er hat dem guten Mann gleich alle Schäden gezeigt, hat erklärt, dass der Schimmel die Wände hochkrieche, die Isolierung kaputt sei und verlangt, dass man die Fassade und im Erdgeschoss die Böden sanieren solle. Er hat stark übertrieben, aber ich verstehe, warum er das gemacht hat. Es ist ja ganz klar.
Wenn Sie sich den Vorgang in dieser Art verdeutlichen, wenn Sie sehen, wie der Boden einfach weggekauft wird, selbst aus dem Besitz des Staates, wie dann der Handel mit Grund und Boden einen immer größeren Druck auf die arbeitenden Menschen erzeugt, und wie dann die Menschen aus ihren Lebensräumen fliehen müssen, weil sie das arbeitslose Einkommen ihrer Eigentümer nicht mehr erzeugen können, dann haben Sie eigentlich die schlimmen Folgen der Käuflichkeit des Bodens für alle drei Lebensgebiete erfasst. Der Handel mit Grund und Boden hat negative Folgen für unsere Wirtschaft, für unser Rechtsleben, und für unsere Kultur. Für das Rechtsleben und für die Kultur will ich diese Folgen jetzt genauer beschreiben. Andreas Schurack wird das dann am 21. Dezember für die Wirtschaft machen, und dann werden wir auch zum eigentlichen Kern der Wirtschaftskrise vordringen. Aber wir wollen jetzt die Auswirkungen des Immobilienhandels auf Demokratie und Kultur näher betrachten. Zunächst also: Welche Folgen hat der Immobilienhandel für die Demokratie?
Die Folgen des Immobilienhandels für die Demokratie
Eine Folge davon, dass das Recht gekauft wird, ergibt sich ja von selbst: Aus Recht wird Unrecht. Wenn nicht derjenige, der gemäß des Rechtsempfindens der Mehrheit das Recht auf die Nutzung des Bodens hat, eben auch das Recht bekommt, sondern ein anderer, weil er sich das Recht kaufen kann, dann ist Unrecht geschehen. Dann wird das Recht betrogen. Wenn jetzt etwa bei der Frage, was mit Tempelhof geschehen soll, nicht die Mehrheit entscheidet, sondern das Interesse irgendwelcher Investoren, dann ist der Vorgang nicht rechtmäßig. Das ist ja wohl klar. Denn das Recht kann heute nur ein demokratisches Recht sein.
Dass gegenwärtig die demokratische Mehrheit immerfort betrogen wird, dass die Demokratie de Fakto nicht vorhanden ist, das wirkt sich unmittelbar auf das Rechtsempfinden der Menschen aus. Dieses bildet sich nämlich zurück. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir nicht gefragt werden. Wir sind zu Zuschauern gemacht worden, und das Zuschauen ist uns so langweilig geworden, dass wir den Betrug gar nicht mehr sehen wollen. Wir verlieren das Interesse und ziehen uns zurück in unser Privatleben. Die Gemeinschaft interessiert uns nur insofern, als wir ihr etwas für unser persönliches Interesse abpressen können. Wir gehen arbeiten, um einen Lohn herauszubekommen, und wir gehen höchstens dann auf die Strasse, wenn wir mehr Lohn haben wollen. Als die U-Bahnfahrer in Berlin gestreikt haben, da habe ich gedacht: wenn ihr für die Menschen streiken würdet, die ihr jeden Tag an ihren Arbeitsplatz fahrt, damit sie dort für 3,56 putzen müssen, dann hätte ich Verständnis für euren Streik, aber ihr denkt ja nur an Euch selbst. Ihr wollt Euch selber mehr kaufen können. Und das ist mir scheissegal, denn ich habe wiederum kein Interesse an Menschen, die nur an sich selbst denken. Die langweilen mich zu Tode. Aber das wäre was, wenn die U-Bahnfahrer für die Menschen streiken würden, die sie zur Arbeit fahren müssen. In dem Augenblick würde das sofort politisch werden, da bekäme der Streik eine soziale Dimension. Solange dagegen nur für die eigene Kohle gestreikt wird, ist der Streik selbst ein Eckpfeiler des Kapitalismus. Dieses ganze Gewerkschafts-Getue ist eine Farce.
Also, der permanente Rechtsverstoß, und die Tatsache, dass wir zuschauen, das macht uns selbst den Spekulanten immer ähnlicher. Als Lohnarbeiter interessiert uns nur unser Lohn. Wir machen uns das für gewöhnlich nicht klar, aber tief in seinem Inneren hat es jeder von uns aufgegeben, für etwas anderes zu kämpfen als für den eigenen Lohn. Wir glauben nicht mehr daran, dass Recht geschehen könnte, und wollen wenigstens ein Stück abbekommen. Und diese Resignation, diese furchtbare Enttäuschung, die ist der Nährboden der Kriminalität. Wenn Menschen so erzogen werden, dass Sie jeden Tag erfahren müssen, dass ihr Rechstempfinden irrelevant ist, dass nur ihr Egoismus relevant ist, dann stirbt dieses Rechtsempfinden ab. Es muss sich aussprechen können, das Rechtsempfinden, wenn es leben soll.
Wenn Sie einem Menschen verbieten, bei der Frage der Bodenverteilung mitzusprechen, dann ist das für ihn seelisch nicht anders, als wenn Sie ihm verbieten, bei der Nutzung seines Körpers mitzusprechen. Und wenn Sie von jemandem Geld für die Bodennutzung nehmen, dann können Sie von ihm ebenso gut Geld dafür nehmen, dass er seine Beine gebrauchen darf. Der Besitz des Bodens ist in dem selben Sinn eine Rechtsfrage, wie es der Besitz meines Körpers ist. Mein Körper ist naturgegeben, und ich brauche ihn, um überhaupt da zu sein. Er ist die Grundlage dafür, dass ich für andere Waren erzeugen kann, aber er ist ganz sicher selber keine Ware. Es gibt niemanden, den ich für meinen Körper bezahlen könnte, und jedes Gesetz, das eine solche Zahlung erlauben würde, wäre unrecht. Recht wäre umgekehrt gerade der Schutz meines Lebens, meines Besitzes an meinem Körper. Und genau so ist das in Bezug auf den Boden. Der Boden ist die natürliche Vorraussetzung meines Daseins. Niemand hat ihn gemacht, und niemand kann daher Geld für ihn verlangen. Wenn jemand Ansprüche daraus ableiten will, das ich auf einem Stück Boden stehe, was ja deshalb, weil ich überhaupt da bin, jederzeit der Fall ist, dann wäre das Recht auf Seiten desjenigen, der mich vor solchen Ansprüchen schützt.
Die Frage der Verteilung des Bodens ist selbstverständlich eine Rechtsfrage. Das merken Sie schon an seinem Preis selber. Sehen Sie auf die Art, wie der Staat dem Wucher begegnen will: Er zwingt die Grundbesitzer, nicht mehr zu verlangen, als der Durchschnitt verlangt. Würde er das bei Gemüse, Schuhen oder Autos auch machen? Nein, das wäre Unsinn. Da würde jeder protestieren: „Das ist ein Eingriff in die Wirtschaft“. Nur bei den Mieten geht das, da sind wir einverstanden, dass der Staat am Preis dreht, und zwar deshalb, weil jeder von uns instinktiv spürt, dass das eigentlich sowieso keine Wirtschaftsfrage ist, sondern eine Rechtsfrage. Die Verteilung des Bodens ist eine Rechtsfrage, d.h. aber heute, eine Frage der Demokratie.
Das heisst nicht, dass der Nutzer auch auf demokratischem Weg gefunden werden kann. Das geht nicht. Wer ein guter Theater-Direktor ist oder nicht, das kann nicht die Mehrheit entscheiden, sondern das müssen eben Theater-Menschen entscheiden. Die Mehrheit kann aber wohl entscheiden, dass das Recht auf die Nutzung des Theaters nicht mehr gegeben ist, wenn sich zeigt, dass der Eigentümer das Theater nicht führen kann. Und erst recht muss sich die Mehrheit einmischen, wenn der Eigentümer das Theater abreissen und einen Supermarkt hinstellen will. Denn wir hatten gesehen: die Mehrheit ist immer bei dem, der das Grundstück am ehesten im Interesse der Gemeinschaft zu verwalten weiß. Und wenn an einem bestimmten Ort nicht ein Supermarkt, sondern ein Theater im Interesse der Gemeinschaft ist, dann kann der Supermarkt-Betreiber nicht das Nutzungsrecht haben. Also, die Mehrheit kann zwar nicht den Nutzer bestimmen, denn sonst bekommen wir einen Tyrannen-Staat und eine Planwirtschaft mit all ihren negativen Folgen, aber sie kann die Art der Nutzung definieren. Sie kann z.B. sagen, wir haben ein Interesse am Erhalt des Naturschutzgebietes, da darf keine Kohle abgebaut werden, oder eben: wir haben ein Interesse am Erhalt des Theaters. Das ist eine Rechtsfrage. Wer dann geeignet ist, das Theater zu führen, das müssen Regisseure und Schauspieler unter sich ausmachen, das ist dann keine Rechtsfrage mehr, sondern eine Frage des freien Geisteslebens. Aber die Verteilung ist zunächst eine Rechtsfrage, und auf gar keinen Fall eine Geldfrage.
Der Staat sorgt gegenwärtig dafür, dass die Bodenfrage trotz des Rechtsempfindens der demokratischen Mehrheit eine Geldfrage bleibt. Der Staat schützt die Interessen der Grundbesitzer, anstatt die Interessen der Mehrheit. Der Staat ist antidemokratisch. Das ist unserem Staat in die Wiege gelegt, das hängt mit der Entstehungsgeschichte des modernen Staates zusammen. Ich habe das in Herrschaft eines toten Geistes entwickelt, dort können Sie es nachlesen. Unser Eigentumsrecht wird im BGB definiert, dieses BGB ist aber nicht auf demokratischem Weg entstanden. Wir haben gar kein demokratisches Recht, sondern wir haben ein Gesetzbuch aus vor-demokratischer Zeit, in dem gar keine demokratischen Gesetze stehen, sondern in dem die Interesse der Grundbesitzer in rechtliche Formeln gekleidet wurden. Die Macht der Grundbesitzer stützt sich eben darauf, dass der Staat ihre privaten Interessen schützt, anstatt das Recht.
Indem der Staat aber gerade die Käuflichkeit des Bodeneigentums schützt, wird er ein Unrechtsstaat. Denn die Mehrheit ist real niemals bei dem, der den Boden kauft, sondern bei dem, der ihn am besten im Interesse aller einzusetzen weiß. Und als Demokrat ist für mich kein anderes Recht bindend als dasjenige, dass sich als Wille der Mehrheit kundtut. Die gegenwärtigen Besitzverhältnisse sind nicht rechtmäßig, sie sind nur deshalb vorhanden, weil der Staat selber ein Unrechtsstaat ist, weil er sich hat korrumpieren lassen, weil der Staat korrupt ist.
Die Folgen des Immobilienhandels für die Kultur
Durch den Eigentumsschutz des Staates ist es möglich, gegen den Willen der demokratischen Mehrheit Eigentümer einer Bodenfläche zu werden. Man kann deshalb Eigentümer werden, indem man dem Vorbesitzer einfach Geld gibt. Der Vorbesitzer hat an diesem Ort aber vielleicht etwas gemacht, was für die dort lebenden Menschen von besonderem Wert war.
Stellen wir uns vor, da ist ein kleines Theater. Vielleicht ist es nicht besonders ertragreich. Aber dafür hat es einen kulturellen Wert. Der neue Besitzer hat für dieses Geschäft jedoch kein Verständnis, weil es eben nicht sonderlich viel abwirft. Er reisst es ab und stellt einen Supermarkt hin, einen von diesen hässlichen viereckigen Kästen, wo Sie die Waren selber aus den Kartons packen müssen, weil auch das Geld spart. Das wirft mehr ab als das Theater. Aber das interessiert die dort lebenden Menschen gar nicht. Sie ärgern sich über den Kasten. Selbst wenn der höhere Gewinn, den dieser Kasten abwirft, ihnen selbst zu Gute käme, interessierte es sie nicht, denn ihnen geht es gar nicht darum, billiger zu leben. Sie wollen das Theater, weil sie die Vorstellungen lieben, und sie sind durchaus bereit, dafür etwas teurer zu leben. Der Eigentümer des Kastens hat also die Gemeinschaft gegen sich. Und trotzdem hat er das Recht an einem Teil des Bodens, auf dem die Gemeinschaft lebt, und darf da diesen Kasten hinstellen. Das ist, wenn man demokratisch empfindet, ein paradox.
Das ist aber der Alltag, wir alle kennen das, gerade wir Berliner. In Berlin kann man das in Hochgeschwindigkeit beobachten. Da wo gestern noch Musik aus dem Kulturzentrum drang, stinkt es heute nach Burger King. Jeden Tag passiert das, überall. Ich habe, nachdem ich das Beispiel Theater gewählt hatte, das bei Google eingegeben – den ersten Treffer habe ich Ihnen mitgebracht: Das Theater am Kudamm. Sie können tausend weitere Beispiele finden, einiges wurde hier ja schon genannt, aber das Theater am Kudamm ist ein gutes Beispiel. Was war da geschehen?
Die Deutsche Bank, die eben ihren Jahresgewinn verdoppelt hat, sicher auch dank der 8,5 Milliarden Dollar, die sie von der amerikanischen Zentralbank geschenkt bekommen hat, kaufte das Grundstück 2002. Dann verkaufte sie es zusammen mit 60 weiteren Grundstücken an einen amerikanischen Private-Equity-Fonds namens Fortress. Das Hauptgeschäft von Fortress sind Pferdewetten und andere Spiele in der Grauzone. Fortress verkaufte das Grundstück mit dem Theater 9 Monate später an die Ballymore Group aus Irland. Und die Ballymore Group will das Theater jetzt abreißen. Denn von Irland aus gesehen sieht es so aus, als ob es in Berlin an dieser Stelle kein Theater braucht. Die Menschen, die in Berlin leben und das Theater kennen, sehen das freilich anders. Wie Sie dem Artikel entnehmen können, haben einige tausend Menschen gegen den Abriss demonstriert. Wie es weiter geht, ist unklar, das berühmte Theater arbeitet zur Zeit einfach weiter, ohne Mietvertrag.
Also, wenn der Boden käuflich ist, dann ist es einfach dem Zufall überlassen, wie der gemeinsame Lebensraum gestaltet wird. Es kann natürlich sein, dass der Kapitalist aus Irland, der den Boden des Theater am Kudamm gekauft hat, dort zufällig etwas bauen wird, das im Interesse der dort lebenden Menschen ist. Tatsächlich geht die Bodennutzung aber zufällig immer gegen die kulturellen Interessen der Menschen, wenn das Eigentum an Grund und Boden für Geld den Besitzer wechseln kann. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass das Eigentum an Grund und Boden neben der Käuflichkeit noch die Möglichkeit bietet, eine Abgabe von den Bodennutzern zu verlangen. Durch diese Möglichkeit muss das Eigentum in einen Widerspruch zur kulturellen Entwicklung der Menschen kommen. Erstens natürlich wegen der Verteuerung selber. Wahre Kultur kostet ohnehin, sie bringt ohnehin nichts ein, jetzt müssen die Kulturschaffenden irgendeinen Immobilienfonds bezahlen, damit sie den an der geistigen Entwicklung des Menschen arbeiten können. Das können die Kulturschaffenden naturgemäß nicht bezahlen, denn sie sind ja selbst immer auf Unterstützung angewiesen.
Denken Sie mal, was das für ein geistiger Rückschritt ist, dass da überall Grundbesitzer auf dem Boden hocken. Wir brauchen gar nicht darüber streiten, ob der Supermarkt da sein darf oder nicht, er kann ruhig bleiben, denn wir haben eine riesige Fläche zur Verfügung – eigentlich. Wir brauchen nur über die riesige Fläche in Berlin zu reden, die brach liegt, die aber nicht genutzt werden kann, weil ein Immobilienfonds die Rechte hat und sich die teuer bezahlen lassen will. Die Immobilienfonds lassen den Boden aus bilanztechnischen Gründen ganz bewusst brach liegen und die Häuser ganz bewusst leer stehen, das kommt noch hinzu, aber das führt jetzt zu weit. Die Kultur kann jedenfalls nicht mithalten, wenn sie den Boden bezahlen muss, das ist das Entscheidende.
Es kommt noch etwas hinzu. Wenn ich den Boden wegen der Abgabe kaufe, wegen Miete, Pacht oder Gewinn, dann habe ich kein Interesse an der Art, wie diese Abgabe erwirtschaftet wird. Die Frage ist dann nicht: wollen wir da ein Theater, ein Hotel, eine Fabrik oder ein Shoppingcenter haben, sondern: welche von den Vieren wirft für mich am meisten ab? Geld ist Geld, da kommt es nur auf die Quantität an, nicht auf die Art, wie es erwirtschaftet wurde. Und damit sind wir zu dem Kernproblem der Käuflichkeit im Hinblick auf die Kultur vorgedrungen: im Geldwert ausgedrückt, ist jeder Wert gleich. Durch das Geld werden die Werte vergleichbar, das Geld ist daher so etwas wie ein allgemeiner Begriff der Ware. Konkret ist aber ein Theater etwas ganz anderes ein Hotel. In einem Theater geschieht etwas ganz anderes als in einem Hotel. Und die Interessen der Menschen sind Interessen an den konkreten Dingen. Derjenige, der einen Gewinn heraushaben will, und darum den Boden kauft, der interessiert sich jedoch nicht für das konkrete, womit dieser Gewinn erwirtschaftet wird, sondern der orientiert sich an der abstrakten Summe des Geldwertes. Das Geld macht alle Werte gleich, es kennt keine Qualitäten, sonder nur Quantitäten. Deshalb muss die Käuflichkeit des Bodens gegen die Interessen der Menschen gehen. Denn es ist ja klar, wie der Käufer sich entscheiden wird. Kultur rechnet sich nämlich nicht. Kultur kostet nur, Kultur ist immer ein Kostenfaktor. Betriebswirtschaftlich gesehen kann man da nichts gewinnen - volkswirtschaftlich gesehen ist allerdings gerade der Kostenfaktor „Kultur“ der wertbildende Faktor überhaupt – aber betriebswirtschaftlich gesehen ist sie nur ein Kostenfaktor. Es ist deshalb immer lohnender, ein Shopping-Center zu bauen als ein Theater oder gar eine Schule.
Das ist der Weg, auf dem der Immobilienhandel direkt die Kultur zerstört. Er zerstört sie aber noch auf einem anderen Weg, auf indirektem Weg. Und um das verständlich zu machen, muss ich einen Moment von der Kultur selber sprechen, denn darauf kommen Sie erst, wenn Sie sich klar gemacht haben, wovon die Kultur eigentlich abhängt, wirtschaftlich gesehen.
Schenkung und Zwangsschenkung
Die Kultur hängt davon ab, dass ihr Geld geschenkt wird. Wer sich bilden will, der kann seine Bildung nicht so bewerten, wie er eine Ware bewerten könnte, die er produziert hat. Vielleicht wird seine Bildung irgendwann fruchtbar für die Ökonomie sein, man weiß es nicht – zunächst ist sie aber ein Kostenfaktor. Besonders deutlich wird das an der Schule. Die Schule muss vorfinanziert werden. Und ob Sie nachher einen wirtschaftlichen Wert abwirft oder nicht, das lässt sich nicht voraussagen. Der Lehrer erzieht die Kinder, aber was ist diese Erziehung der Kinder wert, wirtschaftlich gesehen? Zunächst gar nichts. Die Kinder erzeugen ja zumindest während der Schulzeit keine wirtschaftlichen Werte. Wer sich bildet, ist ein reiner Konsument, der produziert zunächst nichts. Der hat zunächst nichts, was er tauschen könnte. Er muss aber trotzdem konsumieren, wenn er etwas lernen soll. Und deshalb ist er darauf angewiesen, dass er das, was er zum Lebensunterhalt braucht, geschenkt bekommt. Er braucht Schenk-Geld.
Schenk-Geld kann auf verschiedenen Wegen entstehen. Die Steuer ist z.B. eine Form der Schenkung. Sie wird zwar nicht freiwillig hergegeben, deswegen kann man sich zu Recht an dem Begriff der Schenkung stoßen. Aber von dem Gesichtspunkt her, dass man für sein Geld nichts bekommt, das mit einer Ware vergleichbar wäre, von dem Gesichtspunkt gesehen ist die Steuer eine Schenkung. Oder glauben Sie, Sie kaufen sich das Recht, wenn Sie Steuern bezahlen? Das Recht kann gerade dann, wenn es Recht sein soll, kein Kaufgegenstand sein. Sie bezahlen dem Volksvertreter seinen Lebensunterhalt, aber Sie kaufen ihm das Recht nicht ab. Sie bekommen keinen Warenwert für Ihre Steuer. Daher ist die Steuer, volkswirtschaftlich gesehen, eine Schenkung.
Die Steuer ist allerdings eine Schenkung, die wir nicht freiwillig tun. Einen solchen Vorgang, bei dem zwar volkswirtschaftlich gesehen Schenkgeld entsteht, bei dem aber gar nicht freiwillig geschenkt wird, den bezeichnete Rudolf Steiner als „Zwangsschenkung“. Eine Zwangsschenkung ist nicht notwendig etwas schlechtes. Dass jeder dazu gezwungen wird, alte und kranke Menschen mitzuernähren, finde ich zum Beispiel richtig.
Nicht richtig finde ich es, wenn jeder gezwungen wird, die Kultur zu finanzieren. Wenn der Staat nämlich die Kultur finanziert, dann spricht er auch in kulturellen Fragen mit. Dann wird eine bestimmte Kulturform zwangsfinanziert, während eine andere Kulturform untergehen muss. Dann bekommen wir eine Monokultur anstelle der multikulturellen Gesellschaft. Und dann schlittern wir schließlich direkt in den Nationalismus. Und ich denke nicht, dass diese Staatskultur, die dann noch vorhanden ist, überhaupt Kultur genannt werden darf. Der Staat kann nämlich, selbst wenn er eine demokratische Mehrheit hinter sich hätte, gar nicht entscheiden, wer ein guter Physiker ist, ein guter Pädagoge, ein guter Bäcker, ein guter Maler, oder wie man die 6-jährige Lisa aus Kreuzberg erziehen soll. Ich glaube, wer ein guter Physiker ist, das können nur die Menschen beurteilen, die sich mit Physik befassen. Und so in allen Berufen. Da ist die demokratische Mehrheit einfach nicht kompetent. Das Mehrheit kann nur über rechtliche Angelegenheiten entscheiden, weil das auch tatsächlich jeden Menschen gleicherweise etwas angeht. Was dagegen ein Mensch für wahr erachtet, was er als schön empfindet, wie er sich entwickeln will – das ist doch keine Abstimmungsfrage. Was ein wahrer Satz in der Physik ist, wie ein gutes Brot gebacken wird, was ein schönes Bild ist, und wie die 6 jährige Lisa aus Kreuzberg zu erziehen ist, das kann die Mehrheit gar nicht beurteilen. Die Mehrheit steckt da nämlich nicht drin. Wenn das von dem demokratischen Staat abhängig gemacht wird, dann schrumpft die Kultur eben auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen, auf den sich alle einigen können. Dann kommt nur ein grober Unfug heraus.
Wie das dann aussieht, das können Sie zum Beispiel in den Lehrplänen für die Staatsschulen nachlesen. Es ist zu einem Teil einfach dummes Zeug, zum anderen Teil sind es, da, wo es immerhin eine Wahrheit enthält, Plattitüden, lauter Binsenweisheiten. Da soll etwa die „Kommunikationsfähigkeit“ gefördert werden. Mit solchen Binsenweisheiten können Sie aber kein Kind erziehen. Die Frage ist ja, was „Kommunikationsfähigkeit“ bedeutet, und wie man das jeweilige Kind gegebenenfalls in diesem Sinn erzieht. Und das ist dann wieder eine Frage der individuellen Fähigkeit des Lehrers. Die macht in Wahrheit immer die Musik, auch an den Staatsschulen. Man muss es so sagen: Auf der Staatsschule wird gelernt, obwohl sie sich an staatliche Vorgaben halten muss. Erziehung findet dort nur in dem Maße statt, als sich die Lehrer von den Lehrplänen frei machen können. Denn in Wahrheit ist die Bildung niemals Staatssache, weil der Staat eben gar nicht erziehen kann. Weil man aber trotzdem glaubt, die Bildung sei eine Staatssache, rechnet man nicht mit den wirklichen Faktoren der Bildung: den beteiligten Individualitäten. Und weil man gar nicht daran gedacht hat, auf die Wirklichkeit zu sehen, verfügen die angehenden Lehrer selber nur über jene Binsenweisheiten, die irgendwelche Behörden festgesetzt haben. Aus diesen Binsenweisheiten machen sie dann Übungen, meistens kopieren sie die Übungen für die Binsenweisheiten sogar bloß aus einem Standard-Heft heraus. Damit ist aber die eigentliche Pädagogik ausgeblendet. Denn wie aus dem, was man für eine Weisheit hält, eine Übung für das jeweilige Kind wird, das ist gerade der pädagogische Prozess. Das dazwischen, das ist die Pädagogik. Und genau die wird ausgeblendet. Wie eine solche Übung dann aussieht, bei der keine Pädagogik im Spiel war, sondern bei der der „Pädagoge“ nur eine Floskel „anschaulich“ gemacht hat, oder vielleicht sogar nur zum Kopierer gelaufen ist, das können Sie in den Schulheften der Staatsschüler sehen. Ich kenne das leider nur zur genüge. Es ist wirklich grauenhaft dummes Zeug, man kann es nicht anders sagen.
Das passiert also, wenn die Kultur über eine Steuer finanziert wird. Die Steuer ist jetzt aber nicht die einzige Zwangsschenkung. Neben der Steuer gibt es noch eine andere Art der Zwangsschenkung. Oder man könnte es auch so sagen: Außer dem Staat erhebt noch jemand anderes eine Steuer. Und das ist der Eigentümer von Grund und Boden oder von anderen Produktionsmitteln. Was wir für die Bodennutzung bezahlen müssen, ob als Kauf, oder als Miete, das hat kein real-wirtschaftliches Gegenstück. Dafür gibt es keine Gegenleistung. Volkswirtschaftlich gesehen ist die sogenannte Grundrente, also das, was Menschen durch Eigentum an Grund und Boden abgenommen werden kann, eine Schenkung. Diese Schenkung wird auch nicht freiwillig getan, das hat sie mit der Steuer gemeinsam, aber sie hat im Unterschied zur Steuer grundsätzlich niemals eine demokratische Legitimation. Sie ist ja selbst ein Bruch des demokratischen Rechts, wie wir gesehen haben.
Diese Zwangsschenkung fliesst ebenfalls in die Kultur. Sie können es umgekehrt formulieren: Kultur entsteht da, wo geschenkt wird. Überall, wo keine Gegenleistung verlangt wird, wo Schenkungen abfliessen, entsteht Kultur. Diese Kultur kann zum Segen der Menschen sein, sie kann eine echte Menschenkultur sein, oder sie kann eine Anti-Kultur und zum Schaden der Menschen sein. Das hängt von der Art ab, wie die Schenkung, von der die Kultur leben muss, zustande kommt. Und wenn sie erzwungen ist, wenn sie sich durch Zwangs-Gelder finanziert, wenn sie sich nicht organisch einfügen muss, wenn sie sich nicht davon abhängig machen muss, ob ihre Ernährer sie auch ernähren wollen, wenn sie sich wie ein Krebsgeschwür in den sozialen Organismus einnisten und einfach den Lebenssaft aussaugen kann, dann ist diese Kultur immer zum Schaden der Menschheit. Eine echte Menschenkultur, die den Menschen vorwärtsbringt, auch wirtschaftlich gesehen, finden Sie nur da, wo die Kultur nicht auf Zwang, sondern auf dem freien Willen des Einzelnen beruht. Echte Kultur ist überall da, wo die Menschen, die sie ernähren, wollen, dass sie da ist, wo sie diese Kultur auch meinen.
Eine steuerfinanzierte Kultur führt zur Ideologie, zur Lüge, zu Inkompetenz. Das ist schlimm genug. Eine Kultur, die sich über das finanziert, was man den Menschen mit Hilfe des Eigentums an ihrer Lebensgrundlage abpressen kann, führt zu noch etwas ganz anderem. Die führt zum Genuss an der Unwahrheit, zur Lust an allem, womit man die großen Ideale der Menschheit verraten kann. Was ist denn unsere Kultur im wesentlichen? Worin besteht ihr Wert? Ihr Wert besteht im wesentlichen darinnen, dass wir die Sau raus lassen können, dass wir Aggressionen ausleben können, dass wir uns von dem, was wir für moralisch halten, lossagen können. Ich will das selber nicht moralisieren, sondern nur beschreiben. Ich sage nicht, das und das finde ich moralisch richtig, sondern ich sage: der Genuss besteht darin, gegen das zu verstoßen, was die Menschen ihrerseits für moralisch richtig halten. Schauen Sie hin, auf welche Art wir die Sau raus lassen. Achten Sie darauf, zu welchen Veranstaltungen sich die Menschen treffen, welche Filme die beliebtesten sind, was die Kinder für Spiele spielen, was ihnen im Handy-Spar-Abo verkauft wird. Sie können es zugeben: Der Kern unserer westlich-freiheitlichen Kultur ist gegenwärtig die Lust am Gegenbild des Menschen. Das ist unsere Kultur heute. Es gibt manches Seichtes an der Peripherie, wo es nicht so auffällt, aber der Kern ist die nackte, schwarz-rot-gold bemalte Sau.
Es kann aber auch gar nicht anders sein. Unsere Kultur entsteht nämlich da, wo überflüssiges Kapital nicht weiß, wo es hin soll. Sie entsteht nicht durch freiwillige, bewusste und darum zielgerichtete Schenkungen von Individuen, sondern dadurch, dass irgendjemand den Menschen eine Zwangsschenkung abpressen kann, weil er sich zum Besitzer ihrer Rechte gemacht hat, und dann dieses Geld irgendwie ausgeben muss. Wir brauchen gar nicht auf das zu sehen, was der Rentenbesitzer selber tut den ganzen Tag, ob er jetzt die Kunst sammelt oder ein millionenschweres Propaganda-Institut gründet wie die INSM in Köln. Das ist nicht der größte Brocken. Der größte Brocken geht woanders hin. Wo geht denn z.B. das Geld, das Sie für die Miete zahlen, letztendlich hin? Das landet irgendwo auf dem Kapitalmarkt, und sucht sich eine Anlageform. Und auf diesem Anlagemarkt ist die Kultur selbst auch eine Anlageform. Dies Anlageform kann aber nur dann etwas abwerfen, wenn Sie nicht das Höchste im Menschen ausbildet, sondern das Niederste. Sie muss an das Niederste im Menschen appellieren, an Angst, Egoismus, Hass usw., um einen Gewinn abzuwerfen.
Stellen Sie sich das am Beispiel der Schule vor: Stellen Sie sich einen Lehrer vor, der den Kindern nicht das beibringt, was er für wahr hält, sondern das, was die Kinder dazu bringt, ihn sympathisch zu finden, und ihm dafür etwas abzugeben. Stellen Sie sich einen Lehrer vor, der nicht ein Interesse daran hat, die Individualität der Kinder zu fördern, sondern gerade das, was deren Individualität entgegensteht, ihre Faulheit, ihre Ungezogenheit, weil sie dadurch manipulierbar werden. Es gibt viele solche Lehrer. Volkspädagogisch ist das aber unser ganzes Kultur- und Geistesleben heute. Die Bildung, die geistige Entwicklung des Menschen ist unter den Einfluss des abstrakten Kapitalinteresses geraten. Und das Kapitalinteresse schafft sich selbst das Bedürfnis, das ihm nachher einen Wert gibt. Da wird der Mensch umgedreht. Das abstrakte Gewinninteresse muss nämlich notwendig dasjenige anregen, was die wache Individualität eigentlich jeden Tag gerade durch Kultur zu überwinden sucht, es muss also das Gegenteil jeder echten Kultur fördern, denn nur das bringt die Menschen dazu, etwas herzugeben, zu konsumieren, sich abhängig zu machen, süchtig zu werden, kurz - das schafft Quantität.
Um aber in dieser Weise erzieherisch auf den Menschen einzuwirken, braucht das Kapitalinteresse zunächst Schenk-Geld. Überlegen sie mal, wovon z.B. die Entwicklung eines Ballerspiels abhängt. Derjenige, der 3 Jahre lang an der Entwicklung eines Ballerspiels arbeitet, der wird ja in dieser Zeit von den anderen Menschen ernährt, die arbeiten länger auf dem Feld, länger in der Fabrik, länger im Büro, weil dieser Spiele-Entwickler nicht mitarbeitet, sondern ein Spiel entwickelt. Natürlich, Sie können das auch Arbeit nennen, Sie können jede Tätigkeit Arbeit nennen, wenn Sie wollen. Das steht Ihnen frei. In einem ökonomischen Sinn ist es aber erst dann Arbeit, wenn ein Bedürfnis dafür vorhanden ist. Und jetzt stellen Sie sich einmal vor, der Spiele-Entwickler müsste die Menschen, die ihn ernähren, darum bitten, ihn zu ernähren. Stellen Sie sich vor, er müsste, bevor er sich überhaupt ein Ballerspiel ausdenken kann, zu seinen potentiellen Ernährern gehen und sagen: Schaut mal, ich will 3 Jahre lang darüber nachdenken, wie man es grafisch richtig schön darstellt, wie ein menschlicher Kopf explodiert, damit ich dann ein Spiel für Eure Kinder machen kann. In dieser Zeit kann ich selbstverständlich nichts anderes arbeiten – ich muss aber trotzdem konsumieren. Wollt ihr dafür jeden Tag etwas länger arbeiten? Wenn jeder von Euch jeden Tag 2 Stunden länger arbeitet, dann kann ich das für Eure Kinder finanzieren. Dann können Eure Kinder eine Freude an dem Spiel haben, Menschen zu erschiessen, und der Kopf explodiert dann auch richtig echt, das wird wunderbar blutig.
Selbstverständlich wäre niemand dazu bereit. Trotzdem läuft es in gewisser Weise so. Sie stehen länger im Büro, länger auf dem Feld oder länger in der Fabrik, damit unsere Kinder sich in Gewaltphantasien ergehen können. Selbst in der Schul-Wissenschaft bezweifelt mittlerweile kaum mehr jemand, dass das die Entwicklung der Kinder hemmt. Und dennoch macht die Spiele-Industrie allein in Deutschland jedes Jahr 600 Millionen Euro Umsatz mit der Erziehung unserer Kinder. Die Computer-Spiele-Industrie ist ja eine der größten überhaupt, sie ist größer als z.B. die Filmindustrie. 18 Stunden pro Woche spielt ein deutsches Kind durchschnittlich mit Computer oder Spielkonsole. Und diese Sauerei ist eben nur deshalb möglich, weil die Menschen, die das bezahlen, nicht gefragt werden. Wir finanzieren das, wir werden aber nicht gefragt. Wir werden einfach gezwungen, das zu finanzieren, es zumindest vorzufinanzieren. Wir müssen dafür länger arbeiten. Ganz real ist das. Das wird uns einfach abgenommen, zu einem Teil über die Steuern, zum anderen Teil über den Preis des Bodens, direkt als Abgabe, oder indirekt, indem der Boden mit einem Kredit belastet wird. Wir müssen für unser Recht bezahlen. Und was wir so bezahlen, das fliesst auch in die Spiele-Industrie, nach Hollywood, zu MTV usw.
Allein die deutschen Anleger haben in den letzten 5 Jahren 12 Milliarden Euro in Hollywood-Filme gesteckt. Auf die Frage hin, was mit Hollywood passieren würden, wenn die Gelder aus Deutschland ausblieben, sagte Schuyler M. Moore, Filmfinanzierungsexperte Stroock & Stroock & Lavan, einer Anwaltskanzlei, die Hollywood Film-Fonds vertritt: "Das wäre eine Katastrophe, eine absolute Katastrophe. Allein die Vorstellung ist eine Katastrophe. Wir säßen in der Tinte. Die unabhängige Filmbranche wäre dann am Ende, weil sie diese Gelder als Kapital dringend braucht. Und seit fünf Jahren fungiert Deutschland als die Finanzierungsquelle schlechthin. Wenn sie verschwinden würde, dann verschwände auch ein Großteil der Hollywood-Filmbranche." Terminator zum Beispiel, oder Gangs of New York, diese Filme wurden vor allem von Deutschland möglich gemacht. Also, wenn Sie das nächste mal einen amerikanischen Propaganda-und-Folter-Obsession-Film sehen, mach Sie sich klar: Sie sind es, der das ermöglicht hat.
Die Kultur muss vollständig von dem freien Willen des Einzelnen abhängig gemacht werden, wenn sie Qualität bekommen soll. Alle Zwangsschenkungen müssen verschwinden. Schenkungen dürfen nicht erzwungen werden, Schenkungen dürfen nur nur echte, freiwillige Schenkungen sein. Sie können es umgekehrt sagen: Kultur ist nur da, wo freiwillig geschenkt wurde. Kultur ist überall da, wo sie von dem Einzelnen bewusst gefördert wird. Alles andere ist in unserer Zeit, die im Zeichen des Individualismus steht, Anti-Kultur, ist Untergang. Das mag für manche weit hergeholt sein. Ich bin jedoch fest davon überzeugt: Was im Westen an freiheitlicher Kultur bewundernswert ist, kann nur überleben, wenn wir den Immobilienhandel stoppen, und zwar noch vorgestern.
Es ist wirklich keine Zeit mehr zu verlieren, denn der Westen ist gerade im Begriff, seine kulturhistorische Berechtigung zu verlieren. Die Menschen im Westen fürchten sich vor den islamisch geprägten Ländern. Sie reden von der Freiheit, die sie vor dem Fundamentalismus schützen müssen. Der wahre Feind der Freiheit sitzt jedoch im Herzen des Westens. Von ihm geht die Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Welt aus, nicht vom Islam, und nicht von dem islamischen Fundamentalismus. Der Feind ist das anti-freiheitliche Moment in der Gesellschaftsordnung des Westens, das dieser aus seiner dunklen Vergangenheit mit in die Gegenwart geschleppt hat. Die freiheitlich-demokratische Gesellschaft zerstört sich selbst, indem sie sich nicht von ihrem Erbe aus vor-individualistischer und vor-demokratischer Zeit los machen kann. Und der Fundamentalismus wird nachher nur die Gebiete erobern, in denen sich die freiheitlich-demokratische Gesellschaft selbst zerstört hat.
So viel zu den Auswirkungen des Immobilienhandels für Recht und Kultur. Mit der Zwangsschenkung, die durch die Käuflichkeit des Rechts möglich wird, hängt es dann zusammen, dass der Immobilienhandel auch für die Wirtschaft katastrophale Folgen hat. Da führt sie zu Preismanipulationen, Kreditausfällen und Inflation, um nur einiges zu nennen. Aber dieses Thema wird Andreas Schurack bei unserem nächsten Treffen behandeln. Wir machen jetzt eine kleine Pause, und dann wollen wir in die Praxis gehen. Es gibt nämlich Möglichkeiten, faktisch ein unverkäufliches Eigentum zu erzeugen, und eine solche Möglichkeit hat das Mietshäuser Syndikat gefunden. Das wollen wir uns dann ansehen.
Literaturempfehlung:
*Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage, GA 23, Rudolf Steiner: Nationalökonomischer Kurs, GA 340. Ab 10 Euro neu, ab 7 Euro beim Bücherkabinett, ab 2 Euro bei booklooker, und kostenlos unter www.dreigliederung.de. Kann also jeder lesen! :-)
Weiterführende Texte:
- Vortrag vom 1. Abend: Was ist soziale Dreigliederung?
- Vortrag vom 2. Abend: Warum der Boden tatsächlich keinen Preis hat - zum Unterschied zwischen Wirtschaft und Recht