Die Menschentombola

01.01.2013

Manchmal werden Organisationen und Menschen im Sozialen Bereich gründlich missverstanden. Sie wollen nur mit reinem Gewissen Gutes tun und ernten Kritik. So geschah es Harald Ehlert von der Treberhilfe, der die ganze verlogenen und krempelige Sozialromantik auf den Müll warf und auch den sozialen Sektor in den Kommerzialisierungsstrom einbetten wollte.

In jüngster Zeit macht ein reinland-pfälzischer Bildungsträger mit einer phantasievollen Aktion auf sich aufmerksam. Beiden ist gemeinsam, dass sie sich nach wie vor sicher sind, alles richtig gemacht zu haben. So viel Charakterstärke imponiert schon.

Der Bildungsträger DG Mittelrhein mit Sitz in Bendorf hat sich zum Ziel gesetzt «behinderten und nicht behinderten Menschen eine Plattform zur Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen». Auf seiner Website steht als Firmenphilosphie das schöne Motto «Im Mittelpunkt der Mensch!1» Im weiteren erklärt die DG Mittelrhein: «Das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter ist eine wichtige Grundlage unseres Erfolges» … «und menschliche Würde schließt unverzichtbar das Recht auf die selbstbestimmte und selbstverantwortete Persönlichkeitsentfaltung ein.2» Und weil das alles so schön menschlich ist, dachte sich der Bildungsträger: wo menschelt es mehr, als auf einem Weihnachtsmarkt, wo lieblicher Bratwurstduft die Gemüter beglückt und die Menschlein von vielen Litern Glühwein beseelt sich alle ganz doll liebhaben! Das ist der richtige Ort wo wir auch für unsere lieben Arbeitslosen etwas Gutes tun können. Denn Gutes wollen wir ja tun, sehen wir uns doch an der «Schnittstelle zwischen unternehmerischem Auftrag und sozialer Verantwortung»3. Und so ersann die DG Mittelrhein einen «innovativen Ansatz mit Arbeitgebern in Kontakt zu treten.»4

Sie veranstaltete eine lustige Tombola auf dem Weihnachtsmarkt in Bendorf, bei der Firmen, die für die Lose nichts zahlen mussten, (welch zu Herzen gehender menschlicher Ansatz), sich liebe Arbeitslose als Gewinn ziehen konnten. Das wurde auch mal Zeit, dass man bei diesen Tombolas nicht mit riesigen Plüschtieren oder billigem Kaffeeservice abgespeist wird, sondern etwas wirklich wertvolles für sein Los bekommt: das, was im Mittelpunkt steht, eben einen richtigen Menschen! Einigen Arbeitslosen wurde sogar die Chance gegeben ihre Fähigkeiten gleich bei der Ziehung der Lose auf der Bühne mit einer weihnachtlichen Aufführung zu präsentieren. Das war sicher ganz goldig. Es ist nicht überliefert, ob gerührte Omis den armen Menschen etwas Brot und vielleicht auch ein bisschen Schokolade für ihre armen Kinder in die Manege geworfen haben. Aber als die lieben Firmen ihre gewonnenen Arbeitslosen dann in die mitgebrachten Transportkörbchen gesteckt hatten, waren alle glücklich: die Arbeitslosen, ihre neuen Herrchen, der Bildungsträger und auch die Glühweinseeligen vom Weihnachtsmarkt freuten sich über die putzige Aufführung und das ganze menschliche was da so im Mittelpunkt war. Nur ein paar notorische Dauernörgler, darunter der DGB, maulten was von «Sklavenmarkt» und «Verrohung der Sitten». Aber keine Sorge, das meinten die nicht so ernst. Denn gegen Lohnarbeit und Arbeitsmarkt haben die eigentlich nichts. Und wer Lohnarbeit und Arbeitsmarkt in Ordnung findet, was sollte der gegen eine Tombola haben, wo man schließlich als Arbeitsloser auf ganz lustige und menschliche Weise zu neuer Lohnarbeit findet? Vielleicht war diesen Miesepetern einfach zu viel Spaß bei der Sache. Ein paar anderen Dauernörglern, den Spaßbremsen von der Bewegung für Dreigliederung, hätte man die Kritik schon eher abnehmen können. Denn für die ist die Lohnarbeit ein noch nicht beseitigter Rest aus der Entwicklung der Menschen zur ökonomischen Freiheit: Von der Sklaverei über die Leibeigenschaft und die Lohnarbeit zur selbstverwalteten, emanzipierten Ertragsteilung des gemeinsam Erarbeiteten. Aber auf die hört ja sowieso kaum einer.

Ach ja, der Träger der DG Mittelrhein ist die katholische Josefsgesellschaft. Und deren Motto? Richtig! «Der Mensch im Mittelpunkt.» Und das war er ja bei der Tombola nun wirklich!
Welch gottgefälliges Werk! Und so menschlich!

Anmerkungen

1 www.dg-mittelrhein.de/index.php?id=3158
2 Ebd.
3 Ebd.
4 www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/arbeitsvermittler-verlost-dienste-von-langzeitarbeitslosen-an-firmen-a-877668.html