Einzelurteil und Kollektivurteil

Interview

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Interview mit Manfred Kannenberg-Rentschler (Volkswirt und Buchhändler) / Thema "Dreigliederung des sozialen Organismus", Mikro-, Makrokosmos / am 31.03.1994 in Berlin in Bücherei für Geisteswissenschaft und soziale Frage" / Interviewer (c) Sebastian Schöck Berlin, (c)-Vetorecht bei Publikationen hat der Interviewpartner / Kamera Wolfgang Schwartz / Bandformat: BetacamSP

Sebastian Schöck: Würden Sie sich bitte kurz vorstellen und eine kurze Zusammenfassung ihrer Ziele und Aktivitäten geben.

Manfred Kannenberg: Ich bin Manfred Kannenberg-Rentschler und seit nunmehr 18 Jahren Buchhändler in diesem Bahnhof. Der Grund daß ich Buchhändler wurde, hängt auch mit dem Grund dieses Themas zusammen. Nämlich ein Versuch den Kulturfaktor Anthroposophie in einen Zusammenhang zu stellen, der mir während meines Studiums und auch sonst während meiner sehr kurzen Berufspraxis in der Industrie als vollständig unterrepräsentiert erschien und so kam es zu dieser Gründung. Also einerseits der Wunsch, die Lust sich selbständig zu machen, zum anderen der Versuch eben diesen Kulturfaktor Geisteswissenschaft in einen Zusammenhang zu stellen, der mir nötig erscheint.

Sebastian Schöck: Jetzt die schwierigste Frage überhaupt: Wie funktionieren Welt und Gesellschaft?

Manfred Kannenberg: Ja, das ist wirklich eine sehr allgemeine Frage. Ich würde mal sagen, was unsere soziale Welt angeht auf die wir uns ja nun ein bißchen in diesem Gespräch konzentrieren, funktioniert sie so gut, wie wir Menschen sie verstehen. Und mit diesem Verstehen hapert es ja auch, und ein Grund vielleicht auch der Bemühung; - die Firma hier heißt ja "Geisteswissenschaft und soziale Frage" - ; ist ein wenig Verständnis der sozialen Prozesse zu befördern. Das ist ein langer Erkenntnisprozeß und wie die Welt sonst funktioniert, das ist eben eine Frage der Wissenschaft und Erkenntnis, und die möchte ich auch nicht mit einem Satz beantworten.

Sebastian Schöck: Können Sie eine Beziehung herstellen zwischen dem "inneren Menschen" und der Außenwelt, ob da eine gewisse Übereinstimmung zu finden ist oder Gesetzmäßigkeit?

Manfred Kannenberg: Ja also, bezogen auf die sogenannte soziale Realität würde ich sagen, sie spiegelt unser Verständnis exakt wieder. Von, unser eigenes Verständnis von uns selbst, Selbsterkenntnis, Welterkenntnis als etwas was in einer Korrespondenz stehen und bezogen auf die soziale Frage eben - Gedanken sind Wirklichkeiten, wir werden einerseits von den Strukturen in unseren Gedanken beeinflußt, also was jahrzehntelang unter diesem Motto lief: Die Einrichtung bestimmen unser Denken, aber umgekehrt ist es auch so, daß unsere Gedanken, unsere Erkenntnisse wieder neue Einrichtungen hervorbringen. Das ist dieser Zusammenhang.

Sebastian Schöck: Ja, in der Anthroposophie wird von den drei Seelenkräften gesprochen. Da wird gesprochen von Denken, Fühlen und Wollen oder auch von Leib, Seele und Geist. Läßt sich da eine Beziehung herstellen zu Wirtschaftsleben, Rechtsleben und Geistesleben?

Manfred Kannenberg: Also in der Tat ist diese Dreigliederung das Menschen, wie sie 1917 zuerst in dem Werk Steiner´s von "Seelenrätseln" veröffentlicht wurde, eine Entdeckung der -, eine verfeinerte Entdeckung der Seelengliederung des Menschen, also gewissermaßen die physiologischen Grundlagen der verschiedenen Seeleneigenschaften. Ich denke aber nicht, daß, unbedingt eine Analogie herzustellen ist zu den genannten sozialen Feldern, sondern das ist wohl so, daß eine Charakterisierung (der -,) unserer sozialen Tätigkeit, sicherlich verschiedene Merkmale der Gesellschaft zeigen werden. Und man kann auf drei kommen, wir werden uns ja noch näher darüber unterhalten. Aber ich würde jetzt nicht so am Anfang platterdings sagen, das Fühlen gehört nun ins Wirtschaftsleben oder ist eine Widerspiegelung des Wirtschaftslebens und das Denken ist sozusagen der Angelpunkt des geistigen Lebens. Soweit würde ich jetzt nicht gehen.

Sebastian Schöck: Was verstehen Sie unter Wirtschafts-, Rechts-, und Geistesleben? Und wie sollten Wirtschafts-, Rechts- und Geistesleben miteinander harmonieren?

Manfred Kannenberg: Also der Begriff, der eben im Zusammenhang mit der Dreigliederungsbewegung 1917 angefangen 1919/21 entstanden ist, der Begriff des sozialen Organismus, der soziale Organismus als eine Realität, als eine gesellschaftliche Realität, die dann so genau beschrieben wird, daß in diesem sozialen Organismus drei soziale Territorien oder Glieder unterschieden werden, die nach ganz verschiedenen Gesetzen tätig, wirksam sind. Da ist das eine, eben das wo wir gerade drüber gesprochen haben: das geistige Leben, das kulturelle Leben als soziale Größe wohlgemerkt. Sprache ist eine soziale Dimension. Aber eben Kirchen, Schulen, alles dieses , Forschungsstätten, also dieses kann man charakterisieren durch den Satz, vielleicht:

Im geistigen Leben ist der Einzelne autonom, ist das Einzelurteil das einzig Wahre.

Nicht wahr, der Lehrer bildet sich ein Urteil über seinen Zögling, vielleicht auch noch sein Mitlehrer und das Elternpaar, aber es zählt das Einzelne. Wie beurteile ich das? Der Maler tritt ein wenig zurück von seinem Werk und sagt, das ist schlecht, das ist gut. Das kann er sozusagen nur in Autonomie sich beantworten, wie gut er malt; der Architekt, aber auch der Schuster muß sagen, jetzt bin ich zufrieden oder nicht. Also vollkommene Autonomie des Einzelnen, Tüchtigkeit, Fähigkeit individuell. Und das als Prinzip heißt, es bildet sich eine gesellschaftliche Wirklichkeit heraus, die wir nennen können das kulturelle Leben. Wir beschützen das, indem wir möglichst Gesetze machen, daß sich Autonomie entwickeln kann. Das ist ein Entwicklungsprozeß.

Das zweite was in diesem sozialen Organismus beschrieben wird - in der Geisteswissenschaft und durch Geist erkennende Mittel kann man ja sagen, ist das Rechtsleben, das sich sozusagen historisch auch in der Form der Demokratie meldet, zunächst mal als Rechtswesen natürlich auch Diktat, ja, also wie soll ich sagen, Order von oben. Man muß ja nur einmal nach Potsdam fahren um zu sehen, wie auch mal von einem Punkt aus gewissermaßen Rechte oder Macht ausgegangen ist. Gleichzeitig ist aber auch die Geschichte überliefert, daß der Müller der nun vor dem Alten Fritz dort war in Sans Souci 1739 und den alten Fritz beim Flötenspielen störte mit seiner Mühle, einen Prozeß gewonnen hat gegen den Alten Fritz, nämlich er durfte seine Mühle weiterbetreiben. Da hat sich das Recht sozusagen gemeldet als ein Gleiches zwischen dem König Friedrich II und diesem Müller. Interessanter Vorgang. Also es gibt eine Ebene unserer Beziehung, die ist derart zu charakterisieren, daß alle gleich sind. Gesetze entstehen durch Abstimmung. Und das ist die Frage ...

- Pause -

Manfred Kannenberg: Also diese, diese Sphäre des Rechtes, die aber auch nur eine Sphäre (ist), wenn wir das vergleichen mit der vorigen des freien Geisteslebens als einer Funktion, öffentlichen Funktion.

Und nun als Polar zum freien Geistesleben, als Polarität zu sehen das Wirtschaftsleben, wo die Freiheit, die individuelle Freiheit keinen Sinn macht. Das kann man im Westen ja gar nicht laut sagen. Weil wir ja nun gerade die Freiheit im Wirtschaftsleben suchen. Wo jeder tun kann, was er will.

Wo wer ein Stück Grund und Boden erwischt hat, es eben an seine Nachkommen vererben kann. Es ist seine Freiheit das zu tun, aber es macht gar keinen Sinn.

Das Gesetz des Wirtschaftslebens, also gewissermaßen die Gesetzmäßigkeit, die Charakteristik des Wirtschaftslebens im zwanzigsten Jahrhundert und schon im neunzehnten Jahrhundert ist, daß jeder für jeden arbeitet. Keiner arbeitet für sich. Wir leben in einer extrem ausgebildeten Arbeitsteilung und zwar weltweit.

Und es macht keinen Sinn, daß man diesen Prozeß des Warenherstellens, des Warenvertreibens, -zirkulierens und des Warenkonsums (unter einem,) unter ein Prinzip stellt, was in einem ganz anderen Lebensgebiet seine Berechtigung hat, aber nicht im Wirtschaftsleben.

Also im Wirtschaftsleben wäre die Solidarität das entsprechende Prinzip, oder ausgedrückt, etwas sentimentaler, wenn man so will, die Brüderlichkeit.

Das Soziale ist dort angelegt, genauer gesagt, ich bin Volkswirt also von meinen Studium her,

das Problem des Wirtschaftslebens ist der richtige Preis. Wir tauschen weltweit miteinander, die Kaffeebohnen mit den Büchern usw. und es gibt überhaupt nur sozialen Frieden, wenn dieser Tausch der Leistungen gegeneinander die richtige Bewertung erfährt.

Das ist ein relativ komplizierter Prozeß, den man aber nicht auf den Markt abschieben kann, einem anonymen Markt der das irgendwo ausrechnet,

die unsichtbare Hand von Adam Smith. Das führt zu einem Chaos und die kann man auch nicht einer Bürokratie anheimstellen, wie man das nun, nun 70 Jahre probiert hat mit der Planwirtschaft. Da kommt auch ein Chaos raus. Sondern man muß sie in die Beobachtung der Beteiligten stellen, sprich man muß Assoziationen bilden zwischen Händlern, zwischen Erzeugern und Verbrauchern. 07.03.08.

Also was man heute sagen wir mal in der Szene, in der Bioszene eine Food-Coop nennt. Das ist sozusagen der richtige Gedanke. Man muß miteinander reden,

man muß den Bäuerlein fragen, was brauchst du für diesen Doppelzentner Rüben; die Hausfrau muß sagen was kann sie bezahlen; auch in der nächsten Periode, Ernteperiode. Und der Händler muß relativ selbstlos dazwischen stehen. Er soll schon seine Marge haben, irgendwie. Aber er muß eigentlich die beiden zueinanderführen. Und dann haben wir Wirtschaft.

Sebastian Schöck: Ja, ich kann das jetzt nicht einfach so hinnehmen, daß Sie das Freiheitsprinzip jetzt aus der Wirtschaft völlig ausgrenzen wollen. Weil ich denke doch, da braucht man irgendwie um kreativ zu werden innerhalb der Wirtschaft muß man doch auch eine gewisse Freiheit haben. Obwohl natürlich vielleicht technische Lösungen immer nur eine bestimmte Lösung oder, naja - in bestimmte Richtung geht.

Manfred Kannenberg: Ja die Freiheitssehnsucht ist einmal, findet, also ich möchte sagen, warum die Freie Marktwirtschaft so ein Erfolg war in Westdeutschland, hängt ja einmal damit zusammen, daß wir kein freies Geistesleben haben.

Wir werden geknechtet in den Schulen, darf ich ja mal übertrieben so sagen, ich habe ja nun solche auch durchlaufen. Es ist eine Knechten-Schule, also man erlebt nie individuelle Freiheit, also jetzt überspitzt formuliert.

Jetzt sucht man also gewissermaßen seine restlichen Initiativkräfte selbstverständlich auch dort zu betätigen, wo man dann angekommen ist als Erwachsener. Das ist eine tiefe Sehnsucht. Und nach dieser Naziplanwirtschaft war natürlich die Verlockung, die im Westen entstand und durch die Amerikaner mit Millionen auch ausgestattet wurde durch den sogenannten Marshallplan, selbstverständlich da, jetzt initiativ zu werden, koste es was es wolle.

Das ist irgendwo legitim, der Mensch will irgendwann mal diese Initiative erleben. Vielleicht hätte er sie aber im Musikunterricht erleben müssen.

zum anderen ist aber diese ganze Initiative

natürlich was kostbares, die freie Unternehmerinitiative. Sie ist aber, wenn man genau charakterisiert, eigentlich ein Glied des freien Geisteslebens; das heißt, hier durchdringen sie sich. Es ist ja nicht eine Dreiteilung, sondern es ist ein Organismus, so daß man sagen kann,

die spezifisch initiativen Kräfte des Unternehmers, aber auch des Arbeiters, sind eigentlich Elemente des freien Geisteslebens. Das dringt hinein in dieses Wirtschaftsleben.

Aber ganz knapp gesagt, ist das Wirtschaftsleben das Zirkulieren der Waren. Das zirkuliert natürlich nur wenn Tüchtigkeiten da drin sind, aber die Tüchtigkeiten - sind eigentlich ein Gebiet, sind sozusagen - wurzeln in diesem Gebiet des freien Geisteslebens.

Sebastian Schöck: Können Sie jetzt vielleicht noch mal kurz charakterisieren, wie sich die inneren Gesetzmäßigkeiten von Kultur-, Rechts- und Wirtschaftsleben unterscheiden?

(Manfred Kannenberg: Das kulturelle Leben gedeiht, wenn das ... )

- Pause -

Sebastian Schöck: Können Sie jetzt vielleicht noch mal charakterisieren, wie sich die inneren Gesetzmäßigkeiten von Kultur-, Rechts- und Wirtschaftsleben unterscheiden?

Manfred Kannenberg: Also man kann, wenn man dieser Charakteristik folgt, beschreiben, daß das geistige Leben, das öffentliche geistige Leben von Gesellschaften gedeiht - nur in Freiheit gedeiht, wenn der Einzelne mit seinem einzelnen Urteil frei sein darf. Wenn das ihm zugestanden wird oder wenn man sogar so weit geht wie es einmal hieß 1919 in einem Dreigliederungsvortrag von

Steiner, daß er sagt: Warum haben wir eigentlich Kriege? also nachdem diese Schlacht des Ersten Weltkrieges zu Ende war. Warum haben wir eigentlich Kriege? Weil man den Einzelnen seinen inneren Kriegsschauplatz nicht zugesteht. Das ist also ein Faustisches Motiv, nicht wahr. Der Faust führt einen inneren Krieg und das wird sozusagen Mitteleuropa geschenkt als Mitgift. Dieser Faust wird ja nun auch jedem irgendwie nahegebracht. Aber was passiert da? Ja, er ringt und am Ende steht: "Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." Das ist sozusagen das Element des freien Geisteslebens.

Jetzt gehen wir in das Rechtsleben. Da ist es ganz, eigentlich eine ganz nüchterne Sphäre. Da geht es um Recht. Da geht es um Gesetze. Da geht es um Gleichheit. Wir können nicht jeder fahren links oder rechts, wie wir gerade wollen. Wir einigen uns, daß wir alle links oder alle rechts fahren. Ein banales Beispiel. Und wir einigen uns darauf, daß die Kinder nicht schon ab neun im den Fabriken sein dürfen. Das ist das Arbeitsrecht. Wir schieben einen Riegel davor. Eine Idee der Dreigliederungsbewegung war in der Waldorfschule: Jeder Mensch geht bis zum achtzehnten Lebensjahr auf die Schule. Das ist ein Menschenrecht.

Das wird nicht irgendwie durch wirtschaftliche Privilegien ausgewürfelt oder so, sondern es ist ein Menschenrecht. Das ist sozusagen ein Spezifisches, das wird durch Volksentscheid, durch Volksabstimmung, durch Parlamente oder was immer entschieden. Wir haben das drin in der Verfassung. Jeder Mensch darf mal auf eine allgemeinbildende Schule. Das ist Rechtsleben.

Und das Wirtschaftsleben, was ja nun alle überwältigt hat, was alles ökonomisiert hat. Es ist ja alles zur Ware geworden. Auch die Menschenrechte sind zur Ware geworden und das geistige Leben ist auch zur (Ware geworden)-,

ich war Ausbilder in einer Industrie und habe Abiturienten ausgebildet. Und sie zitterten nach zwei Jahren und sagten Herr Kannenberg, bitte geben Sie mir eine zwei, dann kriege ich tausend Mark mehr. Das war das Ende meiner Ausbildungszeit. Dann bin ich gegangen. Das heißt es kam nicht darauf an, nicht wahr, was ich meinte was der kann, sondern er wollte von mir eine Ziffer haben mit der er dann irgendwo einen Eintritt (hat) ... Das ist sozusagen die Wirtschaft diktiert auch noch das. Und das geht ja auch heute immer weiter. Also, ich will damit sagen,

das Wirtschaftsleben ist aber nur ein Bedarfdeckungsinstrument für die Menschen. Es muß sozusagen kleingehalten werden. Sonst überwuchert es ja alles. Das ist ja kein Selbstzweck. Und dieser Bedarfdeckungszweck ergibt sich, wenn die Menschen Assoziationen bilden indem sie besprechen wieviel produziert wird, wie teuer es ist und in welcher Qualität.

Sebastian Schöck: Wie kann sich der einzelne Mensch innerhalb dieses angedeuteten dreigliedrigen sozialen Organismus entfalten?

Manfred Kannenberg: Ich würde so herum sagen: Erst wenn wir es zu einer Gliederung des Leibes, wenn man sagt die Gesellschaft ist der Leib, soziale Leiblichkeit. Wenn wir es zu einer Gliederung bringen, indem sozusagen nicht der Staat in alles hineinfunkt, erst dann kann sich der Mensch entfalten. Weil in ihm lebt selbstverständlich auch das soziale Verantwortungsgefühl, was wir heute gar nicht entwickeln können. Ich habe da Urerlebnisse in der Industrie gehabt. Wenn die Menschen Verantwortung übernehmen wollten als Menschen an der Montage oder der Einrichter, weil es schief lief in der Nachtschicht und haben etwas getan, haben sie morgends eine vom Meister auf den Deckel gekriegt oder von dem Establishment. Es wird systematisch, es ist gar nicht deine Aufgabe Verantwortung zu haben. Es ist nur ein Beispiel. Und so haben wir eine, in gewisser Weise einen Krankheitsbefall, (indem wir) indem wir Anweisungen geben in Bereiche, wo sie nicht hingehören und der Mensch, wenn das schon so heißt, entfaltet sich. Wie kann er sich denn verwirklichen? Er kann sich dann besser verwirklichen, wenn die Lebensgebiete in eigener Verwaltung sind, Selbstverwaltung (der), Selbstorganisation der Kultur und Selbstorganisation der Wirtschaft.

Sebastian Schöck: Jetzt was verstehen Sie unter Wirtschaft? Können Sie vielleicht noch mal kurz komprimiert zusammenfassen, und was sind für Sie die wirtschaftlichen Kernfragen?

Manfred Kannenberg: Ja aber ich möchte sagen Weltwirtschaft. Das ist ja ein hier, es gibt den nationalökonomischen Kurs von

1922, das war nach der Dreigliederungsbewegung. Da war sie sozusagen abgeblasen, weil sie politisch abgeblockt wurde von Unternehmern, und Gewerkschaften, und Parteien. Man merkte schon woher der Wind weht. Der vormundschaftliche Staat sollte sozusagen verschwinden, das hat man abgeblockt.

Dann wurde dieser nationalökonomische Kurs gehalten 1922 im August in Dornach, vor Studenten der Ökonomie. Das haben die Engländer schlicht übersetzt mit world economy. Das ist der sachgemäße Begriff, wir haben eine Weltwirtschaft. Die Menschheit (als sozi...) als wirtschaftlicher Organismus gedacht ist der soziale Organismus. Weltweit zirkulieren die Waren. Und das ist ein Glied unserer, sozusagen unseres sozialen Organismus. Aber nicht das einzige.

Sebastian Schöck: Welche besseren Arbeitsmotivationen gibt es außer Egoismus und Zwang?

Manfred Kannenberg: Also ich will mal so sagen, das ist eben diese Schlüsselfrage, Wir werden gezwungen zum Egoismus. Wir haben Einrichtungen übernommen. Wir haben Rom, wir haben sozusagen das römische, wir perpetuieren das römische Besitz-, Herrschaftsrecht und auch im Wirtschaftsleben. Und so können die Menschen in ihrer Lohnabhängigkeit natürlich gar nichts anderes tun als möglichst viel Lohn herbeizupressen über ihre Interessenverbände. Es ist aber der schlechtest denkbare Antrieb für eine arbeitsteilige Wirtschaft.

Jeder andere wäre besser nämlich der aus sozialer Verantwortung. Also das was normalerweise nur noch in den Subkulturen funktioniert, sprich in der Familie. Welche Mutter würde denn sozusagen aus dieser Niedertracht möglichst viel für ihre Arbeit zu bekommen oder möglichst wenig zu tun für einen bestimmten Lohn noch irgendwie die Betten wechseln. Und das funktioniert natürlich nur noch, das funktioniert auch in allen informativen Gemeinschaften noch. Es würde keine Wohngemeinschaft mehr funktionieren. Jeder Arbeitsantrieb ist sozusagen ein Ausfluß unseres, unserer Individualität. Das ist eigentlich unseres Bestes, das Arbeiten. Wir wollen das für den anderen tun.

Und da sitzt aber drauf dieser Herrschaftsanspruch, den man jetzt (müßte) man analysieren (müßte). Woher kommt das dieses römische Recht und warum ist es eigentlich immer noch hier drin? Das kann man jetzt hier nicht in zwei Sätzen sagen, da gibt es reichlich Literatur, z.B. hier in diesem schönen, sehr schönen Buch "Das soziale Rätsel". Das habe ich herausgegeben. Der Autor ist aber Hans Georg Schweppenhäuser. Da wird das - ein Viertel des Buches ist eine Genealogie des Rechtes und ein, gewissermaßen ein Appell eines Praktikers, der war Ingenieur, der war Betriebsleiter. Der ist verzweifelt an der Tatsache, daß alle gegeneinander arbeiten müssen, auch die Aktiengesellschaften. Ein neues Recht in der Form, daß man ein dynamisches Recht hat, ein Belegschaftsrecht, ein zirkulierendes Recht. Das heißt man muß sozusagen, es gibt keinen absoluten Besitz an Volksvermögen und Produktionsmitteln, sondern es gibt nur einen zeitweisen. Und der geht dann über auf die nächsten. Also das was wir im geistigen Leben haben mit diesen Autorenrechten, die nach dreissig oder siebzig Jahren der Gesamtheit gehört.

Das sagt der Steiner, das müßte eigentlich Schule machen auch mit dem übrigen Kapital. Und dann haben wir andere Arbeitsantriebe, nämlich die natürlichen.

Wir haben künstliche Arbeitsantriebe. Und natürlich das Tragische ist, der Widerspruch zum westlichen Kapitalismus mit seinen niederträchtigen sozusagen Arbeitsantrieben ist der Bolschewismus - tragischerweise. Eine sozusagen verfrühte Form oder eine abstrakte Form von Sozialismus und er knüppelt sozusagen auch noch mal alles weg, was an Sehnsucht da ist an Sozialismus. Heute sind die Menschen - wollen davon nichts mehr wissen. Warum? Weil man eine Art Kommandokasernensozialismus gemacht hat.

Nicht, die Antriebe haben sich eben auch nicht entfalten können. Und jetzt kann man auch nicht sagen der anthroposophische Arbeitsantrieb ist der selbstlose. Das ist auch ein völliger Unfug. Anthroposophen an die Macht oder so was, schrecklicher Gedanke. Sondern

man muß sozusagen überall wo die Initiative soweit ist, sei es zum Beispiel in so einem, in so einer Gründung oder was, auf dem Biohof oder was, muß man anfangen, das zu entzerren, dieses Einkommen von der Arbeit zu entzerren, ne. Nehmen wir an -

ein Dorf wie Synanon macht das bereits ja.

Das Einkommen und Arbeit ist etwas völlig getrenntes. Und das Einkommen wird so festgelegt, daß man denjenigen fragt was brauchst du überhaupt für dich und deine Familie. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. 07.16.36. Und der arbeitet soviel er kann und möchte, ja. 07.16.42.

Sebastian Schöck: Nun ja,. Wie würden sie den Lohn anders regeln?

Manfred Kannenberg: Den Lohn?

Sebastian Schöck: Den Lohn.

Manfred Kannenberg: Ja in den Kernpunkten, also das ist ja immerhin noch das, die einzige Schrift zu dieser ganzen Dreigliederungserkenntnis. Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft, 1919 geschrieben. Da ist das ja ein ganzes Kapitel, wie abgelöst werden kann das Lohnverhältnis

durch ein Teilungsverhältnis. In der Art daß eben, dazu muß man eben auch beschreiben, daß es keinen Arbeitgeber in dem alten Sinne mehr gibt.

Es gibt einen Leiter, der hat mehr geistige Fähigkeiten und es gibt mehr den Proletarier, der hat mehr manuelle Fähigkeiten. Das ist so. Das ist auch nicht eine Schlechterstellung. Aber die Vereinbaren im Sinne des Rechtes, beschrieben Rechtes vorhin - in der Rechtssphäre - Gleichheit, wieviel jeder leistet für die Gemeinschaft. Also Fahrradfabrik, es gibt den Ingenieur, es gibt den Pförtner und es gibt den Dreher und es gibt die Frau, die es dann in die Schachtel packt. Man kann ja nicht davon ausgehen, daß alle eine Einheitsentnahme kriegen. Man kann davon ausgehen, das gibt es auch. Aber es wird auch so sein, daß die das anerkennen, die das in die Schachtel tun drei Stunden in der Woche, daß die anerkennen, daß der Ingenieur, der das Rad ständig neu entwickelt, damit es am Markt noch eine Chance hat, wenn man so will, daß der gewisserwaßen eine höhere Quote hat an einem etwaigen zu verteilenden Erlös, ja? (Aber das ist sozusagen -) Da kommt die Rechtsspäre rein. (Das heißt man muß den Lohn überhaupt entök-,)

man muß sozusagen das Einkommen entökonomisieren. Das ist ein schwerer Gedanke, aber es ist eben so.

Sebastian Schöck: Würden Sie da ein Grundeinkommen und ein Leistungseinkommen (unterscheiden ?)...

Manfred Kannenberg: Vielleicht würde es eine gewisse Ruhe geben, soziale Ruhe, wenn man so ein Grundeinkommen vorsehen würde. Das ist eine Frage ... Ich möchte dazu gar nicht etwas Grundsätzliches sagen. Ich denke mir das ist - das könnte ein Weg sein. Ja.

Sebastian Schöck: Was ist zu der Parteibildung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu sagen?

Manfred Kannenberg: Das ist ein Fluch. Das ist ein historischer Fluch. Das sind Gefangene des Systems.

Und wie man da raus kommt, das zeigt sich ja, daß nun wo nichts mehr zu verteilen ist, die Freude an diesem Arbeitskampf, an dieser Parteienbindung auch geringer geworden ist und man auch darüber spricht, wie man aus diesen Zwängen herauskommt.

Also eigentlich hätten die Gewerkschaften auch vornehmlich eine Bildungsaufgabe. Nämlich die Ausbildung, die bestmögliche Ausbildung der Arbeiter, auch die Umsetzung und so weiter, vorhersehen von Strukturänderungen. Nicht aber Kampf um Moneten, nicht wahr.

Ebenso müßten sozusagen die Arbeit-, die sogenannten Arbeitgeber, die eigentlich nur Leiter sind, ja. Die haben gar nicht die Arbeit zu geben. Das ist umgekehrt, ja. Die anderen geben ihre Arbeit, das ist ja so. Aber die sind sozusagen heute Angestellte der Bankenkonsortien, nicht wahr. Das Kapital diktiert letztenendlich auch wieder den Lohnpreis. Und in deren Namen treten sie auf.

Sie müßten aber in eigenen Namen auftreten dürfen. Also das ist eine gewaltige Veränderung, die uns bevorsteht. Daß man gewissermaßen nicht mechanisch den Lohn als Kostenfaktor nimmt.

Wenn wir das nicht überwinden, wird es keinen sozialen Frieden geben.

Sebastian Schöck: Ja wie kann man da weiterkommen in diesem Konflikt? Sie meinen die Gewerkschaften haben eine Bildungsaufgabe zur Ausbildung, beruflichen Ausbildung ?

Manfred Kannenberg: Man kann neue Wege begehen. Man kann Firmen um-, es werden ja heute Firmen auch ganz anders gestaltet. Es gibt alle möglichen Anfänge einer, erstens einer gleichberechtigten Unternehmensführung, wo alle drin sind in der Unternehmensführung. Das gibt es bereits, macht Schule. Auch die, da gibt es auch keine starren Löhne, ja. Und dann gibt es sicherlich auch im Wissenschaftsbereich, ich meine es gibt auch mal selbst im politischen Bereich, wenn Herr Biedenkopf manchmal einen guten Tag hat, dann hat er plötzlich auch mal einen neuen Gedanken und ventiliert wie kommt man da raus. Da muß man natürlich dann nachsetzen. Also da gibt es verschiedene Ebenen der Aktivität. Also ich würde mal so sagen, es ist sicher gut auch Betriebe zu gründen die dies von vornherein aufheben. Die auch nur durch Kredite leben, meinetwegen. Da ist gar kein Privatbesitz. Da kommt man schon sofort raus.

Sebastian Schöck: Aber aus der Sicht der Produktionsunternehmen müßten sie im gleichen Boot sitzen?

Manfred Kannenberg: Ja.

Sebastian Schöck: Welche Rollen sollten die Verbraucher in der Wirtschaft spielen?

Manfred Kannenberg: Die Verbraucher sind diejenigen die, um die es eigentlich beim Wirtschaftsleben geht als Impulsgeber. Es gibt keine Wirtschaft ohne Verbraucher. Die Verbraucher setzen die Wirtschaft in Gang, nicht wahr. Und wir haben aber eine produktionsorientierte Wirtschaft

speziell durch die Nachkriegsentwicklungen im Westen bekommen, weil man glaubte der Hase läge dort im Pfeffer. Alles ist kaputt gewesen. - Wie gibt man Investitionsanreize ? Im Osten wiederholt man diesen Irrtum, jetzt (seit) 1990.

Der Verbraucher müßte sich organisieren in Verbraucherverbänden und müßte sozusagen derjenige sein, der auch die Aufträge verteilt. Also Konsumgenossenschaften, wenn man so will.

Das ist aber etwas was wir vollkommen verlernt haben. Wir sind im Westen dermaßen gewöhnt daran mit dieser berühmten Einkaufskarre durch diesen Warenkorb zu fahren, daß wir uns überhaupt keinen Gedanken machen, wie kommt es da rein. Geschweige denn eine Mitverantwortung, nicht wahr.

Letztlich sind es erst die Umweltschäden dieser auf hemmungsloser Produktion hin gerichteten Wirtschaft, die uns als Verbraucher jetzt auf den Plan rufen. Diese ganze Wegwerforgie oder das Qualitätsbewußtsein, der Schrei nach nicht so krebsfördernden Nahrungsmitteln, der wird jetzt erst laut nachdem sozusagen schon alles schiefgelaufen ist. Der müßte ja sozusagen viel aktiver werden. Aber das kann man jetzt nicht predigen, sondern das ist auch eine Frage, ob die Menschen das wollen und hinkriegen. Man hat uns das abgewöhnt, ja.

In jedem Produkt selbst in den Büchern ist noch zehn Prozent Werbekosten drin. Ein Buch wird durchgesetzt. Es interessiert die Verlage eigentlich gar nicht, was die Menschen für Bücher brauchen. Sie setzen ein Buch durch mit allen Mitteln. Sie haben die Mittel und dadurch steht die Wirtschaft auf den Kopf.

Sebastian Schöck: Das heißt also sie soll von der Produktionsorientierung ...

Manfred Kannenberg: Ja, sie muß dringend zu einer Verbrauchsorientierung. Ja, und das ist dann jetzt heute verbrämt mit ökologisch orientierter Wirtschaft. Man muß aber eigentlich sagen verbrauchsorientierte Wirtschaft, Bedarfsdeckungswirtschaft.

Sebastian Schöck: Bei der Marktforschung versucht man doch auf so was einzugehen.

Manfred Kannenberg: Ja, man versucht die Entmündigung, die stattgefunden hat, sozusagen durch die Marktforschung zu verbrämen, indem man sagt, wir wollen - wir wissen aber ganz genau - Bauknecht hat den besten Satz dafür: "Bauknecht weiß was Frauen wünschen". Ja wieso sollen sie´s denn wissen, durch Marktforschung oder was? Nachdem die Frauen aber sozusagen mundtod sind, sie haben nie die Chance irgendwie da mit(zuwirken), ja. Das kann man natürlich auch suggerieren, daß es um die geht. Das ist aber natürlich auch irgendwo zynistisch. Das ist werbewirksam, aber es entspricht nicht den Tatsachen. Aber es ist so! ...

- Pause -

Sebastian Schöck: Was halten Sie vom gegenwärtigen Eigentumsrecht? Haben sie da Verbesserungsvorschläge?

Manfred Kannenberg: Also in dem Eigentumsrecht, in dem undifferenzierten Eigentumsrecht liegt eigentlich das Hauptproblem der Verhinderung (einer -) neuer Arbeitsantriebe, das haben wir schon gesagt, aber auch einer Bedarfsdeckungswirtschaft.

Diese auf das Privateigentum (der) an den Produktionsmitteln, und zwar das unumschränkte und unbefristete Privateigentum, hinorientierte Wirtschaft, die produziert eigentlich die Schäden.

Man könnte sogar sagen, das ist der Krebsschaden. Und dieses Eigentum sieht nämlich vor, daß es völlig losgelöst von dem jeweiligen realen sozialen Zusammenhang tätig werden kann; wie wir jetzt sehen bei den sogenannten Rückübereignungsansprüchen von irgendwelchen Enkeln (von,) von aus dem Osten geflüchteten vermögenden Menschen, die einfach auftauchen und unzählige Böden zurückverlangen oder Häuser oder auch Fabriken, die eigentlich keinen volkswirtschaftlichen Zusammenhang haben, in dem sie selbst drin stehen, sondern sie sind aktenkundig und haben die Herrschaft über das. Das ist also völlig auseinandergefallen. Und wir brauchten eigentlich ein Eigentumsrecht, das diesen Zusammenhang wiederherstellt, also

Jetzt müßte man sagen, wie würde das praktisch politisch aussehen, dann würde man sagen, in diese vorhin erwähnte neue Verfassung des neuen Deutschlands, des aus der verblichenen DDR und der verbleichenden BRD entstehenden neuen Deutschlands würde stehen,

nicht nur daß so viel freie Schulen wie möglich entstehen, je nach Initiative der Menschen und das wird befördert durch den Bildungsgutschein, haben wir ja gesagt. Sondern es steht da auch ganz lapidar drin, das Eigentum an Bleistiften und an den Anzügen und den Schlipsen und an den Betten ist gewährleistet. Artikel 1a:

Das Privateigentum an dem Grund und Boden gibt es nicht. Es gibt (hier, Red.) kein Privateigentum. Es gibt sozusagen nur Nutzungseigentum. Das Nähere bestimmen kommunale Verbände oder so etwas. 1 oder Artikel 14c:

Produktionsmittel sind jeweils in sozialer Verantwortung zu betreiben, das heißt sie werden vorübergehend Belegschaften oder Unternehmern in Verfügung gegeben, aber es gibt keine Verkäuflichkeit.

Produktionsmittel sind unverkäuflich. Das scheint jetzt etwas schwer zu denken zu sein, aber das wäre ein sehr wesentlicher Punkt, daß man eben vermeidet, daß Fabriken hin und her gekauft werden

oder das was am schlimmsten ist, was eigentlich auch ein Krebsschaden ist, daß man eben seit Bestehen der Bundesrepublik hunderte von Milliarden Scheinwerte erzeugt - "Scheinwerte" erzeugt hat - keine realen Werte, allein durch das Hinundherverkaufen von Boden. Und

Boden ist keine Ware, sondern ein Nutzungsrecht. Boden kann man nicht beliebig herstellen, das ist keine Ware. Das ist nicht vermehrbar. Das weiß jedes -, das weiß jeder Student im zweiten Semester Betriebswirtschaft.

Aber wir tun so als sei es eine Ware und bringen dadurch Krankheit in den sozialen Organismus, d.h. wir brauchen ein vollkommen neues Eigentumsrecht für die Produktionsmittel, nicht für die Privatsphäre, das ist alles in Ordnung.

Also, und dadurch daß das nicht unterschieden wird und dadurch daß man nun sozusagen den Trick gehabt hat, nur Staatseigentum oder Privateigentum siebzig Jahre einander gegenüber, was im Grunde das se(lbe ist) - ja? Das ist gar nicht so Grundverschiedenes. Da gibt es einen Eigentümer, das ist der Staat und da gibt es einen, das ist der Private und das ist beides römisches Recht. Und dazwischen ist eben gar nichts, eine Dynamik hat sich nicht ergeben.

Also wir müßten sozusagen, das was die Germanen instinktiv gemacht haben mit der Almende, jeder darf seine Kuh auf der Dorfweide weiden. Selbstverständlich, sie gehört doch nicht einen Bäuerlein. Das müssen wir sozusagen mit neuen Erkenntnissen modernisieren.

Das Wetterleuchten in Henrichs Buch, was dann in gewisser Weise auch (die) den Aufruhr in der DDR mit beschleunigt hat, dieser vormundschaftliche Staat. Da ist ein ganzes Kapitel zu diesem Thema. Wie kommen wir aus den Kombinaten heraus? Wie kommen wir aus der Planwirtschaft heraus? Aber der hat keinen Gedanken daran verschwendet, daß die zu privatisieren seien via Verkauf, steht da überhaupt nicht drin, sondern wir machen ein -, die treuhänderische Aufgabe besteht darin denen befristet dieses Volksvermögen zu übergeben, der Belegschaft. Und das notfalls wieder zurückzunehmen, ja? Da kann man sagen, wer verwaltet das? Ja das verwaltet die Initiative der Gesellschaft, die initiativen Kräfte, sprich das freie Geistesleben.

Sebastian Schöck: Kann man dann eine Unterscheidung zwischen Großunternehmen und Kleinunternehmen (beachten) ?

Manfred Kannenberg: Muß man wohl - muß man wohl. Weil, weil die Brisanz bei den Großunternehmen ist natürlich sehr viel größer und und man hat da auch bezüglich der Vergebung dieser Großunternehmen viel größere Schwierigkeiten zu bedenken. Das ist ja schon daran gescheitert, daß dieses Modell von dem Henrich zum Beispiel (schreibt), mußte daran scheitern, daß diejenigen Kräfte der Gesellschaft, die nun selbstlos ein solches Vergabe-, eine solche Vergabe betreiben könnten, nicht da sind. Es gibt ja sozusagen nicht die Polarität. Die Kombinate waren bereit dazu, aber die sind Wirtschaft, die wollen sich sozusagen behaupten, ja? Und die Kontrolle dessen war bisher der Staat. Der Staat ist weggebrochen. Aber das was diese kommunale oder diese selbstlosen Organe, die sind nicht da, die sind noch gar nicht da. Die sind bei uns auch ganz wenig da. Wir haben Parteien als Öffentlichkeit, wir haben ein bißchen Bürgerinitiative. Aber wir haben kaum Verbände, die gewissermaßen über ihren eigenen Schatten springen können und sagen es ist viel wichtiger das dieses Stück Boden hier nicht, ja, zu weiteren Automobilfabriken verwendet wird, sondern das wird hier eine Forschungsstätte oder was weiß ich (was), eine pädagogische Hochschule.

Wer soll das steuern? Das ist in der Tat die Frage, ja, die sich auch in der Dreigliederung stellt. Aber man kann vor ihr nicht zurückschrecken. Sie stellt sich, sie stellt sich genauso wie sich die Frage stellt: Bin ich eigentlich ein Schweinehund oder nicht? Die muß man sich doch auch jeden Tag stellen. Für sich persönlich im freien Geistesleben.

- Pause -

Sebastian Schöck: Welche Kernprobleme sehen Sie im heutigen Rechts- und Staatsleben?

Manfred Kannenberg: Daß der Staat nicht abtreten will, daß wir sozial so verfaßt sind, daß man dieses Staatswesen als unverzichtbar empfindet.

Wir vergotten den Staat. Aber wir sind sozusagen auch alle kleine Angestellte dieses Staates. Nur ein Beispiel dieses ganze Steuersystem, das fünfzig Prozent unserer ganzen Prozesse, Geldprozesse bestimmt, bürokratisch bestimmt. Wir können uns überhaupt nicht vorstellen, die Alternative zu einer Steuer für das Bildungswesen wäre die freie Schenkung. Jeder würde fast ohnmächtig bei diesem Gedanken, daß er selbst dafür zuständig ist wieviel Geld, wieviel freies Geld in die Bildung kommt. Man würde ohnmächtig bei dem Gedanken. Weil wir natürlich gelernt haben daß da immer einer drüber thront, der uns sagt, ja, jetzt müßt ihr zwei Komma fünf Prozent Ergänzungsabgabe (zahlen), das müssen wir frei herausfinden selbst. Und das zeigt nur wie sprachlos diese Gesellschaft ist im Sinne dieser Moderne.

Sebastian Schöck: Welches sind für Sie die Kernfragen der Demokratie und wo sehen Sie die Grenzen des demokratischen Prinzips?

Manfred Kannenberg: Ja wir haben Demokratismus. Wir versuchen nun sozusagen durchzubrechen mit, nach den Erfahrungen der Diktatur und der Einparteienherrschaft, möchten wir nun durchbrechen mit einem Pluralismus des Parteienwesens und glauben alles sei Demokratie. Und das ist ein Irrtum. Es ist nicht alles abstimmungsfähig. Das haben wir ja nun versucht zu charakterisieren. Es ist nicht abstimmungsfähig ob Kartoffeln oder Rüben zu produzieren sind, sondern das entscheiden bittesehr die Verbraucher. Und es ist nicht abstimmungsfähig, ob wir in der dritten Klasse Russisch lernen. Das entscheiden bittesehr die Pädagogen und die Erzieher.

Und wir glauben mit dem Demokratismus können wir sozusagen alle Probleme (lösen) oder mit einer verfeinerten Demokratie, das ist es aber nicht.

Und da glaube ich sind wir ganz schön reinge- , durch die Westmächte, die Englische Demokratie und die Amerikanische Demokratie, das kommt uns sozusagen wie das Heil vor, ja? Während die auf uns gucken und eine Sehnsucht nach einer freien, nach einem freien Kulturleben haben, wenn man sieht, wenn man das näher beobachtet. Wir haben eine ganz andere Tradition, wir haben schon die Autonomie des Kulturlebens in den großen Geistern hier gehabt jahrhundertelang, aber wir müssen es sozusagen verfassen. Ja.

Sebastian Schöck: Zu welcher verbesserten Rolle könnten sich politische Parteien weiterentwickeln?

Manfred Kannenberg: Ja das ist -, ich hab sie in gewisser Weise -, ich persönlich habe sie in -, man müßte sie -. Sie dürfen mitwirken bei der Willensbildung natürlich, politische Willensbildung. Aber das ist ein ganz bescheidener Beitrag. Sie können Kandidaten aufstellen; sie können sich sachkundig machen; sie können gewissermaßen Entscheidungen vorbereiten helfen, ja? Es gibt genügend komplizierte Entscheidungen, eine reine Sacharbeit. Und sie können Dinge transparenter machen. Aber es ist ja eine einzige Selbstbeweihräucherung, ob eine Partei oder drei Parteien das ist gar nicht so ein großer Unterschied. Das ist eine Relativierung des Problems.

Aber wenn man sieht wie die Parteien über Bürgerinitiativen herfallen oder etwa über den Gedanken der Volksabstimmung, das ist ja - das ist ja grotesk. Als sei das nicht auch eine Form der Mitbestimmung oder der Mitwirkung an diesem demokratischen Prozeß. Da haben sie sich ja selbst disqualifiziert die Parteien.

Sebastian Schöck: Was ist individuelle Weiterentwicklung?

Manfred Kannenberg: Individuelle Weiterentwicklung das ist sozusagen das Motiv Mitteleuropas: Werden, das ewige Werden, das ewige Streben, das Versuchen aus den Erkenntnissen sich zu verändern.

Sebastian Schöck: Was verstehen Sie unter Anthroposophie?

Manfred Kannenberg: Die Anthroposophie ist in gewisser Weise eine Weiterentwicklung dieses mitteleuropäischen Ideengutes, aus der Philosophie wird Anthroposophie. In denen man die Exaktheit der Gedankenbildung, die man gelernt hat in der Naturwissenschaft, in der Philosophie auf den Gedankenprozeß, auf das Denken selbst anwendet und zu einem lebendigen Denken kommt. Oder ganz kurz gesagt - exaktes Hellsehen.

Sebastian Schöck: Sie haben vorgeschlagen mit diesem Film historisch anzusetzen. Wie haben Sie das gemeint?

Manfred Kannenberg: Ich meine daß die Dreigliederung nicht eine Theorie ist oder irgendeine Flausel oder irgendeine Gruppenvorstellung, sondern daß das ein Impuls ist der historisch aufgetreten ist, aus einer Not (ausge-), als die Staatsformen damals 1917, also in diesen Krieg hinein aufgetreten ist als

ein vernünftiger Vorschlag den man nachprüfen kann. Den kann jeder durchdenken und das sollte man auch nicht davon lösen. Das ist ein Impuls, der wirkt weiter. Man kann sich versuchen in diesen Impuls hineinzustellen auf ganz verschiedene Art und Weise.

Die Waldorfbewegung ist ein Kind dieses Impulses. Ob sie heute eine verspießerte Privatschulbewegung ist, will ich jetzt nicht beantworten, aber sie ist sicherlich auch nicht als die Spitze dieser Dreigliederungsbewegung für jeden zu erkennen. Nämlich als ein Versuch dieses freie, die Befreiung des kulturellen Lebens für alle Menschen eben, ja, dafür einzutreten da ist sie sicher auch überfordert. Weil ihr ansonsten nichts entgegengekommen ist an Hilfen.

Es gibt eben kein Entsprechendes , keinen entsprechenden Impuls nach 45 zum Beispiel für eine Vergemeinschaftung des Wirtschaftslebens, für

eine assoziative Gestaltung des Wirtschaftslebens. Da gibt es einige Bücher, ja, es gibt eine Menge die versucht haben als Einzelkämpfer dafür aufzutreten. Herr Hermannsdorfer, Herr Volkert Wilken usw. Die sind aufgetreten als Experten eines, einer verbesserten, wenn man so will, Marktwirtschaft, nicht wahr?

Sebastian Schöck: Sie meinen also (das Gesellschaftsle- äh,) das Wirtschaftsleben soll vergesellschaftet werden, also sozialisiert (werden), aber ...

Manfred Kannenberg: Es soll vergemeinschaftet werden. Es soll sich selbst vergemeinschaften, ja? Und das wäre sozusagen das Pendant eines freien Geisteslebens. Das würde sich sozusagen entsprechen, ja? Und da ist aber die Freie Schule, ist eben hoffnungslos überfordert, das auch noch in Gang zu setzen. Im Wirtschaftlichen hat man halt irgendwie versucht, jetzt mechanisch das zu lösen.

Sebastian Schöck: Welchen Sinn hat ein Motto wie "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"?

Manfred Kannenberg: Ja das ist der Schlachtruf der Französischen Revolution 1789 und in gewisser Weise hat das dann die Dreigliederungsbewegung aufgegriffen als etwas was nicht in der Französischen Revolution verwirklicht werden konnte, indem man die Gliederung noch nicht finden konnte, ja? Es ist als Parole stehengeblieben und es hat blutig geendet, weil sich die Gesellschaft nicht entfaltet hat.

Man kann ja auch sagen, was ist ein anderes Wort für Dreigliederung, es ist Entfaltung, Blüte treiben, endlich mal, ja? Der Staat ist sozusagen eine Hülle oder was, eine vormundschaftliche Hülle, aber sie darf dann auch mal platzen, aber dann muß sie sich entfalten in diese Glieder. Natürlich kann man fragen gibt es nicht vier Glieder oder fünf Glieder, da muß man ins Einzelne gehen, ja? Ob man noch ein viertes Glied findet. Ich hab keins gefunden.

Sebastian Schöck: Welche Fragen beschäftigen Sie am meisten? Und in welchen Projekten würden Sie sich in Zukunft gerne beteiligen?

Manfred Kannenberg: Also ich will mal sagen hier geht alle Minute die Tür auf, normalerweise - und ich finde das ein sehr gutes Element, ein Bahnhof, kommende Züge, Geben und Nehmen. Es ist nicht das was ich mir sozusagen geträumt habe,

ich habe gemerkt das Leben in der Industrie verläuft nach Theorien. Es ist gar nicht praktisch. Das war meine erste Erfahrung.

Und ich würde, ich bin dann sozusagen in die Wissenschaft zurückgegangen und in der Wissenschaft hat man sich an die alternative Wissenschaft angehängt. Und das hat mich sehr beschäftigt; ich würde das auch gerne viel professioneller machen, aber das ist kein Brotberuf. Dann hat man also hier eine solche Scheibe gehabt, eine Schaufensterscheibe um das Leben zu beobachten. Und ich bin jederzeit bereit aufzustehen und zu sagen, es gibt Wichtigeres zu tun. Aber im Moment scheint mir das auch eine wichtige Aufgabe zu sein, Punkte zu schaffen in denen Menschen sprechen miteinander, in denen sie ihre Fragen stellen dürfen und in denen sie sozusagen auch suchen nach Antworten. Und das ist gar nicht so häufig oder selbstverständlich in diesem Lande.

Sebastian Schöck: Wodurch werden richtige Urteile in der Wirtschaft, in der Politik, und im Geistesleben möglich? Also unterscheiden sich die Urteilsfindungsprozesse im Wirtschaftlichen, Rechtlichen und Kulturellen?

Manfred Kannenberg: Also ich denke wir hatten das schon angedeutet, kurz. Man kann es noch mal wiederholen.

Im geistigen Leben ist das Einzelurteil das einzig Wahre, im wirtschaftlichen Leben ist das Gemeinschaftsurteil das einzig Mögliche. Das Einzelurteil ist dort falsch. Es ist sozusagen wirklich das andere Extrem. Das Einzelurteil ist richtig im Geistesleben. Das Einzelurteil ist falsch im Wirtschaftsleben. Es kann nur ein Assoziatives. Es kann nicht einer mit dem Kopf durch die Wand. Wenn er es tut schadet er allen anderen. Ja. Auch wenn er sich als legendäre Gestalt eine Weile feiern läßt, ja? Es gibt ja genügend Beispiele dafür. Irgendwann merkt man, naja aber es ging auf Kosten der anderen.

- Ein assoziatives Urteil (wäre richtig, Red.). Und im Rechtsleben ist das "gleiche Urteil" das einzig Richtige.

Und wir können, wir können nicht organisch denken. Goethe konnte organisch denken. Er hat nicht gesagt die Pflanze ist - und hat eine abstrakte Definition, sondern er hat die Urpflanze beschrieben. Und sie hat, ja, sie hat eben nicht nur einen Stengel oder nicht nur ein Samenkorn oder nicht nur eine Blüte. Sondern es ist in der Zeit zu Denken, ja? Sie entwickelt sich. Und der soziale Organismus entwickelt sich (auch) und hat diese Merkmale. Und wir müssen versuchen die Realitäten miteinander in Einklang zu bringen, dann gibt es einen guten Ton. Und den gibt es vielleicht nicht mehr in diesem Lande, ich weiß es nicht. Man hört ihn nicht.

Sebastian Schöck: Würden Sie uns bitte den Aufruf Steiners vom März 1919 zeigen und etwas Erklärendes dazu sagen?

Manfred Kannenberg: Also dieser Aufruf der hängt hier ja nun über den Schreibtisch; das war eine Art Wandzeitung. Das war ein Versuch nachdem die Memoranden, die ich erwähnt habe, 1917, die nun im diplomatischen Kreise verhandelt wurden und dann eben doch nicht verhandelt wurden, weil Herr Kühlmann der Abgesandte des Deutschen Reiches sie gar nicht ins Gespräch gebracht hatte, sondern die vierzehn Punkte Wilsons vorgezogen hat mit dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes, statt wie es in den Memoranden entwickelt wurde, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen als das einzig konstituelle Element einer neuen Gesellschaft zu proklamieren und damit keine Gebietsforderungen zu stellen usw. Aber zwei Jahre später schien es nötig zu sein an die Öffentlichkeit zu gehen und da haben, da hat man in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland diesen Aufruf formuliert, der ist jetzt abgedruckt immer in dem Büchlein "Die Kernpunkte" als Anhang. Dort wird in kürzester Form die Dreigliederung beschrieben, der soziale Organismus ist gegliedert usw. beschrieben, so daß ein Herr (Hermann, Red.) Hesse und ein Herr Jakob Wassermann und ein Herr (Wilhelm, Red.) Lehmbruck, die mit Steiner und mit Anthroposophen und so weiter gar nichts im Sinne hatten, ihren Füllfederhalter genommen haben und haben den unterschrieben. Weil sie nämlich empfunden haben den Druck, den unerträglichen Druck des Staates auf dieses geistige Leben,

und haben sozusagen eine Proklamation der geistigen, einer gewissen geistigen Elite dieser deutschsprechenden Völker, einen Appell an die Öffentlichkeit - und später ist daraus dann die richtige Dreigliederungsbewegung geworden mit vielen Veranstaltungen und Schulungskursen, Vorträgen und so weiter. Aber das ist so ein Vorläufer. - Immer noch sehr lesenswert.