Der Eurythmie-Professor und seine ebenso staatlich anerkannte Kollegin

01.03.2006

Es ist also nun so weit, wovon so mancher staatsgläubige Zeitgenosse schon lange träumte: die Eurythmie ist hoffähig geworden. Wer noch dachte, dass die Ernennung eines Eurythmisten zum Professor, wie sie vor mittlerweile vier Jahren (2002) an der Alanus Hochschule durchgeführt wurde, ein einmaliges Missverständnis oder ein humorvoller PR-Gag war, der weiß nun spätestens seit einer Presseerklärung der Alanus Hochschule, dass er sich wohl getäuscht hatte, denn offensichtlich war das nicht nur ein schlechter Scherz, sondern vielmehr das ganz ernst gemeinte Programm einiger sich besonders aufgeklärt dünkender Zeitgenossen: “Zur deutschlandweit ersten Professorin für das Fachgebiet Eurythmie hat am heutigen Donnerstag die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft Tanja Masukowitz ernannt. Die Berufungsurkunde wurde ihr im Rahmen der Sitzung des Senats von Rektor Professor da Veiga überreicht. Voraussetzung für die Ernennung war die Zustimmung des zuständigen Wissenschaftsministerium des Landes Nord-Rhein-Westfalen. Seit zwei Jahren ist die 40-jährige Tänzerin als Lehrbeauftragte an der Alanus Hochschule tätig, die seit 2003 als einzige Einrichtung Deutschlands ein anerkanntes Studium der Bewegungskunst Eurythmie auf Hochschulniveau anbietet. Masukowitz leitet den Fachbereich Eurythmie gemeinsam mit ihrem Kollegen Stefan Hasler, der seit Winter 2002 eine Professur inne hat, und unterrichtet die derzeit 35 Studenten im Fach Eurythmie vom ersten Studienjahr bis zur Diplomklasse.“ [1]

Die Gründe, die zu dieser zunehmenden Verstaatlichung der Eurythmie geführt haben, sind offensichtlich, sie liegen vor allem “im Rückgang der Studierenden, bei Forderungen von Geldgebern, die nur gezielt auf eine Berufstätigkeit zielende Studierende fördern möchten und in der größeren Attraktivität einer berufsqualifizierenden Ausbildung für junge Leute“ [2] .

Es ist natürlich in gewisser Weise verständlich, dass der rapide Rückgang der Eurythmie-Studenten die Sorge wachgerufen hat, wie es mit der Entwicklung der Eurythmie weiter gehen kann. Nun hätte es doch allerdings vor allem interessieren müssen, was denn die Ursachen dieses Rückgangs sind. Denn hätte diese Frage wirklich gelebt, dann wäre man darauf gekommen, dass die nun eingeleiteten Verweltlichungstendenzen das Problem sogar noch verschärfen, dass nämlich die eigentliche Ursache in nichts anderem zu suchen ist, als in dem stets schwächer gewordenen, ursprünglich der Eurythmie zu Grunde liegendem geistigen Leben. Dass also, konkret gesprochen, die erste freie Entwicklungszeit der Eurythmie nur durch die umfassende geistige Wirksamkeit Rudolf Steiners überhaupt möglich war. Oder meint man, die Zeit war damals eben noch nicht reif oder Rudolf Steiner sei zu unpraktisch gewesen, der Eurythmie bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts durch eine Professur auf die Sprünge zu helfen?

Das Gegenteil ist wohl der Fall, und nicht nur die folgende Äußerung Rudolf Steiners verdeutlicht, warum seinerzeit sehr bewusst von der Notwendigkeit einer wirklichen Befreiung des Geisteslebens ausgegangen wurde: „Der Staat als Verwalter des Geisteslebens, insbesondere des Schulwesens, hat uns das geistige Leben ruiniert. Das Wirtschaftsleben als der Brotherr hat uns weiter ruiniert. Wir brauchen ein freies geistiges Leben, denn nur dem freien geistigen Leben können wir wirklich dasjenige einimpfen, was die geistige Welt der Menschheit offenbaren will. Diese Welle des geistigen Lebens – die muss herunter! Dem Staatsdiener, dem Staatsprofessor wird sie sich niemals offenbaren; und dem, der im geistigen Leben der Kuli des Wirtschaftslebens ist, wird sie sich nimmermehr offenbaren! Allein dem, der mit dem geistigen Leben täglich zu ringen hat, der im freien Geistesleben drinnensteht! Die Zeitentwickelung selber fordert die Befreiung des Geisteslebens aus Staatsbanden und aus Wirtschaftsbanden.“ [3] Doch so erschreckend solche Äußerungen vielleicht wirken, so sind sie doch ganz sachlich zu nehmen, sie besagen nämlich nur, dass der Mensch in abstrakten Sozialverhältnissen nicht im menschlichen Sinne Organ eines intuitiven Geisteslebens sein kann, gleichwenig, wie im abgeschlossenen Gewächshaus ein lebendiger Begriff der Natur gebildet werden kann. Kann zwar im „staatlichen Gewächshaus“ vielleicht die Verstandestätigkeit und die Spezialwissenschaft ein gewisses Wachstum erfahren, so doch gewiss nicht ein wirkliches Verständnis des geistigen und sozialen Lebens. [4] Die Eurythmie aber kann nur aus dem sozialen Leben selbst hervorgehen, denn sie ist die eigentliche Blüte der anthroposophischen Freiheitsbewegung. [5]

Wer sich in diesem Sinne die aktuellen Vorgänge vor Augen führt wird zu tieferen Einsichten in die Ursachen der gegenwärtigen Krise der Eurythmie kommen. Er wird z.B. das Missverhältnis erkennen, welches besteht zwischen der enormen Expansion der Waldorfschulbewegung im Verhältnis zur seit Jahrzehnten stagnierenden Entwicklung der Anthroposophischen Gesellschaft. Diese Expansion war allerdings nur möglich, weil die Frage einer zeitgemäßen Finanzierung des Bildungswesens nicht in ihrer bis ins Pädagogische reichenden Bedeutung wach gehalten wurde. D.h. konkret: dass die Waldorfschulbewegung (insbesondere in Deutschland) nur deshalb in dieser Art expandieren konnte, weil sie sich zunehmend in die kausalen Zusammenhänge staatlicher Subventionierung begeben hat. Gewiss, über die Frage einer zeitgemäßen Finanzierung des Geisteslebens wurde insbesondere im Rahmen der anthroposophischen Sozialwissenschaft vielfältig gearbeitet. So kommt z.B. Stefan Leber zu folgender deutlichen Einschätzung: „Gerade in der Finanzierungsproblematik manifestiert sich eine doppelte Entfremdung: Indem den Leistungen des Bildungswesens kein konkreter Wertzuwachs zuzuordnen ist, bleibt der gesamte Bereich der Wirtschaft in einem unverbindlichen Verhältnis zur Finanzierung des Bildungswesens;

der auf seine Weise einspringende Staat kaschiert durch die Schulgeldfreiheit die Zusammenhänge und gewinnt über die Finanzhoheit auch Einfluss auf Lehrpläne, Leistungsanforderungen und -kontrolle und über die Berechtigungen Gestaltungsmacht bis in den innersten Bereich der Pädagogik, der von Freiheit und Einsicht in die menschliche Natur bestimmt zu sein hätte; er entfremdet die Pädagogik ihrer Aufgabe.“ [6] Trotz dieser klaren Analyse kommt Leber nicht über die bloße Erörterung verschiedener gesellschaftlicher Strukturmodelle zur Lösung der Finanzierungsfrage hinaus und stellt fest: „Dass bisher die Frage der Finanzierung des Geisteslebens noch am Anfang steht und zukünftigen Charakter trägt, hängt sowohl mit der Komplexität der Erscheinungen des Geldwesens als auch mit der tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse zusammen, die - zum Teil funktionswidrig strukturiert - die Macht des Faktischen für sich haben.“ [7] Diese Vorstellung von der vermeintlichen „Macht des Faktischen“ - die Leber geradezu als eine Objektivität meint einführen zu können - beruht jedoch bereits auf einer vorurteilsbeladenen „Prämisse“, sie geht nämlich selbst bereits von einem institutionalisierten Begriff der Bildung aus und vermag deshalb die zentrale Bedeutung der Individualität für das Geistesleben nicht in ihrer methodischen Bedeutung zur Sprache zu bringen. Nur weil Leber dies nicht wirklich durchschaut kommt er überhaupt zur Unterscheidung von „institutionellem Geistesleben“ (Schule) und „reinem Geistesleben“ (freie Künstler etc.). Obwohl Leber selbst feststellt, dass der Bereich der Finanzierung von Schule und Hochschule durch das „Recht auf Bildung“ „rechtlich überformt“ [8] ist, behauptet er: „Es versteht sich, dass ein entwickeltes Schul- und Bildungsleben nicht der Zufälligkeit und dem guten Willen der Schenkenden allein anheim gegeben werden darf, vielmehr muss der Schenkung Verbindlichkeit zukommen, d.h. sie muss instititutionalisiert sein und sich, wenn man will, durchaus organisch-regelhaft, nicht bloß willkürlich-zufällig, abwickeln.“ [9] Dass mit dieser „Prämisse“ aktuell keine wirkliche Initiative zur Überwindung der staatlichen Bildungsfinanzierung eingeleitet werden kann, ist deutlich, denn sie basiert auf den Vorurteilen der kantschen „Subjektivismus-Kritik“, die kein wirkliches Verständnis vom Wesen der menschlichen Individualität auszubilden vermochte. Anstatt zu fragen, wie der „gute Wille“ überhaupt zu einer gesellschaftlich-fruchtbringenden Instanz werden kann, wird er einfach mit einer  nebelhaften „Zufälligkeit“ parallelisiert. Systemändernde staatliche Maßnahmen sind unmittelbar gewiss nur sehr langsam zu bewirken, der einzelnen Individualität aber stehen vielerlei Initiativmöglichkeiten offen, und auf die Individualität kommt es im Geistesleben doch primär an. Es „versteht sich“ eben durchaus nicht als Selbstverständlichkeit, warum die Finanzierung der Schule „institutionalisiert sein muss“, dieses Vorurteil ist vielmehr sogar ein wesentlicher Faktor der eigentlichen Bevormundung des Bildungslebens, weil es immer auf einer Definition der Institution Schule aufbauen muss (in diesem Sinne ist auch der so genannte Bildungsgutschein nur eine Verlagerung des Problems), was nichts anderes heißt, als die Entwicklung eines wirklich zivilgesellschaftlichen Erwachens für die Selbstverantwortung des Geisteslebens zu blockieren, denn im Grunde ist jegliche generalisierende Finanzierung nichts anderes als eine schwerwiegende soziale Manipulation. Es kommt eben wirklich auf die kleinen Schritte an, auf den langwierigen und mühsamen Aufbau wirklich freier gesellschaftlicher Bezüge.

Phänomenaler Weise erweist sich gerade die Waldorfschulbewegung durch ihre (vor allem erkenntnismäßige) Bequemlichkeit in der Finanzierungsfrage immer deutlicher sogar als Bremser notwendiger Zeitforderungen (man bedenke nur einmal den Gegensatz der Staatsverschuldung in der BRD von nahezu 2 Billionen Euro bei gleichzeitigem Hoch an Privatvermögen von 4 Billionen Euro… [10] ), anstatt ein Vorreiter einer wirklichen Befreiung des Geisteslebens zu sein. Auf der anderen Seite ist die Anthroposophische Gesellschaft mittlerweile fast vollkommen zu einem reinen “Verwaltungsapparat” erstarrt, der zwar noch so manchen Posten finanziert, doch kaum noch ein wirkliches Gesellschaftsleben ermöglicht. Dazu kommt, dass nicht nur die jetzt verstaatlichte Eurythmie-Ausbildung durch den Bund der Waldorfschulen bezuschusst wird, sondern sogar die Anthroposophische Gesellschaft (Pädagogische Sektion) mittlerweile durch staatliche Subventions-Gelder über den Bund der Waldorfschulen jährlich mit mehreren Hundert Tausend Euro direkt unterstützt wird, und sich dadurch noch weiter von ihren Mitgliedern abkoppelt. So wird das, was Organ einer geistigen Bewegung sein soll, immer mehr in die Mechanismen üblicher Politik hinein gezogen, womit die Anthroposophische Gesellschaft ihre ursprünglich gedachte Unabhängigkeit restlos verliert. [11] Nur deshalb ist es gegenwärtig bereits möglich, dass die Eurythmie auf so staatstragende Weise zum “Waldorf-Staats-Ballett” institutionalisiert wird und von Dornach nur noch Eurythmie-Schulen anerkannt werden die dem vom Waldorfschul-Bund geforderten Standart entsprechen.

Auch in anderen Ländern hat man es mittlerweile so weit gebracht, dass die Eurythmie in “staatlich anerkannten” Hochschulen unterrichtet wird. So berichtet z.B. die Zeitschrift Das Goetheanum über Entwicklungen in Oslo, wo seit einiger Zeit die vierjährige Ausbildung an der staatlich anerkannten “Eurythmiehochschule” mit einem Bachelor beendet werden kann. Zwar “lässt sich nicht in jedem Fall sagen, ob das [steigende Interesse an der Osloer “Eurythmiehochschule”] mit dem neuen Bachelor zusammenhängt” [12] – wie der Bericht erklärt – doch soll demnächst auch ein Ergänzungsjahr für Eurythmisten mit “alter”, staatlich nicht anerkannter Ausbildung eingerichtet werden, wozu die derzeitige Leiterin der “Eurythmiehochschule“ Margrethe Solstad abschließend etwas süffisant anmerkt: “Nach einigen Prüfungen könnten sie dann auch den Bachelor erhalten. Sonst hängen sie ja vielleicht in der Luft.” [13] Die Eurythmisten “hängen also vielleicht in der Luft“, wenn Sie nicht nach Oslo kommen und sich von der großzügigen Frau Solstad “staatlich anerkennen” lassen? Spätestens bei einer solchen Argumentation sollte deutlich werden, wohin der eingeschlagene Weg führt, denn offensichtlich wird hier bereits davon ausgegangen, dass die Osloer “Eurythmiehochschule” nicht primär durch ihr eurythmisches Niveau, sondern durch die “staatliche Anerkennung” an Interesse gewinnt. Natürlich muss man sich nicht “staatlich anerkennen” lassen, denn auch Frau Solstad ist tolerant,  doch dann hängt man eben ihrer Meinung nach „in der Luft“, weil sie offensichtlich nicht merkt, dass durch ihren Begriff von „Anerkennung“ im Grunde nur die eigentliche Verantwortung kaschiert wird. In Wahrheit ist es doch so, dass gerade die staatliche Anerkennung dazu beiträgt, dass der Boden einer wirklich menschlichen Anerkennung verlassen wird. Nicht der Mensch, sondern die staatliche Hochschule „hängt in der Luft“, weil sie sich durch ihre Vorrechte gerade den eigentlichen Prozessen des Geisteslebens entzieht. Wie sagte doch schon Goethe: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen. Die wahre Liberalität ist Anerkennung.“ [14] Ja selbstverständlich: anerkennen in seiner Fähigkeit kann nur der Mensch den Menschen in Unmittelbarkeit und Freiheit, niemals jedoch der Staat (oder vom Staat deligierte Organe), weil die Anerkennung nicht abstrakt (d.h. „abgehoben“), also unabhängig vom konkreten Wirkungsfeld der Individualität erteilt werden kann; denn sonst wird die Bevormundung des Staates gestärkt, das Geistesleben (d.h. die freien zivilgesellschaftlichen Beziehungen) aber geschwächt und zur Passivität erzogen. Alle staatliche Bildungsanerkennung und Bevorrechtung ist deshalb anachronistisch.

Zusammenfassend kann also gesagt werden: Einmal ganz davon abgesehen, dass die jeweiligen Initiatoren offensichtlich kein oder nur ein sehr oberflächliches Verständnis für die Notwendigkeit der Dreigliederung des sozialen Organismus haben, leugnet das Bestreben, die Eurythmie in dieser Form staatlich zu etablieren, den ganzen Entstehungsprozess der Eurythmie und ihre wahren Lebensbedingungen. So unbewusst die skizzierten Zusammenhänge vielleicht noch vielen sind, so regt sich doch auch bereits ein stilles, aber den Notwendigkeiten der Eurythmie verbundenes, um wirkliche Freiheit ringendes Geistesleben. Und so sehr sich auch manche Mitarbeiter in anthroposophischen Zusammenhängen noch durch staatliche Anerkennungen geadelt glauben (und auf diesem Wege durch Bevorrechtung einzelner Einrichtungen durch geisteslebens-fremde Kriterien die Bedingungen einer freien Entwicklung der Eurythmie sogar noch weiter erschweren), so erkennen doch immer mehr Individualitäten, dass ein wirklich zeitgemäßes Geistesleben in den “scheinfreien Gewächshäusern” gar nicht entstehen, sondern nur aus dem reinen Interesse für den individuellen Menschen erwachsen kann. Denn im Geisteleben kann nur ein Zusammenwirken von Menschen angestrebt werden, “das ganz auf den freien Verkehr und die freie Vergesellschaftung von Individualität zu Individualität begründet ist. In keine vorbestimmte Einrichtung werden da die Individualitäten hineingezwängt. Wie sie einander stützen und fördern, das soll lediglich daraus sich ergeben, was der eine dem andern durch seine Fähigkeiten und Leistungen sein kann. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sich viele Menschen gegenwärtig noch gar nichts anderes vorstellen können, als dass bei solch freier Gestaltung der menschlichen Verhältnisse im geistigen Gliede des sozialen Organismus nur anarchische Zustände innerhalb desselben sich ergeben müssten. Wer so denkt, der weiß eben nicht, welche Kräfte der innersten Menschennatur dadurch an ihrer Entfaltung verhindert werden, dass der Mensch in die Schablonen hinein entwickelt wird, die ihn vom Staats- oder Wirtschaftsleben aus formen.” [15]

Selbstverständlich müssen in unsrer Gegenwart noch vielerlei Kompromisse gemacht und hingenommen werden, doch darf das nicht dazu führen, dass die Kompromisse nicht mehr als solche, sondern als die neuen Wahrheiten propagiert werden. Denn letztendlich wird sich das Grundsätzliche doch als das Konkreteste erweisen.

Thomas Brunner, März 2006


[1]     Aus der Presseerklärung der Alanus Hochschule, 12. 1. 2006

[2]     Aus einer Online-Nachricht der Zeitschrift Das Goetheanum , 24. Januar 2006

[3]     Rudolf Steiner, Der innere Aspekt des sozialen Rätsels , GA 193, S. 100

[4]    Bereits Wilhelm von Humboldt analysierte die sozialen Auswirkungen staatlicher Finanzierung: „Wie jeder sich selbst auf die sorgende Hilfe des Staats verlässt, so und noch weit mehr übergibt er ihr das Schicksal seines Mitbürgers. Dies aber schwächt die Teilnahme und macht zu gegenseitiger Hilfsleistung träger.“ Wilhelm von Humboldt, Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen , Stgt. 2002, S. 22 / 34 /36

[5]     Da dies zu selten berücksichtigt wird, hat sich die Eurythmie in weiten Kreisen von einer im eigentlichen Sinne schöpferischen Kunst zu einer rein rezeptiven Bewegungsart entwickelt. Siehe hierzu u. a.: Thomas Brunner, Kunst und soziale Frage - unter besonderer Berücksichtigung der Eurythmie , Rendsburg 1993, oder die Aufsätze des Autors: Das "Erleben" in der Eurythmie. Die Kunst als Auferstehung aus dem Erkenntnisprozess (Das Goetheanum, 2003/42), Vom intuitiven Ursprungserleben. (Das Goetheanum 2004/46)

[6]    Stefan Leber, Die Sozialgestalt der Waldorfschule , Stuttgart 1978, S. 92

[7]   Stefan Leber, Die Sozialgestalt der Waldorfschule , Stuttgart 1978, S. 95

[8]    Stefan Leber, Die Sozialgestalt der Waldorfschule , Stuttgart 1978, S. 98

[9]    Stefan Leber, Die Sozialgestalt der Waldorfschule , Stuttgart 1978, S. 93

[10]     Gewiss, diese Privatvermögen sind in erschreckender Weise ungerecht gesellschaftlich verteilt, doch darf gerade diese Schieflage nicht zur Tradierung des Kurzschlusses führen, dass die Schulen eben unabhängig von der  finanziellen Situation der Eltern besucht werden können müssen.  Denn dieses Vorurteil verkennt ja gerade den Charakter eines wahren freien geistigen Lebens, da es auf einem anachronistischen  staats-wirtschaftlichem „Vorteils-Denken“ aufbaut, in dem der einzelne Ehrgeiz favorisiert wird und eine wirkliche geistige Kapitalverwaltung nicht entstehen kann. Deshalb betonte Rudolf Steiner: „Es geht ja heute durch die Lande der Ruf: Unentgeltlichkeit des Schulwesens. Ja, was soll denn das überhaupt heißen? Es könnte doch nur der Ruf durch die Lande gehen: Wie sozialisiert man, damit ein jeder die Möglichkeit hat, seinen gerechten Beitrag zum Schulwesen zu schaffen? “ (aus: Rudolf Steiner, 1. Juni 1919, GA 192, S. 144) Oder in einem anderen Zusammenhang: „Nehmt dem Staat die Schulen ab, nehmt ihm das geistige Leben ab, gründet das geistige Leben auf sich selbst, lasst es durch sich selbst verwalten, dann werdet ihr dieses geistige Leben nötigen, den Kampf fortwährend aus seiner eigenen Kraft zu führen: Dann wird aber dieses geistige Leben auch von sich aus in der richtigen Weise zum Rechtsstaat und zum Wirtschaftsleben sich stellen können, wird zum Beispiel das geistige Leben gerade - ich habe das in meiner sozialen Schrift [Die Kernpunkte der sozialen Frage], die nunmehr fertig wird in den nächsten Tagen, ausgeführt -, dann wird das geistige Leben auch der richtige Verwalter des Kapitals sein.“ (Rudolf Steiner, 21. März 1919, GA 190, 1980, S. 24) und Hans Kühn, ein Mitarbeiter Steiners aus der Dreigliederungszeit, berichtet: „Als das freie Geistesleben und seine Finanzierung behandelt wurde, hörten wir von Ausgabesteuern und von der Vergütung für die geistige Produktion durch diejenigen, die sie empfangen oder in Anspruch nehmen. Eine Schule oder Hochschule zum Beispiel dürfe weder durch den Staat noch durch die Industrie oder eine Treuhand-Organisation finanziert werden, sondern stets von unten durch Schüler und Studenten, dass auch die Lehrer sich wirtschaftlich selbst erhalten würden. Wo die Mittel fehlten, müssten andere Institutionen einspringen, um die nötigen Stipendien zu geben; buchmäßig müsse der Einzelne Zahlen.“ ( Aus: Hans Kühn, Dreigliederungszeit , Dornach 1978, S. 30)             So ungewöhnlich diese Gedanken vielen Menschen sind, so ist es doch an der Zeit sich klare Begriffe dieser Zusammenhänge zu bilden und im Rahmen des Möglichen das Notwendige anzufangen. Autonomie des Geistesleben heißt eben nicht nur Selbstverwaltung der Kulur und Pädagogik, sondern auch selbstverwaltete Finanzierung des Geisteslebens „von unten“. Doch auch das z. Zt. sehr breit diskutierte „Grundeinkommen“ ist keine wirkliche Überwindung der durch das moderne Geldwesen entstandenen Abstraktions-Verhältnisse und trägt nur scheinbar zu einer Befreiung des individuellen Menschen bei, ist vielmehr nur eine Renovierung des längst anachronistisch gewordenen Sozialstaats-Denkens in neuer Form. Die Kerngedanken eines solchen „Grundeinkommens“ gehen in die richtige Richtung, doch müssen die dazu notwendigen Organe vom Geistesleben und nicht vom Staat verwaltet werden. (siehe hierzu das 4. Kapitel in: Thomas Brunner, Friedrich Schiller - Die Kunst als Weg zur menschenwürdigen Gesellschaft , Wangen, Cottbus, Leipzig, 2006)

[11] Dass diese „Transferleistungen“ kaum mit Steiners Verständnis der Finanzierung der Anthroposophischen Gesellschaft vereinbar sind verdeutlicht z.B. folgendes Zitat: „Hat diese Anthroposophische Gesellschaft in irgendeinem Staate je eine Staatssubvention gehabt? Sind ihre Lehrer von einem Staate angestellt? Ist nicht alles erfüllt gerade in dieser Anthroposophischen Gesellschaft, was nur zu erlangen ist von den äußeren Geistesorganisationen? Ist sie nicht in Bezug darauf geradezu das praktischste Ideal? [...] Nicht das kann unsre Aufgabe sein, hier das freie Geistesleben herein zutragen, sondern das kann die Aufgabe sein, dass Sie dasjenige, was hier als freies Geistesleben immer existiert hat, dass Sie das in die andere Welt hinaustragen, den Menschen klarmachen, dass alles Geistesleben von dieser Art sein muss, von dieser Art von Verfassung sein muss.“ (Rudolf Steiner, 14. April 1919, GA 190, Seite 212)      

[12] Das Goetheanum , Nr. 9 / 2006, S. 12

[13] Das Goetheanum , Nr. 9 / 2006, S. 12

[14]     Johann Wolfgang Goethe, Maximen und Reflexionen

[15]    Rudolf Steiner, Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus ,  GA 24, S. 71f