Der Sicherheitsrat und die Kurdenfrage

05.09.2000

Der Nationale Sicherheitsrat der Türkei spricht sich in seinem letzten Bericht dagegen aus, den Kurden mehr kulturelle Rechte zu gewähren. Demnach werden Diskussionen über kurdisches Fernsehen oder kurdischen Unterricht nichts, aber auch gar nichts an den Lebensbedingungen des Volkes ändern und sind daher Zeitverschwendung. Entscheidend ist vielmehr eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im unterentwickelten Osten und Südosten der Türkei.

Dem Bericht soll eine Umfrage unter der Bevölkerung, Beamten und inhaftierten Anhängern der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zugrunde liegen. Dem Nationalen Sicherheitsrat gehören der Präsident, der Ministerpräsident, der Generalstabschef, der Verteidigungs-, Innen- und Außenminister sowie die Befehlshaber der Teilstreitkräfte an.

Kurz nach der militärischen Niederlage der marxistischen PKK hatte das türkische Militär schon davor gewarnt, sich mit diesem Sieg zufrieden zu geben und die Politik dazu aufgefordert, etwas für die dortige Wirtschaft zu tun. Die PKK würde sonst bald bewaffnete Nachfolger bekommen. Schien das Militär zunächst weitsichtiger als die Politik zu sein, so zeigt sich spätestens jetzt, daß es bezüglich der kurdischen Kultur genauso kurzsichtig ist. Es gehört aber gerade zu den marxistischen Grundüberzeugungen, daß die Wirtschaft das allein Entscheidende ist. Der Marxismus der PKK mag militärisch besiegt worden sein. Geistig hat er über das türkische Militär gesiegt. Bleibt abzuwarten, ob es sich deswegen bald selber für Zeitverschwendung halten wird. Der inzwischen zum Tode verurteilte PKK-Chef Abdullah Öcalan hatte schon vor seiner Inhaftierung so viel aus seiner militärischen Niederlage gelernt, daß er mehr kulturelle Rechte für die kurdische Bevölkerung zu seiner Hauptforderung machte.