Die Zeugen Jehovas und das deutsche Bundesverfassungsgericht

20.09.2000

Die Verhandlung einer Beschwerde der Zeugen Jehovas vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht hat heute angefangen. Die Religionsgemeinschaft will als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" anerkannt werden. Ein Urteil wird frühestens Ende dieses Jahres erwartet.

1997 hatte das Bundesverwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, daß die Zeugen Jehovas die Teilnahme an staatlichen Wahlen ablehnen. Wer so den Staat ablehnt, darf von ihm auch nichts verlangen. Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die beiden großen Kirchen und mehr als 30 kleinere Gruppierungen genießen nämlich Steuervergünstigungen und haben das Recht, Kirchensteuer einziehen zu lassen, Beamte einzustellen oder eigene Rechtsnormen zu setzen. Sie sind teilweise auch in Rundfunk- und Medienräten vertreten.

Die Zeugen Jehovas haben allerdings nicht unbedingt vor, all diese Vorteile auch in Anspruch zu nehmen. Ihnen geht es vor allem darum, weiter als gemeinnützig anerkannt zu werden, was zunehmend den Körperschaften des öffentlichen Rechts vorbehalten wird. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit wird hiermit für eine Religionsgemeinschaft immer mehr vom Körperschaft-Status abhängig.

Hinter dem Prinzip der Gemeinnützigkeit steht die Überzeugung, daß der Staat, anders als die Wirtschaft, sich für das Gemeinwohl einsetzt und daher Steuern eintreiben darf. Wer Spenden von seinen Steuern abziehen will, darf es daher nur, wenn diese Spenden allein dem Gemeinwohl zukommen. Dies wird bisher insbesondere kulturellen und religiösen Einrichtungen zugestanden. Dies gilt aber genauso für eine assoziative Wirtschaft, die weit über das individuelle Eigeninteresse hinausgeht. Wovon soll aber dann der Staat leben? Kulturelle und wirtschaftliche Gemeinwohltaten brauchen nicht mehr von der Steuer abgezogen zu werden, wenn der Staat nicht die Einkommen selbst besteuert, sondern allein den Endverbraucher. Wer sein Einkommen nicht selbst benutzt, wird nicht mehr übermäßig belastet. Sein Teil kriegt der Staat auf jeden Fall. Und einer solchen welt-abgewandten Gemeinschaft wie den Zeugen Jehovas hätte es den Gang zum Bundesverfassungsgericht ersparen können.