Kartellamt stoppt Selbsthilfeinitiative der Tankstellen

04.04.2002

Ein Versuch der deutschen Mineralölwirtschaft, einen assoziativen Weg einzuschlagen, ist vom Bundeskartellamt verboten worden. Mit einem Hilfsfonds der Industrie im Umfang von bis zu 800 Millionen Euro sollte das erwartete Tankstellen-Sterben sozial abgefedert werden. "Wir haben den Verbänden klar gesagt, dass wir keine Möglichkeit sehen, den geplanten Fonds zu genehmigen", sagte ein Sprecher des Kartellamtes.

Laut dem "Financial Times Deutschland" sieht die Behörde die Gefahr, dass die Pläne zu einem Anstieg der Benzinpreise führen könnte. Dabei wurde vergessen, dass die Verbraucher sowieso zur Kasse gebeten werden, wenn nicht als Autofahrer dann als Steuerzahler. Gehen Arbeitsplätze in der Branche verloren, muss der Umstieg der Tankstellenbetreiber auf andere Branchen finanziert werden. Der geplante Hilfsfonds wäre gegenüber dem traditionellen Einspringen der Bundesanstalt für Arbeit die bessere Lösung gewesen.

Nach Schätzungen werden von den derzeit 16 400 Stationen langfristig nur 12 000 überleben. In den siebziger Jahren gab es noch mehr als 40 000 Tankstellen. Mit Hilfe des geplanten Fonds, der über vier Jahren und neun Monaten laufen sollte, wollen mittelständische Betreiber und die großen Konzerne die Besitzer oder Pächter der vom Aus betroffenen Tankstellen bei den anfallenden Stilllegungskosten finanziell unterstützen.

Nach mehr als einjährigem Bemühungen um den Fonds reagierten die mittelständischen Tankstellenbetreiber enttäuscht auf die Absage. Man habe das Kartellamt nicht überzeugen können, sagte Wolfgang Pfletschinger von der Interessengemeinschaft mittelständischer Mineralölverbände in Berlin. Der Fonds sollte seinen Angaben zufolge die Verbraucher nicht direkt belasten, sondern über Importeure und Raffineriegesellschaften finanziert werden. Die indirekten Auswirkungen für Autofahrer durch die Weitergabe der Kosten hängen von der Preisentwicklung im Wettbewerb ab.

Hauptstreitpunkt mit dem Kartellamt ist Pfletschinger zufolge die Frage, ob der Fonds langfristig nötig sei, um Wettbewerbsstrukturen zu erhalten. Zudem bezweifle das Kartellamt Vorteile für den Verbraucher. Aus Sicht der Mineralölwirtschaft denkt das Kartellamt zu kurzfristig. Ein Drittel der 16 400 Tankstellen werde unabhängig von Konzernen betrieben. Diese freien Anbieter repräsentierten 20 bis 25 Prozent des Mengenumsatzes in Deutschland. Diese mittelständischen Strukturen seien einmalig in Europa. Durch einen gezielten Abbau über den Hilfsfonds könnten die wettbewerbsfähigen Betreiber gestärkt werden.