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Chemie-Gewerkschaft blamiert sich bei Gesundheitspolitik
Bei ihrer Haltung zur Gesundheitsreform läßt sich die deutsche IG Bergbau, Chemie, Energie Gesundheitspolitik durch die Interessen der Pharmabranche leiten. Sie strebt daher eine Steigerung des Umsatzes bei Medikamenten, auch wenn dies auf Kosten der Versicherten und Patienten geht. Sie wurde dafür von Frank Bsirkse, dem Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gerügt, der sich für eine Gleichberechtigung von einerseits Versicherten und Patienten und andererseits Gewerkschaftsmitgliedern aussprach.
Damit spricht Frank Bsirkse ein Dilemna an, das die Gewerkschaften seit ihrer Gründung verfolgt. Was die eine Gewerkschaft gewinnt, geht meist nicht den Arbeitgebern, sondern den anderen Gewerkschaften verloren. Gewerkschaftsmitglieder aus anderen Branchen müssen nämlich früher oder später als Konsumenten den Aufpreis für die Lohnsteigerungen einer Branchengewerkschaft. Oder sie müssen - wie hier - den Preis für die Umsatzsteigerungen einer Branche bezahlen.
Was die Gewerkschaften den von den Arbeitgebern bevorzugten Betriebsvereinbarungen vorwerfen, nämlich daß sie die Interessen der Arbeitnehmer als Gesamtheit unterlaufen, gilt auch für die Branchengewerkschaften. Wenn sie sich mit den Arbeitgebern arrangieren, ist das in der Regel auf Kosten anderer Arbeitnehmer.
Entgegen der Hoffnungen eines Frank Bsirkse lassen sich aber solche Einzelinteressen kaum über einen starken DGB überwinden. Hilfreicher wären Berufsverbände, die sich aus den Lohnfragen heraushalten würden und es dadurch leichter hätten, eine wahrhaftige Berufsethik auszubilden. Gerade dasjenige, was die IG Bergbau, Chemie, Energie schmerzlich vermissen läßt. Dies würde den Boden zur Bildung von neuartigen wirtschaftlichen Assoziationen vorbereiten. Abgesondert von den Berufsverbänden, könnten sie sich der Preisfrage widmen. Dafür müßten sie sich aber über die einzelnen Branchen hinaus absprechen und nach einem Ausgleich suchen, der auch die Arbeitgeber mit in die Pflicht nimmt.
Die Gewerkschaften haben sich zwei so unterschiedlichen Aufgaben vorgenommen, daß jede soziale Einrichtung daran scheitern würde. Zur Bildung einer Berufsethik sind starke Branchenverbände notwendig. Wenn es aber um Preisfragen geht - denn Lohn- und Gewinnfragen sind Preisfragen - stehen diese Branchenverbände im Wege.
Wer versucht, alles zu machen, schafft nichts richtig. Der Spruch gilt nicht so sehr für die Menschen selbst, die gut daran tun, vielseitig zu bleiben. Er gilt aber im besonderen Maße für die sozialen Einrichtungen, die streng dem Prinzip der Arbeitsteilung folgen müssen. Voneinander abgesonderte Berufsverbände und Assoziationen würden schaffen, was die Gewerkschaften nie schaffen werden: die Schaffung einer Berufsethik und die Abschaffung der Lohn-Preis-Spirale.