Steiner-Woche 06 in der Schweiz brachte positives Echo

30.04.2006

Waldorfschulen, Demeter-Höfe, Konsumentenorganisation und Kliniken gingen gemeinsam an die Öffentlichkeit - Resonanz außerhalb der Zentren größer

DORNACH (NNA). Unter dem Motto „Wir gehen aufs Ganze!“ fand in der ganzen Schweiz von Ende März bis Anfang April die “Steiner-Woche“ 06 statt. In dieser Aktionswoche traten die Schweizer Waldorf Schulen, der Demeter Verband sowie die Demeter Konsumentenorganisationen und die drei anthroposophischen Kliniken der Schweiz gemeinsam an die Öffentlichkeit. Wie hat die Schweiz auf diese Offensive der anthroposophischen Einrichtungen reagiert? Ursa Krattiger hat für NNA die Schweizer Zeitungen durchgeschaut.

Der Widerhall, den die erste „Steiner-Woche“ in den Schweizer Medien fand, ist quantitativ beeindruckend und inhaltlich – abgesehen von einer negativen Anspielung – durchwegs positiv. So brachte das Medizin-Magazin „Puls“ des Schweizer Fernsehens SF DRS in der „Steiner-Woche“ einen gut recherchierten und ansprechend gestalteten Beitrag über anthroposophische Medizin und wies in der Moderation auf die „Steiner-Woche 06“ als Ganzes hin.

Da die Steiner-Woche aus Anlass der Eröffnung der ersten Steiner Schule vor 80 Jahren in Basel veranstaltet wurde, stellten viele Medien das Jubiläum der Schulbewegung in den Mittelpunkt und nahmen den Auftritt von drei anthroposophischen „Anwendungsbereichen“ kaum wahr oder kommunizierten ihn auf jeden Fall nicht. Oft wurde auch Bezug genommen auf die zum Jubiläum erschienene Publikation „Lebenstüchtig – was Ehemalige von Rudolf Steiner Schulen heute machen“ mit 41 Porträts von Ex-Schülerinnen in den unterschiedlichsten Bereichen und Branchen.

Auffallend war die geographische Verteilung der Aufmerksamkeit: war die Berichterstattung in den großen Zentren maßvoll oder sogar gering, stieg die Intensität, je peripherer der Veranstaltungsort war. Die Berichterstattung über die Großveranstaltung zur Woche auf dem Barfüsserplatz fiel in der regional am wichtigsten „Basler Zeitung“ hingegen so lausig aus, dass dies zu einer persönlichen Intervention der Medienstelle Anthroposophie bei der Zeitung führte. Zum Trost war im Regionaljournal von SR DRS ein wunderschönes kleines Feature von gut fünf Minuten über den Festtag in der Stadt zu hören.

Schülerportraits in Dokumentarfilm überzeugten

Die vergleichsweise geringe Wahrnehmung der „SteinerWoche 06“ in Zürich wurde in den Medien aufgewogen durch die Berichterstattung über den Dokumentarfilm „Zum Abschied Mozart“ von Christian Labhart, dessen Premiere in Zürich glücklicherweise in die „SteinerWoche 06“ gelegt werden konnte. Der Film dokumentiert – nach einem ähnlichen Plot wie der Tanzfilm „Rhythm is it“ – die Chorproben der Oberstufe der Rudolf Steiner Schule Wetzikon und erarbeitet in dieser Zeit individuelle Porträts von zwei Schülerinnen und einem Schüler der Abschlussklasse. Den krönenden Abschluss bildet das Konzert am letzten Schultag der Zwölftklässler. Der Film hat eine beeindruckende Reihe von Besprechungen und Veranstaltungshinweisen ausgelöst – flapsig im Gratisanzeiger „20 minuten“, mit achtsamem Respekt im „züritipp“ des „Tages-Anzeigers“: „der exzellent komponierte und sehenswerte Porträtfilm“.

Die unterschiedliche Wahrnehmung in Basel und Zürich spiegelt auch den Umstand, dass in der Region Basel – mit dem Goetheanum in Dornach, zwei der drei anthroposophischen Kliniken in Arlesheim, sieben der 36 Schweizer Steiner Schulen in und um Basel – das anthroposophische Angebot zur Alltagskultur gehört und in den Medien selbstverständlich als Pflichtstoff gesetzt ist.

An der Peripherie – im Bündnerland, im Kanton St.Gallen und in Liechtenstein, in der Romandie und im Tessin – und auch im Aargau und Bernbiet wurde jedoch intensiv sowohl über das ganze Projekt wie über einzelne Veranstaltungen berichtet. Vielleicht ist hier „Anthroposophisches“ noch eher etwas „Besonderes“, das interessiert, und das generelle Angebot an Stoff, über den berichtet werden soll, kleiner.

Liechtenstein : Waldorfschüler beim Erbprinzen

„24 heures/Lausanne et région“ titelte über ihrem auch den Schulalltag anschaulich schildernden Bericht über die Waldorfschule in Crissier „L’Ecole Steiner cultive sa différence et rêve de reconnaissance“: die Steiner Schule pflegt ihre Unterschiede und träumt von Anerkennung (lies, macht der Artikel deutlich: von Subventionen). Die romanische Zeitung „La Quotidiana“ aus Ilanz/Graubünden berichtete sowohl über den Vortrag des Pädagogen und AAG-Vorstandsmitglieds Heinz Zimmermann „L’educaziun ill’epoca dal computer“ (Erziehung im Zeitalter des Computers) wie über einen Besuch beim biologisch-dynamischen Bauern Not Vital, der seine Arbeit mit den Präparaten demonstrierte.

Im „Volksblatt- Die Tageszeitung für Liechtenstein“ war ein Hinweis auf die Präsentation der Projekte der 9. Klasse zu lesen: „Das Ganze muss vor Publikum präsentiert werden, damit das Werk nicht nur Theorie im stillen Kämmerlein bleibt, sondern auch nach außen vertreten wird. Das ist eine besondere Herausforderung für die jungen Menschen im schwierigen Alter von 15/16 Jahren.“ Am selben Tag wies das St.Galler Tagblatt auf die „Theater-Aufführung der neunten Klasse der Rudolf Steiner Schule“ hin: „Molière statt Mathe“: „Theaterspielen gehört zum Steiner-Lehrplan“, sagt Lehrer und Regisseur Florian Rothacker, der in diesem Zusammenhang sogar von einer „Grenzerfahrung“ spricht. Das „Liechtensteiner Vaterland“ belegte in Wort und Bild, wie die zweite und dritte Klasse der Liechtensteinischen Waldorfschule auf Schloss Vaduz von Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein empfangen wurden und ihm Kostproben aus dem Sprach- und Musikunterricht präsentierten.

Die „Schaffhauer Nachrichten“ berichteten über einen Gastvortrag des Leiters der pädagogischen Sektion am Goetheanum, Christof Wiechert, zum „Wie“ der schulischen Erziehung und seinem Einfluss und wiesen auf die kommenden Veranstaltungen der örtlichen „Steiner-Woche“ hin. Dasselbe machte am selben Tag auch das „WochenBlatt für das Birseck und Dorneck“, wobei es vom Auftritt der Steiner Schule Birseck vor einem regionalen Einkaufszentrum ausging. In der „Wochen-Zeitung für das Emmental und Entlebuch“ berichtete Melanie Rullmann über die Aktionswoche anthroposophischer Einrichtungen aus Anlass einer Feier in der sozialtherapeutischen Gemeinschaft Haus St. Martin, Oberthal.

Große Bedeutung der Steiner Schulen für die Schulreform attestiert

Dass die „Swiss News“ ausgerechnet am 1.4. „Teaching kids the Steiner way“ vorstellten, dürfte ebenso mit der „SteinerWoche 06“ zusammenhängen wie der italienische Bericht „La Steiner non boccia“ (in der Steiner Schule gibt es kein Sitzenbleiben) in „LaRegioneTicino“ aus Bellinzona, die das Thema des Übergangs von den Steiner Schulen in die öffentlichen Schulen zwecks Abitur thematisierte und dafür einen Fachmann der kantonalen Schuldirektion und den Leiter der Koordinationsstelle der Schweizer Steiner Schulen, Robert Thomas, interviewte.

Die links-unabhängige „Wochenzeitung WOZ“ resummierte unter dem launigen Titel „Mein Gott, Rudolf!“: „Weltweit sind die Steiner-Schulen auf einem Höhenflug,“ was allerdings zu den sinkenden Schülerzahlen in der Schweiz im Widerspruch stehe. Diese seien nämlich „weder konfessionell neutral noch esoterisch abstinent“, sondern auch „die dunkle Bühne für Okkultismus und Mystizismus“, denn „die steinersche Ideologie“ sei „- typisch für manche geistige Strömungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts – auch mit rassistischen und antisemitischen Motiven durchsetzt“. Dennoch musste sich auch Autor Urs Hafner zum Schluss durchringen: „Unbestreitbar sind die pädagogischen Verdienste und Impulse der weitgehend autonom organisierten Schulen“, die „die Kinder nicht möglichst früh durch rigide Leistungsmessung“ selektionieren.

Andere positive Beispiele folgten. Der Zürcher „Tages-Anzeiger“ fokussierte auf den Schülerschwund bei den Steiner Schulen und übertrieb dabei den effektiven Rückgang von rund 8000 auf rund 7000 Schülern in den letzten Jahren, verschlimmert von Liliane Minor auf 6000: „Die anthroposophische Bildung zieht immer weniger. Nun soll ein neues Image her – auch die Steiner-Schule wirbt heute mit farbigen Flyern und poppigen Texten. Man will weg vom esoterischen, handgestrickten Image“. Das nütze allerdings wenig, wenn man gleichzeitig am alten anthroposophischen Überbau festhalte, wie ihn die Zürcher Schulleiterin Anderegg umriss: „Die Steiner-Schule steht auf der Grundlage der Anthroposophie. Und dazu gehören Werte und spirituelle Inhalte.“

Peter Wittwer hielt in der „Basler Zeitung“ fest, dass die 36 Steiner Schulen in der Schweiz „gegen hartnäckige Vorurteile und chronische Geldnöte“ ankämpfen. Dass die Schulen „zu ihrem Leidwesen kaum auf die Unterstützung der öffentlichen Hand zählen“ könnten, sei neben den generell rückläufigen Kinderzahlen mit ein Grund für den Rückgang der Schülerzahlen. Der „Baslerstab“ fragte den Leiter Ressort Schulen im Erziehungsdepartement nach der Bedeutung der Steiner-Schulen, und Hans Georg Signer meinte: „Eine große. Mutig gesagt: die Rudolf Steiner-Schule hat die Schulreform in Basel mitbeeinflusst. Einerseits durch die sehr kinderzentrierte Didaktik, andererseits durch ihr großes Gewicht auf musischer und gestalterischer Bildung.“

Ursa Krattiger ist die Leiterin der Medienstelle Anthroposophie Schweiz (MAS)

Quelle: NNA