SPD setzt Gegengewicht zu geplanter GTG-Novellierung

09.02.2007

Im vergangenen Jahr 2006 legte das Bundeslandwirtschaftministerium unter Horst Seehofer ein Eckpunktepapier zur weiteren Novellierung des Gentechnikgesetzes vor. In diesem Papier wurden unter anderem der Mindestabstand zwischen Anbauflächen, die Haftungsfrage bei Verunreinigung und diverse andere Fragen der Koexistenz von Agro-Gentechnik und gentechnik-freiem Anbau behandelt. Die SPD hatte daraufhin bekannt gegeben, das sie diesem Novellierungsentwurf in dieser Art nicht zustimmen werde. NABU, BUND und Grüne teilen ebenfalls die Ansicht, das dieser Entwurf die Gefahren der Agro-Gentechnik unberücksichtigt lassen würde.

"Koexistenz ist keine Frage der Schwellenwerte."

Die SPD-Bundestagsfraktion zeigt nun in ihrer "Stellungnahme zur angestrebten Novelle des Gentechnikgesetzes" vom 30. Januar 2007, das sie dreidimensional denken kann und will, wenn es um die Erschließung neuer Wege geht. Das große Schlagwort der Koexistenz begleitet den Leser durchgehend durch die dargebrachten Vorschläge.

Zunächst setzt die SPD mit ihrer Stellungnahme ein angenehmes Gegengewicht gegen die gen-lastigen Vorschläge aus dem Hause Seehofer.

Da ist z.B. die Frage nach dem Mindestabstand von Gentechnik-Feldern zu den gentechnikfreien Feldnachbarn. Das Bundeslandwirtschaftsministerium setzt ihn in den Eckpunkten auf 150m, das Bundesforschungsministerium sogar nur auf 50m an. Diesen Angaben beruhen auf "Meinungen von Experten", so Seehofer.1

Die SPD fordert nun einen Mindestabstand von 300 Meter und sieht sich damit "im guten Mittel" der EU-Länder. Allerdings schreibt schon der Gensaatgut-Hersteller MONSANTO nach eigenen inoffiziellen Richtlinien2 einen Mindestabstand von 300 Metern vor und andere EU-Staaten haben deutlich höhere Abstände. (Luxemburg ist derzeit Spitzenreiter der EU mit 800m bei Gen-Mais und 3000m bei Gen-Raps). Man habe sich in der SPD dafür entschieden, "da es aus unserer Sicht dem konfliktfreien Nebeneinander dient, zumindest in der Einstiegsphase und bis ausreichend Erfahrungen vorliegen", heißt es in der Stellungnahme.

Ebenfalls uneinig sind sich die Parteien in Bezug auf die Entschädigungsregel. Bauern sollen laut den Eckpunkten nur eine Entschädigung erhalten, wenn der nachweislich genveränderte Anteil eines Produktes über 0,9%. Diesen Schwellenwert will die SPD von 0.9% auf 0,1% senken.

Ein weiterer Aspekt stellt der geplante Eingriff in die Informationsmöglichkeiten der Produzenten und Bürger dar. So fordert Seehofer, den öffentlichen Teil des Standortregisters auf die Angabe der Gemarkung zu begrenzen. Imker und benachbarte Bauern sollen erst nach Nachweis eines berechtigten Interesses genauere Informationen erhalten dürfen. Die SPD setzt hingegen weiterhin auf Transparenz. Sie will die Nennung der Flurstücke erhalten. "Wir sehen keinen Fortschritt darin, das öffentliche Standortregister auf die Gemarkung zu begrenzen, weil nicht nur Landwirte ein Interesse an solchen Informationen haben, sondern auch Kleingärtner, Verarbeitungsindustrie, Handel sowie Imker und vor allem auch Verbraucherinnen und Verbraucher."

In der Öko-Branche wird die Stellungnahme der SPD positiv aufgefasst. Der Vorsitzende des "Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft" (BÖLW), Dr. Felix Prinz zu Löwenstein meint dazu: „Dass die SPD die Haftung für Kontaminationsschäden auch unterhalb des Kennzeichnungs-Schwellenswertes von 0,9% für nötig hält, zeigt, dass sie erkannt hat, wie die Realität bei den Lebensmittelverarbeitern und auf den landwirtschaftlichen Betrieben aussieht. Ein Verständnis für die Probleme der Praxis hat in dem CDU-/CSU-Entwurf der Eckpunkte zur Revision des Gentechnikgesetzes völlig gefehlt. Fortschrittlich ist auch, dass die notwendigen Analysekosten den Verursachern zugeordnet werden sollen. Andernfalls bezahlen diejenigen Verbraucher und Unternehmen die Gentechnik, die diese gar nicht wollen“.

Doch es ist bemerkenswert, das sich alle Unterschiede zu Seehofers Eckpunktepapier, sei es nun die Frage des Schwellenwertes, der "guten fachlichen Praxis" oder der Haftung auf den Bereich der "grünen Gentechnik" im Freiland beziehen. Dort, wo für Erzeuger- und Verbrauchergemeinschaften Einsicht durch direkten Bezug entsteht und wo sich daher starke Stimmen bemerkbar machen. Hier geht die SPD den Weg der Mitte zur Wahrung der (Wahl)Freiheit der Produzenten und Konsumenten3. Immer wieder betont die SPD, das größte Vorsicht geboten sei bei der Forschung und Handhabung der Gentechnik im offenen System. Doch nach dem Lesen der Stellungnahme erscheint der Begriff Koexistenz in einem etwas anderem Licht. Denn in den Züchtungsmöglichkeiten von Saatgut im Bereich der Labor-Gentechnik wie es z.B. die Präzisionszucht (Smart Breeding) darstellt, sieht man eine ebensolche "große Hoffnung", wie in den Erfolgen der Genforschung im Bereich der Medizin .4

Die SPD-Stellungnahme behandelt die Koexistenz aus zwei verschiedenen Richtungen. Zum einen aus der Sicht der Erzeuger/Verbraucher und ebenso aus den wirtschaftlichen Interessen der Zeit. Denn eine Art der Koexistenz funktioniert und rentiert sich dann wieder...die im Supermarktregal.

P.S. Wer aktiv werden möchte kann bei der Homepage www.stoppt-seehofer.de vorbeischauen. Dort gibt es eine Email-Aktion gegen die "Verwässerung des Gentechnikgesetzes".


Wer es genauer wissen will:

Die Stellungnahme (PDF-57kb) der SPD Bundestagsfraktion und die SPD Pressemitteilung

Der Entwurf zum Eckpunktepapier (PDF-775kb) des Bundeslandwitschaftsministeriums

Die NABU-Bewertung des Eckpunktepapiers

Eine komplexe Übersicht über den bisherigen Verlauf bietet die Homepage www.keine-gentechnik.de


Die "Gute fachliche Praxis":

Zur "Guten fachlichen Praxis" allgemein

Und in einer Anhörung des Bundestages vom 25. Oktober 2006 zu diesem Thema


Zur Auskreuzung:

Bericht über den Erprobungsanbau zur Auskreuzung 2004/2005

und in der Dynamik der Realität !!!


Das Standortregister:

Standortregister im Internet

Und als interaktive Karte von GREENPEACE


Das "Smart Breeding"-Verfahren

Wikipedia-Artikel


Anmerkungen

1 Auf vier bayerischen staatlichen Versuchgütern wurde 2005 gentechnisch veränderter (gv) Körnermais der Sorte Mon810 auf sein Auskreuzungsverhalten hin untersucht. Dabei konnte eine gentechnische Verunreinigung der Nachbarbestände unter dem zur Kennzeichnung verpflichteten Grenzwert von 0,9 Prozent erst ab einer Entfernung von 55 Metern ausgeschlossen werden. Die Witterungsbedingungen waren windig, aber feucht. Käme zum Wind Trockenheit hinzu, könnte sich die Auskreuzungsentfernung noch vergrößern. Zusätzlich sei die Feststellung starker Differenzen zwischen den Messergebnissen verschiedener Labors problematisch. Der Nachweis kennzeichnungsfreier Produkte könnte in Zukunft mehrere Analysen erforderlich machen. Der Bayerische Landwirtschaftminister, Josef Miller, empfiehlt aufgrund dieser sowie bereits an Versuchen mit gv-Silomais 2004 ermittelten Daten einen Mindestabstand von 150 Metern zum nächsten Maisfeld. Vom Anbau aktuell verfügbarer gv-Maissorten sei insgesamt abzuraten, so Miller, zumal diese "keine pflanzenbaulichen und ökonomischen Vorteile haben". Zusätzlich wurde ermittelt, dass bis zu fünf Prozent gv-Maispollen in Honig und Pollenprodukten der Testregionen nachzuweisen sind. Dies wurde allerdings als ungefährlich eingestuft und soll keinen weiteren Untersuchungen unterzogen werden. (Ergebnisse zum Erprobungsanbau (Bt-Mais), 28.06.06, Bayerischer Landtag)

QUELLE: http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/TEXTE/ARCHIV/PRESSEDIENST_GID177/LANDWIRTSCHAFT177.HTML

2 Gute Fachliche Praxis des Genmais-Anbaus – die Vorgaben von Monsanto

Das Gentechnikgesetz verpflichtet Hersteller und Händler von Gentech-Saatgut, Landwirten für die Erzeugung transgener Pflanzen eine so genannte Produktinformation an die Hand zu geben (Paragraph 16b, Absatz 5 GenTG). Sie soll gewährleisten, dass es zu keinen Gentech-Einträgen in konventionellen und biologischen Mais kommt. Die Produktinformation von Monsanto für das firmeneigene Saatgut YieldGard findet sich unter www.monsanto.de/biotechnologie/gute_f_praxis.php. Den dort festgelegten „Anforderungen an die landwirtschaftlichen Produktionsflächen“ zufolge genügen 20 Meter Abstand zu benachbarten Maisfeldern, um Verunreinigungen auszuschließen. Eine andere Empfehlung gibt das Unternehmen im Vertrag, den Saatguthändler, die Monsanto-Mais verkaufen und Landwirte, die ihn anbauen, miteinander schließen. Anders als die Angaben auf der Internetseite ist er nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. In der „Vereinbarung für den kommerziellen Anbau in 2006 von gentechnisch verändertem Mais“ steht: „Der Mindestabstand der YieldGard Maisanbaufläche zu ökologisch bewirtschaftenden (sic!) Maisanbauflächen soll 300 m nicht unterschreiten.“ Das wirft Fragen auf: Warum sollen konventionell wirtschaftende Landwirte ein geringeres Schutzniveau akzeptieren als biologisch produzierende? Warum arbeitet Monsanto mit offiziellen und inoffiziellen Abstandswerten?

QUELLE: Informationen für Bäuerinnen und Bauern zum Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft (PDF-655kb)

3 aus der SPD-Stellungnahme: "Die Wahlfreiheit der Verbraucher und der Landwirte sowie die Koexistenz der verschiedenen Anbauweisen müssen genauso gewährleistet werden wie eine Förderung der Forschung im Bereich der Grünen Gentechnik und eine Erleichterung der Nutzung in geschlossenen Anlagen."

4 aus der SPD-Stellungnahme: "Die als ´smart breeding´ bekannt gewordenen Verfahren der beschleunigten konventionellen Züchtung mit gentechnischer Unterstützung bedürfen wegen ihres Erfolg versprechenden Potenzials einer höheren Aufmerksamkeit und Förderung, da die Vorteile der Biotechnologie genutzt, ohne dass transgene Organismen in die Umwelt entlassen werden. Die grüne Gentechnik weckt - durchaus vergleichbar der neuen Gen- und Stammzellenforschung in der Medizin - große Hoffnungen."