attac Sommerakademie 2009 an der Freien Waldorfschule Karlsruhe

20.08.2009

4. bis 9. August 2009: attac Sommerakademie an der Freien Waldorfschule Karlsruhe

Zum zweiten Mal seit 2006 war die Sommerakademie der deutschen globalisierungskritischen Bewegung attac zu Gast in der Freien Waldorfschule Karlsruhe. „Sommerakademie“ heißt, dass man nach einem Jahr von Aktivitäten und Aktionen zusammenkommt, um gemeinsam ein paar Tage in Ruhe sich auszutauschen und zu weiteren Erkenntnissen anzuregen. Einige Hundert Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem Ausland hatten sich eingefunden; mit dem ruhigen und entspannten Ambiente, das die Räume und das Gelände der Waldorfschule boten, waren sie sehr zufrieden.

Trotz gegenseitiger Sympathie ist es zwischen attac und der durch die Waldorfschule vertretenen Dreigliederungsbewegung noch nicht zu einem tiefergehenden inhaltlichen Austausch gekommen. Dazu ein paar, subjektiv gefärbte, „Schlaglichter“ von der Tagung.

Hauptforderungen von attac sind z.B. staatliche Regulierung der Finanzmärkte, zusätzliche Besteuerung der höchsten Einkommen, eine Wende in der Energiepolitik; auf der theoretischen Ebene, im wesentlichen „Kapitalismuskritik“.

Interessanterweise benutzt Steiner in seiner Gesellschaftskritik fast nie das Wort „Kapitalismus“; und gar nicht als ein pauschal zu Kritisierendes. Aus gutem Grund; denn im „Kapital“ stecken die Ergebnisse von „Geist auf Arbeit angewandt“ (in Steiners Nationalökonomischem Kurs „Wert 2“ genannt): gesellschaftliche Wertsteigerungen, die, vor allem seit Anfang der Industriellen Revolution, in ungeheurem Maße in die Wirtschaft eingeflossen sind. Und diese Wertsteigerungen kommen vom Geistesleben – eine bahnbrechende Erkenntnis, die Marx vollkommen abging, und die auch heute von kaum einem Protagonisten energisch vertreten wird. Da liegt das Problem bei einer pauschalen Verurteilung des „Kapitalismus“!

Selbstverständlich spielt das Kapital heute trotzdem eine verhängnisvolle Rolle, aber das hängt stark – und hier trifft sich Steiner mit Marx – am Privateigentum an den Produktionsmitteln: einem Übergriff des Rechtslebens auf das Wirtschaftsleben. Dieses Privateigentum entschieden zu verändern, und dadurch dem gesamten Aktienhandel den Boden zu entziehen, steht noch nicht als einheitliche Forderung von attac im Raum.

Solche Themen kamen zur Sprache bei der einzigen Veranstaltung, die ausdrücklich soziale Dreigliederung thematisierte; neben vielen anderen, wie Geldordnung, Waldorfpädagogik, Erkenntnistheorie, biologisch-dynamische Landwirtschaft, die aber alle in 1 ½ Stunden nur kurz angerissen werden konnten.

Eine Veranstaltung über die GLS Bank verortete den progressiven Charakter dieser Bank vor allem in ihrer ausschließlich sozial und ökologisch orientierten Investitionspolitik, und in der absoluten Transparenz ihrer Geschäfte.

Auch der Omnibus für direkte Demokratie informierte über seine Anliegen und Projekte.

Weit verbreitet auf der Sommerakademie war eine gewisse Enttäuschung darüber, dass es, trotz Wirtschafts- und Finanzkrise, bis jetzt kaum gesteigerten Zuspruch in der Öffentlichkeit für die Initiativen von attac gibt. Die oft gefundene Erklärung war, dass es den meisten Menschen in Deutschland dafür noch nicht schlecht genug geht; sie spüren die Krise noch wenig am eigenen Leib. Da kann sich in nächster Zeit allerdings noch viel ändern.

Sehr interessant fand ich noch die Veranstaltungen der „Rosa Luxemburg Stiftung“ (Parteistiftung der Partei „Die Linke“) zu Leben und Werk von Rosa Luxemburg. Das war eine sehr intelligente, hoch gebildete, furchtlose Frau, deren eigentliche Anliegen noch bis heute zu wenig beachtet werden. 1918 hat sie entschieden die Ausschaltung der geistigen Freiheit im Leninismus kritisiert, und damit zielsicher seinen Hauptfehler aufgedeckt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Rosa Luxemburg, hätte sie noch bis Sommer 1919 gelebt – sie wurde ja Januar 1919 ermordet – dass diese Frau bei Steiners Dreigliederungsbewegung mitgemacht hätte.


Nicholas Dodwell / Lehrer, FWS Karlsruhe


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