Peer Steinbrück oder die verkörperte Realsatire

25.10.2011

Zur Zeit rollt eine mächtige PR-Maschinerie, die dem Wahlvolk Peer Steinbrück als neuen Kanzler, als besonnenen Ökonomen, als Retter aus der Krise verkaufen möchte. Die aktuelle Welle in der Presse ist ein als Journalismus verkleideter Marketingfeldzug, der das gemeinsame Buch von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück « Zug um Zug» in die Charts hieven möchte. Mit überwältigendem Erfolg: Schon zwei Tage vor dem offiziellen Erscheinen am 27.Oktober 2011 nimmt dieses Buch den Platz 4 in der Amazon Bestseller-Rangliste ein.

Die aktuelle Kampagne ist jedoch nur Teil und bisheriger Höhepunkt einer umfassenden Medienstrategie: einen willfährigen Diener der Finanzindustrie auf die strategische Postion des Kanzlerkandidaten zu hebeln.

Peer Steinbrück ist ein reines Medienphänomen. In der Partei gehört er zu der im Moment abgemeldeten Fraktion der Agenda 2010 Hardliner, der immer noch an diesem undemokratischen und entwürdigenden Strafprogramm für die Opfer des Systems festhält und im Parlament vernachlässigt er mit unverfrorener Auffälligkeit seine Pflichten, während er gleichzeitig mehrere hunderttausend Euro durch Vorträge verdient. Gregor Hackmack von Abgeordnetenwatch.de : «Es darf nicht sein, dass ein Abgeordneter bei Bundestagssitzungen und wichtigen Abstimmungen fehlt, gleichzeitig aber einer Vielzahl hoch bezahlter Nebentätigkeiten nachgeht und dafür seine volle Diät kassiert», sagt Hackmack. «Kein Arbeitgeber würde so ein Verhalten dulden. Wir Bürgerinnen und Bürger sollten das auch nicht tun.» 1

Es gehört schon einige Chuzpe dazu, ausgerechnet in der jetzigen Zeit denjenigen zu präsentieren, der einen entscheidenden Anteil an der Deregulierung der Finanzmärkte in der Bundesrepublik hatte. Noch im letzten Jahr erinnerte sein Parteikollege Herrman Scheer in einer Rezension gegen die Reinwaschung Steinbrücks von diesen Vorgängen an dessen Mitverantwortung für das Desaster: «Wie sehr stattdessen auch die rot-grüne Finanzpolitik die Lunte der Finanzkrise mit gelegt hat – stets von Steinbrück unterstützt und dann als Finanzminister aktiv betrieben, belegt die Serie entsprechender Gesetze: 2002 das Finanzmarktförderungsgesetz, das die Spielräume von Investmentfonds und Hypothekenbanken erweiterte; 2003 wurden verbriefte Kreditforderungen ausgeweitet, wurde den Hedge-Fonds die Türen geöffnet; 2004 die Steuererleichterungen für Private Equity-Firmen..» 2

Als Finanzminister dann, hatte er maßgeblich in der Koalitionsvereinbarung von 2005 mit Angela Merkel die Lockerung der Regeln auf den Finanzmärkten beschlossen. Auf Seite 86 steht da u.a. zu lesen:

«Produktinnovationen und neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden.
Dazu wollen wir die Rahmenbedingungen für neue Anlageklassen in Deutschland schaffen.
Hierzu gehören: Die Einführung von Real Estate Investment Trusts (Reits), der Ausbau des Verbriefungsmarktes, die Erweiterung der Investitions- und Anlagemöglichkeiten für Public-Private Partnerships, sowie überflüssige Regulierungen abbauen.» 3

Diese Vereinbarung hätte auch von den Investmentbankern selbst geschrieben sein können.

Noch im Juli diesen Jahres konnte Helmut Schmidt von dieser Berufsgruppe sagen: «Dabei ist das Wort Investmentbanker nur ein Synonym für den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat und jetzt schon wieder dabei ist, alles wieder genauso zu machen, wie er es bis zum Jahre 2007 gemacht hat.» 4 Das sein politischer Ziehsohn diesen Typus auf der Politikerseite repräsentiert, sollte er eigentlich wissen.

Harald Weil

1 www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,712225,00.html
2 www.freitag.de/kultur/1038-der-hochtrabende
3 www.cducsu.de/upload/koavertrag0509.pdf
4 www.zeit.de/2011/29/01-Deutsche-Bank/seite-2