Hessnatur schließt Vergleich mit Kritikern

12.04.2013

Nachdem der Öko-Textilversender Hessnatur durch einen Private Equity Fonds übernommen wurde, hatte sich in der Presse und im Internet erheblicher Widerstand geregt.

Insbesondere von Johannes Mosmann und Andreas Schurack wurden auf den Webseiten dreigliederung.de und wir-sind-die-konsumenten.de kritische Artikel und zahlreiche Hintergrundinformationen veröffentlicht, die einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Hessnatur und u.a. der Rüstungsindustrie offenlegen sollten. Hessnatur beauftragte eine der größten Anwaltskanzleien der Welt und ging mit verschiedenen Mitteln gegen die Kritiker vor, um die Verbreitung derartiger Behauptungen untersagen zu lassen. Unter rechtlicher Begleitung der Kanzlei Barkhoff & Partner aus Bochum verwehrten sich die beiden Journalisten gegen die gegen sie gerichtete Abmahnung, woraufhin Hessnatur umgehend ein gerichtliches Verfahren einleiten ließ und eine einstweilige Verfügung gegen die beiden Kritiker erwirkte. Vor Gericht siegten die Kritiker, vertreten durch Rechtsanwalt Jakob Janitzki von der Kanzlei Barkhoff & Partner. Die einstweilige Verfügung wurde auf Kosten von Hessnatur aufgehoben und deren Anträge abgewiesen.

Daraufhin signalisierte Hessnatur seine Bereitschaft für eine konstruktive Einigung. Auch Mosmann und Schurack sahen keinen Sinn in einem weiteren Verfahren, das unter Umständen mehrere Jahre dauern und ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten, trotz der zahlreichen Spendenzusagen von Hessnatur-Kunden, übersteigen könnte. Nach umfangreichen und langwierigen Verhandlungen ist es nun gelungen, einen Vergleich zwischen den Beteiligten herbeizuführen. Die Parteien haben sich geeinigt, wobei es den Kritikern erlaubt bleibt, weiterhin ihre Recherchen und kritischen Artikel zu veröffentlichen. Sollte es erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien kommen, so sieht der Vergleich die beidseitige Verpflichtung vor, dass die Parteien erst miteinander sprechen müssen, bevor der gerichtliche Weg eingeschlagen werden kann.

Ehemalige Hessnatur-Kunden hatten insgesamt 5.485 Euro gespendet, um Mosmann und Schurack gegen Hessnatur zu unterstützen. Dadurch konnten die Kosten der Auseinandersetzung vollständig gedeckt werden. "Hier haben unzählige Menschen zusammengewirkt, damit die Auseinandersetzung ein vorläufiges glimpfliches Ende nehmen konnte - die einfühlsame und weitsichtige Beratung von Rechtsanwalt Jakob Janitzki, die vielen spontanen Einzelaktionen von Hessnatur-Kunden, eine weitgehend sachliche Berichterstattung der Presse und letztendlich die tatkräftige Unterstützung einiger mutiger Hessnatur-Mitarbeiter" so Andreas Schurack.

Wie gehts weiter?

Offen bleibt die Frage, wie die Bedürfnisse der kritischen Kunden befriedigt werden können, die mit ihren Zahlungen weder einen Private-Equity-Fonds wie Capvis, noch den einstigen Arcandor-Vorstand Marc Sommer unterstützen möchten, und deshalb ihre Einkäufe bei Hess Natur eingestellt hatten. Viele wollen weiterhin, dass die Genossenschaft hnGeno den einstigen Ökopionier übernimmt und erklären auf wir-sind-die-konsumenten.de, dann auch wieder bei Hessnatur bestellen zu wollen. Die Genossenschaft hnGeno war von Mitarbeitern und Kunden gegründet worden, um die Übernahme durch einen Private-Equity-Fonds zu verhindern, und Hessnatur eigenverantwortlich weiterzuführen. Nachdem dieser Plan wegen der Übernahme durch Capvis vorerst gescheitert war, häufen sich nun Anfragen ehemaliger Kunden, ob die Genossenschaft denn nicht ein Alternativ-Unternehmen gründen könne, um die Versorgungslücke selbst zu schliessen. Tatsächlich prüft die Genossenschaft gegenwärtig die Möglichkeiten für den Start einer Alternative zu Hessnatur - "um die Wartezeit zu überbrücken", wie ein Sprecher der hnGeno erklärte. Noch in diesem Jahr soll das Startup der Öffentlichkeit präsentiert werden. Nichtsdestotrotz halte sie aber an ihrem Plan fest, Capvis bei Hessnatur abzulösen.

Und das Kundenportal? Wie Mosmann und Schurack vor Gericht erklärten, haben sie keinerlei "persönliches" Interesse an der hnGeno. Mit dem Portal wir-sind-die-konsumenten.de wollen sie vielmehr Kunden die Möglichkeit geben, ihren selbständigen "Konsumentenstandpunkt" sichtbar zu machen. "Wir sehen die Gestaltungsmöglichkeit für eine solidarische Wirtschaft gerade im Dialog zwischen selbständigen Interessensvertretungen, und eben nicht in einer Vermischung der Interessen. So wenig, wie wir einem von Hessnatur initiierten "Kundenrat" beitreten, genau so wenig werden wir uns andererseits mit Kritik an der hnGeno zurückhalten", betonte Johannes Mosmann gegenüber dem Vorstand der hnGeno. Als Verbraucher werde er den Kaufvertrag mit demjenigen Anbieter schließen, dem er das Vertrauen entgegenbringen könne, dass dieser sich aktiv um eine Vertiefung und Weiterentwicklung des Fair-Trade-Gedankens bemühe. Walter Strasheim-Weitz, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von Hessnatur und Gründungsmitglied der hnGeno, erklärte indes, dass man sich bei der Genossenschaft genau diese Selbständigkeit der Kunden wünsche: "Es ist gut, wenn uns jemand auf die Finger schaut. Wir brauchen uns nicht zu verstecken."

Quellen: Kanzlei Barkhoff & Partner, Genossenschaft hnGeno

Mehr zum Thema: