China und die nächsten fünf Jahre

15.03.2001

Die elftägige Plenartagung des chinesischen Volkskongresses ist nun vorbei. Im Mittelpunkt der Beratungen stand der nächste Fünf-Jahres-Plan, der gebilligt wurde. Um feste Planziele sollte es nicht mehr gehen, sondern um weit gefaßte, makro-ökonomische Grundzüge. Gesetzt wird weiter auf massive Staatsausgaben vor allem für die Infrastruktur, um die heimische Nachfrage und damit die Konjunktur zu stimulieren. Diese Finanzpolitik scheint auch erste Erfolge zu zeigen. Die Verbraucherpreise sind dieses Jahr um 0,4 Prozent gestiegen, nachdem sie durch die schlechte Nachfrage zwei Jahre lang zurückgegangen waren.

Gebilligt hat der Volkskongreß auch Änderungen im Gesetz für chinesisch-ausländische Unternehmen, um es in Einklang mit den Anforderungen der Welthandelsorganisation (WTO) zu bringen. Dazu fehlen allerdings auch noch Kartell- und Antidumping-Gesetze, die noch entworfen werden müssen. Das größere Problem sind aber die Millionen chinesischer Bauern, die durch die Öffnung zum Weltmarkt ihre Arbeit verlieren sollen. Schon jetzt sind sie massiv benachteiligt. Während dieses Jahr die verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen in den Städten um 6,4 Prozent auf 6280 Yuan zugenommen haben, muß man sich auf dem Lande mit einer Steigerung um 2,1 Prozent auf 2253 Yuan zufrieden geben. Das sind weniger als 600 DM. Ministerpräsident Zhu Rongji versuchte die Bauern durch die Ankündigung einer "Revolution" ihrer Abgaben und Steuern zu beschwichtigen. Ihre Belastung soll auf 8,4 Prozent sinken und damit mehr als halbiert werden. Eine versteckte staatliche Subvention. Wahrscheinlich würde aber nicht einmal eine Null-Belastung ausreichen, um von Landwirtschaft leben zu können. Eine direkte Subvention der Landwirtschaft durch die Industrie kann sich Zhu Rongji natürlich nicht vorstellen. Die gibt es im Westen nämlich auch nicht. Dies wäre nicht nur für die chinesischen Bauern, sondern auch für die WTO eine Revolution.

Außer bei den Bauernabgaben soll es in China keine politische Revolution geben, sondern nur Reformen - des Kommunismus. Die Gründung von demokratischen Parteien kommt genauso wenig in Frage wie diejenige von unabhängigen Gewerkschaften. Hier gilt weiterhin der Führungsanspruch der kommunistischen Einheitspartei, der auch in der Verfassung verankert ist. Chinesische Arbeiter sollen, anders als ihre westlichen Arbeitgeber, Kommunisten bleiben. Oder in den Worten von Zhu Rongji: Wir werden niemals das westliche Modell kopieren.

Die größte Bedrohung für den Kommunismus kommt aber weder von Arbeitern, die sich um ihre Arbeit Sorgen machen, noch von Intellektuellen, die politischen Reformen fordern, sondern von Falun-Gong, einer Sekte, die am liebsten unpolitisch bleiben möchte und das auch immer wieder beteuert. Im Lande der Arbeiterstaatsreligion kann man aber nicht unpolitisch bleiben. Jede andere Religion - und nicht nur die tibetische mit ihrem ebenfalls theokratischen Anspruch, sondern auch Religionen, die sich auf das Geistige beschränken möchten - ist eine Konkurrenz und dadurch eine Staatsgefährdung. In China könnte man erst dann unpolitisch werden, wenn der Kommunismus überwunden worden wäre. Dies sagt der Gründer von Falun-Gong nicht. Vielleicht werden aber seine Anhänger für das Ende des Kommunismus sorgen, ohne viele Worte zu machen. Ihre Lehre eignet sich gut dazu: Gemessen an ihren Atemübungen und buddhistischen Elementen klingt der Kommunismus hilflos westlich. Könnte es sein, daß nach so vielen Jahren genug Chinesen es müde sind, ein westliches Modell zu kopieren?