Capvis: Ökopionier ohne Kopf? Bei Hessnatur geht die Angst um

06.09.2012

Einstweilige Verfügung

Am 1. Oktober (Ausfertigung 2. Oktober) hat die Hess Natur-Textil GmbH, vertreten durch Maximilian Lang, gegen Johannes Mosmann und Andreas Schurack, die Betreiber der website www.wir-sind-die-konsumenten.de, eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Frankfurt am Main erwirkt, die ihnen untersagt, einen der folgenden Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen:

a. "Die Zahlungen der Kunden der Hess Natur-Textil GmbH gingen in die Rüstungsindustrie"
b. "Die Anteilseignerin Capvis der Hess Natur-Textilien GmbH sei in die Rüstungsindustrie verstrickt"
c. "Das australische Militär vermehre sein Geld über jeden Einkauf bei der Hess Natur-Textilien GmbH"

Aus diesem Grund mussten wir Texte und Textstellen, die die einstweilige Verfügung betreffen, auch von dieser website entfernen. Johannes Mosmann und Andreas Schurack haben ihren Anwalt beauftragt, Widerspruch zu erheben. Solange die einstweilige Verfügung jedoch wirksam ist, ist ihnen "bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten" untersagt, solche Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen.

Download einstweilige Verfügung (PDF)

Marc Sommer nimmt Platz in Lüdges Büro

Wolf Lüdge war der von Mitarbeitern und Kunden anerkannte Leiter und das Gesicht von Hessnatur. Er war noch vom Unternehmensgründer Heinz Hess persönlich als Controller eingestellt worden, stieg dann allmählich zum Geschäftsführer auf, und bescherte dem Ökomoden-Versender 2011 schließlich das beste Geschäftsjahr in der Geschichte des Unternehmens. Am Mittwoch, den 8. August, erhielt er Hausverbot. Er durfte nicht mal seinen Schreibtisch räumen. Capvis, die größte Private-Equity-Gesellschaft der Schweiz, hatte Hessnatur übernommen und beschlossen, Wolf Lüdge zu feuern und dafür Marc Sommer zum „Generalbevollmächtigten“ über alle Bereiche zu ernennen (Wir berichteten hier).

Jetzt sitzt also der ehemalige Arcandor-Vorstand und Bertelsmann-Ziehsohn im Zimmer von Wolf Lüdge – und traut sich selten raus. Die Stimmung ist eisig, wie eine Mitarbeiterin aus dem Haus berichtete. Denn jeder fragt sich natürlich: wer wird der nächste sein? Wann werden die nächsten Mitarbeiter aussortiert, die nicht auf den „neuen Weg“ zu bringen sind? Einmal wagte Marc Sommer eine Ansprache: er wäre so gerne selber der Praktikant, der die Pakete sortiert, schwärmte er von der „einfachen“ Arbeit. Ein Mitarbeiter konterte: Für einen Praktikanten sei er zu hochnäsig. Sommer explodierte. Es ist eben schwierig, geliebt zu werden, wenn man gleichzeitig eine Drohung in den Raum stellt.

Ab und zu öffnet Marc Sommer die Türe einen Spalt, um zu sehen, ob die Luft rein ist. Dann eilt er vorbei an den Mitarbeitern zum Mittagessen. „Er möchte nicht so gerne mit uns zusammen essen“, vermutet ein langjähriger Mitarbeiter des Unternehmens. Vielleicht fürchtet Sommer aber auch ein Zusammentreffen mit dem Betriebsratsvorsitzenden Walter Strasheim Weitz. Denn jeder weiß: Sollte Sommer irgendwelche Umstrukturierungen zu ihrem Nachteil vorhaben, muss er erst an ihrem Betriebsratsvorsitzenden vorbei.

Die Sorge ist nicht unbegründet: Bei WMF hatte Capvis massiv Stellen abgebaut und nach China verlegt [1], wegen des reinen Finanzinteresses von Capvis und der Verbindung mit Harbourvest springen die Kunden ab [2], und bei Kaffee-Partner sehen sich die Mitarbeiter seit der Übernahme durch Capvis „Drohungen und Schikanen“ ausgesetzt, weil sie einen Betriebsrat gründen wollen [3]. Der neue „Generalbevollmächtigte“ Marc Sommer war zudem seinerseits als Arcandor-Vorstand an der größten Insolvenz in der Geschichte Deutschlands beteiligt [4], und muss sich in diesem Zusammenhang demnächst vor dem Essener Landgericht wegen überzogener Bonuszahlungen verantworten. [5]

Capvis: "verfehlte Kommunikationspolitik"?

Die Mitarbeiter dürfen nun „Business-Coaching“ über sich ergehen lassen. Capvis hat offenbar den Presse-Bericht über ihre „verfehlte Kommunikationspolitik“ gelesen und will jetzt auf Teufel komm raus doch noch als „Bienchen“ gesehen werden statt als „Heuschrecke“. Zu diesem Zweck ließ sich die Gesellschaft sogar ein zweites Mal!!! dazu herab, bei ihrem Eigentum vorstellig zu werden. Ricarda Demarmels, die laut Capvis für die „Transaktion Hessnatur“ zuständig ist, reiste also nach Butzbach - und erklärte, welches Ärgernis es sei, dass man ein zweites Mal anreisen müsse. In der Branche sei es nämlich ganz unüblich, dass der Eigentümer sein Eigentum ein zweites mal betrete. Ganz naiv, ohne jede böse Absicht sagte sie das - als sei ein solch absurdes Eigentumsverständnis das selbstverständlichste auf der Welt!

In einer anderthalbstündigen Business-Show versuchte Ricarda Demarmels dann, den Betriebsrat zu diskreditieren und die Mitarbeiter zum mitspielen anzufeuern. Ohne Erfolg. Zum Schluss stand eine Mitarbeiterin auf und erklärte, dass man bei Hessnatur das Druckmittel der Angst nicht gewohnt sei und geschlossen hinter dem Betriebsrat stehe. Die Mitarbeiter klatschten, während die Capvis-Gesandte stammelte: „Ich hab Euch Ovomaltine mitgebracht, weil der Werbespruch von Ovomaltine lautet: Mit Ovomaltine kannst du’s nicht besser. Aber länger.“

Was haben Capvis und Sommer mit Hessnatur vor? Der Betriebsrat erhält keine Antwort auf seine Fragen. Es liegen auch keinerlei Geschäftspläne oder sonstige Informationen vor, die dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG jederzeit und ohne besonderen Anlass zur Verfügung gestellt werden müssen. Capvis hat die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und „Führungsebene“ offenbar gekappt. Stattdessen erfährt man nun aus der Presse, wohin der eigene Betrieb steuert. Und für die Presse ist jetzt Marc Sommer zuständig!

>> Teil 2: Marc Sommer und das Kommunikationsproblem

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