Wilfried Heidt

* 1941  2012

In der Rubrik Themen wird der Stand der Diskussion über den Beitrag von Wilfried Heidt zur sozialen Dreigliederung wiedergegeben. Hier finden Sie hingegen eine Liste seiner Texte zur sozialen Dreigliederung.

Wilfried Heidt änderte die soziale Dreigliederung ab, indem er das Rechtsleben über das Geistesleben und Wirtschaftsleben stellte. Aus dieser Hierarchisierung ergab sich für ihn die Priorität, Fortschritte in Richtung Demokratisierung zu erreichen. Dem Einsatz für eine soziale Dreigliederung sollte die Einführung einer dreistufigen Volksgesetzgebung vorausgehen.

Verkennung der sozialen Dreigliederung

Was daran stimmt ist, dass Rudolf Steiner von einer Weiterentwicklung des Rechtslebens zu mehr Demokratie ausging. Dies wurde von Peter Schilinski richtig erkannt. Rudolf Steiner hielt aber – im Unterschied zu Wilfried Heidt – die Freiheit des Geisteslebens und die Brüderlichkeit des Wirtschaftslebens für eine Bedindung dieser Gleichheit im Rechtsleben. Eine Demokratie, die sich anmaßte über Geistes- und Wirtschaftsfragen zu entscheiden, würde sich auf Dauer entweder selbst abschaffen oder zur Scheindemokratie verkommen. Demnach hat die Demokratie, um sich selber zu erhalten, keine andere Wahl, als sich auf dasjenige zu beschränken, was sie wirklich zum Ganzen der Gesellschaft beitragen kann. Mit seiner sozialen Dreigliederung zielte Rudolf Steiner also nicht auf eine Hierarchisierung.

Infragestellung der Dreigliederungsbewegung

Ist einmal der Unterschied der Auffassungen zwischen Wilfried Heidt und Rudolf Steiner klar, dann kann man nachvollziehen, warum sich Wilfried Heidt über die Versuche Rudolf Steiners, auf geistigem und wirtschaftlichem Gebiet Tatsachen zu schaffen, nur ärgern konnte. Es passte nicht in sein Gesellschaftsbild, Gesetzeslücken auszunutzen. Die Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben sollte durch Wirtschaftsgesetze legitimiert werden. Der Einsatz Rudolf Steiners zur Schaffung und Vernetzung von Betriebsräten sei daher illegitim gewesen. Dasselbe hätte Wilfried Heidt über Steiners Gründung der ersten Waldorfschule sagen müssen, weil dabei eine Gesetzeslücke benutzt wurde. Eine solche Gründung wäre erst legitim gewesen, wenn sie durch ein Geistesgesetz erlaubt gewesen wäre. Da hier aber die Tatsachen schon geschaffen waren, beschränkte sich Wilfried Heidt auf die Forderung nach einer nachträglichen Legitimierung durch Volksentscheide. Für Wilfried Heidt blieb es zeitlebens ein Rätsel, warum Rudolf Steiner meinte, sich 1919 noch für eine soziale Dreigliederung einsetzen zu müssen, wo doch die Volksabstimmung schon in der Weimarer Verfassung stand.[1] Dabei zeigt gerade Wilfried Heidts Unfähigkeit, auf die besonderen Anforderungen des Geisteslebens und Wirtschaftslebens wirklich einzugehen, dass mit mehr direkter Demokratie noch nichts für eine soziale Dreigliederung gewonnen sein muss.

Irrweg Dritter Weg

In seinem Bestreben, Anschluss an die alternativen Bewegungen seiner Zeit zu finden, hat Wilfried Heidt viel Wert auf die Bezeichnung der sozialen Dreigliederung als einen Dritten Weg gelegt. Für seinen Ansatz passt in der Tat der Ausdruck Dritter Weg viel besser als Steiners soziale Dreigliederung. Wilfried Heidt ging es um Demokratismus statt Kapitalismus und Sozialismus. Rudolf Steiner ging es dagegen nicht um eine dritte Vereinseitigung, sondern um eine Steigerung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch Differenzierung der Gesellschaft.

Nachwirkung

Zu den Schülern von Wilfried Heidt zählen sich Herbert Schliffka, Gerhard Meister, Gerhard Schuster und Joachim Stiller. Gerald Häfner zähle ich hinzu. Darüber hinaus gibt es viele Schüler von Wilfried Heidt, die es von sich gar nicht wissen, weil die Bewegung, die von ihm ausgeht, die letzten 50 Jahre so viel Lärm gemacht hat – oder zumindest laut genug war, um das echte Bestreben nach einer sozialen Dreigliederung weigehend zu übertönen.

 

Anmerkungen

[1] Wilfried Heidt [1989]: Der freie Mensch – die einzige Quelle des Rechts!

Ein Teil der von mir herausgeholten Aussagen sind in diesem Interview dadurch kaschiert, dass Wilfried Heidt den Volksentscheid nicht zum demokratischen Rechtsleben, sondern zum freien Geistesleben zählt, beziehungsweise zur Auswirkung des freien Geisteslebens auf das Rechtsleben. Dabei geht es ihm aber – im Unterschied zu Rudolf Steiner – nicht um die Freiheit des Individuums, sondern um die Freiheit des Volkes, um die Volkssouveränität und damit letztlich um Gleichheit. Diesen Etikettenschwindel kenne ich schon länger aus Frankreich. Freiheit heisst dort nationale Freiheit. Von einem „Dreigliederer“ hätte ich mehr erwartet.

Sylvain Coiplet

Stand: 29.03.2021

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