Kriegsbriefe Kropotkins dumm materialistisch

Quelle: GA 174a, S. 129-154, 2. Ausgabe 1982, 20.03.1916, München

Eine außerordentlich betrübliche Erscheinung in der jetzigen Zeit ist zum Beispiel die folgende. Sehen Sie, da hat es lange Zeit vor dem Kriege ja allgemeine Urteile gegeben: man hat gewisse Menschen für auf diesem oder jenem Gebiete hervorragende Menschen gehalten.

Es war gar kein Grund, sich besonders dagegen aufzulehnen, denn sie haben im Sinne der heutigen Kultur, die materialistisch ist, auch Hervorragendes geleistet. Nun kam der Krieg. Diese Menschen haben sich geäußert, haben Briefe geschrieben. Es ist ganz unglaublich, was Menschen, die als hervorragende Menschen in aller Welt galten, nachdem dieser Krieg ausgebrochen ist, für Zeug geschrieben haben! Lesen Sie die Briefe, die sie seit Kriegsausbruch geschrieben haben, lesen Sie, um auf ein anderes Gebiet zu kommen, die Briefe, die zum Beispiel der Mann geschrieben hat - man braucht ja seine Ansichten nicht zu teilen -, der ja vielen als ein hervorragender, überzeugter Freigeist gelten mußte: Kropotkin! Was hat er für dumme, blitzdumme Briefe geschrieben seit dem Ausbruch dieses Krieges! Das sind Dinge, die doch außerordentlich ins Gewicht fallen.

Ich möchte sagen: Es zeigt sich gerade jetzt, wo die Menschheit sehr schnell hereingebrochenen, gewaltigen Situationen gegenübersteht, wie wenig eigentlich die Menschen, auch wenn es hervorragende Leute sind, gerade mit ihrem Denken demjenigen gewachsen waren, was da eben einmal nicht im gewöhnlichen bequemen Programm hereingebrochen ist. Am besten sind dabei noch - von ihrem Standpunkte aus - die gewöhnlichen Philister daran; nicht für unseren Standpunkt, aber für den modernen Standpunkt. Nun, die leben ja jetzt auch weiter und urteilen weiter nach ihren eigenen Anschauungen. Diese eigenen Anschauungen, wie kommen die zumeist zustande? Man kennt das ja, die Menschen geben heute nichts auf Autorität, sie haben ihre eigenen Anschauungen, die sie sich selber gebildet haben. Diese eigenen Anschauungen beruhen allerdings meist nur darauf, daß es sich bei diesen eigenen Anschauungen um solche handelt, bei denen man vergessen hat, in welchem Blatte oder in welchem Programm man sie gelesen hat. Das sind die eigenen Anschauungen! Man unterscheidet zwischen fremden Anschauungen und eigenen Anschauungen; die letzteren zeichnen sich dadurch aus, daß man vergessen hat, wo man sie gelesen hatte.

Alle diese Dinge weisen uns darauf hin, daß vieles, vieles gerade im geistigen Leben ganz anders werden muß, daß die Menschen sich werden bequemen müssen, nicht so durch die Welt zu gehen, wie die Materialisten durch die Welt gehen, die da eigentlich immer träumen über die Welt.

Sie glauben natürlich, daß die anderen träumen, aber in Wahrheit träumen die Materialisten, die eigentlich niemals recht aufwachen. Es muß schon anders werden mit dem Anschauen des geistigen Lebens, und daß es anders werden soll, das müßte schon in das Bewußtsein derjenigen eindringen, die sich mit dem eigentlichen Lebensnerv gerade der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung mit ihrem Herzen verbinden wollen.