Niedergang Europas zugunsten Japans durch ersten Weltkrieg

Quelle: GA 174, S. 102, 1. Ausgabe 1966, 08.01.1917, Dornach

Diese Dinge in ihrer Wahrheit ins Auge zu fassen, das können wir uns trotz aller Zugehörigkeit zu der einen oder zu der andern Gruppe vornehmen, ich sage nicht « müssen », sondern können. Und wenn wir es verarbeiten und es zum Inhalte unseres Lebens wird, dann kann jeder an seiner Stelle dasjenige tun, das er eben tun möchte, indem er die Frage stellt: Was vermag der einzelne zu tun? - Werden sich nicht immer mehr und mehr Menschen finden, die den Gedanken hegen, gemeinsamen europäischen Widerstand dem Kriegswillen verborgen wirkender Mächte entgegenzustellen, dann, ja dann ist der Zusammenbruch der europäischen Kultur nicht zu vermeiden. Schon braust uns vom Osten herüber ein Kriegswille entgegen - aus Japan, wo sich ein Imperialismus vorbereitet, der vielleicht ein viel mächtigerer sein wird, als ihn die bisherigen Imperien hatten. Der Eroberungswille äußert sich in dem Ruf des neuen Nationalliedes, das, anklingend an die englische Hymne « Rule Britannia », nun ertönen läßt sein « Rule Nippon ». Damit Sie sehen, daß die europäischen Mächte Grund gehabt hätten, das Wort Friede, den Inhalt des Friedensgedankens jetzt nicht zu verhöhnen, möchte ich Ihnen den folgenden Hymnus vorlesen, den die japanischen Zeitungen bringen:

Als Nipun auf des Herrn Gebot

Der Flut enttaucht im Morgenrot,

Hallt tönend durch die weite Welt

Ein Ruf vom blauen Himmelszelt:

Zur Herrschaft, Japan, bist du geboren,

Erhebe dich stolz mit der Morgensonne:

Ich habe dich zum Herrn dieser Erde erkoren.

Zerrissen von Haß und blinder Wut

Sinkt hin Europa im eignen Blut,

Doch du, von Schuld und Fehler rein,

Sollst dieser Erde Hüter sein.

Zur Herrschaft, Japan, bist du geboren.

Erhebe dich stolz mit der Morgensonne!

Ich habe dich zum Herrn meiner Erde erkoren.

So tönt es herüber vom Osten. So antwortet der Osten auf das im Blut schwimmende Europa. Und dem gegenüber gibt es in Europa Menschen, die den Friedensruf verhöhnen wollen! Das ist eine Tatsache, die wir nicht tief genug bedenken können.