Staat kann Beamte und Wähler nur prüfen statt ausbilden

Quelle: BIB 000m, S. 223-226, . Ausgabe 1972, 27.01.1919

Man soll sich, wenn man für den politischen Körper Demokratie fordert, nicht zu stark auf die Demokratie des Auslandes berufen. Sondern man muß folgendes zum Ausdruck bringen: die großen Schäden sind eigentlich erst im Lauf der letzten fünf, sechs, sieben Jahrzehnte entstanden, indem man dem Staat aufgebuckelt hat, was ihm nicht gehört. Aus einem ganz anderen Staatsleben heraus ist der von Bismarck nur übernommene Gedanke Lassalles des allgemeinen Wahlrechts gekommen. Dieses Recht ist dazumal nicht unrichtig gedacht gewesen. Heute könnte man gerade mit Bezug auf das Staatsgefüge (politische System) darauf zurückgehen. Man könnte auf eine neuzeitliche Reform dieses Wahlrechts aufmerksam machen. Man müßte darauf hinweisen, daß unter allen Umständen, wenn der wirtschaftliche und der geistige Organismus im staatlichen eingegliedert sind, es mit dem allgemeinen Wahlrecht nicht gehen wird.

Wenn Sie das aber hinauswerfen, so hat der Staat wirklich nur diejenigen Aufgaben, die jeder mitentscheiden kann. Damit wird erst die Möglichkeit eines allgemeinen Wahlrechts geschaffen. - Ebenso müßte gesagt werden, daß der Staat das volle Recht hat, Anforderungen an seine Beamten zu stellen. Der Staat muß sagen können: Ich nehme nur denjenigen in meine Organisation herein, der diese und diese Bedingungen erfüllt. Aber er darf die Leute hierzu nicht selbst ausbilden. Er könnte für seine Beamten Überprüfungen veranstalten. Die schulmäßige Ausbildung würde der geistigen Kultur anheimfallen. Der Staat hätte nur Forderungsrechte. Er stellt den nicht an, der keine Kenntnisse hat. Auch die Wahlmöglichkeit müßte so beschränkt werden. Das wäre der Ersatz für die allgemeine Schulpflicht: nur derjenige, der Z. B. schreiben kann, darf stimmen. Wer nicht durch die Volksschule gegangen ist, darf nicht wählen. Man braucht den Führern nur zu sagen, daß dies einen praktischen Unterschied in Deutschland nicht machen würde. Es wäre nur eine Umlagerung der Verhältnisse. Man muß bestehen auf dem gleichen, allgemeinen Wahlrecht (daß es geheim sei, ist nicht wesentlich); aber die Analphabeten müssen ausgeschlossen sein. Dem werden auch die Sozialdemokraten beistimmen.

[...] Im Westen, bzw. in den englisch sprechenden Gebieten, ist der Sieg auf diesem Gebiet dadurch errungen worden, daß durch die Bevölkerungseigentümlichkeit es geht, daß das Wirtschaftsleben das politische aufgesogen hat. Es sind Wirtschaftskörper, keine Staaten. Weil heute die Wirtschaft diese Rolle spielt, haben diese Staaten die Möglichkeit gehabt, ihre politische Form durchzudrücken - weil in ihnen das Wirtschaftsleben präponderiert. Es sind Wirtschaftskörper in der Maske von Staatskörpern. [...] - Unseren politischen Aufbau müssen wir nicht auf Grundlage der westlichen Demokratie, sondern auf Grundlage der Lassalleschen Gedanken machen. Nur weil Lassalle fehlerhafterweise alles konfundiert hat, ist daraus nichts geworden.