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Problem ist fehlendes Arbeitsrecht und Mißbrauch der geistigen Fähigkeiten
Quelle: GA 193, S. 081-082, 3. Ausgabe 1977, 09.03.1919, Zürich
Ich habe jetzt öfter auseinandergesetzt, wie in der modernen Zeit Arbeitskraft Ware geworden ist. Dagegen hilft nicht der gewöhnliche Arbeitsvertrag, denn der geht davon aus, daß Arbeitskraft Ware ist, und er wird geschlossen über die Arbeit, die der Arbeiter dem Unternehmer leisten soll. Ein gesundes Verhältnis kann nur dadurch zustande kommen, daß der Vertrag gar nicht über die Arbeit geschlossen wird, daß die Arbeit als Rechtsverhältnis festgesetzt wird vom politischen Staate, und daß der Vertrag geschlossen wird über die Verteilung des erzeugten Produkts zwischen dem körperlich Arbeitenden und dem geistig Arbeitenden. Über die erzeugten Waren aber nur kann der Vertrag geschlossen werden, nicht über das Verhältnis der Arbeitskraft zum Unternehmer. Dadurch allein kann die Sache auf eine gesunde Basis gestellt werden.
Aber die Menschen fragen nun: Woher kommen die Schäden im sozialen Leben, die dem Kapitalismus anhaften? - Sie sagen: Die kommen von der wirtschaftlichen Ordnung des Kapitalismus. - Aber von dieser wirtschaftlichen Ordnung können keine Schäden kommen, sondern davon kommen die Schäden, daß wir erstens kein wirkliches Arbeitsrecht haben, welches die Arbeit in der entsprechenden Weise schützt, und zweitens, daß wir nicht bemerken, wie wir in der Lebenslüge leben, wie dem Arbeiter sein Teil abgenommen wird. Aber worauf beruht denn das Abnehmen? Nicht auf der Wirtschaftsordnung, sondern darauf, daß eigentlich durch die gesellschaftliche Ordnung selber die Möglichkeit geboten ist, daß die individuellen Fähigkeiten des Unternehmers nicht in der richtigen Weise teilen mit dem Arbeiter. Bei Waren muß man teilen, denn sie werden gemeinsam produziert von dem geistigen und körperlichen Arbeiter. Was heißt es denn aber, durch seine individuellen Fähigkeiten jemandem anderen etwas abnehmen, was man ihm nicht abnehmen soll? Das heißt, ihn betrügen, ihn übervorteilen! Diesen Verhältnissen muß man nur gesund und unbefangen ins Auge schauen, dann kommt man darauf: nicht in dem Kapitalismus liegt es, sondern in dem Mißbrauch der geistigen Fähigkeiten. Da haben Sie den Zusammenhang mit der geistigen Welt. Machen Sie erst die geistige Organisation gesund, so daß die geistigen Fähigkeiten sich nicht mehr dahin entwickeln, daß sie denjenigen übervorteilen, der arbeiten muß, dann machen Sie den sozialen Organismus gesund. Es kommt darauf an, überall auf das Richtige hinsehen zu können.