Abbau des Kapitals wie jedes Lebendigen

Quelle: GA 333, S. 023-024, 2. Ausgabe 1985, 26.05.1919, Ulm

Die ganz gescheiten Leute, die vom kapitalistischen Standpunkt aus sprechen, sagen aber mit Recht: Alles Wirtschaften besteht darin, daß vorhandene Güter hingegeben werden, damit man künftig Güter erhalten kann. - Das ist ganz richtig; aber wenn auf diese Weise gewirtschaftet werden soll - daß nämlich durch das Vergangene die Keime gelegt werden für die Wirtschaft der Zukunft, so daß die Wirtschaft nicht abstirbt -, dann muß das Kapital an demjenigen teilnehmen, was die Eigenschaften der Güter sind. Wiederum gibt es heute höchst verdutzte Gesichter, wenn man von diesen Forderungen der Zukunft spricht. Wirkliche Güter haben indessen die Eigentümlichkeit, daß sie verbraucht werden. Beim Verbrauch gehen sie allmählich den Weg alles Lebendigen. Unsere bisherige Wirtschaftsordnung hat das Kapital dahin gebracht, diesen Weg des Lebendigen nicht zu gehen. Man braucht bloß Kapital zu haben, dann ist dieses Kapital herausgerissen aus dem Schicksal von allem anderen, was im Wirtschaftsprozeß darinsteht. Schon Aristoteles hat gesagt, das Kapital sollte keine Jungen bekommen, aber es bekommt nicht nur Junge, sondern die Jungen wachsen heran, bis sie groß sind; man kann die Anzahl der Jahre angeben, bis das Kapital sich verdoppelt, wenn er nur sich selbst überlassen ist. Andere Güter, für die aber das Kapital nur als Repräsentant dastehen sollte, haben die Eigentümlichkeit, daß sie sich entweder abnutzen oder nicht mehr gebraucht werden können, wenn sie nicht zur rechten Zeit in Gebrauch genommen werden. Dem Kapital muß die Eigenschaft aufgedrückt werden, insofern es Geldkapital ist, daß es an dem Schicksal aller anderen Güter teilnimmt. [...] Gewiß kann dabei auf manches, was im Sparen liegt oder dergleichen, Rücksicht genommen werden.