Parlament auch nicht durch Ausschüsse voll wirtschaftsfähig

Quelle: GA 024, S. 451-453, 2. Ausgabe 1982, 08.1919

Professor von Heck sagt sachgemäß: «Die schwerste Aufgabe, welche die Zukunft uns androht, ist die Verteilung der ungeheuren, nie erhörten Steuerlast, die der Frieden uns aufbürden wird ... Diese Steuern können ohne die schwersten Eingriffe in das Wirtschaftsleben gar nicht aufgebrachtwerden. Deshalb müßte sich auch bei Durchführung der Steinerschen Ideen jede wirtschaftliche Gruppe im Rechtsparlament Vertretung sichern, um sich gegen Überlastung zu wehren.» Diese «schwerste Aufgabe» wird aber nur durch die Abgliederung des Rechts- von dem Wirtschaftsleben in einer solchen Art gelöst werden können, daß die Lösung dem Rechtsbewußtsein einzelner Menschengruppen nicht widerspricht. Denn kommen die Interessen einer wirtschaftlichen Gruppe in einem auf demokratischer Grundlage ruhenden Parlamente zur Vertretung, so wird sich immer ergeben, daß die wirtschaftlich mächtigere Gruppe der mindermächtigen Maßnahmen aufdrängt. Sie wird das durch ihre eigene Macht, oder durch Eingehen von Kompromissen können. Durch die parlamentarische Mehrheitsbildung ist immer die unsachliche Geltendmachung und Zurückdrängung von Interessen möglich. Anders gestaltet sich die Sache, wenn die Verwaltung des Wirtschaftslebens von derjenigen des Rechtslebens organisch abgegliedert ist. Dann können auf dem Rechtsboden nicht Beschlüsse gefaßt werden, die im Wirtschaftsleben zu Wirkungen führen, welche für irgendwelche Menschengruppen nachteilig sind. Alles was im Wirtschaftsleben geschieht, wird auf Verhandlungen der gekennzeichneten Assoziationen beruhen. Bei diesen Verhandlungen kann die Sachkenntnis der einen Assoziation derjenigen der andern gegenüberstehen; und das unsachliche, bloß demokratische Parlamentarisieren kann wegfallen. Es könnte vielleicht jemand sagen, das hiemit Erstrebte wäre auch zu verwirklichen, wenn im «Rechtsparlamente» die Hauptverhandlungen in die Ausschüsse verlegt würden und man zu diesen Sachverständige der einzelnen Wirtschaftsgebiete zuzöge. Mir scheint, daß dies doch nur eine halbe Maßregel wäre. Was sie beschränkt Gutes bewirken könnte, müßte gerade zeigen, wie das Erstrebte völlig nur durch die Abgliederung der Wirtschaftsverwaltung von der Rechtsorganisation zu erreichen ist. Professor von Heck bringt nicht stark genug in Ansatz, was es in der Praxis des Lebens bedeutet, wenn die sachkundigen Repräsentanten von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig so zu verhandeln haben, daß durch sie die Lebensbedingungen des einen Zweiges diejenigen des andern zu fördern und zu begrenzen haben, ohne den Einfluß unsachlicher Mehrheitsbeschlüsse. Wer in Rechnung stellt, wie eine solche Einrichtung praktisch wirkt, dem wird nicht in den Sinn kommen, zu sagen: «Wie sollen Naturwissenschaftler und Ärzte für die kirchlichen Fragen, Landwirte, Kaufleute und Handwerker für die Großindustrie besonderes Sachverständnis mitbringen?» Das scheint wohl richtig gefragt; aber es spricht nicht gegen eine auf sich selbst gestellte Gliederung des Wirtschaftslebens, sondern gegen die Vertretung der Wirtschafts- und Kulturinteressen in einem Parlament, in dem jeder mitzuentscheiden hat über Dinge, von denen er nichts versteht. Zu den Verhandlungen der Wirtschaftsorganisationen untereinander durch ihre Vertreter ist keineswegs ein Sachverständnis außerhalb des Gebietes nötig, das jemand zu vertreten hat. Denn das Ergebnis der Verhandlungen wird objektiv durch die sachliche Bedeutung des einen Gebietes für das andere bestimmt werden. Die Grundlage für eine solche Objektivität wird dadurch geschaffen, daß die Verwaltungskörper sich um diejenigen Persönlichkeiten herum gliedern werden, auf die ein leitendes Amt in der Art übertragen wird, wie dies Seite 86 der «Kernpunkte der sozialen Frage» geschildert ist. Die andern Mitglieder dieses Verwaltungskörpers werden aus den Bedürfnissen der Wirtschaftsführung so hervorgehen, daß an die Stelle der gewöhnlichen Wahl eine Auslese der geeigneten Persönlichkeiten treten wird, da die Befähigung sich in der Arbeitsgliederung offenbaren und sich dadurch die Eberzeugung festsetzen wird, daß die eigene Arbeit am besten gedeiht, wenn der kundigste Leiter bestellt wird. Die Mitglieder höherer Verwaltungskörper und eines Zentralrates werden in einer ähnlichen Art aus den unteren sich ergeben. Dadurch wird trotz des Zentralrates die Gesamtverwaltung auf einer föderativen Grundlage aufgebaut sein.

Ein solcher Aufbau der Wirtschaftsverwaltung wird dem demokratischen Bewußtsein nur erträglich sein, wenn alles dasjenige, was sich auf die Rechtsverhältnisse der am Wirtschaftsleben beteiligten Personen bezieht, von diesem ausgesondert und in ein demokratisches Parlament verwiesen wird. Zu diesen Rechtsverhältnissen gehört aber alles, was sich auf die Arbeit bezieht, welche die Menschen für einander leisten.