Nur Verbreitung, nicht Erlangung von Geheimwissen demokratisierbar

Quelle: GA 198, S. 268, 1. Ausgabe 1969, 17.07.1920, Dornach

Ich habe Ihnen gestern dargestellt, wie durch Jahrtausende hindurch in den Mysterien die übersinnlichen Erkenntnisse bewahrt worden sind, wie es geradezu eine Selbstverständlichkeit war, daß über sie geschwiegen worden ist. Ich habe Ihnen gesagt, daß heute etwas anderes notwendig geworden ist. Trotzdem es sich gerade herausgestellt hat, daß die Verschwiegenheit nicht einmal in der Äußerlichkeit des Bewahrens meiner Vortragszyklen hat erreicht werden können, so mußte dennoch streng der Kurs eingehalten werden, gewisse Wahrheiten, die allerdings noch nicht bis an die höchste Stufe heranreichen, ganz öffentlich zu behandeln. Zu der Verschwiegenheit, wie wir sie in den alten Geheimgesellschaften oder gar in den Mysterien erlebt haben, bringt man es heute nicht in der Zeit, von der ja so viele die «Beweise» haben, «wie wir es so herrlich weit gebracht» haben.

Es ist eben heute durchaus eine gewisse Demokratie notwendig. Demokratie ist einmal seit mehr als einem Jahrhundert eine notwendige Forderung unserer Zeit. Und so wenig es abgeschafft werden kann, daß immer nur Einzelne Geistesforscher werden sein können, immer nur Einzelne durch die Kraft ihres eigenen Seelenlebens sich werden hinaufleben können in die geistigen Welten, so sehr wird es aber auch notwendig sein, daß gerade, um das soziale Leben in der richtigen Weise zu begründen, die Weisheit, die gewonnen wird durch den Einblick in die übersinnlichen Welten, in die weitesten Kreise getragen werde.