Soziale Auswirkung von Ich, Astralleib und Ätherleib

Quelle: GA 199, S. 200-206, 1. Ausgabe 1967, 03.09.1920, Dornach

Nehmen Sie folgendes ganz Einfache, das heute sich keiner sagt, das aber eigentlich sich jeder sagen könnte. Um uns Menschen herum breitet sich ein Tierreich aus. Dieses Tierreich weist Wesen in den mannigfaltigsten Gestaltungen auf. Veranschaulichen wir uns einmal im Geiste das ganze um uns herum sich ausbreitende mannigfaltige Tierreich. Ja, wenn da ein Tisch steht, so setzt jeder voraus: da sind irgendwie Kräfte vorhanden, die diesem Tisch diese Gestalt gegeben haben. Wenn da sich das Tierreich ringsherum ausbreitet, so müßte natürlich auch jeder voraussetzen: da liegen in der Umgebung, geradeso wie die Luft da ist, diejenigen Kräfte, die den Wesen des Tierreiches diese Formen geben. Wir leben alle in demselben Reiche. Der Hund, das Pferd, der Ochs, der Esel, sie gehen ja nicht in einer andern Welt herum als in derjenigen, in der auch wir herumgehen. Und die Kräfte, die dem Esel die Eselsform geben, die wirken auch auf uns Menschen; wahrhaftig, sie wirken auch auf uns Menschen, und dennoch - verzeihen Sie, wenn man es radikal ausspricht - bekommen wir nicht die Eselsform. Es sind ja auch Elefanten in unserer Umgebung, und wir bekommen nicht die Elefantenform. Aber alle die Kräfte, die diese Formen bilden, die sind um uns herum. Warum bekommen wir denn nicht die Eselsform oder die Elefantenform? Weil wir andere Kräfte haben, die dem entgegenwirken. Wir würden die Esels- und die Elefantenform schon bekommen, wenn wir nicht andere Kräfte hätten, die dem entgegenwirken. Denn es ist schon so: wenn wir als Menschen einem Esel gegenüberstehen, da bekommt unser Ätherleib fortwährend die Tendenz, auch ein Esel zu werden. Er hat fortwährend das Bestreben, die Formen des Esels anzunehmen. Und nur dadurch, daß wir einen physischen Leib haben, der seine feste Form hat, dadurch verhindern wir unseren Ätherleib, die Eselsform anzunehmen. Und wiederum, wenn wir einem Elefanten gegenüberstehen, will unser Ätherleib die Elefantenform annehmen, und nur dadurch, daß unser physischer Leib seine feste Form hat, wird der Ätherleib verhindert, ein Elefant zu werden, und so ein Hirschkäfer oder Mistkäfer und alles will der Ätherleib werden. Die ganzen Formen sind der Anlage nach in unseren Ätherleibern, und nur dadurch können wir diese Formen verstehen, daß wir sie innerlich gewissermaßen nachzeichnen. Und unser physischer Leib verhindert uns nur, das alles zu werden. So daß wir sagen können: Das ganze Tierreich tragen wir in unserem Ätherleib eigentlich in uns. Mensch sind wir nur im physischen Leib. Das ganze Tierreich tragen wir in unserem Ätherleib in uns. Und wiederum sind wir umflossen von demselben Kräftegebiet, welches die Pflanzenformen bildet.

Geradeso wie unser Ätherleib veranlagt ist, alle Tierformen anzunehmen, so ist unser Astralleib veranlagt, alle Pflanzenformen nachzubilden. Hier wird es schon angenehmer, Vergleiche zu machen, denn der Ätherleib ist von der Tendenz beseelt, wenn er einen Esel sieht, auch ein Esel zu werden; der Astralleib will bloß die Distel werden, die der Esel frißt. Aber dieser astralische Leib ist durchaus von der Tendenz durchseelt, sich auch denjenigen Kräften zu fügen, die ihren äußeren Ausdruck finden in den Pflanzenformen. So daß wir also sagen können, der Astralleib reagiert auf den Kräftekomplex, der die Pflanzenwelt bildet.

Mineralreich: da ist wiederum ein Kräftekomplex, der die verschiedenen Formen des Mineralreiches bildet. Das wirkt in unserem Ich. Bei dem Ich, da haben Sie es nun ganz offenbar, denn Sie denken ja nur das Mineralreich. Bis zum Überdruß wird es ja immer gesagt, daß man nur das Tote begreifen kann mit dem Intellekt. Also das, was im Ich ist, versteht das Tote. So daß in diesem Kräftekomplex, der das Mineralreich formt, unser Ich lebt. Der physische Leib lebt als solcher eigentlich in keinem der Reiche, der hat ein Reich für sich, das wissen Sie ja. In meiner « Geheimwissenschaft im Umriß » ist Mineralreich, Pflanzen- und Tierreich für sich aufgeführt, und das bedeutet, daß der physische Menschenleib ein Reich für sich hat. Aber das Tierreich ist eigentlich dem Ätherleib, das Pflanzenreich ist aus diesem Gesichtspunkte dem astralischen Leib, das Mineral dem Ich zugeteilt. Nun wissen Sie aber etwas anderes aus meinen verschiedenen Büchern. Sie wissen, daß während des Lebens gearbeitet wird an diesen verschiedenen Leibern. Ich habe es ja ausgeführt, wie gearbeitet wird an dem Ich, an dem Astralleib, an dem Ätherleib, sogar gearbeitet wird an dem physischen Leib. Ich habe das dort zunächst ausgeführt, ich möchte sagen, in menschlich humanistischer Absicht. Wollen wir es jetzt einmal von einem andern Gesichtspunkte ausführen.

Nehmen Sie einmal die mineralischen Begriffe, die der Mensch aufnimmt. Die Außenwelt erlebt er ja so, daß er sie in mineralischen Begriffen, Formen erlebt. Nur erleuchtetere Geister wie Goethe arbeiten sich hinauf zu den Bildformen, zu der Morphologie der Pflanzen, zu der Metamorphose. Da verwandeln sich die Gestalten. Aber die gewöhnliche, heute noch bestehende Ansicht, die lebt ja nur in den festen mineralischen Formen. Aber wenn nun das Ich diese Formen ausarbeitet, wenn es sie heraufarbeitet, was wird denn dann? Ja, dann wird das geistige Leben, das bewußte Geistesleben, das eine Gebiet des dreigegliederten sozialen Organismus. Das geistige Leben ist dasjenige, was das Ich bildet, indem es sich selber innerlich bearbeitet. Alles geistige Leben ist ja innerlich bildende Bearbeitung des Ich. Was das Ich aus dem mineralischen Reich gewinnt und wiederum umbildet in Kunst, Religion, Wissenschaft und so weiter, das ist geistige Welt, das ist umgebildetes Mineralreich, geistiges Gebiet.

Was entsteht nun dadurch, daß der Astralleib, der ja in unterbewußten Tiefen bei den meisten Menschen ist, eigentlich immer die Tendenz hat, alle möglichen Pflanzenformen zu werden? Wenn Sie das umbilden, was da im Astralleibe lebt, wenn das in halbinstinktiver, halbbewußter Form ins Bewußtsein heraufstrahlt, was entsteht dann? Dann entsteht das Rechts- oder Staatsgebiet.

Und wenn Sie dasjenige, was nun umgekehrt wird innerhalb des äußerlichen Lebens an dem, was der Mensch im Ätherleib von der Tierheit erlebt, wenn Sie das auffassen, was da von Mensch zu Mensch ist, dann bekommen Sie das dritte Gebiet des dreigliedrigen sozialen Organismus. Würden wir nur beim Ätherleib stehenbleiben, so wie er uns vorliegt von unserer Geburt her, so würden wir in diesem Ätherleib nur die Tendenz haben, bald ein Esel, bald ein Ochs, bald eine Kuh, bald ein Schmetterling, bald das oder jenes zu sein, wir würden die ganze Tierwelt nachbilden. Nun bilden wir nicht bloß die Tierwelt nach, sondern wir arbeiten den Ätherleib um als Menschen. Das tun wir im sozialen Leben, indem wir zusammenleben. Wenn wir einem Esel gegenüberstehen, will der Ätherleib ein Esel werden, wenn man einem Menschen gegenübersteht, kann man durchaus nicht, ohne eine tiefe Beleidigung auszusprechen, sagen, daß man da auch ein Esel werden wollte. Nicht wahr, wenn man einem Menschen gegenübersteht, so geht das nicht, wenigstens im normalen Leben geht es nicht, da muß man was anderes werden. Ich möchte sagen, da sieht man die Umwandlung, und da wirken diejenigen Kräfte, die im wirtschaftlichen Leben spielen. Das sind die Kräfte, wenn der Mensch dem Menschen in Brüderlichkeit gegenübersteht.

In dieser Art beim brüderlich Gegenüberstehen, da wirken diejenigen Kräfte, die nun Bearbeitung des Ätherleibes sind, so daß durch die Bearbeitung des Ätherleibes das dritte Gebiet, das Wirtschaftsgebiet entsteht.

Tierreich: [tab] Ätherleib [tab] Wirtschaftsgebiet
Pflanzenreich: [tab] Astralleib [tab] Rechts- oder Staatsgebiet
Mineralreich: [tab] Ich [tab] Geistiges Gebiet

Und so wie der Mensch durch seinen Ätherleib auf der einen Seite mit dem Tierleben zusammenhängt, so hängt er auf der andern Seite, in der äußeren Umgebung, zusammen mit dem Wirtschaftsgebiet des sozialen Organismus. Wir können sagen: Da ist der Mensch nach innen, das heißt geistig, nach innen gesehen; zunächst vom physischen Leib nach dem Ätherleib gesehen, würden wir, wenn wir hineingehen in den Menschen, das Tierreich finden. Wenn wir hinausgehen, in der Umgebung, finden wir das Wirtschaftsleben.

Wenn wir hineingehen in den Menschen und aufsuchen, was er durch seinen astralischen Leib ist, dann finden wir das Pflanzenreich. Draußen entspricht im sozialen Zusammenleben dem Pflanzenreich das Rechtsleben. Wenn wir hineingehen in den Menschen, finden wir dem Ich entsprechend das Mineralreich. Draußen in der Umgebung, dem Mineralreich entsprechend, das geistige Leben. So daß der Mensch in seiner Konstitution zusammenhängt mit den drei Naturreichen. Indem er an seinem ganzen Wesen arbeitet, wird er ein soziales Wesen.

Sie sehen, man kann gar nicht zu einem Verständnis des Sozialen kommen, wenn man nicht in der Lage ist, zum Ätherleib, Astralleib und Ich aufzusteigen, denn man bekommt keinen Zusammenhang des Menschen mit dem Sozialen, wenn man nicht aufsteigt. Wenn man von der bloßen Naturwissenschaft ausgeht, da bleibt man stehen bei « human instinct for mimicry », beim Imitationsvermögen; man kann nicht weiter, man macht in Gedanken die ganze Welt zu einer Kinderei, weil das Kind noch am meisten natürliche Kräfte in sich hat. Will man weiter aufsteigen, dann braucht man eben die Einsicht in die Initiationswissenschaft, daß der Mensch mit dem Ätherleib zusammenhängt durch das Tierische, mit dem Astralleib durch die Pflanze, mit dem Ich durch das Mineralische, und daß er durch das, was er der Beobachtung des Mineralischen zu verdanken hat, das geistige Leben erlangt, daß er durch Umwandeln desjenigen, was er an tiefen Instinkten trägt, an Verwandtschaft hat in der Umgebung des Pflanzenreiches, das Rechts- und Staatsleben erlangt, daß dieser tiefe Instinkt dem Rechts- und Staatsleben entspricht. Daher hat das Staatsleben zunächst, wenn es nicht mit geistiger Rechtswissenschaft durchflutet ist, so viel Instinktives. Dann haben wir das Wirtschaftsgebiet, das im Grunde genommen Umwandlung jener inneren Erlebnisse ist, welche im Ätherleib erlebt werden.

Nun werden diese Erlebnisse nicht von innen heraus etwa durch die Initiationswissenschaft gehoben, denn Huxley kommt nicht durch die Initiationswissenschaft irgendwie dazu, den Zusammenhang des Menschen mit dem Wirtschaftsleben zu ergründen, sondern er beobachtet das Äußere, er beobachtet dasjenige, was wirtschaftlich draußen da ist. Der ganze Zusammenhang: Wirtschaftsgebiet, Ätherleib, Tierreich, ist ihm unklar. Er beobachtet das, was äußerlich ist. Da kann er allerdings nicht weiterkommen als bis zu dem, was das Primitivste, das Elementarste ist, die Imitationskraft.

Wir sehen daraus, daß, wenn die Menschen fortfahren wollten, aus der Naturwissenschaft heraus ein soziales Denken zu gewinnen, sie steckenbleiben würden bei Absurditäten, und es würde etwas ganz Furchtbares entstehen müssen. Es müßte entstehen ein soziales Leben über die ganze Erde hin, das die allerprimitivsten Zustände brächte, das die Menschheit zurückführte auf ein kindisches Zusammenleben. Es würde nach und nach die Lüge Selbstverständlichkeit werden, aus dem einfachen Grunde, weil die Menschen ja nicht anders könnten, wenn sie es auch wollten. Sie wären dreißig, vierzig, fünfzig Jahre alt, manche sogar noch älter, aber sie würden sich verhalten müssen, wenn sie mit dem Bewußtsein nur das erfassen wollten, was aus Naturwissenschaft folgt, wie die Kinder. Sie würden nur die Imitationsinstinkte entwickeln können. Man hat ja heute wirklich vielfach das Gefühl, daß nur die Imitationsinstinkte entwickelt werden. Da sehen wir, wie irgendwo wieder eine neue Reformbewegung radikaler Art auftritt. Sie hat aber nur die Imitationsinstinkte von irgendwelchem Universitätsphilister eigentlich in sich. Und so würde sich vieles von dem, was sich heute sehr illuster ausnimmt, wenn man es mit den gebräuchlichen verlogenen Worten beleuchtet, im Lichte der Initiationsanschauung ganz anders ausnehmen. Aber so viel versteht man eigentlich heute nur von der Welt, als im Lichte der Initiationsanschauung gesehen werden kann, wenn man nicht vorschreiten will von der gewöhnlichen offiziellen Wissenschaft zu der Wissenschaft der Initiation, zu der Wissenschaft, die aus den inneren Impulsen des Dasein heraus schöpft.