Geistige Assoziationen als Zeichen der Unfruchtbarkeit

Quelle: GA 199, S. 212-213, 1. Ausgabe 1967, 04.09.1920, Dornach

Wissenschaft muß der Mensch für sich begreifen, Religion muß der Mensch für sich allein, Kunst muß der Mensch aus seinem innersten individuellen Quell, aus dem Quell seiner Persönlichkeit hervorbringen. Das ist dasjenige, was aus dem offensten, aus dem klarsten Bewußtsein hervorgehen muß. Da muß der Mensch ganz auf sich allein, auf seine Individualität gestellt werden. Man empfindet es ja schon als etwas doch ziemlich Abnormes, wenn in der neueren Zeit in der Kunst zuweilen die « Assoziation » entstanden ist; allerdings war es in der Regel nur eine Assoziation zu zweien, bei Dramendichtern, die zusammen Dramen gedichtet haben, so daß man zuweilen auf den Theaterzetteln gefunden hat das Spießbürgerlustspiel von X Y und U Z. Nicht wahr, gewöhnlich ist das ja doch, wie Eingeweihte auf diesem Gebiete wissen, nicht eine richtige Assoziation zu zweien gewesen, sondern in der Regel war es ja so, daß ein älterer Herr da war, der in der Jugend Theaterstücke geschrieben hat, und dem das Talent - wenn man das so nennen kann - solche Theaterstücke zu schreiben, schon verraucht war. Der hat sich dann zusammengetan mit einem jüngeren Menschen, der noch ganz unbekannt war, hat den das Drama schreiben lassen, hat es dann so ein bißchen durchkorrigiert und hat nun seinen Namen dazugeschrieben. Dadurch ist der Dichter nun auch so in die Öffentlichkeit hinausgerutscht, und auf diese Weise haben sich Assoziationen auf diesem Gebiete ergeben. Aber es fühlt natürlich jeder, daß das etwas Abnormes ist, und daß dasjenige, was wirklich dem Geistgebiet angehört, auch der Persönlichkeit des Menschen ganz individuell angehören muß.