Schrattentals Sprüche über Freiheit und Gleichheit

Quelle: GA 032, S. 198-199, 2. Ausgabe 1971, 1987

Aber die Dichtungen sind nicht das Bedeutendste des kleinen Büchelchens, das Schrattenthal herausgegeben hat. Ein weitaus größeres Interesse erregen die Weisheitssprüche. Ein wahrer Natur-Nietzsche tritt in Wörther an uns heran. Zwar hat es der Naturdenker nicht bis zur Umwertung der von ihm vererbten Wertbegriffe gebracht; auch hat er keinerlei antichristliche Empfindungen gehegt, sondern ist «fromm» geblieben bis zum heutigen Tage. Aber er hat die angestammten Begriffe für sich neu geprägt; er hat ihnen eine individuelle Form gegeben. Ein Mann, der folgende Gedanken über die «Freiheit» geschrieben hat, verdient unsere größte Aufmerksamkeit.

«Die Freiheit ist der Wecker der Leidenschaft und die bewegende Kraft der Ausführung. Sie ist der Hexenkessel aller Ungebundenheit und Ausgelassenheit. - Sie ist das Traumbild der Eingesperrten und das Schreckbild der Gefängniswärter. - Die Freiheit ist das höchste Wonnegefühl für die Eckensteher und Bummler und die politische Leimrute für die sozialen Rotkehlchen und Blutfinken.» Ein klares, verständiges Urteil in durchsichtiger, einfacher Form gibt Wörther über den Begriff der «Gleichheit»: «Gleichheit ist die Sehnsucht der Häßlichen und der Schrecken der Schönen. Sie ist die buntschillernde Seifenblase aller sozialdemokratischen Phrasen und die notwendige Ausschmückung der Agitationsreden. - Gleichheit ist die Auflösung der Zivilisation und die Zurückführung der Menschheit zu ihrem Urzustand der Steinzeit und der Pfahlbauten mit der einheitlichen Modetracht Adams und Evas. Sie ist demnach der Anfang vom Ende aller Schneider. - Gleichheit ist das Tischleindeckdich für die Aschenbrödel des Schicksals.»