Haste einen Berliner ?

01.03.2005

Seit dem 3. Februar hat auch Berlin seine alternative Währung, den Berliner. Nach einer Woche sind schon über 3000 Berliner im Umlauf. Angenommen werden sie bei mehr als 30 Läden und Dienstleistern, darunter Bioläden, Handwerker, PC-, Mac- und Rechtsberater, Designer und Künstler. Vor allem dank der Bioläden werden Sie Ihre Berliner auf jeden Fall los und können in aller Ruhe auf eine Gelegenheit warten, auch die anderen Dienstleister heranzuziehen. Die aktuelle Liste finden Sie hier

Während die Anbieter noch größtenteils aus dem alternativen Bereich stammen, mit dem Schwerpunkt Prenzlauer Berg, geht das Medienecho weit darüber hinaus. Nicht nur die taz, sondern auch die Berliner Zeitung, die Berliner Morgenpost, sowie die Welt am Sonntag und andere Zeitungen berichteten über die neue Initiative – meistens positiv. Besonders hervorgehoben wird der Anspruch, regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen und die ökologischen Anbieter zu unterstützen. Dass damit auch eine Kritik an den internationalen Finanzmärkten verbunden ist (siehe die Selbstdarstellung der Initiative im Kasten weiter unten) wird in den konservativen Blättern lieber nicht erwähnt. Stattdessen wird dort ausführlich über die Sicherheitsmerkmale der Berliner Gutscheine berichtet, die von der Bundesdruckerei zum Selbstkostenpreis herstellt wurden. In der taz wird wenigstens angedeutet, daß es darum geht, Alternativen zu den Billig-Discountern zu stärken.

Wie läuft der Berliner?

Der Berliner funktioniert ähnlich wie der Chiemgauer (wir berichteten Trigolog Berlin 4/2003). Er wird eins zu eins gegen Euro getauscht. Für 50 Euro git es einen Berliner gratis dazu. Beim Rücktausch gegen Euro, dies betrifft vor allem die Bioläden, werden 5 Prozent abgezogen, davon 2 Prozent für die Finanzierung des Eintauschbonus, 3 Prozent für gemeinnützige Projekte wie die Grüne Liga, eine Kita und der Verein Euro Regional selbst. Die Gutscheine sind ab Abgabe 6 Monate gültig. Nach Ablauf können sie gegen eine mit der Zeit steigenden Gebühr in gültige Scheine umgetauscht werden. Ein Teil der eingetauschten Euros sollen in Zukunft in Kooperation mit der GLS Gemeinschaftsbank als günstige Kredite an Mitglieder vergeben werden, wenn sich das Projekt erst einmal gewährt hat.

Die Deutsche Bundesbank hatte nichts gegen das Projekt einzuwenden. Alles unter einer Million Euro sei für sie sowieso Spielzeug. Da nur 200.000 Berliner gedruckt wurden, bleibt der Berliner Regional unter dieser Schwelle. Gelingt es zusammen mit der GLS Gemeinschaftsbank in Zukunft sein Girokonto in den zwei Währungen Euro und Berliner zu führen, wird es möglich sein, weiter zu wachsen, ohne diese Warnschwelle zu überschreiten.

Vielleicht hat übrigens die Deutsche Bundesbank – ohne es zu wissen – Recht mit ihrem Spielzeug. Der Berliner ist was für Leute, die nicht die Wahrheit mit Löffeln gefressen haben, sondern noch lernen wollen. Sowie der Monopoly viele Kinder zum Abzockkapitalismus erzogen hat, wird der Berliner mit seiner Befristung uns immer wieder daran erinnern, dass das Geld sich nicht verselbständigen darf. Und auch wenn die Spielregeln beim Berliner nicht viel besser für das richtige Wirtschaftsleben taugen als diejenigen der Deutschen Bundesbank, so lernen wir wenigstens daran, uns selber die Spielregeln zu geben. Der Berliner läuft von selbst. Es ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern eins, das auf Vertrauen baut. Es kommt ohne staatliches Segen aus und es bekommt ihm gut. Vielleicht wird er uns später helfen können weiter zu laufen, wenn das Vabanquespiel unserer Weltwirtschaft wieder einmal in die Sackgasse führt.

Die geistigen Väter

Wer sich den Berliner genauer anschaut, erkennt leicht die geistigen Wurzeln dieser Währung. Für die Umlaufsicherung, die hier in einer geschwächten Form auftritt, steht Silvio Gesell Pate. Den Einfall, die Rücktauschgebühr zur Finanzierung von gemeinnützigen Initiativen zu nutzen, ist dagegen von Rudolf Steiner inspiriert, der seinerseits nicht viel vom Freigeld Silvio Gesells gehalten hat. Als erste alternative Währung hatte der Chiemgauer damit angefangen und sich offen auf Rudolf Steiner berufen. Ob das nicht auch eine geschwächte Form desjenigen ist, was Rudolf Steiner unter Schenkgeld verstanden hat, sei hier dahingestellt. Dass der Berliner Regional völlig darauf verzichtet, die alten Väter zu erwähnen, scheint ihm aber nicht schlecht zu bekommen. Heute braucht es zum Erfolg wohl ganz andere Referenzen.

Kürzlich erzählte ein Kiez-Bewohner, daß es ihm gelungen sei, beim Falafelhändler mit Berliner zu bezahlen, mit dem Argument, daß schon Bundestagspräsident Wolfgang Thierse damit bezahlt hätte. Wozu Politiker doch taugen können! Wer soll noch sagen, daß ihnen niemand vertraut. Vielleicht nehmen eines Tages auch Obdachlose den Berliner an. Dann hätte sich der Kreis geschlossen.

Sylvain Coiplet

 

Selbstdarstellung des Berliner-Regionals

Die Idee

Regiogeld ist ein parallel zum gesetzlichen Zahlungsmittel akzeptiertes Tauschmittel für den Austausch von Waren und Dienstleistungen innerhalb einer regional begrenzten Gemeinschaft. Regiogeld soll also nicht das gesetzliche Zahlungsmittel ersetzen, sondern ergänzen. Denn in vielen Bereichen kann das gesetzliche Zahlungsmittel nicht den Erfordernissen der Gesellschaft und der Individuen genügen. Dies gilt insbesondere und zunehmend für klein- und mittelwirtschaftliche sowie für soziale und ökologische Belange der Region.

Regionalisierung ergänzt Globalisierung

Die globalisierte Wirtschaft zerstört zunehmend regionale Wirtschaftsbeziehungen. Kleine und mittlere Unternehmen können sich gegen Billigprodukte und Sonderangebote von kapitalstarken Handels- und Dienstleistungsketten immer weniger behaupten. Oft werden regional erhältliche Güter quer durch Europa und die Welt transportiert, weil in anderen Erdteilen die Produktion für die Kapitalgeber rentabler ist. Dadurch fließt Wertschöpfung in Form von Kapital aus den Regionen ab. Lokale Regierungen sehen nur noch die Möglichkeit, Schutzvorschriften für Mensch und Natur zu senken, um das Kapital zurückzulocken.

Regiogeld hat zum Ziel, regionale Wirtschaftsbeziehungen zu unterstützen, wiederzubeleben und zu intensivieren. Dies soll geschehen, indem Konsumenten angeregt werden, lokale Händler und Produzenten zu bevorzugen. Diese wiederum sollen motiviert werden, auf lokaler und regionaler Ebene nach Einkaufsmöglichkeiten zu suchen und somit regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen und zu erweitern.


Quelle: Trigolog Berlin 03/2005, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors