Grundeinkommen - die bedingungslose Kapitulation

01.10.2006

Übersicht über die Kontroverse Bedingungsloses Grundeinkommen?
zwischen Götz Werner, Sylvain Coiplet, Stephan Eisenhut, Ingo Hagel, Ulrich Piel, Thomas Brunner, Heidjer Reetz, Franz Ackermann und Marc Desaules


 

Was fasziniert eigentlich so an der Idee eines Grundeinkommens? Daß damit der Kapitalismus durch die Hintertür überwunden wird? Oder daß wir alle so werden können wie die Kapitalisten und nicht mehr arbeiten müssen?

Natürlich bin ich ein Menschenfreund. Ist mir die Rente auf Lebenszeit gesichert, kann ich mich erst recht für meine Mitmenschen engagieren. Ich kann ihnen endlich helfen, ohne sie vorher fragen zu müssen, was sie brauchen. Schluß mit der Bevormundung. Es lebe das Grundgesetz und meine Menschenwürde.

Es gibt einfach diese Arbeitslosen, die wieder aufleben, wenn sie sich endlich wieder nützlich fühlen können. Und diejenigen, die kein Interesse daran zeigen, sind meist diejenigen, die sich auch ohne Billigjobs zu Recht nützlich fühlen, wie die vielen Alleinerziehenden. Dieses riesige Potential an Hilfsbereitschaft würde unser Leben verändern, wenn wir es nur schaffen würden, Bürokratien und Gewerkschaften abzubauen, die sich ihr quer stellen.

Das mag alles stimmen. Aber wie wird die Welt – oder in dem Fall Deutschland – nach 20 Jahren eines solchen unbedingten Grundeinkommens aussehen? Wird man nicht merken, daß man vielleicht die falschen Fragen gestellt hat?

Keine Frage, daß die Aussicht auf Profit als Arbeitsmotivation ausgedient hat. Und ob der Arbeitszwang à la Hartz IV den Gipfel der Menschenwürde darstellt, darf auch bezweifelt werden. Motivation gibt es genug, innere Motivation, vielleicht auch sogar bei denen, die es den anderen nicht zutrauen und gegen ein Grundeinkommen argumentieren. Und falls doch nicht, könnte man die schon mittragen.

Besser als das Grundeinkommen ...

Wie, wenn es aber gar nicht darum geht, ob die innere Motivation schon vorhanden ist, sondern vielmehr darum, wie sie immer wieder neu geschaffen werden kann? Es gibt immer noch genug Menschen, die sich trotz Staatsschulen und Finanzwelt etwas von ihrer kindlichen Begeisterung erhalten haben. Es gibt aber auch genug Menschen, die noch glauben, daß Staatsschulen und Finanzwelt irgendwie zu diesem Rest an Menschlichkeit beitragen.

Sollen wir wirklich zusammen mit Sozialisten und Liberalen von einem Grundeinkommen bzw. von einem Bürgergeld schwärmen? Wollen wir auch die Schlaftablette schlucken und uns mit ihnen freuen, daß die Welt sonst beim Alten bleibt?

Vielleicht hängt uns das real existierende Grundeinkommen nach 20 Jahren so zum Hals heraus wie heute der Neoliberalismus und der Kampf gegen den Terrorismus. Vielleicht sprengen dann Jugendliche die Mauern, die wir bauen mußten, damit die Wohltaten des Grundeinkommens ja nur den Originaldeutschen zugute kommen.

... die soziale Dreigliederung

Statt nochmal 20 Jahre zu verschenken, könnten wir uns aber gleich richtig in Frage stellen, uns gleich die richtigen Fragen stellen.

  • Wie bekommen wir Preise, von denen alle leben können?
  • Wie werden wir nicht nur die in der Welt noch weitverbreitete Kinderarbeit los, sondern wie halten wir auch die Arbeitszeit aus dem Streit der Tarifparteien heraus?

Und nicht zuletzt:

  • Wie kriegen wir Erzieher, die vom Staat nichts weiter erwarten, als die Durchsetzung des Rechts auf Erziehung – aber weder Lehrpläne noch bedingungsloses Grundeinkommen?

Sylvain Coiplet