New Public Management

01.07.1999

Auszug aus: Die Dreigliederung des sozialen Organismus
als Weg zu einer zeitgemäßen Sozialgestaltung

Solche Lockerungsübungen stehen im Kontext einer weltweiten Bewegung zur Effektivierung der Staatstätigkeit, die gemeinhin als "New Public Management" bezeichnet wird.

New Public Management (NPM) ist nicht zuletzt der Versuch, eine Antwort auf die Krise der Staatsfinanzen zu finden, die mehr ist als bloße Sparpolitik. Aus Effizienzgründen delegiert man bisher staatliche Tätigkeiten an die Privatwirtschaft (Privatisierung), in anderen Bereichen zieht man sich aus der Detailregelung zurück, während man aber gleichzeitig - und das ist für die Beurteilung sehr wichtig - alle Fäden in der Hand zu behalten versucht.

Im Hinblick auf Kultur- und Bildungseinrichtungen bedeutet dies, daß allenfalls Teilautonomie, nicht aber wirkliche geistige Autonomie gewährt werden soll. Der Verwaltungsaufwand wird gesenkt, Bürokratie zurückgeschnitten. Deren bisherige Tätigkeit wird zu einem Teil auf die politische Ebene zurückgeführt welche klare Vorgaben als "Leistungsaufträge" formuliert, zum anderen Teil wird sie an die Einrichtungen delegiert, die einen größeren Gestaltungsspielraum im Detail erhalten, - nach dem Motto: der Output muß stimmen, wie ihr das macht, ist eure Sache. Um die Durchführungsqualität sicherzustellen, werden von den Einrichtungen der Einsatz von Qualitätssicherungssystemen und die Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter verlangt. Ergänzt wird das durch die Implementierung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbsgedankens in Bereichen, die bisher nicht primär wirtschaftlich betrachtet wurden. Der Staat als Auftraggeber muß - so der Ansatz - die ökonomische Effizienz von Einrichtungen vergleichen können, - mit Folgen für die Bezuschussung. Um eine solche Vergleichbarkeit herzustellen, werden Standardisierungen verlangt, z.B. bei den Altenheimen eine Kostenstellenrechnung, die jeden Handgriff erfaßt und kategorisiert.

All diese Forderungen werden nun nicht nur gegenüber Institutionen in staatlicher Trägerschaft erhoben, sondern auch gegenüber freien Einrichtungen, an deren Finanzierung der Staat beteiligt ist. Es droht die zwangsweise Einführung von Standards und Verfahren, die mit dem pädagogischen oder medizinischen Konzept eines selbstverwal
teten Krankenhauses oder einer selbstverwalteten Schule nicht in Einklang zu bringen sind und zu Qualitätsverlust führen müssen. Der Vormarsch ökonomischen Denkens führt zu einer Verwischung des Unterschieds von wirtschaftlichen Gütern bzw. Dienstleistungen und den im Zwischenmenschlichen angesiedelten "Beziehungsdienstleistungen", die von Einrichtungen des Geisteslebens erbracht werden. Geistige Autonomie und die Entgegennahme von Leistungsaufträgen lassen sich schwer vereinbaren, denn frei sein heißt schließlich, sich seine Aufgaben selber stellen zu können!

In bezug auf die staatliche Verwaltung selbst hat das NPM sicherlich bereits zu mancherlei Verbesserungen geführt. Wenn der Bürger heute immer mehr als vorn Staat zu bedienender Kunde aufgefaßt wird, dessen - z.B. in Befragungen geäußertes - Urteil zum Maßstab der Leistungsbeurteilung in den Verwaltungen wird, ist das sicher ein Fortschritt gegenüber der traditionellen AmtsschimmelMentalität.

Den Kultureinrichtungen droht dagegen, daß sie bloß aus dem Regen in die Traufe kommen. Die Auseinandersetzung etwa um das Recht, angemessene Qualitätssicherungsverfahren selber entwickeln zu können, hat gerade erst angefangen. Begonnen hat ein geistiges Ringen um die Frage nach der Bildung und ihrer Bedeutung für den einzelnen und die Gesellschaft. Bildung sei das Megathema des nächsten Jahrtausends, so der damalige Bundespräsident Roman Herzog am 5. November 1997 in einer vielbeachteten Rede. Denn sie sei für ein rohstoffarmes Land der wichtigste "Standortfaktor". Wenn Herzog die Beseitigung bürokratischer Fremdsteuerung des Bildungssystems, die Entlassung des Bildungswesens in die Freiheit verlangt, dann hat er jene Teilautonomie im Auge, die im Sinne des NPM zu mehr Effizienz führen soll. Das eigentliche pädagogische Anliegen von Schule wird jedoch nicht nur konterkariert, wenn Lernzielkataloge aus dem Wunschprofil des Staatsbürgers entwickelt, sondern auch, wenn sie aus- der "Standortsicherung" abgeleitet werden. Ob wir ein 13. Schuljahr haben wollen, ist primär eine pädagogische Frage und nicht eine der Ökonomie der Zeit.

Wenn Rudolf Steiner 1919 die Selbstverwaltung als Gestaltungsprinzip eines modernen Schulwesens vorschlägt, dann darum, weil sie erst den Raum schafft für den Primat der pädagogischen Frage nach der Entwicklung individueller Fähigkeiten der Schüler. Diese stehen dann - als "Schlüsselqualifikationen", wie man heute sagen würde - auch im ökonomischen und staatlichen Leben zur Verfügung, und dies um so mehr und um so besser, je unabhängiger von wirtschaftlichen und staatlichen Vorgaben der junge Mensch sich hat entwickeln können.

Das Stichwort "Standortfaktor" verweist nun auf die zweite für die heutige Situation konstitutive Entwicklung. Während wir eingangs auf den Trend der Individualisierung blicken mußten, müssen wir nun einen anderen Trend ins Auge fassen, der mit dem Schlagwort von der "Globalisierung" beschrieben wird. Auch die Krise der Staatsfinanzen, die zum New Public Management geführt hat, ist in dieser Form mit der Globalisierung verbunden.