Renate Künast und die Keulung der Agrarwende

19.04.2001

Die Naturschutz-Organisationen NABU und BUND haben von Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast konkrete Maßnahmen zur angekündigten Agrarwende eingefordert. Die viel beschworene Reform müsse zügig umgesetzt werden, sonst sei sie zu Ende bevor sie begonnen habe, erklärten Vertreter der Verbände am Donnerstag in Berlin.

Ein Durchbruch zu einer neuen Agrarpolitik sei nach 100 Tagen Amtszeit der Ministerin noch nicht zu erkennen. Die Schwachstellen seien zwar erkannt und die richtigen Konsequenzen angekündigt, aber "die Verbraucher wollen erste Ergebnisse sehen", betonte NABU-Geschäftsführer Gerd Billen. Eine Reform der Agrarstrukturen sei zwar langwierig, nötig sei aber eine rasche Umsetzung kurzfristig machbarer Maßnahmen. Das "Kanzlerwort vom Ende der Agrarfabriken" müsse noch in diesem Jahr umgesetzt werden.

BUND-Chefin Angelika Zahrnt räumte ebenfalls ein, dass in den festgefahrenen Strukturen in der Landwirtschaft enorme Widerstände überwunden werden müssten. Veränderungen seien nicht von heute auf morgen zu schaffen. Zahrnt erinnerte jedoch an die Vorgabe von Künast, den "Ökolandbau in zehn Jahren auf einen Marktanteil von 20 Prozent zu bringen". Zuvor hatte es bereits Berichte gegeben, dass sich Zweifel an den Zielen von Künast auch in der Bundesregierung mehrten. Diese bezogen sich insbesondere auf die angestrebten Flächenanteile beim Öko-Landbau. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Gerald Thalheim (SPD), zeigte sich skeptisch angesichts der Widerstände in der EU und des unsicheren Verbraucherverhaltens. Er sei zufrieden, wenn der Anteil der Öko-Landwirtschaft bis 2005 um "etwa vier bis sechs Prozent" steige anstatt der von seiner Ressort-Chefin angestrebten 10 Prozent.

Die ökologische Wende ist nicht eingetreten, weil Künast und die Regierung sich auf eine abstrakte Prozentzahl am Marktanteil festgelegt haben. Die Politik hat im Kampf gegen die Agrarfabrik und für Ökologie hauptsächlich auf wirtschaftliche Mittel gesetzt, und kann so nur versagen. Ökologische Landwirtschaft kann nicht realisiert werden, wenn sie ein noch größeres Subventionsloch wird als die konventionelle Landwirtschaft.

Künast muß vorgehalten werden, dass sie unterlassen hat, die BSE-Krise dazu auszunutzen, die Tierhaltung und Produktsicherheit zum zentralen Thema zu machen und durch Tierschutzgesetze und verschärfte Qualitätsleitlinien der ökologischen Landwirtschaft den Weg zu ebnen. In der MKS-Krise weigerte sich Künast sogar, von technokratischen Gesichtspunkten abzurücken, und setzte weiterhin auf das tierverachtende Keulungsprinzip, anstatt die allgemeine Empörung über den Umgang mit Leben für eine Wende zu nutzen.

Künast ist bei burschikosem Auftreten und saloppen Sprüchen und Maximen geblieben und nicht zum Wesentlichen des Problems vorgedrungen. Sie hat sich, wie alle Politiker, als Wirtschaftsinteressensvertreter - diesmal der ökologischen Lobby - mißbrauchen lassen, und durch die Vermengung von Wirtschaft und Politik ein Zeitproblem ungelöst gelassen.