Unter den Talaren die Hochschulreform

06.02.2002

Der Lebensabschnitt eines Studenten endete bislang nüchtern. Ein Zettel oder ein Brief aus dem Sekretariat, manchmal sogar nur mit elektronischer Unterschrift: Das war an deutschen Universitäten lange Zeit oft alles, was die Studierenden zum Abschluss bekamen.

Mittlerweile hat sich das geändert. Zeremonien mit Sekt, Kammermusik, feierlichen Reden und stolzen Eltern im Publikum gehören für viele Hochschulen dazu, und hier und da tauchen die Talare wieder auf.

So tragen in Bochum die frisch gebackenen "Baccalaureaten", Absolventen eines Reformstudiengangs, die Umhänge samt Barett und baumelnden Quasten. Die Reaktion auf die amerikanisch wirkende Abschlussfeier sei positiv. "Die Studentengeneration ist nicht so ideologisch, sondern pragmatisch", erklärt Sprecher Josef König. Auch an der International University in Bruchsal (Baden-Württemberg) gibt man sich gediegen, mit Talar und Feier im Barockschloss. "Da entsteht eine neue Kultur", meint der Chefredakteur des Hochschulmagazins Unicum, Wolfgang Koschny. Mit der Abschlussfeier werde auch der Alumni-Gedanke, das Netzwerkknüpfen ehemaliger Absolventen, eingeleitet. "Es wird versucht, Jahrgänge zu schaffen." Koschny, der selbst noch mit einem nüchternen Schreiben aus der Studienzeit entlassen wurde, sieht an den Feiern einen Gegenpol zum anonymen Betrieb: "Man möchte nicht einer von vielen sein." Talare seien aber "Geschmackssache", findet er.

Es ist absurd zu sehen, wie der Talar als Reformismus verwendet wird, quasi als Teil der Hochschulreformbestrebungen. Die rebellierenden "68-er"-Studenten orteten vor 30 Jahre ganz richtig unter den Talaren "den Muff von 1000 Jahren". Der Muff ist aber eigentlich viele 1000 Jahre alt und riecht penetrant nach Theokratie.

Die Hochschulreform sollte nach vorne gerichtet sein, aber tatsächlich treten "moderne" oder "freie" Hochschulen auf den Weg hinaus aus der staatlichen Bevormundung anstatt hinein in die geistige Emanzipation leider mit einen Siebenmeilenschritt zurück in ein erstarrtes Geistesleben.

Der ökonomische Spielraum für Hochschulen die vom Staat frei sind oder dorthin streben, wie die Uni Bochum, ist eng und verführt die Hochschulen zu der Strategie, nur wirtschaftlich ausschlachtbares Wissenshandwerk anzubieten und das Studieren zeremoniell zu würzen, um eine Corporate Identity hervorzubringen, die in Form von Alumni-Netzwerken die Kasse mit Spenden klingen läßt. Dabei zielt die Corporate Identity auf Elitebildung und suggeriert eine Zugehörigkeit zur Alma Mater. Der Geist vergangener Tage wird beschworen und führt zur Isolierung des Geisteslebens.

Die Entkoppelung vom Staat soll nicht zur Entkoppelung von Geistesleben und Gesellschaft, sondern vielmehr die Abhängigkeit umkehren. Will man zu einer fruchbaren Hochschulreform kommen, muß ein freies, fruchtbares Geistesleben das Ideal sein, wo die wirtschaftliche Lage freie Träger nicht zur Verflachung oder Vernebelung der Hochschulstudie führt. Dabei überwinden Bildungsgutscheine die Diskriminierung der freien Träger, sichern Qualität durch die kritische Studienauswahl der Studenten, egalisieren das Studieren und setzen damit einen Akzent gegen den gegenwärtigen Trend zur Kastenbildung.