Hessnatur: Boykott führt zu Gewinnrückgang von 45%

31.08.2012

Einstweilige Verfügung

Am 1. Oktober (Ausfertigung 2. Oktober) hat die Hess Natur-Textil GmbH, vertreten durch Maximilian Lang, gegen Johannes Mosmann und Andreas Schurack, die Betreiber der website www.wir-sind-die-konsumenten.de, eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Frankfurt am Main erwirkt, die ihnen untersagt, einen der folgenden Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen:

a. "Die Zahlungen der Kunden der Hess Natur-Textil GmbH gingen in die Rüstungsindustrie"
b. "Die Anteilseignerin Capvis der Hess Natur-Textilien GmbH sei in die Rüstungsindustrie verstrickt"
c. "Das australische Militär vermehre sein Geld über jeden Einkauf bei der Hess Natur-Textilien GmbH"

Aus diesem Grund mussten wir Texte und Textstellen, die die einstweilige Verfügung betreffen, auch von dieser website entfernen. Johannes Mosmann und Andreas Schurack haben ihren Anwalt beauftragt, Widerspruch zu erheben. Solange die einstweilige Verfügung jedoch wirksam ist, ist ihnen "bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten" untersagt, solche Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen.

Download einstweilige Verfügung (PDF)

Die Ablehnung des neuen Eigentümers und seiner Wirtschaftsweise durch die Hessnatur-Kunden hat dazu geführt, dass der Gewinn des Ökomoden-Versenders „2012 voraussichtlich um 45% und der Umsatz um 20% sinkt“. Dies berichtete Bert Rösch vergangene Woche in Etailment. Die Kunden wollen mit ihren Zahlungen offenbar keine Finanzspekulation finanzieren. Rösch attestiert Capvis deshalb eine „verfehlte Kommunikationspolitik“ auch gegenüber den Kunden [1].

Ich bezweifle indes, dass eine andere „Kommunikationspolitik“ an den Konsumentenstandpunkten etwas verbiegen wird, da auch die beste Politik nichts an dem Faktum ändert, dass Capvis die Gewinne von Hessnatur in Kanäle leitet, die genau dasjenige finanzieren, wogegen die Kunden mit einem Kauf bei Hessnatur eigentlich antreten möchten [2]. Jede echte „Kommunikationspolitik“ müsste vielmehr unweigerlich zu einem weiteren massiven Umsatzeinbruch führen, weil die Fakten eben gegen Capvis und für die Genossenschaft sprechen. Es sei denn natürlich, man versteht unter „Kommunikationspolitik“ nicht das Kommunizieren der Fakten, sondern das Täuschen der Kunden über die Fakten. „Politik“ eben im landläufigen Sinn. Auch dafür dürfte es jetzt allerdings zu spät sein: Viele Kunden sind aufmerksam geworden und wütend darüber, dass sie in der Vergangenheit weder über den drohenden Verkauf, noch über die Übernahme durch Capvis, ja nicht einmal über die Verquickung mit dem Arcandor-Konzern informiert wurden [3]. Sie werfen Hessnatur in dieser Beziehung Täuschungsmanöver vor, und werden sich so leicht wohl nicht mehr ablenken lassen - Gewinnspiel hin, Gewinnspiel her.

Dass HarbourVest einer der Geldgeber von Capvis ist, wer wiederum zu den Geldgebern von HarbourVest gehört und wer von HarbourVest mitfinanziert wird, das haben die Kunden nur durch einen bloßen Zufall herausgefunden. Sie möchten selbst am dringendsten wissen, wer die anderen Beteiligten sind. Gesellschaften wie Capvis und HarbourVest verfolgen jedoch nur einen einzigen Zweck: die Verschleierung der Identität der Profiteure [6]. Wie man gerade am Beispiel von HarbourVest leicht nachvollziehen kann, verteilen die Anleger ihr Kapital in kleinen Portionen an unzählige Private-Equity-Fonds, diese Fonds sind dann an anderen beteiligt, diese wieder an anderen, und so weiter, bis zum Schluss prinzipiell ausgeschlossen werden kann, dass der Kunde erfährt, was genau er finanziert.

Dagegen wenden sich die Kunden von Hessnatur, wenn sie auf wir-sind-die-konsumenten.de schreiben: „Ich will fair und ökologisch gehandelte Kleidung kaufen, aber nicht mit meinem Geld die Spekulation finanzieren!“ Sie wenden sich gegen die Intransparenz der Kapitalströme, weil sie wissen, dass eine Transparenz der konkreten realwirtschaftlichen Zusammenhänge die unbedingte Voraussetzung für jeden bewussten Schritt in Richtung Fair Trade und Ökologie ist. Dass die einzige Verbindung, die zufälligerweise nun transparent geworden ist, ausgerechnet zu HarbourVest führt, ist nur die überflüssige Bestätigung für eine Tatsache, die auf der Hand liegt: im Eigentum einer Private-Equity-Gesellschaft wie Capvis kann Hessnatur nicht zu einer solidarischen und ökologischen Wirtschaftsweise beitragen.

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