Wladimir Gussinski und der Verkauf von NTV

18.02.2001

Der Chef des russischen Medienkonzerns Media-MOST, Wladimir Gussinski, hat sich bereit erklärt, seine Anteile am Nachrichtensender NTW zu verkaufen, wenn dessen Unabhängigkeit vom Kreml garantiert wird. "Wenn ich persönlich den Preis für die Unabhängigkeit meines Fernsehsenders mit dem Verkauf der Mehrheit meines Aktienpaketes an unabhängige Investoren bezahlen muß, würde ich das akzeptieren, sofern mir zu hundert Prozent garantiert wird, daß niemals ein Kompromiß mit dem Kreml eingegangen wird, der die Unabhängigkeit von NTW in Frage stellt." Ihm geht es dabei nicht um Geld, sondern um Grundsätze.

Gegen den zur Zeit in Spanien lebenden Gussinski läuft in Rußland ein Strafverfahren wegen schweren Betrugs. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, zur Sanierung von Media-Most Kredite erschlichen zu haben. Die russische Justiz fordert von den spanischen Behörden seine Auslieferung. Seine Anhänger und Anwälte sehen dagegen hinter den Ermittlungen eine Kampagne zur Einschüchterung kritischer Medien.

Am 07.02.2001 hatte Boris Beresowski, der bisherige Hauptrival von Gussinski, in einem offenen Brief an den russischen Unternehmerverband angeboten, aus eigener Tasche die Schulden von Media-Most zu begleichen, um Klarheit über die wirklichen Motivationen des Kremls zu schaffen. "Damit soll der finanzielle und juristische Druck des Staats auf Media-Most gestoppt werden. Damit entfielen auch alle Beweggründe des Staates bei seinem Kampf gegen NTW, mit Ausnahme der politischen Motive."

Schon im Januar hatte CNN-Gründer Ted Turner sein Interesse für das Aktienpaket von Gussinski bekundet. Dies knüpfte er allerdings an dieselbe Bedingung wie Gussinski selbst: Der Kreml sollte die Unabhängigkeit von NTW zu hundert Prozent garantieren. Ihm wurde damals geantwortet, daß die russischen Gesetze es nicht gestatten.

Media-Most befindet sich in derselben Lage wie der größte Teil der freien westlichen Presse. Er kann es sich - bisher - leisten, regierungskritisch zu sein. Er darf aber die Wirtschaft nicht verprellen und hält sich da meist zurück. Am Anfang des Konflikts hatte es Wladimir Putin, der russische Präsident, daher leicht, Unfreiheit gegen Unfreiheit auszuspielen. Nach dem Sturz der Sowjetunion sei die Presse von staatlichen in wirtschaftliche Hände gefallen und müßte davon befreit werden. Was damit gemeint war, zeigte sich am Anfang des Jahres als der russische Staat Beresowski seine 49 Prozent Aktienanteile am staatlichen Fernsehsender ORT zurückkaufte.

Was der Presse in der ganzen Welt fehlt, ist nicht nur die Freiheit der Redaktionen von staatlichen, sondern auch von wirtschaftlichen Maulkörben. Eine solche Unabhängigkeit hat nicht einmal Gussinski seinen Redakteuren zu hundert Prozent garantieren können. Rechtlich gesehen hat er immer das letzte Wort gehabt. Es mag seinen Grundsätzen widersprochen haben, sich da einzumischen. Das liegt aber ausschließlich an seiner Person, und fällt auch damit weg. Es ist verständlich, daß seine Redakteure an ihm hängen. Es ist aber auch verständlich, daß es ihm in der russischen Bevölkerung an Rückhalt fehlt. Sie weiß nämlich nicht, wer vertrauenswürdiger ist - die Handlanger eines ehemaligen Geheimdienstlers oder diejenigen eines noch Finanzmagnaten.