Auswirkung des Rechts auf Wirtschafts- und Geistesleben

Quelle: GA 333, S. 017-024, 2. Ausgabe 1985, 26.05.1919, Ulm

Das zweite Gebiet des Lebens, das man betrachten muß, wenn man die heutige soziale Frage studieren will, ist das Rechtsleben. Die Menschen haben die verschiedensten Ansichten entwickelt über dieses Rechtsleben. Wer aber dieses Rechtsleben gerade aus der Wirklichkeit heraus zu betrachten und zu empfinden vermag, sagt sich: Über das Recht irgendwelche Definitionen, irgendwelche gelehrten Dinge aufzustellen, ist geradeso, wie wenn man über das, was blaue und was rote Farbe ist, allerlei gelehrte Anweisungen geben wollte. Über blaue und rote Farbe kann man mit jedem reden, der ein gesundes Auge hat. Über das Rechtsbewußtsein, über dasjenige Recht, das jedem Menschen zukommt, weil er Mensch ist, läßt sich mit jeder wachen Menschenseele reden. Und mit wachen Menschenseelen, mit immer wacheren Menschenseelen hat man es bei dem modernen Proletariat zu tun.

Mit Bezug auf diese Rechtsgrundlage des Lebens hat allerdings die neuere Menschheit, insoferne sie den leitenden Kreisen angehört, eine merkwürdige Erfahrung gemacht. Diese leitenden Kreise konnten ja nicht anders, als eine gewisse Demokratie über das Leben zu verbreiten. Sie brauchten, um ihre kapitalistischen Interessen in Szene zu setzen, ein geschicktes Proletariat, ein Proletariat, das gewisse Kräfte der Seele ausgebildet erhielt. Das alte patriarchalische Leben konnte man im modernen, kapitalistischen Wirtschaftsleben nicht brauchen. Nun stellte sich aber etwas höchst Unangenehmes für solche einseitige, kapitalistische Demokratie heraus. Die Menschenseele hat nämlich die Eigentümlichkeit, wenn man einzelne Fähigkeiten und Kräfte in ihr entwickelt, daß dann andere von selbst zum Vorschein kommen. So wollte die führende Menschheit vorzugsweise nur jene Seelenkräfte sich entwickeln lassen, welche die Arbeiter geschickt machen, in den Fabriken zu arbeiten. Doch stellte es sich von selbst ein, daß die Seelen aus den alten patriarchalischen Verhältnissen erwachten, und daß in ihnen besonders das Bewußtsein der Menschenrechte erwachte. Und dann sahen sie hinein in den modernen Staat, welcher das Recht verkörpern sollte.

Sie fragten sich: Ist das der Boden, auf dem das Recht wirklich blüht? Und was fanden sie? Statt Menschenrechten Klassenvorrechte und Klassenbenachteiligungen. Und daraus entstand dasjenige, was man den modernen Klassenkampf des Proletariats nennt, hinter dem sich nicht mehr und nicht weniger verbirgt, als die große, berechtigte Forderung eines menschenwürdigen Daseins für alle Menschen.

Das ist die zweite Gestalt der sozialen Frage, die Rechtsfrage. Was sie bedeutet, erkennt man nicht, wenn man nicht auf die dritte Gestalt hinsieht, auf die Wirtschaftsfrage. In das Wirtschaftsleben hinein haben sich zwei Dinge ergossen, die schlechterdings nicht in das Wirtschaftsleben hineingehören. Das ist das Kapital, und das ist die menschliche Arbeitskraft, während in das Wirtschaftsleben bloß dasjenige hineingehört, was sich auf dem Warenmarkt abspielt. Ich denke, daß die letzten Jahre und insbesondere die Gegenwart die Menschen sehr deutlich darüber belehren könnten, daß das Allerwichtigste in der proletarischen sozialen Bewegung der proletarische Mensch selbst ist. Über den proletarischen Menschen aber kann heute, so wie die Dinge einmal sind, wahrhaftig nicht derjenige urteilen, der sich, weil die Zeiten das heute schon einmal nahelegen, dazu bequemt, aus mancherlei Vorstellungen heraus über das Proletariat zu reden. Nein, über diese Dinge kann nur derjenige urteilen, den sein Schicksal dahingebracht hat, mit dem Proletariat zu denken, und mit dem Proletariat zu fühlen. Man muß selber gesehen haben, wie durch Jahrzehnte hindurch die proletarische Welt in den Stunden, die des Abends der harten Arbeit abgerungen werden konnten, zusammenkam, um sich zu unterrichten über die Wirtschaftsbewegung der neuen Zeit, über die Bedeutung von Arbeit, von Kapital, über die Bedeutung von Warenkonsum und Produktion; man muß gesehen haben, welch ungeheures Bildungsbedürfnis in den proletarischen Menschen der Hauptsache nach sich entwickelt, während, jenseits der Kluft, innerhalb der höheren Klassen die Menschen ihre Theater besuchten und manch anderen Betätigungen sich hingaben, und es höchstens dazu brachten, sich einmal von der Bühne herunter das Proletarierelend anzuschauen. Da entwickelte sich der proletarische Mensch; er entwickelte sich gerade aus seinem Geistesleben heraus.

Und wer heute sagt, die proletarische Frage sei eine bloße Brot- und Magenfrage, dem muß schon die Antwort gegeben werden: Schade genug, daß es so gekommen ist, daß die proletarische Frage zur Brotfrage geworden ist, daß man nicht früher auf etwas anderes hingesehen hat, nämlich darauf, daß in dem Proletarier aus seinem ganzen Streben heraus die Forderung nach einem menschenwürdigen Dasein entsprungen ist, nach einem Dasein, in dem er Leib und Seele nicht verkümmern zu lassen braucht. Denn alle proletarischen Forderungen sind schließlich aus dieser hervorgegangen, nicht aus einer bloßen Brot- und Magenfrage. Aber während so der Proletarier zur Selbstbesinnung zu kommen versuchte, während er auf die Wirtschaftsformen der neueren Zeit einging, entwickelte sich in ihm das Bewußtsein, wie er eigentlich als Mensch in diesem Menschenleben darinsteht. Er konnte von seinem Gesichtspunkte aus auf die Führung des Lebens von seiten der führenden Kreise hinschauen. Da sagte man ihm, die Geschichte wäre göttliche Weltordnung oder moralische Weltordnung, oder die Weltordnung der Idee. Er sah nur, daß die leitenden Kreise innerhalb ihrer Weltordnung so lebten, wie ihnen der Mehrwert zu leben gestattete, den er hervorzubringen hatte. Deshalb schlugen die Worte des Kommunistischen Manifestes so tief in die Proletariergemüter ein und brachten diese zum Bewußtsein ihrer Lage. Trotz aller Fortschritte der neueren Zeit, trotz aller sogenannten neueren Freiheit ist der Proletarier dazu verurteilt, seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt wie eine Ware zu verkaufen und kaufen zu lassen. Daraus entstand die Forderung: Die Zeiten sind vorüber, in denen der Mensch einen Teil von sich noch verkaufen lassen darf oder kaufen lassen darf. Sein Gefühl, das er vielleicht nicht immer in deutliche Worte bringen konnte, leitete den Proletarier auf alte Zeiten zurück, auf die Zeiten der Leibeigenschaft. Und er sah, wie aus diesen alten Zeiten der Ankauf seiner Arbeitskraft geblieben ist. Denn nichts anderes als dieses liegt im Lohnverhältnis. Da sagte er sich: Auf den Warenmarkt gehören Waren. Die Waren trägt man zum Markte, verkauft sie und geht mit dem Erlös wieder zurück. Dem Arbeitgeber muß ich meine Arbeitskraft verkaufen, aber ich kann nicht zu ihm gehen und sagen: Da hast du meine Arbeitskraft für so und so viel Geld, dann gehe ich weg; ich muß mich selbst ausliefern! - Sehen Sie, als Mensch muß man mitgehen mit seiner Arbeitskraft. Das ist dasjenige, was der Proletarier als ein menschenunwürdiges Dasein empfindet.

Da tritt die große Frage auf: Was hat zu geschehen, damit Arbeitskraft fernerhin keine Ware sein könne? Die Menschen heute, insofern sie den leitenden, führenden Kreisen angehören, machen sich im Grunde genommen über Arbeitskraft recht wenig Gedanken. Diese Leute machen ihr Portemonnaie auf, bezahlen mit so und so hohen Geldscheinen. Ob sie überhaupt darüber nachdenken, daß in dem, was sie da als Geldscheine hingeben, was sie vielleicht auch in der Art von Coupons abschneiden, beschlossen liegt, so und soviel Arbeitskraft des Proletariats in Anspruch zu nehmen, das ist die große Frage. Jedenfalls geben sie sich nicht Gedanken hin, die stark genug sind, um einzugreifen in das soziale Leben.

Worum es sich handelt, ist eben, daß die menschliche Arbeitskraft nicht im Preise mit irgendeiner Ware verglichen werden kann; daß die menschliche Arbeitskraft etwas ganz anderes ist als die Ware. Diese menschliche Arbeitskraft muß heraus aus dem Wirtschaftsprozeß. Und sie kommt nicht anders heraus, als wenn man das Wirtschaftsleben als ein Glied des sozialen Organismus betrachtet, abgegliedert von dem eigentlichen Rechts- oder Staatsorganismus, von dem politischen Organismus. Dann kann das eintreten, was ich Ihnen durch einen Vergleich klarmachen möchte. Das Wirtschaftsleben grenzt auf der einen Seite an die Naturgrundlage. Man kann in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet nicht in beliebiger Weise darauf loswirtschaften. Durch technische Mittel kann man den Boden verwerten oder dergleichen. Aber in gewissen Grenzen muß man sich der Naturgrundlage fügen. Denken Sie sich eine Anzahl Großgrundbesitzer, also in ihrer Art ebenfalls Kapitalisten, die sagen würden: Wenn wir bei dieser Bilanz bleiben oder gar eine bessere haben wollen, dann müssen wir hundert Regentage im Sommer haben, dazwischen Tage mit Sonnenschein und so weiter. Natürlich ein vollständiges Blech, aber es macht uns darauf aufmerksam, wie man auf der einen Seite die Naturgrundlage nicht ändern kann; wie wir nicht aus dem Wirtschaftsleben heraus verlangen können, daß die Naturkräfte so oder so im Boden drunten das Weizenkorn zubereiten. Wir müssen uns den Naturkräften fügen, sie stehen neben dem Wirtschaftsleben da.

Auf der anderen Seite muß das Wirtschaftsleben begrenzt sein von dem Rechtsleben, das heißt: Ebensowenig wie die Naturkräfte von der Konjunktur auf dem Warenmarkt abhängen, ebensowenig darf die menschliche Arbeitskraft von der Konjunktur auf dem Warenmarkt abhängen. Wie eine Naturkraft muß aus dem Wirtschaftsleben die menschliche Arbeitskraft herausgenommen und auf den Rechtsboden gestellt werden. Wenn sie auf den Rechtsboden gestellt ist, dann wird auf diesem Rechtsboden sich alles dasjenige entwickeln können, in dem ein Mensch dem anderen gleich ist, in dem sich nur wirkliche Menschenrechte entwickeln, in dem sich auch das Arbeitsrecht entwickeln kann. Maß und Art und Zeit der Arbeit wird festgestellt sein, bevor der Arbeiter in den Wirtschaftsprozeß eintritt. Dann wird er als ein freier Mensch demjenigen gegenüberstehen, der dann, wie man gleich sehen wird, nicht der Kapitalist, sondern der Arbeitsleiter, der geistige Mitarbeiter sein wird.

Mag man auch noch so gute Worte sprechen über den sogenannten Arbeitsvertrag - solange er ein Lohnvertrag ist, wird daraus immer nur die Unbefriedigtheit des Arbeiters hervorgehen können. Erst dann, wenn nicht mehr über Arbeitskraft Verträge abgeschlossen, werden können, sondern lediglich über die gemeinsame Produktion des Arbeitsleiters und des Handarbeiters, wenn lediglich über das gemeinsame Erzeugnis ein Vertrag abgeschlossen werden kann, wird daraus ein menschenwürdiges Dasein für alle Teile hervorgehen. Dann wird der Arbeiter dem Arbeitsleiter gegenüberstehen als der freie Gesellschafter. Das ist es, was der Arbeiter im Grunde genommen erstrebt, wenn er sich auch heute noch nicht ganz klare Vorstellungen davon machen kann. Das ist es, was in der eigentlichen wirtschaftlichen Frage des Proletariats, in der eigentlichen wirtschaftlichen Forderung liegt: Befreiung der Arbeitskraft aus dem Wirtschaftskreislauf, Feststellung des Rechtes der Arbeitskraft innerhalb des zweiten Gliedes des dreigliedrigen sozialen Organismus, des Rechtsbodens.

Und auf diesem Rechtsboden muß noch ein anderes eine neue Gestalt bekommen. Das ist gerade dasjenige, gegenüber dessen Neugestaltung die heutigen Menschen noch ganz, ganz verdutzte Gesichter machen, nämlich die Neugestaltung des Kapitals.

Mit Bezug auf das Privateigentum denken heute die Menschen wenigstens bis zu einem gewissen Grade sozial, und zwar auf dem Gebiet, das ihnen das minder schwierigste zu sein scheint, auf dem geistigen Gebiete. Denn auf geistigem Gebiete gilt, wenigstens dem Prinzip nach, etwas Soziales in bezug auf das Eigentum. Was jemand hervorbringt, und wenn er ein noch so gescheiter Mensch, ein noch so begabter Mensch ist - gewiß, seine Fähigkeiten bringt er durch die Geburt mit, das steht auf einem anderen Blatt -, aber dasjenige, was wir sozial Wertvolles leisten, auch geistig, wir leisten es dadurch, daß wir innerhalb der Gesellschaft stehen, durch die Gesellschaft. Das wird auf geistigem Gebiete dadurch anerkannt, daß wenigstens dem Prinzip nach - die Zeit könnte noch verkürzt werden - von dem, was man geistig hervorbringt, wovon einem auch die Nutznießung zukommt, von dem dreißigsten Jahre nach dem Tode an nichts mehr den Erben gehört. Die Zeit könnte kürzer werden, aber es ist wenigstens im Prinzip anerkannt, daß das, was geistiges Eigentum ist, das Eigentum der Allgemeinheit in dem Augenblick werden muß, da der Einzelne mit seinen individuellen Fähigkeiten nicht mehr dabei ist, um es zu verwalten. Nicht darf das geistige Eigentum in einer beliebigen Weise an diejenigen übergehen, die dann mit dieser Hervorbringung nichts mehr zu tun haben.

Nun sagen Sie heute, es sei eine geschichtliche Forderung, daß es mit dem materiellen Kapital in der Zukunft ähnlich werden muß! Sagen Sie das heute den Menschen, die innerhalb der kapitalistischen Erziehung stehen, dann werden Sie sehen, was sie für verdutzte Gesichter machen! Dennoch ist eine der wichtigsten Forderungen der Gegenwart, daß das Kapital fortan nicht mehr in derselben Weise in den Gesellschaftsprozeß hineingestellt wird, wie es heute darin steht. Es handelt sich darum, daß in der Zukunft zwar jeder aus seinen individuellen Fähigkeiten heraus in die Lage kommen muß, dasjenige zu verwalten, was Produktionsmittel auf einem bestimmten Gebiete sind. Und Produktionsmittel ist eigentlich das Kapital. Daran hat der Arbeiter selbst das größte Interesse, daß ein guter geistiger Leiter da ist als Verwalter; denn dadurch kann man auch am besten seine Arbeit anwenden. Der Kapitalist ist dann eben das fünfte Rad am Wagen, er ist gar nicht nötig. Das ist es, was man einsehen muß. Es ist also notwendig, daß in der Zukunft die Produktionsmittel in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder auch für einen Kulturzweck aufgebracht werden; nachdem aber die individuellen Fähigkeiten des Menschen oder der Menschengruppen, welche die Produktionsmittel aufgebracht haben, nicht mehr das persönliche Eigentum rechtfertigen, müssen diese Produktionsmittel so, wie ich es in meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen Frage» dargestellt habe, nun wiederum auf ganz andere übergehen, nicht auf die Erben, sondern auf ganz andere, die nun die größten Fähigkeiten wiederum haben, diese Produktionsmittel nur im Dienst der Allgemeinheit zu verwalten.

Wie das Blut im menschlichen Leibe zirkuliert, so werden in der Zukunft die Produktionsmittel, also das Kapital, zirkulieren in der Allgemeinheit des sozialen Organismus. Wie sich das Blut nicht anstauen darf im gesunden Organismus, sondern durch den ganzen Leib gehen muß, alles befruchten muß, so darf in der Zukunft das Kapital sich nicht an irgendeiner Stelle als Privateigentum anhäufen. Wenn es seinen Dienst an der einen Stelle getan hat, muß es vielmehr an denjenigen übergehen, der es am besten verwaltet. So wird das Kapital derjenigen Funktion entkleidet, welche heute gerade zu den größten sozialen Schäden geführt hat.

Die ganz gescheiten Leute, die vom kapitalistischen Standpunkt aus sprechen, sagen aber mit Recht: Alles Wirtschaften besteht darin, daß vorhandene Güter hingegeben werden, damit man künftig Güter erhalten kann. - Das ist ganz richtig; aber wenn auf diese Weise gewirtschaftet werden soll - daß nämlich durch das Vergangene die Keime gelegt werden für die Wirtschaft der Zukunft, so daß die Wirtschaft nicht abstirbt -, dann muß das Kapital an demjenigen teilnehmen, was die Eigenschaften der Güter sind. Wiederum gibt es heute höchst verdutzte Gesichter, wenn man von diesen Forderungen der Zukunft spricht. Wirkliche Güter haben indessen die Eigentümlichkeit, daß sie verbraucht werden. Beim Verbrauch gehen sie allmählich den Weg alles Lebendigen. Unsere bisherige Wirtschaftsordnung hat das Kapital dahin gebracht, diesen Weg des Lebendigen nicht zu gehen. Man braucht bloß Kapital zu haben, dann ist dieses Kapital herausgerissen aus dem Schicksal von allem anderen, was im Wirtschaftsprozeß darinsteht.

Schon Aristoteles hat gesagt, das Kapital sollte keine jungen bekommen, aber es bekommt nicht nur Junge, sondern die jungen wachsen heran, bis sie groß sind; man kann die Anzahl der Jahre angeben, bis das Kapital sich verdoppelt, wenn es nur sich selbst überlassen ist. Andere Güter, für die aber das Kapital nur als Repräsentant dastehen sollte, haben die Eigentümlichkeit, daß sie sich entweder abnutzen oder nicht mehr gebraucht werden können, wenn sie nicht zur rechten Zeit in Gebrauch genommen werden. Dem Kapital muß die Eigenschaft aufgedrückt werden, insofern es Geldkapital ist, daß es an dem Schicksal aller anderen Güter teilnimmt. Während unser gegenwärtiges Wirtschaftsleben darauf sieht, daß das Kapital sich in einer gewissen Zeit verdoppelt, würde ein gesundes Wirtschaftsleben es dahin bringen, daß das bloße Geldkapital in derselben Zeit verschwinden würde, nicht mehr da sein würde. Es ist heute noch etwas Horribles, wenn man den Leuten sagt, nach fünfzehn Jahren sollen sie nicht das Doppelte haben, sondern nach einer angemessenen Zeit soll das, was Geldkapital ist, nicht mehr da sein, weil dasjenige, was in diesem Kapital steckt, an der Abnützung teilnehmen muß. Gewiß kann dabei auf manches, was im Sparen liegt oder dergleichen, Rücksicht genommen werden.

So stehen wir heute nicht vor kleinen Abrechnungen, sondern vor großen Abrechnungen. Und wir müssen den Mut haben, zu diesen großen Abrechnungen uns zu bekennen. Sonst wird die soziale Ordnung, oder besser gesagt, die soziale Unordnung, das soziale Chaos, über uns hereinbrechen. Darüber machen sich die Menschen heute wenig Begriffe, daß sie im Grunde genommen auf einem Vulkan tanzen. Es liegt mehr in ihrem Interesse, das Alte so leicht fortzusetzen, während die Zeit von uns fordert, nicht nur manche Einrichtungen umzuändern, sondern bis in unsere Denkgewohnheiten hinein umzudenken und umzulernen.

Wenn die Arbeitskraft und das Kapital herausgeholt werden aus dem Wirtschaftsprozeß, wo dann das Kapital der Allgemeinheit zufließt und die Arbeitskraft zurückgegeben wird dem Recht des freien Menschen, dann steht im Wirtschaftsprozeß nur Warenkonsum, Warenzirkulation, Warenproduktion darin.