Lehrergehälter nicht aus Steuergeldern bezahlen

Quelle: GA 330, S. 316-317, 2. Ausgabe 1983, 19.06.1919, Stuttgart

Um aber alles das durchzuführen, muß alles, was Geistesgebiet ist, ein Reich für sich sein. Es könnte höchstens Bedenken erregen: Wenn nicht mehr der Staat durch seine Gewaltmaßregeln in die Börse des Lehrers hinein dasjenige befördert, was nun auch darinnen sein muß, dann wird es ja sehr schlimm mit dem Lehrerstande stehen. Nun, der Lehrer wird einer Wirtschaftskorporation angehören, wie es andere Wirtschaftskorporationen gibt. Neben dem, daß er Lehrer ist, wird er dem dritten Gliede des dreigliedrigen sozialen Organismus, demwirtschaftlichen, gegenüberstehen und von diesem selbständigen Wirtschaftskörper seinen Unterhalt bekommen. Denn der dreigliedrige soziale Organismus wird einen selbständigen Wirtschaftskörper haben, wie er einen selbständigen Staatskörper hat, wo das Recht auf demokratischer Grundlage zu pflegen ist, und wie er ein eigenes freies Geistesgebiet haben wird. Und es wird dasjenige, was heute indirekt auf dem Wege der Steuer in die Börse des Lehrers kommt, dann direkt aus dem Wirtschaftsleben kommen, und außerdem wird durch das auf sich selbst gestellte Geistesleben erst die richtige Atmosphäre für Schule und Unterricht erzeugt werden.

Es gehört zu einem gesunden sozialen Organismus auch: eine richtige, aus dem ganzen Vollmenschen herauskommende Wertung der verschiedenen Güter und Leistungen des Lebens. Diese Wertung der Güter und Leistungen muß da sein. Aber von dem, was eigentlich der Lehrer leistet für die heranwachsende Generation, darf in einem gesunden sozialen Organismus gar nicht die Ansicht herrschen, daß es «bezahlt» werden könne. Das ist ein Geschenk, das der Lehrer aus der geistigen Welt an die Menschen vermitteln wird! Diese Gesinnung muß den gesunden sozialen Organismus ergreifen, daß der Lehrer das Medium ist, durch das die Fähigkeiten des Menschen, die individuellen Eigenschaften des Menschen heraufgeholt werden aus ihren dunklen Untergründen, wie sie veranlagt sind in der Menschennatur. Es ist bloß der Größenwahn des Banausentums, wenn man glaubt, daß das, was eigentlich auf dem Gebiet der Schule geleistet werden kann, bezahlt werden muß. Was der Wirtschaftskörper des gesunden dreigliedrigen sozialen Organismus wird zu leisten haben, das wird nur das sein, daß er dem Lehrer die Möglichkeit bietet, so zu leben, wie alle anderen Menschen leben. Man wird ganz trennen müssen im Bewußtsein dieses Bieten der Lebensmöglichkeit und das Bewerten des Unterrichtens, das wird der gesunde Impuls sein, ohne den eswiederum keine Demokratie geben kann. Denn jene Demokratie, die alles nivelliert, die gar nicht mehr die Dinge bewerten kann, die wird die Dinge nur zerstören, und jener Sozialismus, der glaubt, alles bezahlen zu können, wird ebenfalls das Leben zerstören. Nicht nur, daß der Lehrer selber derjenige Faktor sein muß, der gehört wird, wenn man dem Ruf nach Demokratie und Sozialisierung folgen kann, sondern die Bewertung der Lehrertätigkeit muß selbst wieder aufsprießen aus der Verfassung des gesunden sozialen Organismus. Daß ein jedes der drei Lebensgebiete zu seiner Selbständigkeit komme, das strebt eben der Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus an. Deshalb will er das, was bisher in eine unorganische, chaotische Einheit vermischt worden ist Wirtschaftsleben, Geistesleben und Staatsleben -, auf seine gesunden drei Grundlagen stellen, ein selbständiges Geistesleben, ein selbständiges demokratisches Staatsoder Rechtsleben und ein selbständiges soziales Wirtschaftsleben. Und der Mensch bildet die höhere Einheit in den dreien. Er wird teilnehmen an allen drei Gebieten. Man braucht keine Furcht zu haben, daß die Einheit verloren gehen werde. Wer etwa glaubt, daß durch die Idee der Dreigliederung von uns angestrebt werden soll, daß man den Gaul in drei Teile teilt, der hat eine schlechte Vorstellung von dem, worum es sich handelt. Wir wollen den Gaul nicht in drei Teile teilen, wir wollen nur nicht, daß man behauptet, der Gaul sei nur dann ein richtiger Gaul, wenn er auf einem Beine steht. Der gesunde soziale Organismus steht auf seinen gesunden drei Beinen. Das ist erstens ein selbständiges Geistesleben, dem Erziehung und Schulwesen angehören, zweitens ein selbständiges Rechtsleben, dem der demokratische Staat angehört, und drittens ein selbständiges Wirtschaftsleben, das allein sozialisiert werden kann. Will man mit-sozialisieren das Rechtsleben und gar das Geistesleben, dann kommt weder ein Sozialismus des Geisteslebens, noch des Rechtslebens, noch des Wirtschafslebens heraus, sondern es kommt nichts anderesheraus als das, was alles in die Uniformität des Wirtschaftslebens hineindrängt, um den Menschen zu kleiden und zu füttern, und was nach und nach alles das ausdörrt, was sich nur selbständig entwickeln kann: das Staats- oder Rechtsleben und das Geistesleben.