Selbstverwaltung ist effektiver als Zentralismus

28.05.1994

1. Vortrag und 2. Interview mit Siegfried Woitinas Vortrag / Geschäftsführer des Forum3 in Stuttgart / Thema "Dreigliederung des sozialen Organismus", Gesellschaftsreformen, EU, Mikro-, Makrokosmos / am 28.05.1994 in Stuttgart / Interviewer (c) Sebastian Schöck Berlin, (c)-Vetorecht bei Publikationen hat der Interviewpartner / Kamera Friedel Hans / Bandformat: BetacamSP

Vortrag

Siegfried Woitinas: Ja, das Problem, was ich gerne heute behandeln möchte, das ist die Grundfrage, wie kann eine moderne Industriegesellschaft geordnet sein, welche Struktur muß sie haben, damit die ständig anfallenden Probleme möglichst schnell bewältigt werden können.

Insofern hat sich eigentlich für jeden klar denkenden Menschen gezeigt, daß die heutige Form einer zentral gesteuerten Demokratie nicht mehr in der Lage ist, die anfallenden ökologischen, industriellen und menschlichen Probleme zu lösen.

Wir brauchen eine wesentlich differenziertere Demokratie.

Und zu diesem Zwecke habe ich hier an die Tafel eine kleine Skizze gemacht, mit der ich deutlich machen möchte, daß wir eine demokratische Form der Gesellschaft bereits angefangen haben zu gestalten, aber wo das zentralistische System dem eigentlich im Wege steht. Ganz kurz gesagt, und zwar sehr populär ausgedrückt, würde ich sagen, wir haben hier eine Art Hierarchie, die von oben nach unten von einer Minderheit von Menschen gesteuert, versucht, eine moderne Republik wie die Bundesrepublik zu beherrschen, zu steuern, Direktiven zu geben, bis in das wirtschaftliche, bis in das kulturelle Leben herunter. Der Weg von oben nach unten ist viel zu weit. Und insofern stellt sich die Frage, die überall schon in der Praxis begonnen hat: Wie können Menschen sich selbst verwalten?

Wie können Menschen am besten ihre Einrichtungen, ihre Kultureinrichtungen, ihre Schulen, ihre Theater, ihre religiösen Stätten am besten selber verwalten, gestalten, organisieren. Wie können Menschen vor Ort möglichst direkt als einzelen Menschen, als Menschengruppe, als Arbeitsgemeinschaft in einem Betrieb einen Betrieb organisieren und am besten ökonomisch arbeiten.

Das zweite ist außerdem noch die große Frage, wie kann das Ganze, die vielen einzelnen Produktionsbetriebe, Wirtschaftseinrichtungen in Zusammenhang gebracht werden mit den Kultureinrichtungen, und wie kann das Ganze aufeinander abgestimmt und verwaltet werden. Denn in einer so komplizierten Industriegesellschaft wie zum Beispiel die Bundesrepublik brauchen wir eine gewisse Koordination, die die verschiedenartigen Initiativen zusammenfaßt. Und die Frage, die sich stellt: Gibt es da Gesichtspunkte, nach denen man eine solche, bisher zentral regierte Gesellschaft ordnen und steuern kann. Und da möchte ich zunächst einmal hier auf diese kleine Skizze hinweisen, wo symbolisch -. (Unterbrechung für Großaufnahme der 3 Symbole)

Da möchte ich auf diese kleinen Symbole hinweisen. Mit dem Dreieck ist charakterisiert die Einrichtung eines Kulturlebens, Forschungseinrichtung einer Schule, einer Hochschule, dann Verwaltungseinrichtungen, Einrichtungen des Rechtslebens mit diesem Halbkreis und mit dem blauen Symbol eine Einrichtung des Wirtschaftslebens, eine Werkstatt, ein Betrieb, ein Produktionsbetrieb, ja auch ein landwirtschaftlicher Betrieb, hier ein bißchen mit diesen blauen Strichen charakterisiert. Sehr primitiv, sehr einfach dargestellt. Damit haben wir eigentlich schon etwas, was im Bewußtsein des heutigen Menschen selbstverständlich ist, daß wir in der Gesellschaft drei Bereiche haben: nämlich die Bereiche der wirtschaftlichen Produktion, die die Grundlagen des ganzen Lebens darstellen, die von der landwirtschaftlichen Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln, kleiden, wohnen, bis herauf zu den komplizierten Industrieprodukten notwendig sind. Also hier mit diesen blauen Symbolen charakterisiert, die in der ganzen geographischen Lage einer Gesellschaft überall vorhanden sind.

Aber zugleich haben wir verteilt in diese Gesellschaft hinein auch Einrichtungen des ganzen Kulturlebens. Schulen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und so weiter.

Dann haben wir die Einrichtungen des Rechtslebens, wo verwaltet wird, wo darauf geachtet wird, daß der Mensch seine Sicherheit hat, daß beschlossene Verträge, Gesetze eingehalten werden. Zum Beispiel das Verkehrsrecht, wo wir alle einsehen, es müssen Verkehrsregeln eingehalten werden, damit der Mensch sich sicher auf den Straßen bewegen kann. Also die ganz elementaren Grundrechte sollen hier charakterisiert sein mit den Stätten, von denen aus die Sicherheit des Menschen, sein Grundrecht auf Leben, auf Sicherheit gewährleistet wird. In der Gesellschaft verteilt.

Nun wird man gleich sehen, daß die Bedingungen der wirtschaftlichen Arbeit ganz andere sind als die Arbeit eines Forschers oder die Arbeit eines Schulwesens einer Hochschule.

Ich möchte damit beginnen, ganz kurz zu betrachten das, was wir hier als Wirtschaftseinrichtungen haben, und zwar das, was hier mit diesen blauen Symbolen charakterisiert ist. Wir haben heute bereits sehr viele Einrichtungen, die durchaus kooperieren und ohne Kooperation, kann man keine wirkliche kostengünstige Produktion auf die Beine stellen. Das wir jeder einsehen, und insofern besteht der Trend zum Zusammenschluß von verschiedenen Wirtschaftseinrichtungen, und die Gegentendenz ist allerdings, daß wir große Konzernbildungen haben, große Branchenverbände, die dann wiederum konkurruieren, also in einer Art Wirtschaftskampf stehen. Das steht eigentlich gegen die Ökonomie. Aber, wenn wir im sachlichen Sinne das anschauen, müßten wir sagen, die einzelnen Betriebe müßten durchaus miteinander kooperieren, nicht konkurrieren. Und man kann sich das vorstellen, daß bei aller Eigenständigkeit dieser Wirtschaftseinrichtungen die verschiedenen Branchen miteinander in Zusammenhang treten, Branchenverbände bilden, und trotzdem eine gewisse Innovation und eine Konkurrenz der Ideen eben möglich ist.

Und diese Zusammenschlüsse, auf rein wirtschaftlichem Felde, das bedeutet, daß erforscht werden muß, was brauchen die Menschen, was ist der wirkliche Bedarf der Menschen, Ansätze sind durchaus vorhanden, und das zweite ist, was kann wirklich produziert werden. Was ist die wirtschaftliche Kpazität. Und wenn wir diese Dinge einfach einmal versuchen zusammenzuschauen, dann würde sich ergeben, daß eine Zusammenfassung aller wirtschaftlichen Einrichtungen auf den verschiedensten Gebieten, langsam von unten nach oben kooperierend, sich zusammenschließend, einzelne Gesprächsorgane bildet, die letztendlich dann zu einem Organ zusammengefaßt werden können, wo ausschließlich die Möglichkeiten der Produktion, die Möglichkeit der vorhandenen Rohstoffe und auch die Bedürfnisse der Menschen nach bestimmten Waren zusammengefaßt werden. Man könnte nennen, das ist eigentlich ein Parlament für Wirtschaftsfragen, man kann das kurz nennen ein Wirtschaftsparlamant.

Wenn man ein kleines Gremium aus diesem Wirtschaftsparlament noch herauszieht, herausfiltert, was eine kontinuierliche Arbeit leistet, könnte man dann sogar sagen, das ist ein Wirtschaftsrat, so wie wir ja auch in verschiedenen Gremien eben die große Versammlung der Menschen auf fachlichem Gebiet dahaben und dann etwas, was das in etws kleinerem Maße nochmal zusammenfaßt und berät.

Hier in diesem Gebiete der Ermittlung der wirtschaftlichen Möglichkeiten und des wirtschaftlichen Bedarfs darf es sich eigentlich nicht handeln um irgendwelche Machtkämpfe. Denn im Interesse der Menschen wirklich zu produzieren, nach dem Prinzip, mit möglichst wenig Aufwand, möglichst wenig Materie, möglichst viel Gewinn, möglichst viel Ertrag zu erzielen - das ist das Prinzip der Ökonomie, ist jede Art der Konkurrenz, des Kampfes, ist unsinnig, ist volkswirtschaftlich schädlich.

Insofern müssen wir hier zu dem Gebiete der Wirtschaft eigentlich hinzuschreiben das Prinzip der Ökonomie sowie auch das Prinzip der Kooperation, was die beiden Prinzipien verbindet, so daß man sagen könnte, hier wird wirklich für den Bedarf der Menschen produziert.

Ein völlig anderes Prinzip der Arbeit ist notwendig für die kulturellen Einrichtungen. Wenn hier ein enger Zusamenschluß notwendig ist, bei aller Verschiedenartigkeit der Produkte, müssen wir sagen, daß für die kulturellen Einrichtungen zunächstmal ganz wichtig ist die schöpferische Kraft der Menschen, die Initiative, die Phantasie sowohl auf wissenschaftlichem Gebiete, auf dem Gebiete der Forschung, auf dem Gebiete der Bildung, der Ausbildung, und daß man sagen kann, hier ist nicht zunächst das Prinzip der Zusammenarbeit der Kooperation, am Anfange der Arbeit, sondern das, was aus den Menschen unmittelbar, aus ihrer individuellen, persönlichen Begabung, hereinkommt. Aber, es ist selbstverständlich, daß auch hier die Hochschulen, die Forschungseinrichtungen, die Schulen, sich zusammenschließen müssen, je nachdem, welche Aufgabe sich ihnen stellt, und dadurch übergeordnete Gebiete, übergeordnete Gesprächsgremien bilden, eine Art Hochschulrat könnte man sich vorstellen. Eine auf die einzelnen Länder bezogene Beratung der Schulen, und zwar der Schulen, die vom Staat eingerichtet sind, ganz genauso wie der Schulen, die in freier Trägerschaft arbeiten, Privatschulen sind. Aber, daß ausschließlich aus der Sache heraus, aus der pädagogischen Arbeit heraus, aus der Erforschung der augenblicklichen Verfassung von Jugendlichen heraus, Menschen ins Gespräch kommen und versuchen zu ermitteln, die zeitgemäße, die menschengemäße Pädagogik zu erstellen und die entsprechenden Verträge auch zu schließen. Daß der Übergang von einer Schule zu einer anderen Möglich ist. Das heißt also, das Prinzip der geistig Tätigen, der kulturell Tätigen, ist nicht zunächst das Prinzip der Ökonomie, sondern das Prinzip der Freiheit und der Initiative, der Phantasie, die auf der Grundlage der einzelnen menschlichen Begabung eine Rolle spielt.

Wenn wir nochmal auf das Gebiet der Wirtschaft gehen, müssen wir sagen, alles wirtschaftliche Geschehen baut auf auf der Natur, auf den Naturgrundlagen und auf den vorhandenen Rohstoffen. Und insofern hat jede Wirtschaft eines Landes einen anderen Charakter. In Mitteleuropa hat die Wirtschaft eine andere Grundlage wie in den afrikanischen Ländern oder in Ländern, die sehr viel mehr um sich herum haben, also davon wird sehr stark die Wirtschaft geprägt.

Das ganze Kulturleben wird geprägt durch die speziellen Begabungen der Menschen, die in einem Volke zusammen sind. Auch durch die ganze geschichtliche Vergangenheit eines Kulturlebens in einem Volke, so daß man sagen kann, so wie hier die Grundlage für die Wirtschaft die Natur ist und alles, was an Rohstoffen heraufgefördert wird, verarbeitet wird, hier seinen Weg nimmt in die verarbeitende Industrie, dann den Weg zum Käufer, zum Konsumenten nimmt und irgendwann wieder als Müll in die Natur heruntertransportiert wird und hier auch heute entsorgt werden muß und dadurch eine neue Industrie bildet, müssen wir sagen, das, was im Kulturleben stattfindet, haben wir es eigentlich mit einem unmittelbaren Zusammenwirken von Menschen zu tun.

Selbst wenn die Menschen Material brauchen, um ihre Forschung zu betreiben, um Kultur zu betreiben, es sind Menschen. Menschen mit ihren Fähigkeiten. Und das, was an der zentralen Stelle eines Menschen eine Rolle spielt, um eine möglichst lebendige, innovative Kultur zu gestalten, heißt einfach, daß der menschliche Geist eigentlich dasjenige ist, insofern er als Begabung bei den Menschen erscheint, was dem wie polar gegenübersteht, was in der Wirtschaft aus der Natur herausgeholt werden muß, um eine produktive Wirtschaft zu gestalten.

Hier handelt es sich darum, daß der Mensch als geistiges, bewußtes Wesen seine geistigen Veranlagungen zutage fördert und sie in der Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch zur Erscheinung bringt.

Und jetzt kommt der zweite Punkt, auch das muß natürlich geregelt werden in einer Gesellschaft. Und diese Regelung, die erfolgt selbstverständlich auch in einer Vielfalt von Gesprächen. Und zwar nicht erst in einer Art zentralem Parlament, wo Politiker aus Bereichen, die von der Sache nichts verstehen oder zuweit weg sind von einer wirklichen Kulturarbeit, sondern, daß das eigentlich geschehen kann durch die Menschen, die sich durch die verschiedenen Bereiche verschiedene Gesprächsgremien, Vereinbarungsgremien schaffen, Verträge auch untereinander bilden, Verträge schaffen, und im Rahmen einer allgemeinen Kultur- und Bildungsgesetzgebung sich so etwas herausbilden kann, daß alles, was hier mit Kultur bezeichnet ist, man sagen kann, das findet - daß man sagen kann, das findet auf höchster Ebene auch (seinen) seine Erscheinung in einer Art Kulturparlament. Das heißt, daß man darüber spricht, was im Kulturleben, im Bildungsleben, im schulischen Leben notwendig ist, was geschieht, was zu empfehlen ist. Und, man könnte auch sagen, noch ein etwas übergeordnetes Organ kann dann eine Art Kulturrat bilden. Auch hier, muß man sagen, hat das Politische, alles, was mit Macht zu tun hat, was den Menschen als Gleicher unter Gleichen einordnet, und was auch notwendig ist, nichts zu suchen, zunächst.

Und so stellen sich eigentlich hier zwei Dinge gegenüber, einfach aus der sozialen gesellschaftlichen Entwicklung: diese wirtschaftliche Kompetenz und die Kulturkompetenz, die sich ergeben muß aus einer gesammelten, von unten nach oben zusammengetragenen Fülle von Einsichten und Problemen, so wie sich hier ein Wirtschaftsparlament herausgestalten könnte aus dem Zusammentragen der wirtschaftlichen Aufgaben und Probleme.

Das, was heute gemischt ist, was nicht auf eine so direkte Weise in unserem heutigen Parlament auftritt, das ist dasjenige, was hineingemischt ist in diese Verwaltungs- und politische Ebene, und wo wir jetzt sehen, wenn wir alle Aufgaben, die heute noch von einem Parlament, also Einheitsparlament, was weniger ermittelt, was in der Basis passiert, sondern mehr von oben nach unten dirigiert - wenn wir da eine Lösung suchen, müssen wir sagen, alles herausnehmen, was wirtschaftliche Aufgaben sind. Die Männer, die vom Fach sind, und Frauen, die vom Fach sind, das unter sich regeln lassen, alles, was Kulturaufgaben sind, Kulturprobleme sind, herausnehmen aus dem Einheitsstaat, und es bleibt etwas übrig, was dann die reinen Grundrechte des Menschen sind, die auf den Grundbedürfnissen des Menschen aufbauen. Nach Sicherheit, nach Gleichheit, nach Gehörtwerden, nach den ganz elementaren Lebensbedürfnissen.

Und da haben wir hier in der Mitte dasjenige, wo man sagen kann, natürlich, Kommunalparlamente, Landesparlamente, die dieses politischen Aufgaben regeln müssen, sind ja vorhanden, aber sie überschreiten ihre Kompetenzen. Sie greifen in das Kulturleben ein. Sie machen Prüfungsordnungen. Sie schreiben vor, welcher Unterrichtsstoff in den Schulen bewältigt werden muß. Absolut unsinnig. Von einer nicht kompetenten Stelle wird etwas an Menschen herangebracht, was eigentlich nur die Menschen zum Beispiel als Lehrer aus dem Zusammensein mit den Schülern entscheiden können.

Aber eine Sache muß sein. Und das ist, daß das Recht eines Schülers nach Ausbildung gewährleistet sein muß. Und da ist eigentlich selbstverständlich, daß man das Prinzip der Gleichheit walten lassen muß. Nicht der Gleichheit der inhaltlichen Ausbildung und Schulung, weil das den Menschen gleichschaltet und seine eigenen schöpferischen, innovativen Kräfte lähmen würde. Aber das Prinzip der Gleichheit muß zum Beispiel im Schulleben angewendet werden, egal, in welcher Region, daß man sagen kann, alles, was das Rechtsbedürfnis der Menschen betrifft, nach Recht auf Chancengleichheit - eine Staatsschule, eine Privatschule, eine Ersatzschule, eine freie Schule zu besuchen, oder eine Ausbildung zu machen in einer praktischen Lehrwerkstätte oder ein Studium zu beginnen, das muß eigentlich von vornherein auf die Grundlage der Gleichheit gestellt sein. Und das sind die eigentlichen politischen Aufgaben. Und dazu gehört selbstverständlich auch eine Art Parlament, wo die Dinge besprichen werden im echten Sinne, und da kann man sagen, das ist das politische Parlament oder auch der politische Rat.

Und insofern man die Grundlagen für eine geichberechtigte Kulturarbeit miteinander besprechen muß und beschließen muß auf der Grundlage des volkswirtschaftlichen Reichtums, wird man dann auch sehen, daß man gemäß der Besucherschaft einer Schule, durch die Schüler, durch die Studenten gesteuert, auch die Finanzierung dahinlenkt, wo die Studenten, die Schüler eben sich am besten unterrichtet und ausgebildet erleben. So daß also nur die Rahmenbedingungen für die Schule, für die Erziehung, für die Ausbildung, für die Forschung, beschlossen werden können.

Aber wie geforscht wird, wie ausgebildet wird, welche Lehrinhalte vermittelt werden, das muß absolut im Sinne und im Belange der Freiheit stehend von Menschen, die unmittelbar pädagogisch oder ausbildend tätig sind.

Hier, wenn wir das Prinzip der Gleichheit anwenden, dann müssen wir sagen, das Prinzip der Gleichheit gilt nur für die Rahmenbedingungen, und wenn Gesetze beschlossen werden, müssen sie für alle Menschen gültig sein.

Ich möchte das als Beispiel nehmen, daß wir das Recht haben, uns auf den vorhandenen Straßen frei zu bewegen. Das ist gleiches Recht für jeden Bürger, für jeden Autofahrer, aber der Staat würde niemals wagen hineinzureden, in welche Richtung ich fahre. Ob ich von Stuttgart nach Hamburg oder nach Berlin fahre. Das ist absolut unsinnig. Und genauso unsinnig ist es, wenn der Staat hier dem einzelnen Schüler vorschreibt, welche Ausbildung, welche Schule er zu besuchen hat. Sondern er muß die Grundlage für die Ausblidung, für schulische, für Studentenausbildung zur Verfügung stellen, gemäß der Anzahl der Sudenten, die in einer Einrichtung sich ausbilden lassen. Und da wird das Prinzip der Gleichheit kombiniert mit dem Prinzip der Freiheit. Aber es muß von vornherein auseinandergenommen werden.

Ich möchte noch einen kurzen Blick auf die Wirtschaft werfen und sagen, wie eine ökonomische Form der Zusammenarbeit stattfinden kann. Wir haben zum Beispiel Taxiunternehmen in jeder Stadt. Es gibt selbständige Taxifahrer, es gibt Taxiunternehmen mit mehreren Wagen, aber sie sind einer Zentrale angeschlossen. Und ein ökonomisches Nutzen der in einer Stadt vorhandenen Taxen geht über Zentrale. Der einzelene Fahrer ist frei, sich seinen Fahrgast auszusuchen, aber es wird kooperiert. Und dadurch ist das vorhandene, die vorhandene Menge der Taxen möglich, und es findet in einer ökonomischen Form statt, eben die Verteilung in einer Stadt. Und diese Form der Zusammenarbeit, die ist auch durchaus möglich zum Beispiel in der Autoindustrie, daß man sagen könnte, auch, wenn verschiedene Autotypen produziert werden, die Autoindustrie könnte sich zusammenschließen und fragen, wenn ein neuer Wagentyp produziert wird, wie groß ist der mögliche Gesamtbedarf, und man schaut, welche Fabrik, welche Fabrikationsanlage hat noch Kapazitäten frei. Nicht, daß man bei einer Firma neue Hallen, Produktionseinrichtungen baut, und in einem andern Betrieb müssen diese Einrichtungen geschlossen werden. Das ist volkswirtschaftlich ruinös. Also das könnte volkswirtschaftlich eine Möglichkeit sein, daß solche Dinge in einem Wirtschaftsparlament beschlossen werden, wenn man sagt, Grundprinzip einer gesunden, leistungsfähigen Volkswirtschaft ist die Kooperation und nicht die Konkurrenz.

Ein weiterer Gedanke ist, daß man sieht, wenn man sehr ökonomisch produzieren möchte, dann würde man sagen, die vorhandenen Maschinen, die vorhandenen Modelle, zum Beispiel in der Autoindustrie, werden immer weiter produziert, ohne Innovation. Dann würden wir keinen technischen Fortschritt haben. Das heißt, man sieht, man braucht Konkurrenz. Aber diese Konkurrenz ist eigentlich etwas, was vom vom Charakter her nicht aus der Produktion selber kommt, sondern das kommt in die Produktion hinein durch die schöpferische Ideenbildung der Menschen, durch die Ingenieure, durch die Erfinder. Und insofern sehen wir, daß innerhalb einer materiellen Produktion auch das Element des Geistigen, des Schöpferischen, des Innovativen notwendig ist.

Und diese drei Grundelemente, die ich hier für das Gesamtgesellschaftliche aufskizziert habe, und wo man sagen müßte, hier in der Mitte bleibt wirklich nur das übrig, wo die Menschen ihre Sicherheitsbedürfnisse als gleicher unter gleichen, ihre Rahmenbedingungen suchen und vertreten haben möchten. Sie stehen in einem gewissen Gegensatz zueinander. Durch die Verfilzung von Menschen, die in der Wirtschaft stehen, und Menschen, die in der Politik stehen, findet eben gerade die Wahrung des allgemeinen menschlichen Bedürfnisses nach Sicherheit, nach Gesunderhaltung, nach Schutz der Natur nicht statt. Das sind die sogenannten Verfilzungsaffären, die sich jährlich häufen und wo man sieht, es ist eigentlioch ein Personalfilz, es ist ein Verwaltungsfilz, der gerade unmöglich macht, daß hier die Menschen, die die elementaren Bürgerrechte vertreten, nach gesunder Luft, Boden, und so weiter, daß die eigentlich sich die Aufgaben der Wirtschaft zu eigen machen und sagen, wir müssen die Wirtschaft fördern, damit hier die Menschen scheinbar im Wohlstand weiter Leben können. Und dieses Prinzip, was Rudolf Steiner 1919 als erstes entwickelt hat, daß er sagte, die Grundlage des ganzen Wirtschaftslebens ist die Natur, und die Grundlage des Kulturlebens ist die Begabung der Menschen, das steht in einem gewissen Widerspruch, (die zunächstmal) der zunächstmal dazu führen sollte, daß man das auseinandernimmt. Und jetzt bleibt wie gesagt in der Mitte übrig dasjenige, was die allgemeinen Rechtsbedürfnisse des Menschen sind. Und wir haben heute durchaus die Bestrebung von einsichtigen Politikern, daß die Tnedenz der Wirtschaft, sich ständig auszuweiten, ständig mehr Naturschätze auszubeuten, die Luft, das Wasser zu möglichst billigen Produktionsgrundlagen zu verwenden, daß hier durchaus die Aufgabe des politischen Parlaments, des Rechtslebens besteht, diese Wirtschaft zu begrenzen.

Das politische Leben hat die Aufgabe - und das sind auch die Anstrengungen der Bürgerinitiativen in den letzten Jahren gewesen - das wirtschaftliche Leben zu begrenzen, weil eine totale, auf billige Produktion ausgerichtete Wirtschaft zu den enormen Schäden geführt hat bereits und immer weiter führen würde, die wir besonders in den Ostländern, aber auch in den Westländern beobachten. Also von hier müssen wirklich durch die Sicherheitsbedürfnisse, die allgemeinen Lebensbedürfnisse der Menschen Grenzen gesetzt werden. Wie weit man die Grenzen setzt, das müssen die Menschen entscheiden, und das ist wiederum die Verhandlung zwischen den Vertretern der Menschen als echte, reine Politiker gegenüber den Vertretern der Wirtschaft, die sagen, wir müssen möglichst einfach und möglichst ohne komplizierte Anlagen hier produzieren. Das ist ein Kampf, der stattfindet. Der findet heute auch statt. Nur, der würde in einer viel klareren, überschaubareren Form stattfinden, wenn man hier die Vertreter der Wirtschaft hat, die gegen die allgemeinen Grundrechte der Menschen stehen. Auf der anderen Seite sehen wir das, was ich vorhin schon angeschnitten habe, daß das politische Leben durch bestimmte Grundrechte zeigen muß, wie weit hier eigentlich elementare Möglichkeiten der Ausbildung, der Forschung, des Kulturlebens, der Art der Kunst, gefördert wird durch rechtliche Grundlagen, und wo auch gesagt werden muß, wieweit muß dem Kulturleben hier Geld zur Verfügung gestellt werden, wenn das Kulturleben, und zwar jede einzelne Einrichtung, Ansprüche stellt an die Gesamtwirtschaft, das heißt, an die Erträge der Gesamtwirtschaft in Form von bestimmten Finanzetats.

Das heißt also, die Politiker haben die Aufgabe zu ermitteln, wie groß ist der Gesamtertrag der Volkswirtschaft, wieviel kann von dem wirtschaftlichen Erträgnis zur Verfügung gestellt werden für die Kulturarbeit, Bildung, Erziehung, Forschung, Kunst und so weiter. Das ist die Aufgabe. Aber das Parlament, das politische Parlament muß sich total enthalten einem Eingriff in die Inhalte der Ausbildung, Forschung und so weiter. Und wenn man das sauber auseinandergliedert, würde auch hier durchaus eine Auseinandersetzung stattfinden, daß von den Vertretern einer Kultureinrichtung Forderungen entstehen an den sogenannten Staat, also an die politische Einrichtung zu vermitteln, daß aus dem gesamten wirtschaftlichen Ertrag in Form von Steuern oder anderen Formen hier genügend herüberfließt, genügend Etat zur Verfügung gestellt wird, daß hier wirklich die Kultur arbeiten kann, ja.

Sebastian Schöck: Warum soll das nicht direkt - warum können die Vertreter des Kulturparlaments nicht direkt mit den Wirtschaftsvertretern verhandeln?

Siegfried Woitinas: Das ist durchaus möglich, daß auch hier eine Verhandlung stattfinden wird, wenn zum Beispiel die Vertreter der Wirtschaft, sagen wir, brauchen phantasievolle, innovationsfähige Menschen. Das ist berechtigt. Wir brauchen ausgebildete Fachleute. Sie werden dann direkt sich an die Menschen wenden, die hier im Kulturleben tätig sind. Und das ist notwendig, daß die Vertreter der Wirtschaft also ihre Bedürfnisse nach Facharbeitern, nach gut ausgebildeten Wissenschaftlern herantragen. Das wird ein direktes Gespräch sein. Aber auf welcher Grundlage das dann geschehen kann, nicht, daß man sagen kann, hier, das muß ja auf eine vertragliche Grundlage gestellt werden, das braucht dann wieder ein Gesetz. Daß man sagen kann, gut, wenn ihr hier kreative Menschen braucht, dann genügen zehn Schuljahre nicht, sondern dann müssen wir eben zwölf Schuljahre haben, und das muß finanziert werden. Also muß aus dem wirtschaftlichen Gesamtertrag, auf welchem Wege auch immer, entweder durch Direktfinanzierung oder durch Steuern - es geht nur um das Prinzip hier - den Ausbildungseinrichtungen so viel Geld zur Verfügung gestellt werden, beziehungsweise dem einzelnen Schüler und Studenten zur Verfügung gestellt werden, daß er diese Ausbildung im besten Sinne machen kann. Aber die Fixierung der Gesprächs- und Verhandlungsergebnisse, das ist dann ein Politikum. Wenn es heißt, also wir einigen uns in der Bundesrepublik auf zwölf Schuljahre oder auf 13 Schuljahre, dann ist das ein Gesetz, und das muß dann für alle gelten, denn der einzelne Schüler muß das dann einklagen können, daß sein Schulbesuch bis zum zwölften Schuljahr auch finanziert wird. Und das ist eine Rechtsgrundlage. Und diese Vorbereitung dieses Rechtes, das heißt, Gespräch zwischen den Vertretern des Ausbildungslebens und zwischen den Vertretern der Wirtschaft. Aber die Festlegung, die Fixierung und dann auch das Geltendmachen der einmal beschlossenen Gesetze , das ist eine Angelegenheit des Rechtslebens.

Während, wenn aus dem Rechtsleben allein, aus machtpolitischen oder weltanschaulichen Überlegungen, wie es heute noch der Fall ist, hier einfach von vornherein, ohne zu sehen, was wirklich die Notwendigkeiten sind, Gesetze gemacht werden, Vorschriften für Prüfung, für Bildung, dann kann letztendlich das nicht stattfinden, was eigentlich in einem möglichst umfangreichen Gesprächsaustausch stattfinden müßte.

Man kann ein weiteres Beispiel nehmen: Ausbau des ganzen Straßensystems, wo man sagen kann, ich habe das Recht, Straßen zu haben, Straßen zu benützen, das muß eigentlich auch besprochen werden zwischen den Menschen als Nutzer der Straße und zwischen den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Es heißt also, Gespräche zwischen diesen drei Gremien sind notwendig.

Aber die Voraussetzung, daß überhaupt eine klare Sicht entsteht, was ist denn überhaupt heute pädagogische Notwendigkeit, was ist auf der anderen Seite wirtschaftliche Möglichkeit, da sollte auf rein fachlicher Ebene zunächsteinmal vorgeklärt werden bis in ein so hochgeordnetes Gremium. Und dann, und jetzt kommt das nächste, dann kann das wieder zusammengeschaut werden, so daß man sagen kann, hier gibt es eine Art zusammenschauendes Gremium, was hier als Ergebnis wirtschaftlicher, kultureller Beratung und poltischer Möglichkeit als eine Art Integrationsorgan dann wieder zusammengeschaut wird. Und die dafür sorgen, daß auf der einen Seite das ganze Kulturleben zu einer klaren Erscheinung kommt in solchen Gremien, und zwar nicht nur auf der höchsten Form, wie ich das schon dargestellt habe, sondern auch auf untergeordneten Ebenen des Schulwesens und so weiter. Und dieser Integrationsrat, der würde aber in erster Linie, genauso wie hier diese einzelnen Parlamente, sich zur Aufgabe machen zu ermitteln, was ist möglich, was ist vorhanden, an Bedürfnissen, an Möglichkeiten, an geistiger Begabung in einer Bevölkerungsschicht.

So daß wir eigentlich hier ein umgekehrtes Prinzip entdecken. Daß nicht von oben nach unten regiert wird durch eine Minderheit von Menschen, die ein sehr eingeschränktes Weltbild haben, eine sehr eingeschränkte Sicht einzelner spezieller Bevölkerungsgruppen, weltanschauliche Interessen, oder machtpolitische Interessen, weil sie immer sagen, um diese Dinge durchzusetzen, brauchen wir die Macht, so daß also ungeheuer viel volkswirtschaftliches Kapital an Geld verschwendet wird für diese Machtkämpfe.

Sondern daß wir sagen können, hier, auf dieser untersten Ebene, müssen die Menschen sich abklären, müssen ihre Probleme, ihre Möglichkeiten, langsam, von unten nach oben heraufreichen, müssen sie zur Erscheinung bringen, und dann, wenn sie wirklich in ihrer ganzen Größe zur Erscheinung gekommen sind, kann man über die Lösung der einzelnen Aufgaben und Probleme sprechen. So, daß wir also das Prinzip umdrehen und sagen, hier wird von unten nach oben ermittelt, zur Erscheinung gebracht, sichtbar gemacht, auf dieser Ebene dann auch verhandelt, aufgrund einer möglichst umfangreichen sozialen Erforschung der Gegebenheiten, was dann hier ausgehandelt wird, das wird wieder zurückgegeben als Empfehlung nach unten. Das heißt, daß also Beschlüsse im Wirtschaftsparlament zunächstmal als Empfehlungen zurückgegeben werden, und wenn man feststellt, daß die wirklich auf der Grundlage einer möglichst umfangreichen Erforschung der Gegebenheiten zustandegekommen sind, wird ein vernünftiger Unternehmer, wird sich auch einigermaßen versuchen, danach zu richten. Und das ist ein völlig anderes Prinzip als wenn hier von oben nach unten dirigiert und befohlen wird. Vor allem hier im Kulturleben muß man sagen, alles, was ermittelt wird an Problemen der jungen Generation, des ganzen Kulturlebens, wenn man sieht, wo die Probleme sind, wo die Möglichkeiten sind, und Empfehlungen nach unten gegeben würden, daß man zum Beispiel sieht, daß die Zahl der Schüler im Abnehmen begriffen ist, daß man nicht Weisungen erteilt, was zu geschehen ist, sondern, daß man Empfehlungen gibt, wonach sich dann die einzelnen Einrichtungen, Schulen, pädagogischen Ausbildungsstätten richten können. Dann wird hier an der Basis ein ganz andere Möglichkeit entstehen, wirklich in der Praxis die Menschen, die eben dort als Pädagogen, als Lehrer mit den Schülern miteinander arbeiten, ein entsprechendes Lebendiges und zeitgemäßes, problemgemäßes Leben, und eine Ausbildung durchzuführen.

Und damit habe ich eigentlich veresucht, ein bißchen zu charakterisieren, wie eine modernere, differenziertere Form der Demokratie heute möglich ist. Und das möchte ich gegenüberstellen (gegen) der zentralistischen Regierungsform, die pauschal von einer viel zu weit entfernten, sozial entfernten Position aus versucht, die Dinge an der Basis zu regeln, aber eigentlich, wie man heute sieht, scheitert. Sondern wir brauchen zumindest eine differenzierte Politik, wo man sagen kann, eine Demokratie im Kulturleben, die kann schon darin beginnen, daß eine Elternschaft mit den Lehrern, mit den Schülern gemeinsam, ab einem bestimmten Alter mit den Pädagogen, Ärzten zusammen ihr Schulleben gestaltet, und damit lernt, miteinander pädagogisch zu gestalten, auch demokratisch umzugehen. Demokratie vor Ort.

Und daß die verschiedenen ähnlichen Schultypen auch wiederum, wie das heute im Bund freier Schulen durchaus geschieht, miteinander Verhandlungen führen und dann ihr Schulleben eigenständig regeln. Das sind alles mündige Menschen, die mindestens so intelligent sind und vor Ort einfach fachliche Kenntnisse haben wie ein Politiker. Aber ihr Vorteil ist, daß sie vor Ort dran sind und die Probleme sehen. Und vor Ort diese Probleme zu regeln, ihre Schule zu entwickeln, zu verwalten, Probleme zu lösen, ist wesentlich einfacher, als wenn irgendein Kultusminister oder ein Ministerium Verwaltungsbeamte bestellt, die neue Prüfungsverordnungen, neue Ausbildungs- und Lehrpläne entwickeln. Insofern kann man sagen, ist eine demokratische Form der Entwicklung vor Ort möglich, und das Gleiche findet ja heute auch schon in einem gewissen kleineren, experimentellen Maße statt, daß auch die Betriebe heute die Arbeiter mitbeteiligen, um ihre Arbeitsformen zu entwickeln, daß man sie ihre Ideen einbringen läßt, daß man die Art der Arbeit von ihnen selbst organisiern läßt. Und das sind kleine Übungsfelder, die sich möglichst stark auch im wirtschaftlichen Bereich von unten nach oben fortsetzen sollten. Und als Spitzenorganisation aus dieser demokratischen, das heißt also von den Menschen aus gesteuerten Organisationsform auch Strukturen schaffen, die bis in ein so hohes Koordinationszentrum wie in einem Wirtschaftsparlament, einem Kulturparlament oder einem politischen Parlament, was an der Basis auch die ganzen Bürgerinitiativen miteinbeziehen könnte, zur Erscheinung bringt und dadurch zumindest einmal eine sachbezogene, man könnte sagen, arbeitsteilige Gliederung in die gesamte Gesellschaft reinbringt. Und das ist etwas, was heute in jedem Betrieb eigentlich gar nicht mehr anders geht. Und deswegen habe ich auf der rechten Seite in bißchen das deutlich gemacht, man kann sagen, auch in einem Betrieb haben wir hier sozusagen die Produktionsebene, und wir haben auch in einem Betrieb die Verwaltungsebene, und wir haben in einem Betrieb auch je nach dem, was produziert wird, die Kulturebene, insofern dort Produktentwicklung gemacht wird, Forschung, und diese Forschung ist von ganz anderen Menschen bestimmt, hat auch andere Arbeitsbedingungen wie die Verwaltungsabteilung, die einfach das ganze des Betriebes regelt und selbstverständlich halt eben die Produktionsabteilung, wo wirklich produziert wird, eine ganz ander eigenständige Form und Leitung.

Und es wäre unsinnig, man würde die Forschungsabteilung in die Produktabteilung reinsetzen, oder denjenigen, der eben wirklich die Produktion leitet, hierzu gleich in die Forschung hineinsetzen und hineinreden lassen, oder denjenigen, der einfach die Sache organisiert und verwaltet, hier in die Produktionsabteilung.

Also diese Vermischung, die kann sich heute kein Großbetrieb mehr leisten. Aber wir leisten es uns heute in der Gesamtgesellschaft, einem viel komplexeren System. Und insofern muß man sagen, es besteht eine dringende Notwendigkeit, einer Aufgliederung unserer gesellschaftlichen Organisation und Verwaltung. Und das heißt, Aufgliederung in drei ganz elementare Verwaltungsbereiche, in drei ganz unterschiedliche soziale Gebiete, die in der Wirklichkeit unendlich kompliziert zusammenhängen.

Aber durch das Bewußtsein, durch das soziale Gestaltungsbewußtsein auseinandergegliedert werden können. Angeschaut werden können, verwaltet werden können, und dann auf dieser Ebeene wieder zu einer neuen, funktionsfähigeren Demokratie zusammengefügt werden können. Und das kann man nennen (als) eine dreigliedrige demokratische Gesellschaftsform.

Rudolf Steiner hat damals 1919 mit seinen Freunden in dieser Kampagne, die historisch stattgefunden hat, den Versuch gemacht, zu einer solchen dreigliedrigen Form des ganzen soziale Organismus anzuregen. Das ist damals von den Menschen noch nicht so umfangreich verstanden worden, daß es geglückt ist, aber ich habe den Eindruck, es ist dran, daß wir heute zu einer solchen differenzierten, demokratischen Form der Gesellschaft vorwärtskommen und nicht in dieser vielleicht für das 19. Jahrhundert noch gemäßen Einheitsdemokratie stehenzubleiben, sondern, daß wir eben zu neueren, differenzierteren demokratischen Formen kommen. Das ist meine Anschauung, und das ist dran, und Tendenzen in dieser Richtung sieht man überall. Soviel mal für das Prinzip. Wenn wir nur auf einen gesellschaftlichen Raum schauen, wie es zum Beispiel die Bundesrepublik ist.

Vielleicht kann ich noch was anfügen?

Und zwar kann man jetzt die Frage stellen, wie geht denn das in den internationalen Beziehungen. Und diese internationalen Beziehungen sind ja nochmal ein besonderes Problemfeld, obwohl auch da sehr konkrete Vorstellungen vorliegen für einzelne Gebiete, die haben schon 1919, 1922 voregelegen, und es sind jetzt wieder einige Memoranden verfaßt worden von anthroposophischen Sozialwissenschaftlern, die in der Richtung gehen, daß man sagt, es gibt eigentlich heute keinen in seinen Grenzen funktionsfähigen Einheitsstaat mehr. Das brisanteste Problem sehen wir im ehemaligen Jugoslawien. Dort sind im Kulturleben unterschiedlichste Religionen, unterschiedlichste Völkerschaften ursprünglich zusammengewürfelt, sie haben sich vermischt.

Es sind Wirtschaftsgebiete entstanden, die grenzüberschreitend sind, die ja auch in europäischem Raum grenzüberschreitend sind, die also nicht bei der Grenze des ehemaligen Jugoslawiens haltmachen, sondern mit dem gesamten europäischen Wirtschaftssystem verknüpft sind. So daß man also heute eigentlich sagen müßte, die Menschen, die zum Beispiel einer bestimmten Religionsgruppe in Jugoslawien angehören, im ehemaligen Jugoslawien angehören, warum sollen die durch die nationalen Grenzen beschränkt werden mit ihren Religionsgenossen, zum Beispiel Moslems, in ganz anderen Ländern, sei es in Griechenland, sei es in den anderen angrenzenden Gebieten, ja selbst in Mitteleuropa, sich frei religiös auszutauschen und zu betätigen. Also für dieses Gebiet der ganzen Religion, ja, der ganzen Kultur, müßte man sagen, das muß absolut unbehindert über nationale Grenzen sich weltweit austauschen können. Das heißt, es müssen Personalverbände entstehen können, die ungehindert durch nationale Grenzen weltweit entstehen können. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Religion, auf dem Kulturgebiet. Auf dem Gebiete der Forschung entsteht das weltweit.

Das heißt, die Grenzen werden durch die Entwicklungstatsachen eigentlich überschritten, national. Und das ist absolut unsinnig, wenn man jetzt auch für Religionsgemeinschaften nationale Grenzen geltend macht. Insofern sehen wir da eine Entwicklungstendenz, die zeitgemäß ist. Und das wieder auf nationale Grenzen beschränken zu wollen, ist etwas, was man sagen könnte, das ist steinzeitlich.

Das gleiche gilt für die Wirtschaft. Die Wirtschaft ist im Laufe der letzten Jahrzehnte im wesentlichen weltweit geworden, grenzüberschreitend. Es zeigt sich in dem Bemühen, eine europäische Union zu schaffen, wo die Grenzen, Zollgrenzen, Kontrollgrenzen wegfallen, und das ist sinnvoll im Sinne einer ökonomisch arbeitenden europäischen, ja, Weltwirtschaft, nationale Grenzen müssen verschwinden im Zusammenhang wirtschaftlichen Austausches. Sei es für die Konsumenten, sei es für die Produzenten.

Wo Nationalgrenzen allein noch eine gewisse Berechtigung haben, könnte man sagen, das ist für ein spezielles Verwaltungsrecht, für ein Wahlrecht, für historisch gewachsene Verwaltungsgewohnheiten, Verwaltungsgemeinschaften. Und so könnte man sich auch vorstellen, daß von einem so gegliederten, dreifach gegliederten Volksorganismus, einem gesellschaftlichen Organismus, die Wirtschaft selbstverständlich, und das geschieht heute, das muß nicht gemacht werden, sondern man muß es nur zulassen, wirtschaftliche Verbindungen zu anderen Nationen stattfinden. So daß einfach hier auch das Wirtschaftsparlament mit den Wirtschaftsvertretern anderer Völker, korrespondieren kann, Verträge schließen kann auf wirtschaftlichem Felde.

Genauso muß man sagen, hier, Menschen, die im Kulturleben sind, auf dem Schulgebiete, auf dem Forschungsgebiete, selbstverständlich, falls es sich um Verträge größeren Stiles handelt, daß die mit den Vertretern des Kulturlebens, des Forschungs-, Wissenschaftswesen mit anderen Ländern selbständig verhandeln können. Austausch haben. Nur, das, was eben die Verwaltungseinheit, die gewachsene, historisch gewachsene Verwaltungseinheit eines Volkes ist, das kann auf seinen Nationalgrenzen durchaus beharren. Und so sieht man, daß man eigentlich auch Probleme von dieser Dimension, wie sie zum Beispiel jetzt im ehemaligen Jugoslawien sich gebildet haben, hätte rechtzeitig in die Wege leiten können, daß man einen unbegrenzten Austausch der verschiedenen Religionsgemeinschaften hätte schützen, ja fördern müssen, damit nicht dieser Krieg zu einem Aufgliedern des ehemaligen Jugoslawien - der jugoslawischen Gesellschaft in winzige kleine Kantone notwendig wird. Das ist eine unsinnige Entwicklung, die da stattfindet. Und wenn man so etwas probieren würde, wie man es da unten probiert, es muß notwendigerweise zum Krieg führen. Und das gilt für alle anderen Länder, die heute nach Unabhängigkeit streben, das gilt auch für die östlichen Länder, die aus der ehemaligen Sowjetunion, aus dem Ostblock herausgetreten sind und versuchen, ihre Selbständigkeit zu gewinnen. Da muß man sagen, das Verständnis ist selbstverständlich vorhanden, daß sie ihre kulturelle, ihre geistige Autonomie und Selbständigkeit gewinnen wollen. Das muß man fördern, uneingeschränkt. Die Selbständigkeit, die Selbstverständlichkeit, ihre Sprache zu sprechen, ihre Kultur zu pflegen. Aber deswegen muß man nicht die politischen Grenzen verschieben. Man muß auch nicht die Wirtschaft abschneiden. Die Eisenbahnlinien durchtrennen, weil man als eine bestimmte Sprachgemeinschaft, Religionsgemeinschaft sich über die Grenzen hinaus verständigen möchte oder in einer gewissen eigenständigen, geistig-kulturellen Autonomie sich finden möchte. Das muß man verstehen.

Und wenn man diese Dinge nicht trennt, wirtschaftliche Zusammenarbeit, rechtlich-politische Verwaltungsmäßige Begrenztheit und eine auf einer völlig anderen Ebene stattfindenden kulturellen Gemeinschaft, einem religiösen, einem künstlerischen, einem auf der Kultur gewachsenen Leben, wenn man das nicht auseinandergliedert und sieht, daß das ganz unterschiedliche Eigenschaften hat, ganz unterschiedliche Lebensbedingungen hat, wie ich das hier kurz gezeichnet habe, daß eben wirklich das in Freiheit der Menschen geschehen muß, auch das religiöse Leben, daß hier Kooperation, und zwar grenzüberschreitend, auch möglich sein muß, und nur in diesem Gebiete, wo die Menschen in bestimmten Verwaltungsterritorien als gleiche unter gleichen versuchen müssen zu leben, daß wenn man das nicht trennt, wenn man das nicht funktionell allein schon versucht anzuschauen und zu gliedern, wird man auch zu keiner funktionsfähigen, zeitgemäßen Gesellschaftsform finden.

Und deswegen ist diese Grundidee, die hier nur ganz elementar, primitiv dargestellt worden ist, etwas, wo ich meine, es ist ein Schlüssel zur Gestaltung, es ist noch nicht die durchgeführte Gestaltung, ebr es ist der Schlüssel zur Durchführung einer zeitgemäßen, gegliederten, demokratischen Form.

Und ich möchte das in dem Bilde fassen, daß damit, mit diesem Aufgliedern des ehemaligen, heute immer noch in den Köpfen und in der Praxis vorhandenen Einheitsstaates des zentralistischen Einheitsstaates, ein Ding gefunden worden ist, was so etwas ist wie das Ei des Kolumbus.

Und das kennen wir, die kleine geschichte, Kolumbus hat in einer kleinen Gesellschaft ein Ei genommen, hat es hingestellt, es kippte imer wieder um, und hat gesagt, wer schafft es, dieses Ei zum Stehen zu bringen ohne weitere Hilfsmittel, keiner vermochte es. Er nahm das Ei, schlug es an, hatte eine kleine Delle und dadurch stand es. Und so kann man auch sagen, ist diese aufgegliederte Gesellschaft, in drei eigenständige, relativ eigenständige Verwaltungsbereiche so etwas, was eine Eigendynamik mit einer eigenen Korrekturfähigkeit entwickeln kann, was an die Stelle einer nicht mehr zeitgemäßen, nicht mehr lebensfähigen zentral gesteuerten Demokratie treten kann.

Soviel mal für heute.

Sebastian Schöck: Darf ich noch eine Frage?

Wie könnten die - wie sollte das Kulturparlament oder die drei Parlamente jeweils gewählt oder - sind das verschiedene Wege, und vielleicht auch noch im Zusammenhang mit Subsidiaritätsprinzip, auf deutsch ausgedrückt vielleicht.

Siegfried Woitinas: Ich kann nur sagen, wie sich das in der Praxis herausbildet. Daß zum Beispiel die Waldorfschulen ihren Bund der Waldorfschulen, das ist eine Verwaltungsgemeinsachaft, ja, das hat nichts zu tun, daß der Bund der Waldorfschulen vorschreibt, was unterrichtet wird. Aber es ist eine Gemeinschaft, die auch...

Interview

(Ende Seite A)

...ist wiederum zusammengeschlossen mit anderen freien Schulen, Konfessionsschulen, pädagogischen Schulen mit Experimentiercharakter, und die bilden den Bund der freien Schulen. Das ist ein übergeordnetes Gremium, und so zeigt sich, daß jeweils von den einzelnen Schulen, zum Beispiel dem Bund der Waldorfschulen, Vertreter hingesendet werden, also das Delegiertenprinzip. Jede Schule wählt den fähigsten Mann, den sie hat, und schickt ihn dann zu den Versammlungen des Bundes. Und aus dem Bund der Waldorfschulen, aus den anderen, freien Schulen, den Schulen in freier Trägerschaft, werden auch Delegierte geschickt, um ihre Interessen dann in dem übergeordneten Bund er freien Schulen zu vertreten. Und so zeigt sich nach dem Delegiertenprinzip, und zwar aus fachlicher Kompetenz, nicht aus politischer, sondern aus fachlicher Kompetenz heraus, ein immer höheres Gremium, was sich herausbildet. Und so muß man sich das vorstellen, daß dann auch von anderen Kultureinrichtungen, Hochschulen, Fachhochschulen, solche Delegierten gewählt werden, auf Landesebene, auf Bundesebene, die dann ein solches Kuulturparlamant als Delegierte mitbesetzen und dort ins Gespräch kommen miteinander.

Sebastian Schöck: Steiner erwähnt das Prinzip der Kooptation im Geistesleben. Das heißt also, daß die führenden Leute quasi ihren eigenen Nachwuchs zu sich holen, daß es also mehr vom oben nach unten, verstehe ich...

Siegfried Woitinas: Ja, aber das gilt nur für bestimmte kulturelle Einrichtungen, das gilt nicht für das politische Leben. Denn das, was hier geschieht, das bekommt ja einen politischen, allgemeingültigen Charakter, und da gilt das Delegationsprinzip. Das Kooptationsprinzip ist, wenn ich zum Beispiel eine Forschungseinrichtung habe, und sage, mir geht es darum, in einer bestimmten Richtung etwas zu erforschen, dann muß ich mir die Mitarbeiter aussuchen können, die ich für fähig halte, an meinem Projekt mitzuarbeiten. Das kann nicht mir demokratisch von anderen vorgesetzt werden. Insofern gilt das für das Geistige.

Oder, muß man sagen, in einem Theater wird derjenige, der der Chef des Hauses ist, sagen, mit den und den Regisseuren, Dramaturgen, kann ich am besten mein Konzept verwirklichen. Er muß die Möglichkeit haben, sich seine Regisseure, Dramaturgen zu wählen. Das kann ihm nicht von außen demokratisch durch ein Stadtparlament vorgesetzt werden. Das ist der Unsinn, nicht, daß heute Stadtväter Regisseure und Intendanten auswählen, die nichts davon verstehen, von Kultur, und dann gibts die entsprechenden Eklats, jeweils. Aber wie gesagt, für das speziell geistige Forschen, da muß ich die Möglichkeit haben, als Forscher, als Wissenschaftler, mir mein Kollegium zusammenzustellen. Das ist dann an der Idee orientiert, an der Konzeption orientiert, da gilt das Kooptionsprinzip. Da würde ich sagen, da gilt nicht das demokratische Prinzip, wo von unten nach oben mir jemand ins Haus gesetzt wird. Was wir zum Beispiel auch hier bei bestimmten städtischen Jugendhäusern haben, nicht, daß die Verwaltungseinrichtung(en) die Mitarbeiter in die Jugendhäuser hineinschickt, die dann untereinander nicht miteinander arbeiten können. Das funktioniert dann nicht.

Während wir haben zum Beispiel, gemessen an der Aufgabe, die wir uns hier im Forum 3 gestellt habe, auch das Kooptionsprinzip, daß wir als kleines Kollegium sagen, wen brauchen wir, wer kann am besten noch diese Aufgabe der Jugendarbeit erfüllen in der Art, wie wir uns das hier als Ziel gesetzt haben und dann müssen wir die Leute aussuchen, die für diese Aufgabe passen. Das ist das Kooptionsprinzip, nicht. Ich würde sagen, das gilt auch für einen Betrieb, für einen Wirtschaftsbetrieb, daß bis zu einem gewissen Grade eben die Leute, die die Leitung eines Betriebes haben, sich die Mitarbeiter aus rein fachlicher Sicht aussuchen müssen. Wenn man da eine Betriebsversammlung machen würde, ich nehme an, ein Betrieb hat 2000 Mitarbeiter, und sagt, wen wählt ihr denn als neuen Einkaufschef, das würde wahrscheinlich schiefgehen. Sondern da, wo es um fachliche Kompetenz geht, da muß man dieses Prinzip mitdazunehmen. Es gilt nicht ausschließlich.

Während ich sagen würde, in einem Betrieb mit 2000 Mitarbeitern müssen

die allgemein rechtlichen Dinge, zum Beispiel Bezahlung - wie verteilt man das vorhandene Geld oder den Ertrag, nicht, wenn man eine Kalkulation macht, muß man die Gehälter vorausbestimmen, aber man kann am Jahresende schauen, was haben wir wirklich erwirtschaftet, oder wieviel ist tatsächlich minus gemacht worden. Darüber, da ist ja jeder Mensch als Gleicher unter Gleichen betroffen, in seiner Existenz, da würde ich sagen, das kann gemeinsam entschieden werden, und ich bin der Meinung, daß bei einer genügenden Erfahrung auf dem Sektor auch eine Arbeiterschaft sagt, wenn sie einen guten Betriebsleiter haben, einen guten, dynamischen Unternehmer, der sich voll einsetzt und den Betrieb vorwärtsbringt, das auch eine Arbeiterschaft von 2000 Menschen bereit wäre, einem solchen Unternehmer ein Jahresgehalt von 200.000 oder 300.000 Mark zu zahlen und selbst vielleicht mit einem Monatsgehalt von 3000 Mark zufrieden zu sein, also selbst vielleicht nur 30, 40.000 Mark als Jahresgehalt zu beanspruchen.

Ich bin überzeugt, und ich weiß, es funktioniert, weil man sieht, die unternehmerische Kraft und Fähigkeit eines Mannes, die dient ja auch der Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes, und wenn man das durchsichtig macht, und das muß man allerdings lernen, das muß man durchschaubar machen. Was ist denn Wert eines genialen Unternehmers, eines genialen Betriebsleiters, der rein wirtschaftliche Wert, nicht, der durch seine Einfälle, durch sein (mensch-) durch seine Menschenkenntnis, die richtigen Leute auswählt und dadurch eigentlich für die Überlebensfähigkeit des Betriebes sorgt.

Und da meine ich, das ist eine Sache, die man demokratisch beschließen kann, daß man sagt, hier, jeder Mitarbeiter kriegt eben ein Grundgehalt, was weiß ich, von 3000 Mark, aber Abteilungsleiter und Betriebsleiter, weil sie eben eine größere Verantwortung haben, vielleicht auch einen größeren Einsatz bringen, denen gesteht man aus der Einsicht in die Sache, einfach ein anderes, ein höheres Gehalt zu. Das halte ich für möglich.

Und ich weiß, daß es in kleineren Zusammenhängen auch geschieht. Und da gilt eben, wie gesagt, das demokratische Prinzip.

Sebastian Schöck: Aber haben wir das heute nicht schon?

Siegfried Woitinas: Wir haben diese Art der Verteilung, aber als Schema. Wir haben auf der einen Seite die gewerkschaftlich ausgehandelten Tarifverträge, die aber nicht unbedingt auf die individuelle Leistung eingestellt sind, sondern das ist schematisch. Und dann haben wir auf der anderen Seite das Unternehmergehalt, oder die Leute, die außerhalb der tariflichen Verträge als leitende Angestellte (vom) von der Betriebsleitung herangeholt werden. Es sind zwei ganz unterschiedliche Gehaltsgruppen. Und das muß von der übrigen Mitarbeiterschaft akzeptiert werden ohne einen gemeinsamen Beschluß.

Und da meine ich, daß das Ermitteln der Gehälter auf Grundlage der Einsicht in die Lebensbedürfnisse auch von allen gemeinsam, und zwar einschließlich der Betriebsleitung, auch festgelegt werden könnte. Ich weiß, daß es ein harter Verhandlungsprozeß wäre, denn es setzt viel Einsichtsfähigkeit voraus. Das geht nicht hopplahopp. Aber wenn man das schafft, daß wirklich MMenschen sich anschauen, sich fragen, was brauchst du, wie sind die Mietverhältnisse in dieser Stadt, was brauchst du als Unternehmer, als Betriebsleiter, der eben auch mal schnell zu einer anderen Firma in ein anderes Land jetten muß und einfach einen höheren Lebensaufwand hat, dann würde ich sagen, ja, dann wird es einsichtig, daß ein Unternehmer einfach ein höheres Entgelt braucht wie ein Arbeiter, der einfach nicht viel reisen muß aus beruflichen Gründen, sondern der sozusagen ruhig vor Ort seine Tagesarbeit macht. Das ist grundsätzlich einsichtig zu machen. Und das wäre die Grundlage dann auch für das Aushandeln, und zwar betriebsintern, nicht, daß die Gewerkschaft von außen da reinredet, oder irgendein Unternehmerverband, sondern, daß wirklich die Gemeinschaft der Zusammenarbeitenden das miteinander aushandelt. Und das gäbe auch (eine andere) ein anderes Betriebsklima, wenn man das versucht.

M.: Aber solche Probleme haben wir - also, wenn ich das irgendwie mit diesen 3000 Mark unter dem Gleichheitsprinzip dann sehe und letzendlich feststelle, daß leitende Personen mehr bekommen zum Beispiel wegen z.B. Auslandsaufenthalt etcetera, daß das ja wiederum alles über die Spesen abgedeckt ist, da ist mir das Grundgehalt immernoch nicht klar. Warum der mehr kriegen soll wie der andere. Ok, er hat vielleicht andere Leute zu führen, aber letztendendes in einem sozialen System, was letztendlich herbeigeführt werden soll, daß ein Gleichheitsprinzip - also, jeder hat das Gleiche - was - wie zum Beispiel die Wohnung, was auch sehr - , dann gehe ich zum Beispiel hin und sage, ok, ich mache eine ganz kleine Position, aber ich leiste mir eine große Wohnung, damit habe ich mein Existenzminimum schon wieder um einiges höhergesetzt.

Siegfried Woitinas: Und das wird das Ergebnis längeren Verhandelns sein. Schauen Sie, wenn man vom Ganzen ausgeht, wenn Sie sich eine Jahreskalkulation machen, ja, sagen, wieviel setzen Sie um, wieviel bleibt an Rohgewinn übrig, und zwar, jetzt muß man aber anders rechnen. Man muß sagen, was ist die - was sind die Grundkosten zur Herstellung eines bestimmten Produktes in einer bestimmten Menge, und wird zunächst mal nicht das Gehalt als Unkosten gerechnet, ist eine andere Denkweise. Ich muß allerdings die Ware so kalkulieren, daß mir am Schluß als Rohgewinn genügend Geld übrigbleibt, damit die gesamte Mitarbeiterschaft, sowohl der einfache Arbeiter, wie der Betriebsleiter, davon bezahlt werden kann. Das muß in die Kalkulation einfließen. Aber wenn ich dann sage, ich habe eine Jahresposition kalkuliert von, sagen wir mal, eine Million D-Mark für eine bestimmte Menge Arbeiterschaft, und von dieser einen Million D-Mark müssen alle Menschen hier bezahlt werden, dann ist der Blick aller Menschen, der Arbeiter, der Angestellten, des Betriebsleiters auf diese eine Million gerichtet, die jetzt den einzelnen Menschen gemäß verteilt werden kann. Weil man sagt, mehr ist nicht da. Und dann stehen sich die Menschen als Verhandlungspartner, als Menschen mit dem Anspruch auf Sicherung ihres Lebens gegenüber.

Und das ist dann das Ergebnis der Gespräche, die geführt werden müssen zwischen den einzelnen Menschengruppen, den Arbeitsgruppen, den Arbeitergruppen, zwischen Angestellten, zwischen den Gruppen der Betriebsleiter und so weiter, um zu ermitteln, wie kann man das austarieren, so daß der einzelne Arbeiter nicht zu wenig kriegt und der Chef nicht zuviel.

Und wenn man auf dieser Basis wirklich Gespräche führt, und das kann viel Zeit und viel Kraft in Anspruch nehmen, kommt man aber zu einer Vereinbarung untereinander zwischen den Menschen, die nachher von allen getragen wird. Und das schafft soziale Stabilität.

Alles, was schematisch bestimmt wird, wenn man sagt, der kriegt eben so viel, weil er Unternehmer ist, basta, kein Gespräch drüber, und ihr müßt mit, was weiß ich, 3000 Mark zufrieden sein, wenn man das so von außen bestimmt, aus einem schematischen Denken, wird es nicht wirklich mitgetragen, während das andere Verfahren, daß man gemeinsam aus einem Gesamtetat die Gehälter bestimmt, bis zu dem Punkt, daß man auch sagt, und wenn wir im Laufe des Jahres eben ein minus machen, dann ist jeder bereit, auf einen Teil seines Gehaltes zu verzichten, dann entsteht eine Art Solidargemeinschaft. Und diese Sachen entwickeln sich jetzt in der DDR in einzelnen Betrieben. Daß drüben Unternehmer, weil sie den Betrieb halten wollen, mit den Mitarbeitern uns Arbeitern solche Gespräche führen. Und das würde ich für einen gesunden Weg halten.

Und die Menschen, die in dieser Situation sind, die vor der Frage stehen, den Betrieb ganz aufgeben oder in Gemeinschaftlichkeit, in Solidarität, (bis in die) bis in das finanzielle Risiko, eine Vereinbarung, eine außertarifliche betriebliche Vereinbarung zu treffen, die werden zu stärkeren Gemeinschaften zusammenwachsen. Und ich meine, daß in dieser Richtung die ganze Entwicklung gehen muß.

F. Hans (Kamera & Ton): Welche Rolle bleibt den politischen Parteien bei diesem System? Und wie verhält sich das dann mit der Bestückung des politischen Parlaments? Das wären dann ja nach der Fachkompetenz geordnet lauter Juristen.

Siegfried Woitinas: Ja, nach Fachkompetenz werden diejenigen Gremien sein, die hier im wirtschaftlichen oder kulturellen Raum sind und die Besetzung des sogenannten politischen Parlamentes - ob das jetzt ein Stadtparlament ist, ein Landesparlament - das wird ausschließlich von den Menschen besetzt sein, die die Sicherheit, die Grundrechte des Bürgers beanspruchen. Die zum Beispiel sagen, wir wollen hier in unserer Landschaft kein Atomkraftwerk, weil es nach wie vor einen Unsicherheitsfaktor darstellt, das ist eine (- ist eine) Grundrechtsfrage auf Schutz des Lebens, auf Recht, auf Unversehrtheit des Lebens, wie es im Grundgesetz der Bundesrepublik ja theoretisch uns zugesichert ist. Und das Vertretern dieser Grundrechte, das ist Aufgabe der Bürger, Bürgerinitiativen, und da würde ich sagen, ob eine Vertretung aus einer Bürgerinitiative oder einer Partei kommt, das wird sich eines Tages relativieren. Und die Tendenz geht meines Erachtens dahin.

Kameramann: Das heißt, daß die Geschichte läuft scheinbar Ihrer Meinung nach in die Richtung, daß die politischen Parteien immer kleiner werden und verschrumpfen, und daß immer mehr Bürgerinitiativen, die auch wieder nach Sachkompetenzen gegliedert sind, politisch tätig werden.

Siegfried Woitinas: Ja. Das zeigt die augenblickliche Entwicklung ganz stark, nicht. Die Auflösung, Zersplitterung der Großparteien, weil sie sich als unfähig erweisen, die Probleme zu lösen, und dadurch bilden sich kleine Parteien, die zumindest zunächst vorgeben, keine Partei zu sein, nicht, wo es heißt, StattPartei, oder "Wir machen Politik ohne Parteibuch", das ist im Grunde eine Versammlung von parteilich nicht gebundenen Bürgern, die einfach ihre Bürgerinteressen geltend machen wollen. Das wird die Richtung sein.

Und ich glaube, Menschen, die nur solche Grundinteressen vertreten, die sagen, hier kein Atomkraftwerk, kein Müllheizkraftwerk, oder keine Fernstraße, das sind die berechtigten, aus der unmittelbaren Lebenssituation erlebten Bedürfnisse, die sie geltend machen wollen, da braucht man nicht unbedingt Fachkompetenz, sondern da ist jeder Bürger Fachmann für seine Lebenssicherheit, nicht, daß ich möglichst reines Trinkwasser haben möchte, da brauche ich kein Fachmann zu sein, das entspricht meinem Lebensbedürfnis, und das möchte ich geltend machen. Und das möchte ich geltend machen gegenüber der Ansiedlung, sagen wir mal, eines chemischen Werkes, was also viel chemischen Ausstoß hat. Und das ist das berechtigte Grundbedürfnis eines Menschen. Das vertrete ich nicht als Fachmann. Sondern als Fachmann habe ich dann den Vertreter der chemischen Industrie gegenüber.

Aber ich muß sagen, seine fachlichen Kenntnisse sind mir interessant, aber ich will auf jeden Fall hier, auch wenn die Region wirtschaftlich dann vielleicht nicht so reich wird, aber ich will das - die Gewißheit haben, daß mein Grundwasser einigermaßen geeignet ist, um es zu trinken. Oder, daß der Boden hier nicht verseucht wird und daß die Natur geschont wird. Das ist ein elementares Grundbedürfnis, und das kann jeder Mensch vertreten, ohne Fachmann zu sein. Und da steht nastürlich Wille gegen Wille. Also mein Wille als Bürger gegen die fachliche, gegen den fachlichen Willen eines Chemiekonzerns. Aber aus dieser Konfrontation der verschiedenen Willen, nämlich meinem Bürgerwille nach Sicherheit, nach Lebensgrundlage, das steht gegen den fachlichen Willen eines Fachmanns aus der chemischen Industrie. Aber das ist dann die Verhandlungsebene, und dann wird eines Tages ein - eine Verständigung notwendig werden.

Aber wenn ich in der, in dem politischen Parlament von vorne herein schonmal Freunde der chemischen Industrie drin habe, weil sie von denen hineingehievt worden sind durch Wahlkampfgelder, dann bin ich sicher, daß mein Interesse, mein Lebensinteresse als Bürger dort im Parlament, auch im Stadtparlament nicht vertreten wird. Und deswegen, würde ich sagen, muß eine solche Entfilzung stattfinden, daß ich sage, (die werden), also die Wirtschaftsleute, die werden Ihre Interessen schon vertreten, aber ich muß genauso kompetent wissen, daß ich Menschen, die wirklich nur meine Bürgerinteressen nach Sicherheit, nach Gewährung der Lebensgrundlagen auch mit einer gewissen Radikalität vertreten.

Kameramann: Nach diesem Modell müßten die Parlamentarier gewisse Machtbefugnisse abtreten. Mit welchen Methoden will die Dreigliederungsbewegung vorgehen, um diesen Machtverzicht zu erreichen, beziehungsweise zum Beispiel dieses Kulturparlament zu installieren?

Siegfried Woitinas: Ja, das ist ein Problem des langsamen Wachstums. Also, was wir auf jeden Fall heute nicht angehen können oder was ich für illusorisch halte, daß wir in einer Art parteilichen Organisation über die heutige Wahlordnung Macht erringen, Gesetze in das Parlament einbringen, die das durchsetzen, also von oben nach unten durchsetzen. Das halte ich für nicht gangbar heute in der augenblicklichen Situation. Was ich aber für machbar halte, und das geschieht einfach, daß Menschen kulturelle Einrichtungen begründen, eigenständig arbeiten, Kulturstätten gründen, wie wir das

hier zum Beispiel im Forum3 als Jugend- und Kulturzentrum gemacht haben vor 25 Jahren, und die Arbeit so effektiv läuft, weil wir sie selbst organisieren, und zwar auch im Kleinen, nach den von mir beschriebenen Prinzipien. Das wird anerkannt als effektiv. Effektiver wie zentral von außen gesteuerte, vergleichbare städtische Einrichtungen. Und wenn gesehen wird von anderen Menschen, daß das effektiver ist, dann werden auch solche Einrichtungen sich im Laufe der Zeit sich vermehren können, sie werden untereinander auch Beziehungen aufnehmen, sich zusammenschließen, und sie werden das alte System, das zentral gesteuerte System langsam von unten nach oben durchwachsen.

Das zeigt auch die Waldorfschulbewegung, die Bewegung nach freien Schulen, daß innerhalb weniger Jahre von ursprünglich 30 Schulen ein Wachstum auf 150 Schulen in der Bundesrepublik stattgefunden hat. Weil die Menschen es machen. Weil sie die vorhandenen Grundrechte auch in Anspruch nehmen, auch einklagen, auch das Recht auf Gleichfinanzierung einklagen aufgrund des Artikels 3, der den Menschen ja verspricht Gleichbehandlung, und das ist ein langsamer, mühsamer, ich sage mal jetzt, Kulturkampf, der stattfindet. Und auf diesem Wege müssen wir von unten nach oben solche Einrichtungen, die auf der Selbstgestaltung, Selbstverwaltung der Menschen arbeiten, vermehren.

Und erst, wenn die stark genug geworden sind, wird vielleicht irgendwann das bis in die Gesetzesebene, bis in die politische Ebene zu einem Gesetz werden, daß man sagt, also, hier werden eines Tages freie Schulen gleich behandelt, und zwar wirklich gleich behandelt, wie vom Staat begründete Schulen.

Heute sind Staatsschulen überprivilegiert, nicht, weil sie hundertprozentige Finanzierung bekommen, und alle Schulen in freier Trägerschaft kriegen nur einen Prozentsatz. Das ist eine Ungleichbehandlung, die im Grunde grundgesetzwidrig ist.

Und das ist ein langwieriger Kampf, der nicht gewonnen werden kann, indem man nur Forderungen stellt nach Gleichbehandlung, sondern, man muß zeigen, daß wirklich Schulen und Kultureinrichtungen aus eigener Initiative, wo nämlich hier diese Phantasie und Initiativkraft der Motor ist, daß das wesentlich effektiver ist im Laufe der Zeit als eben zentral gesteuerte, vom Staat eingerichtete, fernverwaltete Einrichtungen.

M.: Ist es nicht so, daß bei der heutigen Zentralisierung, die stattfindet, wenn wir also zurückgreifen auf die Gründung der BRD, und sehen, daß wir die Demokratie eingeführt und eine dezentrale Richtung eigentlich vorgegangen sind, aber durch die Interessenlosigkeit der Bürger, die letztendlich nur haben möchten und sich auf diesem ausruhen möchten, nämlich des anderen, letztendlich keine eigene Arbeit zu investieren, ist es da nicht letztendlich die Schuld des einzelnen Bürgers selbst, daß es zu einer Zentralisierung überhaupt kommen konnte?

Siegfried Woitinas: Ja, bin völlig Ihrer Anschauung. Und die Trägheit der Bürger, eben Initiative zu ergreifen trotzdem sie heute genügend Freizeit haben und stattdessen lieber vor dem Fernseher sitzen und sich berieseln lassen, die ist ein wesentlicher Grund, daß wir heute da stehen, wo wir stehen. Und deswegen glaube ich, daß erst die Not der Menschen größer werden muß, die Arbeitslosigkeit der Menschen größer werden muß, auch die Zerstörung der Umwelt und damit auch die Vergiftung des eigenen Körpers noch größer werden muß, bis die Menschen so erschüttert werden und zu Fragen kommen, wie man es denn machen könnte, sie dann zu einer größeren Eigenaktivität aufgerufen werden.

Sebastian Schöck: Das heißt, letztendlich müßte es wieder zu einem Krieg kommen, um dann zu erkennen, daß dieser Weg nicht der richtige war und wir einen neuen gehen?

Siegfried Woitinas: Das geschieht zumindest in einigen europäischen Ländern heute. Aber ich würde nicht sagen, wir müssen erst einen Krieg herbeiwünschen oder kommen lassen, sondern ich meine, wir müssen intensiv diese Dinge funktionell vorher begreifen. Wir müssen Einrichtungen schaffen, in denen wir schon üben, ein gegliedertes Verwaltungssystem, und das geht auch, daß man in einem Betrieb solche Einrichtungen zum Beispiel gliedert, daß man sagt, hier, wir schaffen, zum Beispiel im Forum3, ein Gremium, das wirklich forscht, das ist unsere, unser geistiger Arbeitskreis, wo die Zukunft, die zukünftigen Veranstaltungen besprochen, erforscht werden. Man kann sagen, das ist Projektentwicklung, ja. Das hat nichts zu tun mit dem Verwalten. Und das, was hier einfach an Verwaltung notwendig ist im Forum3, das geschieht in einem extra Kollegium auch in einem extra Rahmen. Und da, wo praktische Arbeit geleistet wird, handwerkliche Arbeit geleistet wird, die muß ja auch geschehen, das geschieht eben auch in dem Bereich mit den Menschen, die praktisch arbeiten.

Also wir haben auch hier im Hause eine solche gegliederte Selbstverwaltung.

Und das wird zwar zusammengeschaut, das kommt zusammen letztendlich, aber die Gespräche über das, was machen wir in der Zukunft, was ist im Moment organisatorisch, rechtlich notwendig, bis zu dem, was, wie eben die Arbeit im Praktischen durchgeführt wird, das sind in sich gegliederte Bereiche, und das funktioniert. Und wenn Menschen hier mitarbeiten, dann sagen sie, warum ist das nicht auch so selbstverständlich in anderen Betrieben? Weil es viel stärker auch die Eigeninitiative auch der Menschen einbezieht, die im praktischen Bereich hier tätig sind, oder die hier eben im ideellen Bereich tätig sind.

Also wir haben auch hier im Forum 3 eine solche strukturelle, betriebliche Dreigliederung eingeführt, und die Gliederung findet statt durch spezielle Gesprächsorgane, soziale Organe. In der Wirklichkeit geht alles durcheinander, das ist klar. Da geht das Technische, die einzelnen Arbeitsgruppen mit dem Organisatorischen - wenn Sie von außen reinkommen, sieht man das nicht. Sondern man kann die Gliederung nur entdecken, indem man mitarbeitend hier eintaucht oder sich dann darüber informiert. Dann merkt man, aha, Verwaltungsfragen organisatorische Fragen, die kann ich nur besprechen, wenn das Organisationsgremium unserer Mitarbeiterbesprechung zusammen ist. Oder, ideelle Dinge, die kann ich nur einbringen und erfragen, wenn hier zum Beispiel unser Infomarkt tagt, wo also alle Menschen, die die Gruppen machen oder die in Gruppen sich beteiligen wollen, die Ideen haben, hier zusammenkommen. Oder technische Fragen, die eben wirklich an den technischen Leiter und seine Arbeitsplanung dann herangetragen werden, ja? Dann merkt man plötzlich, daß hier eine gegliederte Struktur vorhanden ist. Äußerlich sieht man das nicht. Das sehen Sie draußen in der Gesellschaft auch nicht, sondern man muß wirklich in die Funktionen hineingehen, dann sieht man, welche Art der Struktur vorhanden ist.

M.: Ja, aber so, wie ich das eben verstanden habe, heist das daß dann also oben in der Forschungsabteilung letztendlich wieder die leitenden Personen auch mit integriert werden, die dann eben die ganze Koordinationen für die Produktion und für diese Menschen leisten, die aber letztendlich, so wie ich das richtig vielleicht - oder ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe, - gar nichts letztendlich also mitzubestimmen haben, sondern letztendlich die Anweisungen, die oben beschlossen wurden, letztendlich halt ausführen als - Handwerker?

Siegfried Woitinas: Ja, das ist aber gut, daß Sie das fragen. Und das wäre ein falscher Weg, wenn man sagt, was hier erforscht wird und gemacht werden soll, wenn das einseitig nur nach unten durch die Verwaltungsabteilung geht, hier beschlossen wird und hier unten gemacht werden soll. Das wäre genau das falsche Prinzip. Und das findet ja heute durchaus in der neuen Welle der Wirtschaftsentwicklung, der Betriebsentwicklung statt, daß man sagt, gut, das geschieht schon so, aber jetzt findet der zweite Prozeß statt. Jetzt wird das, was hier entwickelt wurde als Idee, als Produkt zum Beispiel, hier empfangen, und jetzt sagen die Leute, die es praktisch ausführen müssen, geht das überhaupt. Unter welchen Bedingungen läßt sich das durchführen, und jetzt gibt es ein Echo zurück, das sagt, ja, ihr habt das schön ausgedacht, aber das stößt auf die und die Schwierigkeiten. Wir müssen zum Beispiel die Maschinen in einem so hohen Maße umstellen, daß das zum Beispiel auch, falls das hier oben nicht schon brerücksichtigt wurde, so hohe Kosten oder einen solchen Stillstand der Produktionsabteilung bewirken würde, daß ein hoher Arbeitsausfall ist und so weiter, so daß also hier auch ein Wechselgespräch stattfindet, und das ist etwas, was heute in einigen Betrieben im Sinne der von den Japanern übernommenen Methode des Krai Zen (?) praktiziert wird. Also man kommt aus der Praxis heraus einmal darauf, daß man das trennen muß, funktionell, aber, daß eine Wechselwirkung, also ein Wechselgespräch zwischen diesen beiden Organen stattfinden muß. Und das geht aber nur, wenn man hier Organe schafft. Wenn hier ein Betriebsleiter sitzt, der quasi zentral von oben nach unten dirigiert, wer was zu tun hat, wie es bis jetzt gewesen ist, zum Beispiel auch bei Daimler Benz bis jetzt gewesen ist, dann wird es ein Riese, der zum Sterben verurteilt ist, weil er nicht mehr wirklich leistungsfähig ist, sondern die Rückmeldung von der produzierenden Basis, von der praktischen Basis ist unbedingt notwendig, und dadurch entsteht Leben, und dieses Leben muß hier in der Mitte vermittelt werden durch die sogenannte Verwaltungsabteilung.

Und das ist das, was wir hier im Gesamtgesellschaftlichen auch haben. Daß wir auf der einen Seite funktionell auseinandergliedern müssen diese Bereiche der wirtschaftlichen Produktion und der geistigen Produktivität, ist ja auch produktiv, wenn Ideen und Fähigkeiten bei Menschen ausgebildet werden, aber es muß im Wechselgespräch bleiben, und die Vermittlung geht dann über dieses politische Parlament.

M.: Dann könnten wir also jetzt hingehen und die Worte Forschung und Produktion streichen und dort für die Forschung (Politiker, Politik) Politiker einsetzen und...

Siegfried Woitinas: Für die Forschung?

M.: Ja.

Siegfried Woitinas: Nein, da würde ich sagen, das sind die Menschen des Kulturlebens, nicht die Politiker, die würde ich hier also in der Mitte einsetzen. Wenn ich das vergleiche, das makrosoziale, gesellschaftliche soziale System mit dem betrieblichen. Hier wird nichts Inhaltliches ermittelt, hier wird nur beschlossen ob das, was inhaltlich als Neuerung gemacht wird, als neue Idee, ob das hier produziert wird, das wird hier beschlossen. Aber erst nachdem eine Korrespondenz zwischen der Forschungsabteilung, man kann auch sagen, hier, das ist der geistige Teil, hier kommt die Idee, die wird hier ermittelt, und hier unten, da wo wir das Blau haben, da kommt dann das Produkt raus. Hier haben wir Produktion, hier ist dann das Produkt. Und hier in der Mitte, da wird gesehen, ob das machbar ist, wie das im Verhältnis steht, Innovation in der - zum Verhältnis der ökonomischen Nutzung der vorhandenen Maschinen, zum Rohstoff und so weiter. Das wird in der Forschungsabteilung nur bis zu einem gewissen Grade ermittelt.

Während, wenn in der Forschungsabteilung (er meint Produktionsabteilung, Schöck) sofort die Blockade ist, ja, dann müssen wir ja unseren ganzen Maschinenpark erneuern, und das passiert in der tat, das wäre nämlich am ökonomischsten immer das weiterzumachen, was man immer gemacht hat, ist die Trägheit in diesem Gebeiet. Hier oben in diesem Gebiet ist nicht Trägheit, sondern ist Dynamik vorhanden. Also, die Produktionsabteilung wird immer sagen, das kenne ich auch von uns hier im Hause, daß unser technischer Leiter immer sagt, ja das geht nicht. Das ist verständlich, ja? Und deswegen braucht er die Leute, die sagen, ja, dann probier doch mal, ob das nicht auf einem anderen Wege doch zu realisieren ist. Also dieses Gespräch zwischen diesen beiden Polen muß sein. Und das vermittelnde Element, das ist dann in der Mitte, das würde dem Politischen im Makrosozialen entsprechen. Und das würde ich hier mit dem geistig-kulturellen Gebiet, und hier das dem Wirtschaftlichen entsprechen.

Sebastian Schöck: Wie können denn diese drei gegliederten Bereiche miteinander durchlässig werden, das heißt also, es muß ja betont werden, daß jeder Mensch ein leibliches, vielleicht ein seelisches und ein geistiges Wesen ist. Also eigentlich könnte auch der Fließbandarbeiter der Forschungsabteilung mal den heißen Tip geben.

Siegfried Woitinas: Richtig.

Sebastian Schöck: Und so, daß da also diese vielleicht funktionale Gliederung vielleicht nicht identisch ist mit einer personellen Gliederung, so, daß man also nicht sagen kann, wenn du jetzt ein Wirtschaftsmanager bist, dann darfst du nicht ins politische Parlament, weil - oder du darfst nicht im Kulturrat sitzen, sondern, also diese Durchlässigkeit, der Austausch -

Siegfried Woitinas: Also, ich würde sagen, das ist jetzt mehr institutionelle Gliederung so, wie ich das hier auch skizziert habe, deswegen habe ich geschrieben: Einrichtungen des Kultur- und Wirtschaftslebens. Und wenn wir uns das genauer anschauen, würden wir sagen, in jedem Betrieb - müßten wir eigentlich hier rein zeichnen - da gibt es einen kulturellen Bereich, in dem auch wirklich geforscht wird, ausgebildet wird, Lehrlingsausbildung und so weiter, Facharbeiterausbildung, das gehört in einem Betrieb zum geistigen Teil. Und dann haben wir hier den Verwaltungsteil in einem Betrieb, und dann haben wir den eigentlichen Produktionsteil.

Also die Elemente, die wir im Makrosozialen finden, die sind in jedem Betrieb auch vorhanden. Und wenn wir uns einen Kulturbetrieb anschauen, dann müssen wir sagen, ja, zum Beispiel ein Theater, da ist aber der kulturelle, der geistige Teil, wo etwas Geistiges produziert wird zwischen den Menschen, eine Aufführung hergestellt wird, der ist sehr groß. Die haben auch einen Verwaltungsteil, auch in einem Kulturbetrieb, in einem Theater, und jetzt kommt ein volkswirtschaftliches Phänomen, wir haben natürlich auch Materialbearbeitung. Und jetzt sieht man, daß ein wirtschaftlicher Produktionsbetrieb im klassischen Sinn, also sagen wir, eine Holzfabrik, Möbelfabrik, bei denen ist der Forschungsteil nicht sehr groß, der der Verwaltung auch nicht, aber der Produktionsteil ist sehr groß. Und noch etwas anderes, hier findet ein Produktausstoß statt, der den Reichtum bildet, der also quasi auch kapitalbildend ist. Er schafft Produkte, die verbraucht werden können und für die Geld eingenommen wird.

In einem Kulturbetrieb ist es genau umgekehrt. In einem Kulturbetrieb wird Meterial verbraucht, und Geld muß dafür zur Verfügung gestellt werden, von außen. Es wird was Geistiges produziert, nicht, wenn ich eine Aufführung gesehen habe, die ist weg, löst sich in Luft auf, die ist nicht beständig. Und dazu braucht ein Theater das Material.

Also jeder Kulturbetrieb, ob eine Schule, ein Forschungsbetrieb oder ein Kunstbetrieb wie ein Theater, verbraucht Material und Geld. Aber es erzeugt geistige Werte: Theateraufführung, Forschungsergebnisse, Ideen und Fähigkeiten. Und ein Wirtschaftsbetrieb erzeugt materielle Waren, die die Grundlagen des wirtschaftlichen Reichtums sind, für die dann auch Geld eingesetzt werden kann, aber sie verbrauchen in gewisser Weise die Ideen und die Fähigkeiten und die Kraft der Menschen. Hier wird der Mensch verbraucht mit seinen Ideen, gebraucht oder verbraucht. Hier ist es umgekehrt, hier wird Ideelles produziert und Materielles verbraucht.

Und das muß man auch sehen, daß im Grunde jedes kulturelle Unternehmen oder das ganze Kulturleben immer kapitalverbrauchend ist. Es gibt keinen Kulturbetrieb, der durch sich selber eigentlich existenzfähig ist. Während das ganze Gebiet des Wirtschaftslebens, das gesamtgesellschaftliche, das ist Warenerzeugend, Werte erzeugend, also materielle Werte erzeugend, und damit auch das Geld mit erzeugend.

Denn nur, was ich hier an Waren erzeuge, dafür kann ich eigentlich Geld herausgeben als Bundesbank. Da muß ein gewisses Verhältnis bestehen. Und aus der Menge des Geldes kann ich dann auch das Kulturleben finanzieren. Ob privat oder nicht, als Besucher des Theaters oder über die Steuer. Das sind zwei Wege, aber auf jeden Fall, hier werden Materialien verbraucht, hier werden Materialien hergestellt. Das ist ein ganz elementarer Gegensatz, den man erkennen muß, und deswegen ist hier das ökonomische Prinzip, das kann man drehen und wenden, wie man will, am richtigen Platz. Wenn ich hier Freiheit walten lassen, das heißt, jeden einfach drauflos wirtschaften lasse, und besonders die Großbetriebe in Konkurrenz wirtschaften lasse, dann ist das kriminell.

Sebastian Schöck: Aber nochmal, ist es möglich, in diesem dreigliedrigen System mehrere Funktionen gleichzeitig auszuüben, weil heute ist es ein schwerer Vorwurf an einen Politiker, wenn er gleichzeitig in einem Wirtschaftsbetrieb seine Fähigkeiten einsetzt. Aber manchmal, also könnte er das - also ein Mensch könnte doch theoretisch in der Forschungsabteilung, in der Verwaltungsabteilung und in der Produktion, wenn er die Kraft hat, drei Achtstunden-Schichten zu machen.

Siegfried Woitinas: Ja, durchaus. Nur schauen Sie, jetzt muß man wieder gliedern. Ich würde sagen, ein Forscher tut gut, auch einen Arbeiter aus dem Produktionsbereich zu Rate zu ziehen, um sein Produkt schon möglichst gut bis in das Praktische hinein zu entwickeln. Aber ich muß den Mann, der hier unten in der Produktionsabteilung sitzt, nicht abstimmungsberechtigt machen. Aber ich würde immer sagen, ihn zu Rate zu ziehen. Während umgekehrt, und dadurch kann er auch hier bei den Entwicklungen dabei sein, oder ich hole ihn mir, wenn ich klug bin - und es hat auch immer Menschen gegeben, die dies Klugheit hatten, die Menschen einbezogen haben als Berater - und dadurch tritt er mit seiner geistigen Kapazität hier in dem Bereich auf, nicht als Handarbeiter, sondern mit seiner geistigen Erfahrung, die er als Handarbeiter hat, und sagt, wenn wir dieses Ding anders formen, dann ist die Arbeitszeit die Hälfte, die ich brauche, um das Ding dann einzubauen. Das kann mir ein Mensch aus der praktischen Produktionsabteilung durchaus als Forscher sagen, in der Produktentwicklung. Aber dazu braucht er nicht hier stimmberechtigt zu sein.

Und umgekehrt kann derjenige, der hier in der Forschungssbteilung sitzt, neue Ideen entwickelt, auch hier durchaus mitmachen, aber ohne, daß er jetzt organisierend in die Produktion eingreift, das ist nämlich ein Unterschied. Daß aus der Kenntnis von bestimmten Gesetzmäßigkeiten - möglichst kurze Wege und so weiter - ökonomisch produziert werden kann, da wissen die Leute am besten Bescheid, die ja täglich dadrinstecken. Und insofern würde ich sagen, daß hier auch der Austausch und das Einbeziehen in diese Sitzungen von Forschung beziehungsweise von Produktion durchaus der Austausch von Menschen, also der persönliche Austausch, außerordentlich gewinnbringend ist, sozial fruchtbar ist. Bis zu dem, daß die Leute auch in der Verwaltung gehört werden, und aber - jetzt kommt der entscheidende Punkt - aber nicht mithineinreden dürfen.

Wir machen das hier zum Beispiel auch im Forum, das wir sagen, auch Leutee, die gar nicht an der Ideenbuildung unbedingt beteiligt sind, aber wir tragen ihnen unsere Ideen vor, also Menschen, die im technischen Bereich tätig sind oder irgendwo im praktischen, die werden einbezogen, damit wir das Echo kriegen, wie findet ihr das, wenn wir das so machen. Und dadurch entsteht ein Austausch, ohne, daß jetzt eine Verfilzung entsteht, und da liegt das Problem. Der Filz, dadurch, daß zum Beispiel hier in der Bundesrepublik viele Menschen in Aufsichtsräten drinsind und die Entscheidungskompetenz haben. Und durch die Entscheidungskompetenz lösen sie sich ja auch aus ihrem speziellen Gebiet, wo sie befähigt sind, heraus. Und da liegt das Problem. Und das muß man aufheben, daß man sagt, eine möglichst intensive Zusammenarbeit, Beratung, gemeinsames entwickeln von Dingen, Austausch, aber die Kompetenzen der Entscheidungen, die müssen getrennt werden.

Wenn wir zum Beispiel unseren Oberbürgermeister Rommel sehen, der ist auch zugleich Aufsichtsrat bei den Elektrizitätswerken, nicht, die eben auch Atomkraftwerke betreiben, da würde ich sagen, der vertritt nicht mich als Bürger, kann er gar nicht, wenn er nämlich den Profit seiner Elektrizitätswerke optimieren muß. Wenn er aber als Bürgermeister, also als Vertreter der Bürgerschaft drin säße im Aufsichtsrat, aber dort nicht mit beteiligt wäre, ja, das heißt für den Gewinn der Elektrizitätswerke sorgen müßte, dann kann er ruhig da sitzen. Dann kann seine Stimme als oberster Bürger auch einbringen, das würde ich für gut halten. Aber er muß sich entscheiden, vertritt er mich als Bürger, also hier aus der rein rechtlich-politischen Position, meine elementaren Bedürfnisse, oder vertritt er hier in der Elektrizitäts-AG die Interessen nach Optimierung des Gewinns. Da würde ich sagen, dann muß er sich entscheiden. Sondern wenn er beides hat, dann entscheidet er sich natürlich dafür, wo am meisten für ihn persönlich rausspringt. Und das geht nicht. Und das muß man glaube ich durchaus trennen. Im institutionellen, im kleineren Bereich sehe ich das durchaus für möglich, daß jemand hier arbeitet und hier auch mitarbeitet, ja. Aber in dem Augenblick, wo es mit Macht verbunden ist, da, glaube ich, ist es ganz wichtig, daß man diese Dinge möglichst auch personell trennt. Immer, wo es mit Macht verbunden ist.

Sebastian Schöck: Und wenn er keinen Vorteil hätte, wenn er in zwei Positionen sitzt. Also wenn er jetzt - er könnte ja eine Entscheidungskompetenz im wirtschaftlichen Bereich haben bei den Elektrizitätswerken, ohne, daß er jetzt beim Gewinn beteiligt wird. Vielleicht ist da der Hase im Pfeffer begraben, daß er - ?

Siegfried Woitinas: Ja, ich glaube, daß heute Menschen, ich will das nicht so direkt über Bürgermeister Rommel sagen, aber, ich glaube, daß die Menschen heute noch nicht so weit sind, sachlich zwei Positionen selbstlos zu vertreten. gerade weil die Menschen heute das noch nicht können glaube ich, es ist gut, sie vertreten eine Position sehr entschieden, und ein anderer Mensch vertritt die andere Position. Und da, wo die beiden dann zusammenkommen, daß man dann sagt, gut, das ist also wirklich aus zwei unterschiedlich, sauber getrennten Positionen ein zustandegekommener Vertrag.

M.: Selbstlos zu sein, das ist ja völlige Opferbereitschaft, die vielleicht das Ideal ist, haben wir leider nicht heutzutage, wo ja immer der Ego vorgeschoben wird und dieser ja auch kräftigst gemeistert werden soll, jetzt die zweite Frage: Bei der Produktion werde ich als (- als) kleiner Handwerker eingeladen in die Forschung, um dort einen kleinen Punkt, die vielleicht dort als problematisch zu sehen sind, bearbeitet werden, wo - also, wenn ich jetzt schon selbstlos wäre, wäre das kein Problem für mich, aber jetzt steht die Frage an, warum sollte ich irgendwelchen Leuten irgendwie ihren Profit noch höher treiben selbst aus irgendwelcher Selbstlosigkeit meinerseits, die letztendlich ja aber für mich nichts bringt?

Siegfried Woitinas: Ja, und da sind die Menschen durchaus heute schon so clever, daß sie feststellen, wenn das Gehalt am Jahresende von allen gemeinsam aufgeteilt wird, daß jeder Arbeiter weiß, je mehr Erfindungen ich geltend mache, die eine ökonomische Produktion ermöglichen, desto höher ist am Jahresende der Gesamtgewinn und kann auch auf die einzelnen Gehälter verteilt werden. Und da ist es zum Beispiel in Japan so, daß im Schnitt pro Jahr von jedem Arbeiter etwa 50 Erfindungen und neue Ideen eingebracht werden. Und in der Bundesrepublik ist der Schnitt der von einem einzelnen Arbeiter in einem Betrieb geltend gemachten neuen Ideen 0,5. Tragisch. Tragische Phantasielosigkeit, weil man die Menschen nicht mitbeteiligt,

und das hängt mit dieser neuen, jetzt von einigen deutschen Betrieben übernommenen Methode des Krai Zen zusammen, daß der Arbeiter jetzt geschult wird, gedrillt wird, erzogen wird, natürlich im Interesse der Großbetriebe, um seine, auch nicht nur seine Muskelkraft einsetzen zu können, sondern auch seine Ideenkraft.

M.: Hat das nicht wieder letztendlich zur Folge, daß ich riesige Monopole schaffe, die mit tausenden, Millionen von Menschen besetzt ist und letztendlich aber einer irgendwo doch steht und sagt, hier, ich bin der Chef.

Siegfried Woitinas: Diese Frage ist schon auf jeden Fall gegeben. Aber Sie haben ja nach der Selbstlosigkeit gefragt, insofern würde ich sagen, ist das Einbringen von Ideen aus allen Arbeitsbereichen, aus allen drei, nicht, auch aus der Verwaltung, daß man sagen kann, es kommt immer dem Betrieb als Ganzen zugute. Und das ist das Entscheidende. Wenn ein Arbeiter, ein leitender oder ein einfacher Arbeiter sich mit dem Betrieb identifiziert und sagt, das Wohl des Betriebes ist letztendlich auch mein Wohl, dann wird er Interesse haben - eindurchaus selbstisches Interesse haben - das Wohl, das heißt die Produktivität des Betriebes zu steigern. Er wird sich engagieren, eben auch Ideen zu haben und sich auch anstrengen, seine volle Einsatzkraft willensmäßig, arbeitsmäßig wie auch Ideenmäßig einzubringen.

M.: Ja, dann wird er aber doch sagen, wenn ich den Betrieb fördern möchte - ein Arbeiter bekommt 30.000 Mark im Jahr, ich selbst bekomme 300.000, ich selbst benötige nicht soviel, sagen wir ich nehme nur 50.000, dann sind 250.000 im Betrieb, um den Betrieb zu fördern und so die Mitarbeiter und ja eigentlich den ganzen Betrieb letztendlich zu effektivieren und zu vergrößern in das Unermeßliche, wenn noch mehr (??) zusammenkommen.

Siegfried Woitinas: Na ja, aber ich habe schon gesagt, selbst wenn der Zugewinn am Ende des Jahres durch bestimmte Prämien am Ende des Jahres nicht sehr groß ist, aber es ist ein kleiner Zugewinn, auch für den Arbeiter, der nur ein relativ kleines Gehalt hat.

Sebastian Schöck: Es gibt Prämien dafür?

Siegfried Woitinas: Es gibt Prämien, jaja. Das ist dann der Anreiz für den Egoismus. Ob das letztendlich dann gut ist, das müssen wir offen lassen, aber ich würde sagen, es ist auf jeden Fall schon ein kleiner Fortschritt gegenüber der absoluten Unmündigkeit des heutigen Arbeiters, der gar nichts zu sagen hat, sondern nur zu gehorchen hat und das ausführen muß, was von oben angeordnet wird. Und deswegen setzen wir in der anthroposophischen Sozial- und Wirtschaftswissenschaft immer auf Entwicklung. Und es wird, wenn der Arbeiter es begreift, daß er selbst beteiligt ist an der Stabilität des Betriebes, an der Produktivität und damit auch an der Konkurrenzfähigkeit, er wird mehr Persönlichkeit im Betrieb sicher auch einsetzen, wird er einsetzen. Und das wird auf die Dauer, wenn ers begreift und sich nicht nur weiterhin auch ausbeuten läßt, das wird dazu führen, daß er auch seine persönliche Mündigkeit in weitergehenden Betriebsentscheidungen einbringt.

Zum Beispiel, wenn trotz aller Anstrengungen der Betrieb keinen Gewinn mehr abwirft, sondern in die roten Zahlen kommt, wenn eine Betriebsgemeinschaft gewachsen ist, dann wird es nicht heißen, 50 Prozent der Arbeiter werden entlassen und es werden Maschinen eingestellt, also Roboter, sondern man wird gemeinschaftliche Entscheidungen treffen, wie man dieses Defizit auffängt. Und dadurch würde eine andere Dynamik in der wirtschaftlichen Entwicklung möglich werden. Wenn der Arbeiter sagt, es ist mein Betrieb, nicht, es ist dein Betrieb als Unternehmer -

M.: Das würde ja jetzt wirklich heißen, daß man also den ganzen Betrieb eigentlich aufteilen müßte und selbst der kleinste Arbeiter Kapital - Anteile am Geschäft oder am Betrieb besitzen muß.

Siegfried Woitinas: Das ist ein Modell, was es gibt, aber das muß nicht sein, daß jeder Arbeiter einen Anteil, also finanziell am Betrieb hat.

Wir haben hier zum Beispiel auch keinen Anteil an unserem Betrieb. Wir haben einen Jahresumsatz von 1,7 Millionen insgesamt, davon ist etwa ein bestimmter Posten von - ich glaube 700.000 Mark sind Gehälter, und wir arbeiten trotzdem alle voll verantwortlich. Jeder Einzelne fühlt sich für das Ganze verantwortlich, weil wir wissen, am Jahresende schlägt sich das Erreichen der Jahresplanung für und positiv nieder, oder wenn wir den Jahresumsatz nicht erreichen, schlägt sich das negativ nieder.

Trotzdem ist jeder engagiert, das seine beizutragen, daß der ganze Betrieb so läuft, wie wir es am Jahresanfang geplant hatten. Da brauchen wir keine Kapitalbeteiligung. Das Ganze ist neutral, das gehört dem Verein, und wenn der Verein eines Tages als Eigentümer des ganzen Hauses das aufgeben sollte, weil wir aussterben oder weil keine Besucher mehr kommen, das kann immer passieren, dann geht das Vermögen dieses gemeinnützigen Vereins, des ganzen Hauses mit seinem Wert von 6 Millionen, an einen anderen gemeinnützigen Träger über, und dann werden andere Menschen kommen, die dieses Haus im gemeinnützigen Sinne benutzen. Also wir brauchen keine Kapitalanteile an dem Haus, um uns hier zu engagieren, und ich glaube, daß das auch in anderen Betrieben, Wirtschaftsbetrieben möglich ist, daß man einen Betrieb führt als Gemeinschaft, Betriebsgemeinschaft, daß man den sogar neutralisiert vom Eigentum her und ihn nicht verkäuflich macht. Und da sind bestimmte Vorschläge auch vorhanden, daß wir sagen, jeder Betrieb, der eines Tages seine Mitarbeiterschaft verliert, weil sie auswandern wollen oder ausgestorben sind, wird in seinem betrieblichen Vermögen an einen anderen übergeben, ohne, daß der den kaufen muß.

Denn das Kaufen von Betrieben, oder verkaufen, schafft ja keine neuen wirtschaftlichen Werte, sondern ist ein lediglich - ein Übertragen eines bereits geschaffenen Wertes von Produktionsmitteln und kann an eine andere Gruppe von Menschen übergeben werden, die darin etwas anderes produzieren wollen.

Das heißt, wir brauchen überhaupt keine Verkaufsmöglichkeiten eines Betriebes mit einplanen, sondern nur das Recht zu regeln, Betriebe, die für eine bestimmte Produktion nicht mehr gebraucht werden, an eine andere Gruppe von Menschen zu übergeben, die dann was anderes dadrin produzieren. Und das sind alles Dinge, die zwischen Menschen auf der rechtlichen Ebene vereinbart werden können, meine ich.

Zumindeste geht das auch für Kulturbetriebe. Wir haben im anthroposophischen Sektor soviel ich weiß keine, kein privates Eigentumsrecht. Wenn ich - 150 private Waldorfschulen der Bundesrepublik - ich weiß nicht, wieviele heilpädagogische Heime, Kultureinrichtungen, die alle in einem gemeinnützigen Eigentum sind, nicht dem privaten Eigentum und nicht dem staatlichen Eigentum, sondern, die (ein privates) ein gemeinnütziges Eigentum darstellen, das niemand verkaufen kann. Sondern es kommen immer wieder neue Menschen und arbeiten in dieser Einrichtung.

Und dadurch wird das materielle Eigentum einfach dann von einer Generation auf die nächste weitergegeben, und es bleibt im volkswirtschaftlichen Strom erhalten, und es muß niemand bei dem übernehmen eines Kulturbetriebes 5 Millionen Mark aufbringen, um das abzukaufen und dann weiterarbeiten zu dürfen. Und dadurch ist eigentlich das Nutzen der Einrichtungen und des gesamten Eigentums in die Hände der dort unmittelbar arbeitenden Menschen gegeben, die sich persönlich verantwortlich fühlen, und es ist trotzdem kein verkäufliches Privateigentum. Und das kann man sich vorstellen, daß das auch für Wirtschaftsbetriebe in einer ähnlichen Weise gehandhabt werden kann. (vgl. Wala, Schöck)

M.: Menschen, die in diese Position kommen, haben ja selbst schon ein gewisses Konzept durchlebt und erkannt, daß sie letztendlich gemeinnützig arbeiten möchten.

Siegfried Woitinas: Ja, ich meine, Sie kommen natürlich an bestimmte Grenzen der menschlichen Natur und so, wie der Mensch im Moment ist. Und deswegen müßte ich das Allgemeinwohl entwickeln müssen, um vor Ort mit dem Betrieb, mit dem man sich im Moment verbunden fühlt oder mit dem man im Laufe der Jahre auch menschliche Beziehungen eingeht, daß man aus Interesse für diese Menschen, also für die übrige Gemeinschaft eines Betriebes - oder vielleicht überhaupt das größere Allgemeinwohl wird es in der Zukunft nicht geben. Und das sehen heute zumindest einige etwas kultiviertere Unternehmer, Wirtschaftsführer ein, daß wir sol-

Sebastian Schöck: Herr Woitinas, würden Sie etwas zur Dreigliederung des Menschen sagen, oder zur Gliederung des Menschen überhaupt?

Siegfried Woitinas: Ja, wenn man den Menschen vom Seelischen anschaut, dann ist uns allen klar, daß wir denkende Menschen sind, daß an die Gedanken sich bestimmte Gefühle anschließen, auch an die äußere Welt, an die Erlebnisse der äußeren Welt, und, daß wir außerdem Willensimpulsse haben. Und diese drei Kräfte, das Denken des Menschen, das Fühlen des Menschen, das Wollen, das sind drei Kräfte, mit denen wir in einer ganz unterschiedlichen Weise mit der Welt verbunden sind. Und das ist etwas ganz Elementares vom seelischen Menschen her gesehen, worauf man auch eine gewisse Grundordnung des sozialen Verhaltens aufbauen kann.

Wenn wir miteinander Gedanken austauschen, dann ist das etwas völlig anderes, wenn wir uns miteinander ins Verhältnis bringen, zum Beispiel einen Vertrag aushandeln wollen, dann spielt unser Rechtsgefühl eine sehr starke Rolle. Nicht nur unsere Gedanken, die auf einer sachlichen Ebeen aufbauen, sondern unser Rechtsgefühl, was wir voneinander wollen und so weiter, und auf diesem Rechtsgefühl kommen wir vielleicht zu einem bestimmten Vertrag, und wir erwarten beide voneinander, und zwar als gleiche unter gleichen, daß jeder den Vertrag einhält.

Und dann, wenn wir dann unsere gemeinsam vereinbarte Sache ausführen wollen, dann ist unser Wille gefragt. Es genügt nicht, miteinander zu denken, Gefühle zu haben, sondern, wir müssen es auch durchführen, und das ist Arbeit. Insofern kann man sagen, ganz elementar, das weiß jeder Mensch mehr oder weniger bewußt, daß er diese drei Kräfte hat, und mit - aus dem ergibt sich auch, daß man verstehen kann, warum die heutige Gesellschaft diese drei Urkräfte des Menschen auch respektieren muß in ihrer Gestaltung.

Und vielleicht kann ich das ein bißchen mit der Skizze hier an der Tafel verbinden, ganz grob, daß ich mir das hier anschaue und sage, in dieser Gesellschaft ist eigentlich wie ein liegender Mensch, daß man sagen kann, der Mensch hat hier seine, seinen Denkpol als Gedankenträger, wo er erfinderisch ist, Bewußtsein schafft, dann hier liegt er mit seinem Gefühlsmenschen, mit seinem Herzen in dem Bereiche, wo er einfach dem anderen Menschen gegenüberstellt, seine Rechtsempfindungen geltend macht, und er ragt herein mit seinen Gliedern und natürlich auch mit seinen Armen bis in den Bereich, wo er dann als arbeitender Mensch tätig ist.

Das heißt also, hier der denkende Mensch ist mit seiner ganzen Gedankenkraft eigentlich hauptsächlich ein Mensch, der sich mit dem ganzen Kulturleben, mit dem Geistesleben verbunden fühlt, und er möchte auch, daß seine Gedanken sich in Freiheit dort ausbreiten und entwickeln können. Er muß aber, wenn er Gedanken gehabt hat, sich erst mit anderen Menschen in Verbindung setzen. Er kann nicht einfach handeln. Sondern er muß dann durch diesen Bereich hindurchgehn mit seinen Gedanken und muß sich mit dem anderen Menschen quasi in seinem Rechtsimpuls verständigen und aus diesem sich fühlend, auf der Grundlage des Rechtsempfindens, des sich Verständigens, entstehen dann Verträge, und ganz am Schluß kann man dann sagen, geht das in den Willensbereich über, so daß dann irgenbdwo hier der Mensch als tätiger in die Welt hinaus handelt und dann die Taten sichtbar werden in der Gestaltung eines Hauses oder eines Unternehmens, wo er bestimmte Produkte herstellt.

Und das Erlebnis, daß der Mensch eben wirklich mit seinen Willenskräften in der Welt gestaltend tätig sein möchte, ist einfach ein Urimpuls des Menschen. Wenn ich den Menschen abschneide und sage, du bist ein denkender und ein fühlender, der Mensch würde verkümmern. Genauso, wie wenn ich sage, du bist ein fühlender und ein wollender, aber du darfst deine Gedanken nicht einbringen in die Gesellschaft - er würde ein amputierter Mensch sein. Oder wenn ich sage, du darfst denken, du darfst handeln, aber dein Rechtsempfinden darfst du gar nicht geltend machen - der Mensch wäre auch ein amputierter Mensch. Er würde sich nicht als Vollmensch erleben.

Und da haben wir eigentlich eine ganz elementare Dreigliederung des Menschen, wo man sagen kann, die will der Mensch heute geltend machen. Steiner sagt, wir brauchen diese Grundlage des elementaren Menschenverständisses, um auch demgemäß unsere Gesellschaftlichen Verhältnisse neu zu gestalten. Der Mensch ist kein Einheitswesen. Und insofern macht sich das auch heute in allen sozialen Bestrebungen sehr elementar geltend. Auch wenn die Menschen kein Gedankenbewußtsein von ihrer Dreigliedrigkeit haben, aber sie wollen tätig sein, miteinander gemeinsam arbeiten, sie wollen miteinander ihre Gedanken in absoluter Freiheit austauschen. Das ist elementarer Menschenanspruch des Gegenwartsmenschen, und sie möchten miteinander wirklich auch die Verträge auf einer ganz individuellen Weise miteinander aushandeln und das auch in das öffentliche Rechtsleben mit einbringen können. Insofern ist die Grundlage eines dreigliedrigen Menschen auch die Grundlage eines modernen Sozialverständnisses und einer dementsprechenden Gestaltung. Im betrieblichen Organismus wie auch im gesamten Gesellschaftlichen Organismus.

Sebastian Schöck: Können Sie eine Aufgabe für die Parteien sehen, die sie im positiven Sinne in der Zukunft haben könnten, oder in der Gegenwart?

Siegfried Woitinas: Die Parteien müßten sich sehr verändern, denn sie haben laut Grundgesetz die Aufgabe, in der politischen Willensbildung mitzuwirken, und sie haben dadurch ausgeschaltet die Mitwirkung der Bürger von der Basis her. Sie haben sogar die Mitwirkung der Bürgerinitiativen ausgeschaltet. Sie schalten in hohem Maße auch die verschiedenen Interessenverbände, Naturschutzverbände aus in der poltischen Willensbildung, und das ist etwas absolut Ungutes, was antidemokratisch ist. Und wenn die Parteien sich ändern wollten, müßte sie grundsätzlich eigentlich dafür sorgen, daß möglichst viele Menschen sich mit ihrem politischen Willen einbringen könnten. Sie müßten dafür sorgen, daß einfach auch die Gesetzesinitiativen aus der Mitte der Bürgerschaft eingebracht werden könnten. Das heißt also, sich ganz entschieden auch für plebiszitäre Elemente einsetzen.

Und all das würde bedeuten, daß die Parteien damit ihre Macht einschränken oder aufgeben würden. Sie müßten das Hineinreden aufgeben in kulturelle Aufgaben, in Bildungsaufgaben, und das würde immer mit einem Machtverlust verbunden sein, und ich glaube nicht, daß sie freiwillig auf diese Macht verzichten, im Gegenteil. Das wird ein Kampf sein, daß die Parteien ihre Macht behalten wollen und deswegen glaube ich, daß immer mehr neue politisch orientierte, bürgerorientierete, oder aus der Bürgerschaft heraus entstehende Interessengruppen entstehen werden. Und die müßten zumindest von den Parteien zugelassen wwrden. Eien andere Möglichkeit sehe ich nicht.

Sebastian Schöck: Würde Sie etwas zu den Problemen des EG-Überstaates sagen?

Siegfried Woitinas: Naja. Wenn die EG ein neue Zentralstaat wird -

Sebastian Schöck: Entschuldigung, jetzt heißt es EU, nochmal.

S. Können Sie etwas zur Aufgabe der jetzt entstandenen EU, also der ehemaligen EG, sagen?

Siegfried Woitinas: Naja, Wenn die Europäische Union ein solcher Überzentralstaat wird, wie wir es auch in der Bundesrepublik und in den anderen europäischen Staaten haben, also eine Art Zentralregierung, dann gibt das ein absolutes Chaos, was jetzt schon beginnt, daß zum Beispiel gute Gesetze in einigen Ländern, wie zum Beispiel das Grundwassergesetz, das ein sehr gutes ist hier in der Bundesrepublik, und ein sehr großzügiges gegenüber der Vergiftung der Natur in Frankreich, wenn also die schlechten Gesetze zentral übernommen werden, dann würde ich sagen, dann ist die Europäische Union eine Rückentwicklung gegenüber der Demokratie, und alle Versprechungen, daß es demokratischer werden wird, ist absolute Volksverdummung, denn es ist schon ohnehin schwer, seine Interessen in Bonn geltend zu machen, und wie soll man seine Interessen als Bürger dann auch in Brüssel oder in Straßburg geltend machen, das ist noch viel weiter weg. Also es ist ein Weg weg von der Demokratie.

Daß ein Zusammenschluß auf wirtschaftlicher Ebene notwendig ist, der hat sich ja auch schon entwickelt, in der Wirtschaftsunion, das ist selbstverständlich, das was kommen muß, und daß auch ein grenzüberschreitender Kulturaustausch stattfinden muß auf wirtschaftlichem Gebiete, das ist auch klar.

Aber daß man diese drei verschiedenen Ebenen, von denen wir gesprochen haben, daß man die durcheinandermixt und versucht, sie zentral zu steuern, das führt zu einer absoluten Eigenständigkeit und Verselbständigung, einer Bürokratie, also einer Verbürokratisierung Europas. Und das zeigt sich jetzt schon, daß das also ganz ungute Entwicklungen sind, die eher die Weiterentwicklung blockieren und eine politische Großunion, die die geistige Entwicklung und die wirtschaftliche Entwicklung zugunsten der Konzerne fördert, aber eigentlich die persönliche Initiative und die unmittelbare Mitwirkung der Bürger auf demokratischem Wege verhindert, ist keine Fortentwicklung in die Zukunft, ist eine Rückwärtsentwicklung.

Sebastian Schöck: Können Sie sich eine Zukunftsaufgabe der Gewerkschaften vorstellen und der Arbeitgeberverbände?

Siegfried Woitinas: Die Gewerkschaften haben nach meiner Anschauung im vergangenen Jahrhundert eine große Aufgabe gehabt, die Interessen der Arbeiterschaft zu vertreten.

Sie haben den Arbeitern viele Errungenschaften gebracht, aber sie haben versäumt, selber sich geistig weiterzuentwickeln. Sie sind zur Zeit ein großes Hemmnis geworden, um differenziertere Strukturen auch in den Betrieben zu ermöglichen. Sie sind Gegener der Selbstverwaltung der Betriebe. Damit sorgen sie für die weitere Entmündigung des Arbeiters. Sie sind ein Staat im Staate geworden. Sie sind ein Riesen-Unternehmen auf wirtschaftlichem Sektor geworden. Sie haben große Einkünfte durch die Mitgliedereinnahmen, und sie haben eigene Betriebe gegründet - das hat nichts mit der eigentlichen Aufgabe der Gewerkschaften zu tun.

Wenn die Gewerkschaften eine Aufgabe für die Zukunft hätten, dann würde ich sagen, sie sollten den Arbeitern helfen, in den Betrieben selbständiger mitzudenken, betriebswirtschaftlich denken zu lernen, so daß der Arbeiter verfolgen kann, was betriebwirtschaftlich einfach notwendig ist. Er sollte zu einem Partner der Betriebsleitung werden. Und das wäre für mich eine große Aufgabe, die die Gewerkschaften bis jetzt nicht geleistet haben, sondern sie haben sich als Gegener der Unternehmensleitung hingestellt und im klassischen Sinne des Gegensatzes Kapital und Arbeit gewirkt, das ist überholt, sondern heute muß es heißen, Partnerschaft zwischen Kapital und Arbeit. Und wenn die Arbeiter durch die gewerkschaftliche Hilfe, die ein großes Vermögen hat und das auch leisten könnte, Arbeiter heranbildet, betriebswirtschaftlich, ja volkswirtschaftlich denken zu lernen als Partner der Unternehmensleitung, dann hätten sie eine große Zukunftsaufgabe.

Bis jetzt sind sie in der Defensive, weil sie alte, überholte Vorstellungen noch weiterpflegen. Und deswegen meine ich, die Zukunft der Gewerkschaften ist von den meisten Gewerkschaftsführern noch nicht begriffen worden. Und die großen wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen, nämlich auch der Verteilung der Arbeit, nicht am Festhalten von Privilegien;

sie sind Vertreter der arbeitenden Menschen und sie sind damit im Augenblick - faktisch auch - nicht Vertreter der arbeitsfähigen, der arbeitswilligen Menschen, sie sind Gegner der Arbeitslosen. Und in ihrer bisjetzigen Politik sorgen sie für immer mehr Arbeitslose. Und die Aufgabe der gerechten Verteilung von Arbeit haben sie noch nicht richtig begriffen, meine ich.

Sebastian Schöck: Können Sie sich vorstellen, daß die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sich so umstrukturieren und einigen, vielleicht sehen, daß sie in einem Boot sitzen?

Siegfried Woitinas: Sie sitzen faktisch in einem Boot, und wenn sie das begreifen, daß eine (ein) an dem Wohlergehen der Wirtschaft interessierte Arbeiterschaft eigentlich die gleichen Interessen hat wie die Unternehmerschaft, dann wird sie sich zusammentun und die großen Aufgaben der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Verteilung des volkswirtschaftlichen Einkommens gemeinsam zu bewältigen, und das könnte eine absolut neue Formation sein. Auch das, was ich genannt habe, daß man das Konkurrenzprinzip überwindet, sondern zu einem Kooperationsprinzip der einzelnen Branchen findet, und daß man lernt, gemeinsam zu arbeiten im Interesse der Volkswirtschaft. Also überhaupt volkswirtschaftlich denken, das ist eine gewaltige Aufgabe, die kaum ergriffen wurde. Und das könnte zusammen mit den sogenannten wirtschaftlichen Weisen und Wirtschaftsfachleuten zu einer Art Wirtschaftsparlament führen, was überhaupt mit dem Politischen, mit dem eigentlich Politischen, nichts zu tun hat zunächst. Das natürlich beschützt und begleitet werden müßte von dem sogenannten politischen Parlament. Da sehe ich durchaus Möglichkeiten.

Sebastian Schöck: Können Sie noch etwas zur Arbeitslosigkeit und Existenzsicherung sagen?

Siegfried Woitinas: Ich glaube, daß die Arbeitslosigkeit erst dann richtig erkannt wird in ihrer Ursache, wenn man sich eingesteht, daß wir wirtschaftlich gesehen eine Überproduktion haben. Die Menschen sind mit materiellen Gütern eingedeckt, sie brauchen nichts mehr, wir haben alles: Autos, Fernseher, Kühlschränke. Und jetzt geht es um eine gerechte Verteilung der Arbeit. Und ich glaube nicht, daß wir unser wirtschaftliches Produkt steigern müssen. Dann müßten wir auch die Möglichkeiten steigern, durch höheres Einkommen die mehr Produkte auch zu kaufen. Und da liegt ein ganz elementares Problem: Die Sättigung mit wirtschaftlichen Industriegütern, die ist dermaßen perfekt, daß in dieser Richtung keine Steigerung mehr möglich ist. Eine Steigerung wäre möglich in kultureller Sicht, was ja schon der Club of Rome vor vielen Jahren empfohlen hat, daß man mehr Dienstleistungen, mehr Produktivität auf dem geistigen Sektor, auf dem Kultursektor fördert. Das heißt aber, daß auch da Geld hinfließen müßte. Das muß finanziert werden. Ob das mit staatlichen Mitteln ist oder mit freiwilligen Mitteln, das ist dann eine zweite Frage. Und da könnte das überschüssige Geld hinfließen. Und dann würde man auch zu einer anderen Verteilung der Arbeit kommen.

Eine Sache halte ich für ganz wichtig. Menschen wären durchaus bereit, individuell aus festen Arbeitsverhältnissen auszusteigen, sie wären mit einem geringeren Einkommen zufrieden. Das haben Untersuchungen gezeigt - wenn ihre Existenz gesichert wäre. Und insofern finde ich alle Überlegungen in den verschiedenen Parteien gut und dringend notwendig, jedem Menschen - gleich welchen Alters, welchen Gesundheitszustandes - ein Grundgehalt zuzusichern, was er einfach bekommt aus dem volkswirtschaftlichen Ertrag, das ihm sein Leben sichert, daß er elementar als Mensch Leben kann. Und wenn ihm das zugesichert, daß er eine Art Grundgehalt - sei es aus Zahlungen durch den Staat, sei es aus Zahlungen unmittelbar aus einem wirtschaftlichen Fond - würde die Angst wegfallen, plötzlich im Nichts zu stehen. Und das würde vielen Menschen die Möglichkeit geben, eine Zeit lang aus Wirtschaftszusammenhängen auszusteigen, vielleicht freiwillig in kulturelle Dinge einzusteigen. Es würden viele Menschen mit einem geringeren Gehalt zufrieden sein und sich vielleicht auf kulturellem, geistigem Sektor zu betätigen. Menschen könnten kleine Kulturgruppen bilden, Theatergruppen bilden und so weiter, und hätten eine Lebenssicherung, und könnten sich in einer sehr sehr freien Weise völlig neue Existenzen schaffen. Und sie würden damit den sogenannten Arbeitsmarkt entlasten, auf einer sehr bescheidenen Ebene der Lebenssicherung.

Menschen, die dann in wirtschaftlichen Zusammenhängen produktiv arbeiten, die würden dann aus dieser wirtschaftlichen Tätigkeit ein Leistungsgehalt beziehen, und das würde dann dieses sogenannte Bürgergeld oder Grundgehalt, wie immer man das nennen mag, aufstocken und würde ihnen dann eine breitere Existenzmöglichkeit gewähren. Und da sind ja viele Gedanken schon gedacht.

Die Frage ist natürlich, wie führt man das durch. Man würde ökonomischer arbeiten, wenn man die unzähligen, vielfältigen Finanzierungsmöglichkeiten (des) der Sozialunterstützung, des Arbeitslosengeldes, der Teilrente, wenn man das zusammenfassen würde und sagen, jeder Mensch bekommt seinem Alter, seiner Lebenssituation gemäß ein Grundgehalt. Das sollte ein allgemeines Menschenrecht sein.

Und das ist heute notwendig, weil in den städtischen Verhältnissen man nicht irgendein Stückchen Boden haben kann, wo man sich ernähren kann. Sondern der Mensch ist auf das Mitgetragenwerden durch die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse angewiesen. Und es ist Menschenunwürdig und angsterzeugend, wenn ich weiß, ich stehe eines Tages im Nichts. Das würde sehr viel Initiativkraft freisetzen, glaube ich.

Sebastian Schöck: Wenn man den Vorschlag aus der Dreigliederung realisieren würde, daß den einzelnen Schülern, also individuell gesteuert, das Kulturgeld zufließt und nicht mehr einem übergeordneten Kulturrat vielleicht, auch nicht irgendwelchen Institutionen, sondern das Bildungswesen durch den Einzelnen gesteuert wird, so kann das leicht zu dem Problem führen, daß (daß) die Schüler vielleicht auf die falschen Schulen geschickt werden - ?

Siegfried Woitinas: Also erstens Mal würde das voraussetzen, daß man sagt, jeder Mensch ist lebensmäßig gesichert, wie ich das eben geschildert habe, aber der Besuch eines Bildungsinstitutes einer Schule, einer Hochschule, einer Ausbildungsstätte, sollte wirklich in die Freiheit des Menschen gesetzt sein. Das heißt also beim Schüler, beim jungen Menschen, auch von den Eltern mitgesteuert, und

damit würde unmittelbar eine von den Menschen, also demokratische Steuerung des Kulturlebens oder der einzelnen kulturellen Einrichtungen möglich sein. Da müßte man nicht irgendwelche Landesgremien wählen, sondern würde mit seinem Geld, also mit einer Art Kulturgutschein, mit einem Bildungsgutschein, eine bestimmte Schule, eine bestimmte Ausbildungseinrichtung fördern. Das wäre die konsequente Einhaltung der Freiheit des Menschen - des Freiheitsanspruches. Das würde allerdings heißen, daß der Staat, oder die staatlichen Organe, die Kontrolle verlieren. Die Kontrolle würde in die Hände der Menschen gelegt. Und die Sorge, daß da Mißbrauch getrieben werden könnte, ist durchaus berechtigt.

Nur, wenn wir das heutige Bildungsleben anschauen, mit den katastrophalen Wirkungen, daß ein hoher Prozentsatz der Kinder mit Medikamenten, mit leistungssteigernden Medikamenten versorgt wird, oder das ganze Schulwesen bis in die unteren Klassen durch Drogen verseucht ist, weil kein Engagement da ist, weil überhaupt nicht die Wahlmöglichkeit gegeben ist, würde ich sagen, das ist das Schlimmste, was man sich denken kann. Schlimmer, würde ich sagen, kann es nicht werden, wenn die Menschen sich engagieren müssen. Sie müssen ihre eigene Denkfähigkeit einsetzen, um die richtige Schule zu suchen. Ob sie die richtige finden, das ist auch heute die Frage. Was ist "das Richtige"? Wer entscheidet das, was richtig ist.

Nicht, wenn man wirklich den Menschen als mündigen Bürger akzeptiert, dann muß ich ihm auch zugestehen, Irrtümer zu machen, denn die gewaltigen Irrtümer, die unsere Abgeordneten machen, die sind so gewaltig, daß ich sie mir gar nicht schlimmer vorstellen könnte. Wenn man das Chaos und die entstandenen sozialen Probleme von der heutigen Zeit sich anschaut. Insofern würde ich sagen, habt den Mut und legt die Entscheidungen, welche Bildungseinrichtungen ein Mensch besucht - ein Kind ein Jugendlicher besucht, oder ein Schulabgänger besucht - in die Hände der Menschen, die unmittelbar das kennen, unmittelbar auch entscheiden können und auch begleiten können, und dadurch die Möglichkeit haben, es auch zu korrigieren, wenn man sieht, es geht schief. Den Mut muß man heute haben.

Sebastian Schöck: Was ist Anthroposophie?

Siegfried Woitinas: Oh, das ist eine schwere Frage. Auf jeden Fall glaube ich, daß die ganzen naturwissenschaftlichen Untersuchungen und Forschungen über den Menschen eine Grundlage darstellt zu sagen, was ist der Mensch als physisch-leibliches Wesen. Aber jeder Mensch erlebt sich ja nicht nur als physisches Ding, als Objekt, sondern auch als ein seelisches Wesen, erlebt sein Innenleben als etwas Eigenständiges, was zwar ein funktionierendes Nerven- und Sinnessystem voraussetzt, aber das Seelenleben ist etwas Eigenständiges, und wir haben heute sehr viele Forschungen, daß der Mensch sich sogar geistig als ein unsterbliches Wesen erlebt, was schon vor dieser Geburt in diesem Leben dagewesen ist. Es gibt Menschen, die können sich an die Zeit erinnern, wo sie als Seele vor der Geburt bereits existiert haben.

Es gibt heute genügend untersuchte, auch kritisch untersuchte Methoden, auch frühere Erdenleben als ein Fakt anzuerkennen, der in jedem Menschen sei es gefühlsmäßig nachwirkt, oder sogar bis zu bildhaften Anschauungen nachgewiesen werden kann, daß sie in diesem Leben sich auswirken, und genauso gibt es heute auch auf dem Gebiete der Nahtodesforschung sehr viele Menschen, die das schildern können, was nach dem Tode mit der Seele, mit dem unsterblichen Teil des Menschen geschieht.

Und wenn man diese beiden Dinge anschaut, daß der Mensch vor dem physischen Dasein, vor der physischen Geburt bereits existierte, und daß er auch nach dem Herausgehen aus dem physischen Leibe existiert, kommt man zu einer völlig anderen Anschauung des Menschen. Und da haben wir die Grundlagen auch der anthroposophischen Anschauung des Menschen, die dann darüberhinaus sagt, ja, wo existiert dann der unsterbliche Teil des Menschen. Es muß eine Welt geben, die auch außerhalb dieser physischen Erde als ein geistiger Kosmos vorhanden ist, und wo eben auch der geistige Teil, der seelische Teil des Menschen vor der Geburt und nach dem Tode weiterexistiert. So, daß wir also auch nicht mit dem Menschen in der Anthroposophie so anschauen, daß wir sagen, er ist ein physisches Wesen, er ist ein seelisches, aber auch ein geistiges unsterbliches Wesen, sondern die ganze Erde ist auch ein physischer Organismus, ein hochkomplizierter physischer Organismus.

Die ganze Erde ist durchzogen von Lebenskräften, von einer bestimmten Lebensenergie und lebt auf der Grundlage der komplizierten physischen Zusammenhänge auch als Lebensorganismus, und die Erde selbst ist auch ein durchseelter Organsimus, ja, auch ein Organismus, der die leibliche Grundlage eines geistigen Wesens ist. Das sind ganz elementare Einsichten aus der Anthroposophie, die heute sogar aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen bestätigt werden. Die umstritten sind, aber die durchaus sehr viele Elemente hinzugebracht haben, daß wir sagen können, die elementare Anschauung der Anthroposophie über den Menschen, über die Welt, die wird heute immer mehr durch andere wissenschaftliche Disziplinen und einzelne Forscher bestätigt. Und daraus ergibt sich natürlich auch eine ganz andere Anschauung über den Sinn des menschlichen Lebens, über die Gestaltung des sozialen Organismus und den Menschen und seiner Aufgabe, die er auf der Erde hat.

Sebastian Schöck: Zum Forum 3: Können Sie etwas über die Entstehung, die Projekte, die Struktur, den Umfang und die staatlichen Anerkennung oder Förderung sagen?

Siegfried Woitinas: Ja. Wir haben vor 25 Jahren, in der auslaufenden Studentenbewegung, gesagt, wir wollen also nicht nur soziale Ideen verbreiten einer demokratischeren Gestaltung der Gesellschaft, sondern wir wollen das auch praktisch ausprobieren, und haben dann mit etwa 15 Leuten hier ein Diskussions- und Gesprächsforum begründet, haben nach anfänglichen Versuchen einer demokratischen, basisdemokratischen Gestaltung mit Entscheidung aller Mitbegründer und Besucher hier den Versuch gemacht, zu einer bestimmten Sozualstruktur zu finden und haben dann festgestellt, wir können nicht alle Menschen, die hier spontan reinkommen, an Entscheidungen beteiligen, und haben dann eigentlich eine Struktur gefunden, die auch der gesellschaftlichen Dreigliederung im Miniformat ein bißchen entspricht, und haben dann eine Struktur gewählt, die die Ideenbildung in einem bestimmten menschlichen Zusammenhang möglich macht, wo alle, die an der Ideenbildung beteiligt sein wollen, mitmachen können. Dann Menschen, die die Kontinuität hier mit durchtragen wollen, die langfristige Entscheidungen treffen, in einem kleinen Kollegium zusammenwirken und solche Entscheidungen treffen, und Menschen, die einfach ganz praktisch in der Tätigkeit der technischen Durchführung der Arbeit tätig sind. Das sind also drei Elemente, die wir hier auch haben, wo es drei verschiedene Regulations- oder Koordinationsgremien gibt, und insofern haben wir hier auch eine Struktur, die auch diesem dreigliedrigen Menschen ein bißchen entspricht, nicht.

Gedankenbildung, Rechtsgefühle, Kompetenzverteilung, und als drittes Element das Gespräch, wie führen wir unsere Arbeit praktisch durch. Das ist also die interne Struktur, und in dieser Weise hat sich eigentlich das Forum sehr gut weiterentwickelt im Laufe der Jahre, ist dann, weil es ein funktionierender kleiner sozialer Organismus geworden ist, auch von der Stadt anerkannt wurde - neben den existierenden anderen Jugend- und Kulturzentren, und wird im Rahmen der städtischen Möglichkeiten in seinem Etat mit zu 50 Prozent städtischen Mitteln gefördert. Das ist also eine praktische Anerkennung, und wir arbeiten mit den anderen Einrichtungen ähnlicher Art dann sehr zusammen.

Sebastian Schöck: Die Dreigliederung, die Sie da verwirklichen, auch innerhalb Ihrer Institution, kann ja nicht zu tun haben mit dem Lehrstand, Nährstand und Wehrstand, so daß also eigentlich doch die - daß nicht drei Kasten entstehen dürften, sondern, daß diese drei Organisationsformen innerhalb einer Organisation durchlässig sein müßten für alle Menschen, also daß man nicht verdammt wird für eine der Schichten. Können Sie dazu noch was sagen?

Siegfried Woitinas: Ja, also ich glaube, das hat mit dieser alten historischen Dreigliedrigkeit nichts zu tun, sondern es ergibt sich einfach aus dem Bereich, in dem jemand tätig ist. Und wer in der Ideenbildung hier in unserem Kulturbetrieb tätig ist, korrespondiert natürlich auch ganz praktisch mit dem, der das praktisch durchführen muß. Also die Räume herstellen, die materiellen Grundlagen besorgen, da ist ein gegenseitiger - eine gegenseitige Verständigung einfach da. Das ist die Praxis, so daß wir in einer kollegialen Art des Zusammenwirkens uns gegenseitig unsere neuen Ideen, unsere Zukunftsprojekte vorstellen, und dann wird geschaut, läßt sich das von den Räumen her ganz praktisch realisieren, läßt sich das von den Finanzen her realisieren. Das ist dann die praktisch-wirtschaftliche Seite. Und dadurch stehen diejenigen, die für das Technische und Finanzielle verantwortlich sind, in einem ständigen Dialog mit denen, die an der Ideenbildung drinnen mitverantwortlich sind, und die einfach dann auch die Kurse durchführen, Vorträge halten oder eben hier das ganze Kursprogramm, das ganze Theaterprogramm mit durchführen. Also es ist ein Dialog. Und wir kommen dann nach dem Dialog - also das ist ein Gesprächsprozeß - dann zu den Beschlüssen, die gemeinsam dann auch von allen getragen werden, weil sie im Gespräch entwickelt werden.

Und insofern brauchen wir hier keinen Dirketor, sondern wir fassen Beschlüsse nach einer ausgiebigen Gesprächsberatung gemeinsam. Es gibt also da keine Kasten, trotzdem die Aufgabenbereiche sehr deutlich getrennt sind. Wir haben zum Beispiel hier vier Hauptbereiche im Forum, wir haben ein eigenständiges Theater, das Forum-Theater. Das wird von meiner Frau, Elke Woitinas, geleitet. Sie hat ihren eigenen kleinen Mitarbeiterstab. Dann haben wir hier das Café, Cafébetrieb, das sind auch zwei Mitarbeiter, die das mit einer Gruppe von 30 jungen Leuten gemeinsam managen und die eigenen Besprechungen haben und auch ihren Etat aufstellen, ihre Kalkulation machen. Dann den Vortragsbereich und dann den Workshop- und Kursbereich, der auch jeweils von einem Mitarbeiter geleitet wird, mit anderen zusammen. Und dadurch haben wir auch eine gewisse vertikale Arbeitsteilung, oder besser gesagt, Verantwortungs- und Aufgabenteilung, die aber dann in der horizontalen Gliederung im Hause - also der technisch-wirtschaftliche Bereich, der organisatorisch-verwaltungsmäßige und der eigentlich geistige-ideenschöpferische Bereich - einer Art doppelten Gliederung unterliegt. Dieser vertikale in die einzelnen Verantwortungsbereiche, wo jeweils ein oder zwei Mitarbeiter drinnenstehen, voll verantwortlich, und dann eben diesen mehr vertikalen, funktionell gegliederten Teil, wo von den Funktionen her das ganze Haus strukturell gegliedert ist. Und das ist etwas sehr Dynamisches und etwas sehr Flexibles.

M.: Wie sieht Ihre Zukunftsprognose aus?

Siegfried Woitinas: Ja, die Zukunftsprognose. Wenn ich die Massengesellschaft hereinschaue, habe ich den Eindruck, die Menschen werden immer unselbständiger. Sie werden immer mehr entmündigt, und sie bringen ihre persönlichen Initiativen in einer Konsum- und Unterhaltungskultur unter. Sie lassen sich als Konsumenten benutzen, damit der Überschuß an Industriewaren überhaupt abgesetzt werden kann, nicht, tragische Entwicklung. Notwendig wäre eine immer stärkere Initiative der Menschen.

Das heißt, eigentlich wünschte ich mir, daß die Eigenständigkeit, die Initiativkraft der Menschen wachsen würde, um immer mehr eigene Kulturuntzernehmen, eigene Betriebe zu gestalten und in den Großbetrieben auch eigenständiger zu arbeiten. Das würde eine dynamischere Gesellschaft abgeben. Ich würde sagen, wir brauchen eine Initiativgesellschaft, wir brauchen eine Unternehmergesellschaft, wo jeder Mensch sich unternehmerisch dort beteiligt, denkend, mitfühlend, Verträge schließend und auch mit tätig arbeitend, daß würde eine gewältige Gesellschaftliche Wweiterentwicklung möglich machen, und natürlich zu einer Umwälzung führen der alten konservierenden, auf Konservierung eingestellten Gesellschaftsstuktur. Da gibt es gewaltige Gegenkräfte, und die steuern auf eine Kollision zu.

Weil die Kräfte, die die Menschen eigentlich aktiv einbringen möchten, die wirken sich destruktiv aus. Die wirken sich aus in Gewalttätigkeit, ohne, daß die Menschen wissen, woran sie gehindert werden. Sie werden nicht geschult, wirklich sich Gesellschaftlich mittätig einzubringen, und damit werden die eigentlichen Gedanken, Gefühls- und Willenskräfte gestaut, sie werden unterdrückt, sie schlagen um, sie wirken aggressionsbildend, sie wirken sich vergiftend im ganzen sozialen Organismus aus. Und das wird zu einer immer stärkeren Durchgiftung des gesamten sozialen und gesellschaftlichen Lebens führen, an den verschiedenen Orten wird das zum Ausdruck kommen, und zwar gerade bei den Menschen, die nicht unbedingt die stärksten, die geduldigsten, die kultiviertesten Menschen sind, sondern die eigentlich die vernachlässigten, die nicht gesund entwickelten Menschen sind durch soziale Verhältnisse, nicht durch eigenes Verschulden, sondern durch gesellschaftliche Benachteiligung. Und an denen werden sozusagen extreme Fehlentwicklungen der gesamten Gesellschaft einfach zutagetreten. Das wird zu Krisen führen, und ich meine, gerade dann werden sich aber die Einrichtungen bewähren, die auf Eigenständigkeit, auf Initiativkraft, auf Flexibilität aufgebaut sind.

Das heißt, die Initiativkraft und Phantasiefähigkeit der Menschen, auch die Innovationsfreudigkeit der Menschen wird im Zukunft gerade in Krisenzeiten immer stärker gefragt werden. Und dabei mitzuwirken, sehe ich auch eine Aufgabe des Forum 3, Menschen - jungen Menschen - solche Initiativen aufzuzeigen, sie zu orientieren, als Schulabgänger, als Menschen, die in Ausbildung sind, oder auch alle Menschen, die hier in das Haus kommen und an den aktuellen Veranstaltungen teilnehmen. Das ist meine und unsere Zukunftsaufgabe, wo ich einen Teil aus anthroposophischer Sicht gerne beitragen möchte.