Anarchismus - Die Dreigliederung der sozialen Frage

Die Dreigliederung der sozialen Frage und sozialen Antwort bei Rudolf Steiner

01.04.2000

Aus Anarchismus und soziale Dreigliederung - Ein Vergleich

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Wer sich mit der sozialen Frage beschäftigt, versucht sie meistens so weit wie möglich zurückzuverfolgen. Wenn nicht bis zu Adam und Eva, dann wenigstens bis zum Affen. Weiter zurückzugehen als bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts macht aber nur wenig Sinn. Dies heißt nicht, daß die sozialen Zustände vorher paradiesisch gewesen sind. Ganz im Gegenteil. Sie sind aber mehr oder weniger hingenommen worden.

Dazu nur ein Beispiel. Wer sich als Marxist mit dem alten Ägypten beschäftigt, wird bitter enttäuscht. Er sucht Vorformen des Klassenkampfes und freut sich, wenn Arbeiter wegen einer Verspätung bei der Lohnzahlung anfangen zu streiken. Obwohl der Lohn dann bezahlt wird, streiken die Arbeiter aber bald wieder. Diesmal kommt auch heraus, was sie eigentlich gestört hat: ihr Lokalführer plündert insgeheim Pyramiden. Der Überbau sind hier die sozialen Forderungen. Was die Menschen im innersten bewegt, ist die Religion.

Aber genug mit dem Altertum: das Soziale ist erst viel später grundsätzlich in Frage gestellt worden. Zugleich mit dieser Art der sozialen Frage kommt eine radikale soziale Antwort, der Marxismus. Als Steiner 1919 seine Kernpunkte der sozialen Frage schreibt, sitzt dieser Marxismus bereits in Rußland an der Macht. Dem Bürgertum ist er aber noch weitgehend unbekannt. Das Buch fängt daher an mit einer längeren Auseinandersetzung mit dem Marxismus. Steiner geht es darum zu zeigen, wie einseitig diese Art der sozialen Frage und daher auch ihre Antwort ist. Es heißt nicht, daß der Marxismus falsch ist. Er beruht aber auf einer Drittelwahrheit.

Unter der sozialen Frage versteht der Marxismus in erster Linie die wirtschaftliche Frage. Politisch-rechtliche und geistig-kulturelle Fragen sind aber genauso soziale Fragen. Wo der Marxismus solche Fragen nicht einfach ignoriert, weiß er mit ihnen nichts Rechtes anzufangen. Sie verwirren eigentlich nur. Die Grundeinstellung ist: Wird einmal die wirtschaftliche Frage beantwortet, so wird sich der Rest schon von selbst ergeben. Es gibt natürlich nicht nur die wirtschaftliche Frage. Aber eine eigene Antwort braucht nur die wirtschaftliche Frage.

Steiner dagegen erkennt die rechtliche Frage und die geistige Frage als eigenständige Größen an. Ihre Antwort ist keine wirtschaftliche. Steiner vermeidet es daher von einer sozialen Frage zu sprechen. Wo es nicht anders geht, wie im Titel seines Buches, findet er meist Auswege, um daraus doch ein Plural zu machen. Der Titel heißt nicht umsonst: Die Kernpunkte der sozialen Frage. Am Ende der schon erwähnten Auseinandersetzung mit dem Marxismus kommt er darauf zu sprechen:

"Man sieht schon hieraus, daß die "soziale Frage" sich in drei besondere Fragen gliedert. Durch die erste wird auf die gesunde Gestalt des Geisteslebens im sozialen Organismus zu deuten sein; durch die zweite wird das Arbeitsverhältnis in seiner rechten Eingliederung in das Gemeinschaftsleben zu betrachten sein; und als drittes wird sich ergeben können, wie das Wirtschaftsleben in diesem Leben wirken soll."

Es gibt also drei Fragen, die geistige, die rechtliche und die wirtschaftliche Frage. Daher auch der Ausdruck "soziale Dreigliederung". Im vorigen Zitat steht allerdings nichts von irgendwelcher rechtlichen Frage, sondern vom Arbeitsverhältnis. Daß das Arbeitsverhältnis hier für das Rechtsleben steht, ergibt sich aber aus dem Zusammenhang, der hier ausgelassen worden ist. Damit deutet sich zugleich etwas anderes an. Die Arbeit so eindeutig zum Rechtsleben zu rechnen ist nicht gerade üblich. Spontan würde sie mancher eher dem Wirtschaftsleben zuordnen. Diese Verschiebung ist kein Einzelfall. Wer bei Steiner nur eine Bestätigung für das sucht, was er selber schon immer gedacht hat, der sollte besser die Zeitung lesen. Dort findet er im Politik-, Wirtschafts- oder Kulturteil wirklich das, was er dort gesucht hat. Steiner macht es eben anders. Dies wird bei diesem Vergleich zwischen sozialer Dreigliederung und Anarchismus immer wieder eine Rolle spielen.

Die soziale Frage hat Steiner nicht erst nach dem Ersten Weltkrieg entdeckt. Sie begleitet ihn eigentlich seit Anfang seiner schriftstellerischen Tätigkeit, in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die eigentliche Wendung in der Beschäftigung mit dieser Frage liegt bei ihm im Jahre 1904-1905. Nicht daß sich Steiner ab diesem Zeitpunkt vermehrt über die soziale Frage ausgesprochen hätte. Ganz im Gegenteil: Sie ist von da an bis zum Ersten Weltkrieg fast kein Thema mehr. Der Grund ist einfach: Steiner wird 1904 dazu gezwungen, seine Tätigkeit in der von Wilhelm Liebknecht gegründeten Berliner "Arbeiterbildungsschule" aufzugeben. Damit verliert er das einzige Publikum, das damals für diese Frage offen war. Kurz zuvor hat er aber den Zugang zu einem neuen Publikum gefunden, den Theosophen. Diesem Publikum legt er das vor, was zur Grundlage all seines späteren Werkes wird: der Mensch ist nicht nur Leib, sondern auch Seele und Geist. Diese Einsicht bildet den Ausgangspunkt der "Theosophie", die er 1904 herausgibt.

Mit diesem Ansatz grenzt sich Steiner nicht nur von den Materialisten ab. Er bleibt nicht dabei stehen, etwas anderes als den Leib anzuerkennen. Dieses Andere des Leibes differenziert er weiter in Seele und Geist. Beide sind ihm nicht austauschbar. Es geht eben nicht um eine Zweigliederung, sondern um eine Dreigliederung des Menschen. Eine Zweigliederung ist immer der Anfang vom Ende jeder Differenzierung. Sie fängt damit an, von etwas abzusehen. Dieses Etwas ist meistens nicht die Seele, sondern der Geist. Die Seele ist aber bald selber an der Reihe. Von der ganzen Realität des Menschen bleibt dann letztendlich nur noch der Leib übrig. Steiner spricht hier von einer Abstraktion. Es wird eben von der Seele und vom Geist abstrahiert.

Die Argumentation ist in sich schlüssig. Was aber daraus folgt, wird die meisten vor den Kopf stoßen. Für Steiner ist das materialistische Denken einfach abstrakt. Was die Materialisten den anderen vorwerfen, ihre Abgehobenheit, das gilt am meisten für sie selbst. Der Materialismus will sich auf den Leib beschränken, um möglichst konkret zu bleiben, erreicht aber damit das Gegenteil.

Dazu einige Stellen aus einem Vortrag, der noch vor der russischen Revolution gesprochen worden ist:

"Jetzt ist das Denken ganz in den physischen Leib hineingezogen, ist ganz Gehirndenken geworden, und da nimmt es denn den abstrakten Charakter an, auf den unsere Zeit so stolz ist. Das Denken, das ganz abstrakt wird, das ist das Denken, das wirklich an die Materie, an die Materie des Gehirns gebunden ist. Und dieses Denken, das zeigt sich gerade in den epochemachendsten Impulsen, die wiederum vertieft werden müssen, sonst wird das Denken immer materialistischer und materialistischer.

(...) Aber worauf beruht denn das ganze, daß man so abstrakt geworden ist? Nun, es ist ja der Menschheit dasjenige ganz verlorengegangen, was verhältnismäßig spät noch eine Mysterienwahrheit war: daß der Mensch besteht aus Leib, Seele und Geist. Bei den Griechen war es noch allgemein, den Menschen als Leib, Seele und Geist anzusehen. Bei den ersten Kirchenvätern war es noch eine Selbstverständlichkeit. Dasjenige, was im Niedergang der menschlichen Entwickelung lag, die einen Aufstieg aus dem Christus-Prinzip wiederum braucht, das wurde im Jahre 869 durch das Konzil zu Konstantinopel dogmatisch festgelegt, indem der Geist abgeschafft worden ist.

(...) Seit jener Zeit durfte man nicht mehr in der Theologie lehren: Der Mensch besteht aus Leib, Seele und Geist -, sondern man mußte lehren: Der Mensch besteht nur aus Leib und Seele -, wie es heute die Philosophieprofessoren noch lehren. Und wenn so ein guter Wundt oder ein anderer Philosophieprofessor unseres heutigen Zeitalters eigentlich noch keine Ahnung davon hat, daß der Mensch eine Dreiheit ist, sondern immer fortredet von Leib und Seele, so weiß er gar nicht, daß er nur die Anordnungen des Konzils von Konstantinopel vom Jahre 869 befolgt.

(...) Dasjenige, was da verdunkelt worden ist, daß der Mensch aus Leib, Seele und Geist besteht, das muß durch Geisteswissenschaft wieder gewonnen werden. Daher mußte mit vollem Bewußtsein gleich das erste, was ich versuchte symptomatisch geltend zu machen gerade in unserer mitteleuropäisch, anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft, struktural durchdrungen sein, in dem Buche "Theosophie" nämlich, von der Gliederung des Menschen in Leib, Seele und Geist. Darauf ist das ganze Buch aufgebaut. Das mußte radikal immer wieder und wiederum vor die Menschheit hingestellt werden; damit hatte sie aus der Entwickelung heraus den dreigliederigen Menschen".

Mit dieser Art der Theosophie steht auch die soziale Frage auf einer neuen Grundlage. Diese Theosophie gibt eigentlich nur die Theorie, die es in die soziale Praxis umzusetzen gilt. Wer das Soziale verstehen will, muß auch von der Differenzierung in Leib, Seele und Geist ausgehen. Die soziale Frage besteht hiermit aus drei Fragen: Sie beinhaltet nicht nur eine leibliche Frage, sondern auch eine seelische und eine geistige Frage. Darauf sind die Theosophen natürlich nicht von selbst gekommen. Die Differenzierung haben sie zwar gehabt, aber nicht den Willen, das Soziale zu verstehen.

Was im vorigen Zitat aus dem Jahre 1917 zunächst auffällt, ist die Übereinstimmung mit dem Ansatz der Kernpunkte der sozialen Frage von 1919 (nachfolgend Kernpunkte). Die soziale Frage ist dort, wie hier die Frage nach dem Menschen, keine einfache, sondern dreifache Frage. Dasselbe gilt aber nicht nur für die Frage selbst, sondern auch für die Antwort auf diese Frage. Hier beruft sich Steiner wie auch später auf die drei Ideale der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Diese drei Ideale müssen endlich konkret werden, nicht nur Ideen bleiben, sondern Impulse werden. Was dies bei Steiner heißt, ist gerade eben angesprochen worden: Ideale bleiben abstrakt solange sie allein auf den Leib bezogen werden.

Zwei größere Lücken im vorigen Zitat lassen sich nun schließen:

"Grundlegende Ideen - das ist das Charakteristische unserer jetzigen fünften Epoche, die als Impulse wirken sollen, sie wirken nur als abstrakte Ideen. Und es gab eine Zeit, in der die Abstraktion als Lebensprinzip an ihrem Höhepunkt angelangt war. Alles ist notwendig - verstehen Sie mich recht -, ich will nicht etwa in Grund und Boden kritisieren, ich spreche nicht vom Standpunkte der Sympathie und Antipathie, ich charakterisiere, wie man wissenschaftlich charakterisiert. Ich will also nicht tadeln - niemand soll das glauben -, daß es eine Epoche gegeben hat, in der die abstrakten Weltideen ihren höchsten Triumph gefeiert haben. Diese Epoche war damals, als man mit äußerster Abstraktion drei Ideen aussprach: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Mit der äußersten Abstraktion sprach man sie aus. Nicht aus einem konservativen oder reaktionären Standpunkte ist das gesagt, sondern um die Menschheitsentwickelung zu charakterisieren. Alles ruft nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit am Ende des 18. Jahrhunderts, nicht aus der Seele, sondern aus dem denkerischen Gehirn heraus. Und das hat sich im 19. Jahrhundert so fortgebildet, daß wir es noch heute überall wie eine Gewohnheit nachklingen fühlen. Die Menschen haben sich im Laufe des 19. Jahrhunderts furchtbar an die Abstraktion des Denkens gewöhnt und sind zufrieden in der Abstraktheit des Denkens, weil sie sich dabei so gescheit vorkommen. Sie glauben, im Denken haben sie die Wahrheit und empfinden kein Bedürfnis, in die Wirklichkeit mit ihrem Denken unterzutauchen. Das muß wieder gelernt werden, in die Wirklichkeit unterzutauchen; sonst bleibt es beim Deklamieren von abstrakten Ideen, die keinen Lebenswert haben. Das ist die große Krankheit unserer Zeit, das Deklamieren von abstrakten Ideen, die keinen Lebenswert haben.

ausgesprochen bedeutet sie gar nichts. Weiß man erstens, daß das menschliche Seelenwesen im Leibe, durch den Leib, auf dem physischen Plan hier lebt, also leiblich-seelisch, seelisch-leiblich ist, weiß man zweitens, daß der Mensch nicht nur seelisch-leiblich, sondern wirklich Seele ist, weiß man drittens, daß die Seele geisterfüllt ist, kennt man also die Seele als dreigliederig und den Menschen als dreigliederig, kennt man den Menschen in seiner Zusammensetzung aus Leib, Seele und Geist: dann hat man den Anfang damit gemacht, die abstrakten drei Ideen von Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit konkret werden zu lassen. Vom Menschen im allgemeinen, von diesem abstrakten Menschen zu sagen, er solle in Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit leben, ist gar nichts als ein Wortschwall. Notwendig ist, eine lebendige Erkenntnis davon zu erwerben, daß der Mensch, insofern er im Leibe in der physischen Welt lebt, eine soziale Ordnung braucht, die auf Grundlage der wirklichen Brüderlichkeit begründet ist, daß aber Brüderlichkeit nur verstanden werden kann, wenn man die Menschen als Leib betrachtet. Das ist der Beginn der richtigen Idee von der Brüderlichkeit. Brüderlichkeit hat nur einen Sinn, wenn man weiß, daß der Mensch eine Dreiheit ist und die Brüderlichkeit anwendbar ist auf das Leibliche. Freiheit: Dazu muß man wissen, daß der Mensch eine Seele hat, denn die Leiber können nie frei werden. Es gibt keine Einrichtung, wodurch die Leiber frei werden; die Entwickelung der Menschheit kann nur so sein, daß die Seelen frei werden. Freiheit, als allgemeine Menschheitsidee ausgesprochen, ist eine Abstraktion. Freie Seelen zu den brüderlich lebenden Leibern ist eine konkrete Idee. Gleich sind die Menschen im Geiste. Ein altes Volkswort war sich dessen sogar bewußt: Nach dem Tode werden alle gleich. - Man sah dabei auf den Geist. Indem die Menschen als Geister leben, sind sie hier für die Erde gleich, aber von Gleichheit zu sprechen hat nur einen Sinn, wenn man von diesem dritten Gliede des Menschen, vom Geiste spricht. Lebendig muß es werden, meine lieben Freunde, so daß man sagt: Dasjenige, was hier auf der Erde in irgendeiner Ordnung herumwandelt, lebt in Leib, Seele und Geist. Die Entwickelung muß so fortschreiten, daß die Leiber in Brüderlichkeit, die Seelen in Freiheit, die Geister in Gleichheit leben. Es reicht heute nicht die Zeit, die Sache weiter auszuführen, aber Sie werden heute schon den ganz erheblichen Unterschied merken zwischen abstrakten Ideen von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit und den von Erkenntnis durchdrungenen konkreten Ideen, die dann auf das Richtige angewendet sind. (Hervohebungen von mir)

Trotz der Länge des Zitats kann man sich natürlich für eine solche Konkretisierung dieser drei Ideale begeistern. Nicht wenige Anarchisten würden es aber anders sehen. Dazu später mehr. Es soll zunächst um ganz andere Einwände gehen.

Ein erster Einwand gegen die Französische Revolution gibt sich modern: Wer mehr als ein Jahrhundert später, nämlich 1917, immer noch von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit redet, zeugt nur von seiner Einfallslosigkeit. Diese Schlagworte sind einfach abgebraucht. Es muß etwas ganz Neues her.

Dazu läßt sich zweierlei sagen.

Erstens ist das Einmaleins der Mathematik auch nicht besonders originell. Wer aber darauf verzichten will, kann es mit der Mathematik gleich sein lassen. Der Vergleich läßt sich weiterführen: Mathematik und soziale Dreigliederung kommen sehr schnell zu Ergebnissen, die überhaupt nichts mehr Triviales haben.

Zweitens fragt sich mit Steiner, ob der dreifache Aufruf der Französischen Revolution nicht verfrüht gewesen ist. Was noch nicht an der Zeit ist, gerät in der Tat leicht zur Karikatur. Dasselbe gilt für dasjenige, was dieser Revolution gefolgt ist, nämlich Napoleon. Nur aus dem umgekehrten Grund. Er ist zur Karikatur geworden, weil er nicht mehr an der Zeit gewesen ist. Aber zurück zur Verfrühung. Sie hat nicht nur unmittelbare Folgen, wie den napoleonischen Rückschlag, sondern auch Spätfolgen, die noch gravierender sind. Ist es einmal doch an der Zeit, so läßt sich nämlich nicht mehr so leicht auf die drei Ideale zurückgreifen, weil sie inzwischen ihre Glaubwürdigkeit verloren haben. Davon zeugt gerade dieser erste Einwand.

Ein zweiter Einwand läßt sich aus der deutschen Klassik herauslesen, insbesondere aus den Ästhetischen Briefen von Friedrich Schiller: Wer wie die Französische Revolution die Welt durch neue Einrichtungen revolutionieren will, hat im voraus verloren. Anfangen läßt sich nur mit einer Revolution in den Köpfen. Am Anfang steht der Mensch.

Diese klassische Kritik ist typisch für viele, die sonst von Steiner viel halten, mit seiner sozialen Dreigliederung aber nichts anfangen können. Sie finden den Steinerschen Ansatz einfach zu äußerlich und ignorieren ihn lieber. Falls sie doch darauf angesprochen werden, dann heißt es nicht wie sonst üblich "Der Doktor hat gesagt", sondern "Der Doktor hat versagt". Es sei denn, sie haben die direkte Auseinandersetzung mit Steiner vermieden und sich auf solche Sekundärliteraten verlassen, die ihn bereits an den anthroposophischen Geschmack angepaßt haben. Dort kommen sie mit ihrer Innerlichkeit schon eher auf ihre Kosten. Sie brauchen dann nur noch Bewußtseinsarbeit zu leisten und fühlen sich daher in ihrem Element.

Es heißt natürlich nicht, daß sich die Französische Revolution nicht um das gekümmert hätte, was in den Köpfen vorgeht. Sie hat aber bei den Einrichtungen angesetzt und sie zuerst geändert. Daraus sollte sich die Änderung des Menschen von selbst ergeben. Wer sich nicht von selbst ergeben hat, hat den Kopf verloren.

Umgekehrt wäre es falsch zu glauben, daß Schiller in seinen ästhetischen Briefen die Frage der sozialen Einrichtungen völlig ignoriert hat. Er will aber mit der Selbsterziehung des Menschen zur Freiheit anfangen. Die sozialen Einrichtungen sollen sich dann im Zusammenspiel freier Menschen von selbst ergeben. Wie dies aussehen könnte, das sollte der letzte Brief auseinandersetzen. Dort verliert zwar niemand seinen Kopf, von Einrichtungen fehlt aber auch jede Spur.

Steiner rechnet mit der heutigen Menschheit. Der Blick der meisten Menschen ist zur Zeit nach außen gerichtet. Sozial wirken läßt sich daher nur über äußere Einrichtungen. Was er nicht aus sich heraus zu holen weiß, kann der Mensch von Einrichtungen lernen. Entgegen aller Erwartungen steht Steiner in dieser Frage nicht hinter Weimar, sondern hinter der Französischen Revolution. Nur ist er erstens nicht so naiv zu glauben, daß Einrichtungen von selbst entstehen. Um sie zu denken, bevor es sie tatsächlich gibt, bedarf es wenigstens eines Menschen, der nicht nur von schon vorhandenen Einrichtungen zu lernen weiß. Am Anfang steht ein Mensch. Es muß zweitens auch möglich sein, von den neuen Einrichtungen aus zum Menschen zu kommen. Hier hat die Französische Revolution versagt.

Ein dritter Einwand wird heute wohl kaum noch Anklang finden: Wir brauchen keine Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, sondern Zwang, Verschiedenheit und Unterordnung. Die Ideale der Französischen Revolution sind eine soziale Krankheit. Es waren noch Zeiten, wo der soziale Organismus gesund gewesen ist.

Diese Kritik von Uexküll ist repräsentativ für die deutsche Professorenlandschaft nach dem Ersten Weltkrieg. Steiner führt sie als Beispiel an für die soziale Inkompetenz von Naturwissenschaftlern. Damalige Geisteswissenschaftler sind natürlich nicht besser. Von ihnen ist aber Besseres nicht zu erwarten gewesen. Von exakten Naturwissenschaftlern hätte man sich etwas mehr Vorurteilslosigkeit erhofft.

Die Ausführung von Uexküll werden von Steiner als konservativ zurückgewiesen. Dies hindert Steiner aber nicht daran, bei Gelegenheit selber die Französische Revolution zu kritisieren. Nur betont er dabei, daß er es nicht vom konservativen Standpunkt macht. Er kritisiert sie nämlich da, wo sie selber konservativ geblieben ist. Angedeutet wird es bei dem bereits angeführten Vorwurf, sie sei mit ihren Idealen abstrakt umgegangen, indem sie diese alle auf den Leib bezogen habe. Geklärt wird dabei aber nur die Seite des Menschen, des menschlichen Organismus. Was das für die sozialen Einrichtungen, für den sozialen menschlichen Organismus bedeutet, wird erst zwei Jahre später in den Kernpunkten deutlich:

"Aus andern Grundlagen heraus, als die sind, in denen wir heute leben, tauchte aus tiefen Untergründen der menschlichen Natur heraus am Ende des 18. Jahrhunderts der Ruf nach einer Neugestaltung des sozialen menschlichen Organismus. Da hörte man wie eine Devise dieser Neuorganisation die drei Worte: Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit. Nun wohl, derjenige, der sich mit vorurteilslosem Sinn und mit einem gesunden Menschheitsempfinden einläßt auf die Wirklichkeit der menschlichen Entwickelung, der kann natürlich nicht anders, als Verständnis haben für alles, worauf diese Worte deuten. Dennoch, es gab scharfsinnige Denker, welche im Laufe des 19. Jahrhunderts sich Mühe gegeben haben, zu zeigen, wie es unmöglich ist, in einem einheitlichen sozialen Organismus diese Ideen von Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit zu verwirklichen. Solche glaubten zu erkennen, daß sich diese drei Impulse, wenn sie sich verwirklichen sollen, im sozialen Organismus widersprechen müssen. Scharfsinnig ist nachgewiesen worden zum Beispiel, wie unmöglich es ist, wenn der Impuls der Gleichheit sich verwirklicht, daß dann auch die in jedem Menschenwesen notwendig begründete Freiheit zur Geltung komme. Und man kann gar nicht anders als zustimmen denen, die diesen Widerspruch finden; und doch muß man zugleich aus einem allgemein menschlichen Empfinden heraus mit jedem dieser drei Ideale Sympathie haben!

Dies Widerspruchsvolle besteht aus dem Grunde, weil die wahre soziale Bedeutung dieser drei Ideale erst zutage tritt durch das Durchschauen der notwendigen Dreigliederung des sozialen Organismus. Die drei Glieder sollen nicht in einer abstrakten, theoretischen Reichstags- oder sonstigen Einheit zusammengefügt und zentralisiert sein. Sie sollen lebendige Wirklichkeit sein. Ein jedes der drei sozialen Glieder soll in sich zentralisiert sein; und durch ihr lebendiges Nebeneinander- und Zusammenwirken kann erst die Einheit des sozialen Gesamtorganismus entstehen. Im wirklichen Leben wirkt eben das scheinbar Widerspruchsvolle zu einer Einheit zusammen. Daher wird man zu einer Erfassung des Lebens des sozialen Organismus kommen, wenn man imstande ist, die wirklichkeitsgemäße Gestaltung dieses sozialen Organismus mit Bezug auf Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit zu durchschauen. Dann wird man erkennen, daß das Zusammenwirken der Menschen im Wirtschaftsleben auf derjenigen Brüderlichkeit ruhen muß, die aus den Assoziationen heraus ersteht. In dem zweiten Gliede, in dem System des öffentlichen Rechts, wo man es zu tun hat mit dem rein menschlichen Verhältnis von Person zu Person, hat man zu erstreben die Verwirklichung der Idee der Gleichheit. Und auf dem geistigen Gebiete, das in relativer Selbständigkeit im sozialen Organismus steht, hat man es zu tun mit der Verwirklichung des Impulses der Freiheit. So angesehen, zeigen diese drei Ideale ihren Wirklichkeitswert. Sie können sich nicht in einem chaotischen sozialen Leben realisieren, sondern nur in dem gesunden dreigliedrigen sozialen Organismus. Nicht ein abstrakt zentralisiertes Sozialgebilde kann durcheinander die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklichen, sondern jedes der drei Glieder des sozialen Organismus kann aus einem dieser Impulse seine Kraft schöpfen. Und es wird dann in fruchtbarer Art mit den andern Gliedern zusammenwirken können.

Diejenigen Menschen, welche am Ende des 18. Jahrhunderts die Forderung nach Verwirklichung der drei Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit erhoben haben, und auch diejenigen, welche sie später wiederholt haben, sie konnten dunkel empfinden, wohin die Entwickelungskräfte der neueren Menschheit weisen. Aber sie haben damit zugleich nicht den Glauben an den Einheitsstaat überwunden. Für diesen bedeuten ihre Ideen etwas Widerspruchsvolles. Sie bekannten sich zu dem Widersprechenden, weil in den unterbewußten Tiefen ihres Seelenlebens der Drang nach der Dreigliederung des sozialen Organismus wirkte, in dem die Dreiheit ihrer Ideen erst zu einer höheren Einheit werden kann. Die Entwickelungskräfte, die in dem Werden der neueren Menschheit nach dieser Dreigliederung hindrängen, zum bewußten sozialen Wollen zu machen, das fordern die deutlich sprechenden sozialen Tatsachen der Gegenwart." (Hervorhebungen diesmal von Steiner)

Abstrakt ist also der Einheitsstaat. Nicht etwa dadurch abstrakt, daß er bloß Gedanke bleibt, sondern dadurch, daß er aus einem abstrakten Denken hervorgegangen ist. Auch nicht dadurch einheitlich, daß er den Föderalismus beseitigt, sondern dadurch, daß er alle Entscheidungen zentralisiert, indem er sich das Geistesleben und das Wirtschaftsleben unterordnet. Dieses Hängen der Französischen Revolution am Staat ist es, was Steiner an ihr konservativ findet, während die Formulierung der drei Ideale zukunftsweisend ist. Was aber aus der Unterordnung des Geisteslebens und Wirtschaftsleben herauskommt, hat nichts mit Ordnung zu tun. Ein solcher Zentralismus ist reines Chaos, Anarchie im üblichen Sinne. Dazu eins mit dem vorigen eng verwandtes Zitat:

" (...) so wahr dieses Leben des Menschen in sich dreifach gegliedert ist, so wahr muß der soziale Organismus, in dem der Mensch drinnensteht, dreifach gegliedert sein, wenn seine Gesamtmenschenseele in diesem sozialen Organismus ihre Grundlage, ihre Basis haben soll. So gibt es für den, der des Menschen Stellung im Weltenall geisteswissenschaftlich erkennt, eben noch viel tiefere Gründe, einzusehen, daß der soziale Organismus ein dreigliedriger sein muß, daß gewissermaßen der Mensch verkümmern muß - wie er im neuzeitlichen Leben in einer gewissen Weise verkümmert ist, was dann zu der furchtbaren Katastrophe der letzten vier Jahre geführt hat -, wenn alles zentralisiert ist, wenn alles nur bezogen wird auf ein chaotisches, anarchisch durcheinander gewürfeltes äußeres soziales Leben." (Hervorhebung von mir)

Die Befürworter dieser Art von Zentralismus würden sich natürlich wundern. Sie wollen den starken Staat und nun wirft ihnen einer vor, sie seien Chaoten, wenn nicht sogar Anarchisten. Aber der andere Vorwurf sitzt noch tiefer, sie hätten den Glauben an den Einheitsstaat nicht überwunden. Sie gehören damit einer überwundenen Zeit, einer Zeit, die gerade durch die eigenen drei Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit überwunden worden ist. Hier sind sie genauso konservativ geblieben wie der Baron von Uexküll.

Die Französische Revolution hat drei Ideale. Ihr fällt aber nur eine einzige Einrichtung für alle drei ein, und noch dazu eine alte, nämlich der Staat. Wer von Einfallslosigkeit sprechen will, der sollte hier suchen und nicht bei Steiner.

Einfallslosigkeit würde ich auch nicht bei den eigentlichen Anarchisten suchen, das heißt nicht bei denjenigen, die von den Staatsordnungsfanatikern Anarchisten genannt worden sind und diesen Schimpfnamen angenommen haben. Wie Steiner auch, haben sie sich überlegt, wie Geistesleben und Wirtschaftsleben aussehen könnten, wenn der Staat ihnen nicht mehr ins Handwerk pfuschen würde. Sie haben den Staat aber völlig ausgeblendet. Darin unterscheiden sie sich wiederum von Steiner. Der anarchistische Einwand gegen die soziale Dreigliederung könnte daher heißen: Über die drei Ideale der Französischen Revolution läßt sich schon reden. Sie dürfen aber nicht als Vorwand dienen, um den Staat in irgendeiner Weise zu erhalten. Der Staat ist Zwang, Gewalt und muß daher einfach verschwinden.

Man kann sich fragen, ob diese Einseitigkeit vieler Anarchisten nicht genauso notwendig gewesen ist, wie seinerzeit der einseitige Staatsglaube der Französischen Revolution. Was an der damaligen Abstraktion gut gewesen sein soll, führt Steiner hier nicht aus. Er bleibt zunächst bei der allgemeinen Aussage, alles sei notwendig. Das Thema wird uns aber später noch beschäftigen . Bei den Anarchisten ist schon leichter auszumachen, wieso ihre Einseitigkeit sich gelohnt hat: Ihre ganze Energie konnten sie einsetzen, um geistig und wirtschaftlich umzudenken. Sie entfalten hier eine Fruchtbarkeit, die den meisten anderen abgeht. Viele ihrer Anregungen stehen in einer großen Nähe zu denjenigen Steiners.

Dies ist auch die eigentliche Motivation für diesen Vergleich zwischen sozialer Dreigliederung und Anarchismus. Viele soziale Initiativen, die längst von Anthroposophen hätten ergriffen werden können, sind stattdessen von Anarchisten ausgegangen. Für eine Zusammenarbeit mit ihnen reicht eine Kenntnis der sozialen Dreigliederung allein nicht aus. Sie verlangt einen Überblick über die verschiedenen anarchistischen Strömungen und nicht nur über das, was Steiner selber zum Anarchismus rechnet. Nur dann ist es möglich einzuschätzen, wie weit die Zusammenarbeit gehen kann und wo ihre Grenzen liegen. Wer vor lauter Ahnungslosigkeit ins offene Messer läuft, zeigt nur wie wenig Interesse er für das Denken der Anderen aufgebracht hat. Gravierende Unterschiede gibt es nämlich nicht nur in der Frage des Staates.

Das Festklammern der Französischen Revolution an den Staat nimmt nicht nur ihren Idealen jede Kraft. Sie macht bald den Staat selber zum einzigen Ideal. Dies drückt sich aus in der immer stärker werdenden Faszination für die sogenannte nationale Einheit. Problematisch dabei ist nicht die Einheit selbst, sondern wo sie her kommt. Sozial umfassend ist nur der Mensch, nicht der Staat. Nur der Mensch trägt alle drei Ideale in sich und kann sie zu einer sozialen Einheit zusammenbringen. Das kann dagegen keine Einrichtung, auch nicht der Staat. Dieser spricht nicht den ganzen Menschen, nicht das allgemein Menschliche an. Wird die Realität auf den Staat reduziert, so verkümmert der Mensch zum Drittelmenschen. All das, was in ihm eigentlich nichts mit dem Staat zu tun hat, wird von außen gelenkt, wird organisiert.

Diese Art der Organisation lehnt Steiner als Fremdbestimmung ab. Man kann sich natürlich wundern, daß er nicht immer zwischen verschiedenen Arten der Organisation unterscheidet, sondern meistens Organisation überhaupt ablehnt. Das hat aber seinen guten Grund. Der Ausdruck Organisation ist nicht so neutral, wie man es glauben könnte. Es ist französischen Ursprungs und stammt gerade aus der Zeit der Französischen Revolution. Was seine Zeitgenossen unter Organisation verstehen, wird von Steiner daher zu Recht mit Zentralismus gleichgesetzt. Wenn er im Gegensatz dazu von Organismus spricht, setzt er sich in eine ganz andere Tradition, nämlich die des deutschen Idealismus. Sein sozialer Organismus ist, anders als eine Organisation, dezentralistisch gemeint. Einen solchen Organismus braucht man nicht zu organisieren, weil er sich von selbst organisiert. Von selbst heißt für Steiner nicht, daß die Menschen gar nichts zu tun brauchen, als bloß zuzuschauen, wie der Organismus entsteht. Im Unterschied zum menschlichen natürlichen Organismus müssen sie den menschlichen sozialen Organismus schon selber gestalten. Das hat der soziale Organismus Steiners mit der Organisation im französischen Sinne gemeinsam. Die Menschen müssen sich schon bewegen. Von selbst heißt nur, daß die drei Glieder des sozialen Organismus sich jeweils selbst verwalten, und es keinen Sinn macht, sie von einem anderen Glied aus lenken zu wollen. Sie sollen sich nicht einander fremd, sondern selbst gestalten.

Dies muß erwähnt werden, weil Steiner immer mehr die Gefahr läuft, mißverstanden zu werden. Von einem sozialen Organismus zu sprechen, ist heute für viele gleichbedeutend mit Totalitarismus. Steiner kann daher allein aufgrund des Gebrauchs dieses Wortes in die braune Ecke geschoben werden. Dies liegt daran, daß sich historisch eine ganz andere Auffassung des sozialen Organismus als seine durchgesetzt hat, nämlich die staatszentralistische Variante. Wer nur an Worte hängt, übersieht den Kampf zwischen diesen beiden Richtungen. Er kann daher leicht glauben, daß bei Steiner alles verschwinden soll, was nicht auf der Staatslinie steht. Hier unterscheidet sich Steiner aber gerade von der Französischen Revolution.

Auffallend ist, daß Steiner, wo er sich von der Französischen Revolution distanziert, nicht alle drei Ideale, sondern jeweils nur ein Ideal auf Leib, Seele und Geist bezieht. Er hätte genauso jedes Ideal, zum Beispiel die Brüderlichkeit, auf Leib, Seele und Geist beziehen können. Statt einer solchen differenzierten Betrachtung setzt er aber auf eine feste Zuordnung. Damit stößt er solche Gedankenanarchisten ab, die jede Ordnung als Zwang erleben. Es muß doch alles möglich sein, sowohl eine geistige, eine seelische, wie eine leibliche Brüderlichkeit. Steiner fehlt es einfach an "Beweglichkeit". Es fragt sich bloß, wem es am meisten an Beweglichkeit mangelt. Ist es wirklich Beweglichkeit alles gleichzubehandeln? Hat es nicht weniger mit Freiheit als mit Gleichmacherei zu tun? Dies wäre der Fall, wenn hier Leib, Seele und Geist nicht nur jeweils ein bestimmtes Ideal, sondern alle drei Ideale zu verwirklichen hätten. Die Eindeutigkeit der Zuordnung, wie sie bei Steiner anzutreffen ist, sorgt gerade für die Beweglichkeit des Denkens. Sie ist eine Festlegung auf die Bewegung.

Wer immer noch nicht genug der Beweglichkeit hat, kann aber trotzdem auf seine Kosten kommen. Bei Steiner findet er nicht nur eine, sondern zwei eindeutige Zuordnungen der Ideale zu den verschiedenen sozialen Fragen. Die beiden verschiedenen Varianten sind in den bisherigen Zitaten schon aufgeführt, der Unterschied aber von mir noch nicht aufgegriffen worden. Wie sie zueinander stehen wurde meines Wissens von Steiner nie auseinandergesetzt. Und doch ist es besonders wichtig, beide Varianten nicht zu vermischen, sondern auseinander zu halten. Dies bringt nicht nur ein besseres Verständnis der sozialen Dreigliederung. Es ist auch notwendig, um anschliessend diese soziale Dreigliederung mit dem Anarchismus vergleichen zu können.