Dreigliederung - die Sprache der neuen tripolaren Welt

01.08.2002

Die Zivilgesellschaft (01) erwies sich mit der "Schlacht von Seattle", den Aktionen, die 1999 zum Scheitern eines Gipfels der Welthandelsorganisation WTO führten, als dritte globale Kraft. Von diesem Zeitpunkt an nahm sie neben Unternehmen und Regierungen (02) ihren Platz als eine der globalen Schlüsselinstitutionen ein, die heute die Qualität und Richtung der Globalisierung bestimmen. Das Aufkommen der globalen Zivilgesellschaft verändert die Welt von einer unipolaren oder bipolaren in eine tripolare Welt.

Die Schlacht von Seattle und das Aufkommen einer tripolaren Welt

Wir leben jetzt in einer tripolaren Welt, in der die Kräfte, Fähigkeiten und Quellen, die Welt zu verändern, in den Händen von Unternehmen, Regierungen und globaler Zivilgesellschaft liegen. In vielen Ländern und Städten wird eine andere Kräftekonstellation in zunehmendem Maße sichtbar. Drei globale Kräfte bestimmen jetzt das Verständnis und Schicksal brennender sozialer Fragen. Wir können Sinn und Bedeutung dieser Entwicklung erkennen, wenn wir die Weltgeschichte der letzten 55 Jahre anschauen.

Von 1945 bis 1989 lebte die Menschheit in einer bipolaren Welt, die durch den Kalten Krieg zwischen den wirtschaftlichen Mächten des Kapitalismus und der politischen Macht des Kommunismus geschaffen worden war. Während dieser Zeit betrachteten Führungspersönlichkeiten die Weltereignisse, Politik, Gesetze und Programme lediglich auf der Basis vorherrschender politischer bzw. wirtschaftlicher Belange und Perspektiven.

Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 begann die bipolare Welt langsam zu bröckeln. Alles schien auf eine unipolare Welt hinauszulaufen, die durch das "Ende der Geschichte" (03) , durch den globalen Triumph des neoliberalen Kapitalismus (04) über den Kommunismus, charakterisiert wurde. Jetzt betrachteten die Führer die Weltentwicklung aus der engen Perspektive eines fiktiven "freien" Marktes. Das frühere Ideal der Demokratie wurde langsam ausgehöhlt, während elitäre wirtschaftliche Mächte Wahlen und andere Formen demokratischer Aktivitäten zur Farce machten. (05) Die dubiose Errichtung der monolithischen Welthandelsorganisation (WTO) 1995, mit einer Macht, die sich über die legitimen Belange der Nationen hinwegsetzte, war eine eiskalte Demonstration der Zwangsgewalt dieser zunehmend unipolaren Welt.

Aber dann durchbrach die "Schlacht von Seattle" die Monotonie des ultrakapitalistischen Imperiums. Ihr waren Jahre an Arbeit der globalen Zivilgesellschaft vorausgegangen. Die Zivilgesellschaft brachte das Monopol der neoliberalen, kapitalistisch-zentrierten Globalisierung zu Fall. Die Zivilgesellschaft veränderte in einem Akt kultureller Rebellion die ganze Globalisierungsdebatte bezüglich der Wertvorstellungen und ihrer Bedeutung: sie nahm der elitären Überzeugung, die Geldgier und Machtkitzel für grundsätzlich legitim hielt, den Schwung. Durch diese Herausforderung und Jahre des Widerstands setzte die globale Zivilgesellschaft auf dramatische Weise die Anfänge einer tripolaren Welt und leitete die Geburt einer neuen Geschichte ein.

Dreigliederung als neue Sprache der tripolaren Welt

Die Schlacht von Seattle zeigte Millionen Menschen in aller Welt, daß wir jetzt in einer tripolaren Welt leben. Das galt bereits seit längerer Zeit, war aber nur für diejenigen wahrnehmbar, die diese Entwicklungen genau verfolgt hatten. Wir müssen mit der neuen sozialen Landschaft der tripolaren Welt erst vertraut werden. Denn ihre soziale Topographie wird unsere Zukunft und die der Erde entscheidend beeinflussen. Und um vertrauensvoll genug in dieser Landschaft zu leben, müssen wir die Schlüsselbegriffe der Sprache dieser neuen tripolaren Welt kennen.

Der Begriff Dreigliederung (06) ist ein guter Ausgangspunkt. Er ist für viele ein neuer Begriff, und ich benutze ihn in diesem Buch sehr häufig, denn Dreigliederung ist der Schlüssel zum Verständnis der neuen sozialen Landschaft und zu dem, was in ihr vor sich geht. Der Begriff beinhaltet und beleuchtet viele der neuen Konzepte in der tripolaren Welt. Deshalb ist es wichtig, sich über seine Bedeutung von seinem Ursprung her klar zu sein. Dreigliederung zu verstehen heißt, viele Fakten, Ereignisse und Einzelheiten, die in diesem Buch behandelt werden, zu verstehen, und noch wichtiger: alles in der sozialen Welt um uns herum deutlicher zu sehen.

Im weiteren Verlauf meiner Betrachtungen beachten Sie bitte die kursiv gedruckten Wörter oder Wendungen. Sie betonen die wichtigsten Begriffe dieser neuen Sprache. Ihr Verständnis wird es erleichtern, die Gedanken der Dreigliederung zu verstehen.

Zwei Vorbedingungen zum Verständnis der Dreigliederung

Es gibt zwei Schlüssel oder Eingangstore, um die Bedeutung und die Wichtigkeit der Dreigliederung zu verstehen.

Mit dem ersten Schlüssel können wir verstehen, warum unsere Welt heute tripolar ist. Sie ist es deshalb, weil es heute drei widerstreitende institutionelle Kräfte gibt, die in der Welt herrschen - globale Zivilgesellschaft, Regierung und Unternehmen. Diese drei Kräfte bestimmen durch ihre Interaktion die Richtung der Weltentwicklung.

Mit dem Aufkommen der Zivilgesellschaft als einer der drei institutionellen Kräfte ist etwas sehr Wichtiges direkt verbunden. Mit ihrem Auftauchen bringt die Zivilgesellschaft, bewußt oder unbewußt, kulturelles Leben als autonomen Bereich innerhalb der Gesellschaft aus sich hervor. Dieses Ereignis ist von enormer Bedeutung.

Drei institutionelle Kräfte anzuerkennen - und das faktische Aufkommen eines autonomen kulturellen Bereichs durch die Präsenz der Zivilgesellschaft - ist der erste Schlüssel zum Verständnis der Dreigliederung. Aber er reicht nicht aus. Wir müssen einen weiteren liefern, damit dann beide zusammen die Bedeutung und Wichtigkeit der Dreigliederung für uns entschlüsseln werden.

Für den zweiten Schlüssel müssen wir uns den Sozialwissenschaften zuwenden. Dort erfahren wir, daß es drei Bereiche im sozialen Leben oder drei Subsysteme in der Gesellschaft - das kulturelle, politische und ökonomische - gibt. (07) Jede Gesellschaft - groß und klein - beinhaltet diese drei Bereiche, die manchmal auch als die drei Sphären der Gesellschaft bezeichnet werden. Was wir als "sozial" bezeichnen, ist eine aufkommende (08) Organisation auf höherer Ebene, die durch die Interaktion der verschiedenen Bereiche der Gesellschaft entsteht. (09) In diesem Buch werden Bereiche, Sphären, Lebensgebiete und Subsysteme der Gesellschaft austauschbar verwendet, auch dann, wenn es feine Bedeutungsnuancen unter ihnen gibt.

Die Interaktionen dieser drei Bereiche bestimmen, welche Art von sozialem Leben oder Gesellschaft wir haben. Wir leben in einer gesunden Gesellschaft, wenn sich die drei Bereiche gegenseitig anerkennen und unterstützen und ihre Initiativen mit dem Bewußtsein über ihre möglichen Wirkungen auf die anderen Bereiche entwickeln. Wir leben in einer kranken Gesellschaft, wenn ein Bereich vorherrscht und versucht, die anderen zu unterwerfen. Z. B. herrscht in der zerstörerischen Form der Globalisierung, die wir "elitär" nennen, eine Sphäre der Gesellschaft, nämlich die wirtschaftliche, über die berechtigten Belange der politischen und kulturellen. Hinzu kommt, daß wirtschaftliche und politische Institutionen im allgemeinen nur ein vages Verständnis und eine ungenügende Anerkennung der Kultur und ihrer Rolle im sozialen Leben entwickeln.

Jetzt können wir die beiden Schlüssel miteinander verbinden, indem wir eine entscheidende Frage stellen. Gibt es zwischen den drei Subsystemen der Gesellschaft und den drei globalen institutionellen Kräften, die in der tripolaren Welt aktiv sind, einen Zusammenhang?

Die Schlacht von Seattle und das Aufkommen einer tripolaren Welt

Ja, es gibt ihn! Unternehmen als Institutionen beziehen ihre Macht, sei sie zerstörerisch oder nicht, aus ihrer Tätigkeit in der Wirtschaft. Die Ökonomie ist ihr natürlicher Lebensraum. Regierungen als Institutionen gewinnen ihre Macht, sei sie legal oder nicht, aus dem politischen Leben. Ihr natürlicher Lebensraum ist der Bereich der Politik. Und die Institutionen der Zivilgesellschaft gewinnen ihre Stärke, gewollt oder ungewollt, aus der Verteidigung und Artikulation von Weltanschauungen und Wertvorstellungen, diese aber gehören zum kulturellen Leben. (10) Der natürliche Lebensraum der Zivilgesellschaft ist daher die Kultur. Unternehmen haben wirtschaftliche Macht, Regierungen politische Macht. Und die Organisationen der Zivilgesellschaftsorganisationen besitzen kulturellen Einfluß ("Macht"). (11) Keine der drei Gruppierungen besitzt ein Machtmonopol.

Das ist der Grund, weshalb wir jetzt sagen können, daß Zivilgesellschaft, Regierung und Unternehmen die drei Schlüsselinstitutionen des sozialen Lebens sind. Jede dieser mächtigen Institutionen hat auf ihre Art das Potential, den Bereich der Gesellschaft zu repräsentieren, in dem sie aktiv ist - die Zivilgesellschaft repräsentiert die Kultur, Regierungen repräsentieren die Politik und Unternehmen die Wirtschaft.

Unternehmen können nicht im realen Sinne die Interessen der Kultur oder Politik repräsentieren, die Zivilgesellschaft kann nicht die detaillierte Arbeit der Wirtschaft oder der Politik ersetzen, und die Regierung kann nicht gültig wirtschaftliche oder kulturelle Ziele artikulieren. Weil die Prozesse und Belange der Wirtschaft wesentlich andere sind als diejenigen von Politik und Kultur, erkennt die Dreigliederung, daß mit Unternehmen, Regierung und Zivilgesellschaft von Natur aus unterschiedliche Aspekte der Gesamtgesellschaft betont werden.

Auf der anderen Seite haben alle drei Schlüsselinstitutionen das Recht, einander zu kritisieren, wenn institutionelle Aktivitäten aus der jeweils anderen Sphäre beginnen, Mensch und Natur Schaden zuzufügen. Das muß geschehen, denn die Grenzen zwischen den Bereichen sind fließend, und die Aktionen der Schlüsselinstitutionen müssen außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes oder Bereiches wirken können.

Diese Möglichkeit, in einen anderen Bereich eingreifen zu können, führt zu der Notwendigkeit, den Unterschied zwischen zwei ähnlich klingenden Wendungen zu verstehen. Die Formulierung "drei Schlüsselinstitutionen des sozialen Lebens" ist nicht das gleiche wie die vorher angewandte "drei institutionelle Kräfte einer tripolaren Welt".

Die drei Institutionen können sich als "institutionelle Kräfte einer tripolaren Welt" verstehen, aber damit wissen sie noch nicht notwendigerweise, aus welchen sozialen Bereichen tatsächlich diese tripolare Welt besteht. Die drei institutionellen Kräfte wissen auch nicht unbedingt, welche sozialen Bereiche sie einnehmen und ansprechen. So können sie sich nur ihrer Gegensätzlichkeit bewußt sein, ohne damit bereits notwendigerweise zu wissen, ob sie in Wirtschaft, Politik oder Kultur verankert sind. Wenn ein Zivilgesellschaftsaktivist z. B. glaubt, daß die Zivilgesellschaft zum politischen Bereich gehört, beinhaltet das einen Wortgebrauch, der durchaus eine "institutionelle Kraft" in einer tripolaren Welt meint. In diesem Fall ist sich die Zivilgesellschaft jedoch nur ihrer Macht bewußt, nicht jedoch des sozialen Bereichs, aus welchem sie kommt. Oder noch schlimmer: keine der drei glaubt, daß der kulturelle Bereich wichtig ist, und alle drei ziehen es deshalb vor, nur im politischen oder wirtschaftlichen Bereich zu wirken.

Der Begriff Schlüsselinstitutionen des sozialen Lebens dagegen beinhaltet, daß die Akteure innerhalb dieser Institutionen eine bestimmte und klare Vorstellung darüber haben, welches die drei sozialen Bereiche sind und welchem ihre Institution angehört. Ein Unternehmen sollte z. B. darüber Bescheid wissen, daß die drei sozialen Bereiche die Wirtschaft, Politik und Kultur sind und daß sein Bereich die Wirtschaft ist.

Was den Zeitablauf betrifft, so ist es für die Zivilgesellschaft und die anderen Institutionen normal, zuerst zu wissen, daß sie institutionelle Kräfte in einer tripolaren Welt sind. Danach erst werden sie sich bewußt, daß sie Schlüsselinstitutionen des sozialen Lebens sind. Und dieses Bewußtsein macht, wie wir sehen werden, einen riesigen Unterschied in der gesellschaftlichen Umwandlung und Entwicklung im allgemeinen und in der Dreigliederung im besonderen aus.

Diese Unterscheidung wird eine wesentliche Rolle im Verständnis der unterschiedlichen Arten der Dreigliederung spielen, die etwas später besprochen werden. Obwohl die Unterscheidung zwischen den beiden Wendungen für manche trivial und damit überflüssig zu sein scheint, sind die Folgen tiefgreifend. Wenn der gesellschaftliche Ort einer Institution nicht bestimmt wird, wird ein einzelner oder eine Institution durch verschiedene Methoden verwundbar, einschließlich der Vereinnahmung und Bestechung.

Nehmen wir an, eine der drei Schlüsselinstitutionen glaubt, sie komme aus einem anderen Bereich der Gesellschaft als dem eigenen. Sagen wir, eine zivilgesellschaftliche Organisation glaubt z. B., sie komme aus dem politischen Bereich der Gesellschaft und vernachlässigt dabei ihren eigenen (Kultur), um politische Macht zu erlangen. Daraus können schreckliche Folgen entstehen. (12) Oder nehmen wir an, eine Regierung möchte über Bildungsinhalte entscheiden (Rolle der Kultur), anstatt das Recht auf Bildung für alle zu sichern. Wieder entstehen weitreichende negative Folgen.

Das Wesen der Dreigliederung

Beginnen wir nun, ein Verständnis der Dreigliederung zu entwickeln. Ich formuliere bewußt "beginnen", obwohl die Dreigliederung eigentlich sehr einfach und zielführend ist, hat man sie einmal verstanden. Aber für das Verständnis eines neuen Konzepts ist einige Konzentration nötig. In diesem Fall lohnt sich die Mühe, denn die Dreigliederung ist ein solch neues Konzept, das uns dabei hilft, die Globalisierung zu gestalten und in einen Weg zu verwandeln, der allem Leben auf diesem Planeten neuen Sinn verleiht und die Verbesserung aller Verhältnisse ermöglicht.

Allgemein gesprochen bedeutet Dreigliederung soviel wie autonome Interaktion der drei Bereiche der Gesellschaft durch jede ihrer drei institutionellen Kräfte oder Schlüsselinstitutionen, um für echte oder umfassende nachhaltige Entwicklung zu wirken bzw. diese zu erreichen.

Damit haben wir folgende Begriffe geklärt: drei Bereiche oder Subsysteme der Gesellschaft, drei institutionelle Kräfte sowie drei Schlüsselinstitutionen. Werfen wir nun einen näheren Blick auf die Begriffe autonome Interaktion, "echte oder umfassende" nachhaltige Entwicklung und "wirken/erreichen".

Autonome Interaktion kann bewußt oder unbewußt geschehen. Unter unbewußter autonomer Dreigliederung verstehen wir folgendes:

Obwohl sie das Gegenteil behaupten, ignorieren heutzutage viele Entwicklungsversuche grundsätzlich kulturelle, ökologische, menschliche und geistige Belange in ihrer aktuellen Politik, ihren Programmen und Projekten. Statt dessen sind sie fast bis zur totalen Anhängigkeit fixiert auf rein wirtschaftliche und politische Belange. Wegen dieser Fixierung sind die meisten gesellschaftlichen Interaktionen im Grunde zweigegliedert oder bipolar, manchmal sogar eingliedrig oder unipolar.

Wenn jedoch die Zivilgesellschaft auf der Bildfläche erscheint, verändern sich die Dynamik und der Inhalt der Entwicklung. Die Kultur taucht als autonomer Bereich der Gesellschaft auf und erfordert ernsthafte Betrachtung, weil kulturelle Belange und Aktivitäten in die Pläne und Initiativen der Zivilgesellschaft eingebettet sind. Das trifft auch dann zu, wenn die Zivilgesellschaft sich dessen nicht bewußt ist, daß sie die kulturelle Kraft aufbietet. Mit der Beteiligung der Zivilgesellschaft beginnt auf diese Weise die "autonome Interaktion" der drei Bereiche, selbst wenn sich die Zivilgesellschaft nicht bewußt ist, daß sie eine kulturelle Institution ist. Das tatsächliche Ergebnis der Aktivitäten der Zivilgesellschaft ist die Freisetzung des kulturellen Lebens und dessen autonomer Interaktion mit den politischen und wirtschaftlichen Sektoren der Gesellschaft. Das ist dann unbewußte autonome Interaktion.

Die autonome Interaktion kann natürlich auch bewußt werden. Dieses Bewußtsein autonomer Interaktion muß in späteren Phasen der Dreigliederung sogar notwendig vorhanden sein. So bedeutet bewußte autonome Interaktion, daß jede der drei Institutionen sich der Unterschiede zwischen den Begriffen "drei institutionelle Kräfte", "drei Schlüsselinstitutionen" und "drei Bereiche der Gesellschaft" bewußt ist, wie sie oben erklärt worden sind. Das heißt z.B., daß sich die Zivilgesellschaft bewußt ist, daß ihre Quelle des Einflusses die Kulturkraft ist, ihr sozialer Bereich in der Kultur liegt und sie eine Schlüsselinstitution der Kultur ist. Dasselbe gilt für Regierung und Unternehmen. Das Nicht-Verstehen dieser Unterscheidung und der Beziehung zwischen diesen drei Begriffen vermindert die Möglichkeit der Dreigliederung, in der Welt gute Veränderungen zu bewirken.

An der Frage, ob bewußte oder unbewußte autonome Interaktion stattfindet, entscheidet sich, ob "institutionelle Mächte" oder "Schlüsselinstitutionen" "für echte nachhaltige Entwicklung" bzw. "umfassende nachhaltige Entwicklung eintreten" oder "nachhaltige Entwicklung bzw. umfassende nachhaltige Entwicklung erreichen". Wichtig ist zunächst, die Übereinstimmungen zwischen den Begriffen zu erkennen. Danach werden wir die Bedeutung der Begriffe und ihrer Übereinstimmungen erläutern.

In unbewußten autonomen Interaktionen treten die drei institutionellen Mächte, besonders aber die Zivilgesellschaft, für echte nachhaltige Entwicklung ein. In dieser Interaktionsform, für die intensive Dialoge oder Debatten charakteristisch sind, versuchen die Teilnehmer, eine Idee, einen Rahmen, eine Politik, ein Programm oder Projekt zu klären oder abzulehnen.

In bewußten autonomen Interaktionen streben die drei Schlüsselinstitutionen das Erreichen umfassender nachhaltiger Entwicklungen an. Diese Interaktionsform liegt mehr im willentlichen Tun, bei dem alle zusammen einem gemeinsamen Ziel entgegenstreben.

Die Klärung des Begriffes umfassende nachhaltige Entwicklung wird die Erklärung der anderen Begriffe und ihre Übereinstimmung ermöglichen. Umfassende nachhaltige Entwicklung bedeutet, daß das Ziel der bewußten Interaktion der drei Schlüsselinstitutionen nicht nur konventionelle nachhaltige Entwicklung ist, sondern diese Entwicklung in umfassender Weise erreicht werden soll.

Konventionelle nachhaltige Entwicklung bedeutet oft lediglich umweltfreundliche wirtschaftliche Entwicklung, wobei der Versuch gemacht wird, neoliberale Wirtschaftsmodelle auf ökologische Belange anwendbar zu machen, was in sich fast unmöglich scheint. Bei diesem Versuch ist der Erfolg höchst unwahrscheinlich, denn die neoliberale wirtschaftliche Theorie enthält strukturelle Fehler.

Diese Art der Synthese ist unzureichend und zu kurzsichtig. Oft beherrschen Unternehmensinteressen die Diskussion über konventionelle "nachhaltige Entwicklung". (13) Umfassende nachhaltige Entwicklung beginnt dagegen mit der Prämisse, daß drei Schlüsselinstitutionen vorhanden sind, welche die drei Bereiche der Gesellschaft und damit gleichzeitig das gesamte gesellschaftliche Leben repräsentieren. Diese drei Bereiche bringen Perspektiven mit ein, die jeweils der Sphäre, zu der sie gehören, entsprechen. Unternehmen vertreten wirtschaftliche Interessen, Regierungen vertreten politische Interessen, die Zivilgesellschaft wird kulturelle, soziale, ökologische, menschliche und geistige Belange einbringen. Umfassende nachhaltige Entwicklung beinhaltet deshalb sieben Entwicklungsdimensionen: wirtschaftliche, politische, kulturelle, soziale, ökologische, menschliche und geistige Dimensionen.

Weil die umfassende nachhaltige Entwicklung die Perspektiven der drei Schlüsselbereiche der Gesellschaft ernsthaft beachtet, verändert sich zugleich das Verständnis der wirtschaftlichen Grundlagen der Globalisierung. Es läßt sich zeigen, daß das gegenwärtige Dogma des ökonomischen Neoliberalismus die Wurzel der gewaltigen Probleme der elitären Globalisierung darstellt. (14)

Sogar die führenden Wirtschaftswissenschaftler betonen immer mehr, daß gesunde Marktwirtschaft in hohem Maße abhängig ist von der Gesundheit und Vitalität anderer Gesellschaftsbereiche. (15)

Deshalb kann umfassende nachhaltige Entwicklung nicht das neoliberale Wirtschaftsmodell zum Inhalt haben. Es muß sich um etwas vollständig anderes handeln. Manche haben für dieses andere bereits einen Namen und nennen es assoziative Wirtschaft. (16) Das ist eine Wirtschaft, in der das Hauptmotiv für wirtschaftliche Aktivitäten nicht der Profit und die Konkurrenz sind, sondern die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und die Zusammenarbeit.

Jetzt können wir die Übereinstimmung erklären und die unterschiedlichen Begriffe in diesem Prozeß erläutern. Wir beginnen mit der ersten Übereinstimmung: "In unbewußten nachhaltigen Interaktionen treten die drei institutionellen Mächte, besonders die Zivilgesellschaft, für echte nachhaltige Entwicklung ein."

Unbewußte oder bewußte autonome Interaktion erklärt den Rest dieser Reihe. In einer autonomen, aber unbewußten autonomen Interaktion der drei Bereiche sind sich die drei institutionellen Mächte noch nicht ihres natürlichen Bereiches bewußt. Weil sich die Zivilgesellschaft ihrer Rolle bei der Befreiung des kulturellen Lebens beispielsweise nicht bewußt ist, kann sie zwar für echte nachhaltige Entwicklung eintreten, aber nicht für umfassende nachhaltige Entwicklung, die das volle Verständnis der Rolle der Kultur und ihrer Inhalte erfordert.

Etwas Ähnliches kann über die anderen zwei institutionellen Kräfte gesagt werden. Alle drei institutionellen Kräfte treten für nachhaltige Entwicklung ein, aber mehr in Form der Kritik an existierenden Bestrebungen. So versuchen sie, eine klare Vision von dem zu bekommen, was umfassende nachhaltige Entwicklung wirklich ist oder sein kann.

Betrachten wir jetzt die nächste Feststellung: "In bewußten autonomen Interaktionen streben die drei Schlüsselinstitutionen danach, umfassende nachhaltige Entwicklung zu erreichen!"

Hier befassen sich die Schlüsselinstitutionen mit bewußter Interaktion, da sie bereits den Bereich kennen, zu dem sie gehören. Wegen dieser Kenntnis ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Bereiche können sie umfassende nachhaltige Entwicklung planen und tatsächlich danach streben, sie gemeinsam zu erreichen. Es herrschen gegenseitiger Respekt und Achtung vor den unterschiedlichen, aber sich ergänzenden Beiträgen, die jede Institution hinsichtlich des Zieles der umfassenden nachhaltigen Entwicklung einbringt. Damit führt der Weg allmählich weg von der bloßen Kritik an vergangenen Aktivitäten hin zur Schaffung einer eines Zukünftigen und Neuen.

Zwei Aspekte zu Dreigliederungsprozeß und Dreigliederungsinhalt

Nach der Klärung allgemeiner Ideen der Dreigliederung können wir uns jetzt auf einen wichtigen Aspekt der Dreigliederung konzentrieren: den Zusammenhang zwischen dem Prozeß und der Substanz der Dreigliederung

Die autonome Interaktion der drei Bereiche - Kultur, Politik und Wirtschaft - kann bewußt oder unbewußt sein. Die Handelnden dieser autonomen Interaktionen können die drei institutionellen Kräfte oder die drei Schlüsselinstitutionen der Gesellschaft sein. Das Ziel der autonomen Interaktion von Zivilgesellschaft, Unternehmen und Regierung kann echte oder umfassende nachhaltige Entwicklung sein. Welche Dreigliederungsart es auch sein mag, die autonome Interaktion der drei Institutionen (Prozeß) ist nur ein Mittel zum Zweck für echte oder umfassende nachhaltige Entwicklung (Inhalt).

Keine Institution der Gesellschaft kann allein ein allgemeines Programm (Inhalt) gestalten. In der Dreigliederung wird das konkrete Programm im Konflikt, im Dialog oder in der Partnerschaft geschaffen, d. h. in aktiven Prozessen zwischen den drei Institutionen der Gesellschaft. Aus diesen Prozessen heraus entstehen die konkreten Maßnahmen für die Erreichung echter oder umfassender nachhaltiger Entwicklung.

Dieser letzte Punkt ist sehr wichtig. Denn Dreigliederung ist zuallererst ein sozialer Prozeß. Aus diesem sozialen Prozeß entsteht der Inhalt der Dreigliederung. Ohne einen echten Dreigliederungsprozeß kann kein authentischer Dreigliederungsinhalt entstehen. Aus diesem Grund wird der Begriff Dreigliederung im aktiven Sinne verstanden, der einen Prozeß, eine soziale Aktivität bezeichnet und nicht ein fertiges soziales Produkt.

Immer müssen wir die Unterscheidung zwischen Dreigliederungsprozeß und Dreigliederungsinhalt berücksichtigen. Prozeß entsteht durch Interaktion der drei Schlüsselinstitutionen. Inhalt (Substanz) entsteht durch das, was diese Institutionen aus ihrem jeweiligen Hintergrund aus Wirtschaft, Politik oder Kultur in die Interaktion einbringen.

Ein Dreigliederungsprozeß ist vollständig und authentisch, wenn alle drei Schlüsselinstitutionen der Gesellschaft sinnvolle und wahrhaftige Teilnahme zeigen, wenn sich alle ihres jeweiligen gesellschaftlichen Bereichs bewußt sind. Ein Prozeß unter Einbeziehung vieler Betroffener bzw. Akteure ("Multistakekolder-Prozeß") ist noch nicht automatisch ein Dreigliederungsprozeß, denn in solch einem Prozeß sind nicht immer alle drei Institutionen vertreten. Es kann sogar einen "Multistakeholder-Prozeß" geben, dessen Teilhaber verschiedenen Sektoren des gleichen Bereiches angehöre - der Regierung oder den Unternehmen beispielsweise. Aber das ist dann kein Dreigliederungsprozeß, denn es sind nicht alle drei Schlüsselinstitutionen vertreten. Dieser heute häufig benutzte Begriff des "Multistakeholdership" führt zur Verwirrung und leistet einem ungesunden Mischungsverhältnis zwischen Vertretern aus den einzelnen gesellschaftlichen Bereichen Vorschub.

Ebenfalls wäre es kein Dreigliederungsprozeß, wenn zwar Unternehmen, Zivilgesellschaft und Regierung vertreten wären, der gesellschaftliche Bereich der Institutionen aber durcheinandergeraten wäre. Beispielsweise war der "Multistakeholder-Prozeß" der globalen Agenda 21 (17) kein Dreigliederungsprozeß, obwohl alle drei Schlüsselinstitutionen vertreten waren. Das lag daran, daß die globale Agenda 21 die Zivilgesellschaft und Unternehmen in die gleiche Gruppierung des sogenannten Basissektors geworfen hat, ohne eine klare Vorstellung des gesellschaftlichen Bereiches zu haben, aus dem die unterschiedlichen Sektoren der Zivilgesellschaft oder der Unternehmen kommen.

Dreigliederungsprozesse sind deshalb von Natur aus inhaltsreicher und umfassender als "Multistakeholder-Prozesse", weil die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft durch die Vertretung ihrer Schlüsselinstitutionen berücksichtigt werden.

In der Dreigliederung ist der Inhalt unvollständig, wenn die verschiedenen Dimensionen der Entwicklung nicht präsent sind. Wie wir gesehen haben, vertreten Unternehmen die wirtschaftliche Dimension, die Regierungen die politische Dimension, und die Zivilgesellschaft vertritt die kulturellen, sozialen, ökologischen, menschlichen und geistigen Dimensionen der Entwicklung. Natürlich können anfangs nicht alle Entwicklungsdimensionen erreicht werden. Aber sie müssen bewußt mit einbezogen werden in den Prozeß und den Inhalt der Dreigliederung.

Dreigliederung ist ein gangbarer Weg, um soziale Gesundung und sozialen Zusammenhalt herbeizuführen. Dreigliederung bringt in den Prozeß und den Inhalt der Entwicklung einen integrierenden und einheitlichen Ansatz hinein. Als sozialer Prozeß kann die Dreigliederung entweder den Konflikt zwischen den drei globalen Kräften der tripolaren Welt fördern oder ausgleichen. Die Qualität der sozialen Interaktion der drei globalen Kräfte - in der Dreigliederung jetzt als die drei Schlüsselinstitutionen gesellschaftlichen Lebens verstanden - wird die Richtung der Globalisierung bestimmen und zeigen, ob diese Interaktion in der Lage sein wird, die brennenden sozialen Fragen unserer Zeit und der nachfolgenden Generationen zu lösen oder nicht.

Arten und Stufen der Dreigliederung

Dreigliederung, wie sie oben beschrieben ist, kann sich bei ihrem ersten Auftauchen im sozialen Leben noch nicht vollständig manifestieren.

Es gibt verschiedene Arten der Dreigliederung und verschiedene Stufen, die eine authentische Dreigliederung durchlaufen muß. Dreigliederung durchläuft wie ein Mensch die verschiedenen Stufen der Kindheit, der Jugend und des Erwachsenseins. Deshalb kann sich die gegenwärtige konkrete Dreigliederung mit der Zeit und dem Ort ändern, in Abhängigkeit von den Bedingungen des sozialen Lebens.

Entsprechend dieser Analogie muß fortgeschrittene Dreigliederung (Erwachsenenphase) zunächst zwei frühere Phasen durchlaufen: De-facto-Drei-gliederung (Kindheitsphase) und bewußte Dreigliederung (Jugendphase).

Faktische (De-facto-) Dreigliederung entsteht, wenn eine der drei globalen Institutionen ihre Autonomie sicherstellt und ihren Bereich vor vermuteten oder wirklichen Übergriffen der anderen beiden Kräfte und Bereiche der Gesellschaft verteidigt. Erst vor kurzem entstanden De-facto-Dreigliede-rungsinitiativen fast ausschließlich in der Zivilgesellschaft. Im letzten Jahrzehnt hat die Zivilgesellschaft den kulturellen Bereich vor den wachsenden totalitären Tendenzen von Regierungen und Unternehmen geschützt. In jeder Region, jedem Land oder in der globalen Arena, in der die Zivilgesellschaft erfolgreich ihre Autonomie sichert, entsteht De-facto-Dreigliederung.

In der De-facto-Dreigliederung ist die Zivilgesellschaft in einer kritischen und oft ablehnenden Position gegenüber dem Bestehenden. Die "Schlacht von Seattle" ist eines der besten Beispiele für De-facto-Dreigliederung.

Es ist jedoch wichtig zu erkennen, daß De-facto-Dreigliederung auch ohne Konfrontation erreicht werden kann, sobald die Kultur anerkannt und als unabhängiger sozialer Bereich etabliert ist. Das geschieht dort, wo die Schlüsselinstitutionen des sozialen Lebens, die historisch gesehen ihren Kompetenzbereich überschritten haben, das Konzept der Selbstbegrenzung (18) umsetzen. Durch diesen Ansatz begrenzt eine Institution freiwillig ihre Macht auf den eigenen Bereich, um den legitimen Aktivitäten der anderen Institutionen in der Gesellschaft Raum zu geben. Privatisierung ist nur ein Beispiel. (19) Bei der Privatisierung zieht sich die Regierung von der direkten Führung wirtschaftlicher Unternehmen zurück. Ähnliche Beispiele kann man für die freiwillige Anerkennung der Autonomie des kulturellen Lebens seitens Politik und Wirtschaft finden. (20)

De-facto-Dreigliederung ist die Kindheitsphase authentischer Dreigliederung. Sie wird de facto genannt, weil sie zur De-facto-Befreiung des kulturellen Bereiches der Gesellschaft sowohl von wirtschaftlichen als auch/oder von politischen Institutionen führt. Sie wird ebenso de facto genannt, weil, wie jedes Kind, die drei institutionellen Kräfte nicht vollständig verstehen, daß sie sich auf eine Reise zur fortgeschrittenen Dreigliederung begeben haben. Das Kind hat ein anderes Bewußtsein als der Erwachsene und versteht die Wege eines Erwachsenen nicht vollständig. Ähnlich verstehen die Akteure innerhalb der drei institutionellen Mächte der De-facto-Dreigliederung nicht völlig alle Konsequenzen dessen, was dort geschieht, wo sie sich gerade im sozialen Prozeß befinden, oder sie verstehen nicht, daß auch die gesellschaftliche Entwicklung in Phasen verläuft. (21)

Wenn auch die De-facto-Dreigliederung keine vollkommene Dreigliederung ist, so ist sie doch ein wichtiges Zeichen dafür, daß eine wirkliche Möglichkeit für die Dreigliederung entstanden ist und daß es neue Möglichkeiten gibt, die für die großen Ziele der Menschheit genutzt werden können.

Bewußte Dreigliederung entsteht, wenn die drei institutionellen Mächte anerkennen, daß die Gesellschaft drei Bereiche aufweist und daß sie die drei Schlüsselinstitutionen dieser drei gesellschaftlichen Bereiche sind. In bewußter Dreigliederung sind sich die drei Schlüs^elinstitutionen bewußt, daß sie in einen sozialen Prozeß eingetreten sind, der einzigartige Perspektiven, Stärken, Quellen und Möglichkeiten der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bereiche der Gesellschaft mobilisiert. Die drei Schlüsselinstitutionen wissen hier, daß sie ihre jeweiligen Fähigkeiten in bewußter Dreigliederung zugunsten umfassender nachhaltiger Entwicklung einbringen und damit wirtschaftliche, politische, kulturelle, soziale, ökologische, menschliche und geistige Ziele der Entwicklung ins Gleichgewicht bringen. (22)

Bewußte Dreigliederung lebt, wenn alle drei globalen Kräfte für einen gemeinsamen Dialog über Grundfragen und/oder gemeinsames Engagement offen sind, um damit eine andere Art der Globalisierung zu schaffen. Unternehmen und Regierung können sich beispielsweise freiwillig dafür entscheiden, kulturelle, soziale, ökologische, menschliche und geistige Themen zu würdigen, welche die Zivilgesellschaft in jedem bewußten Dreigliederungsprozeß einbringen wird. Die Zivilgesellschaft wiederum hat die Wahl, die legitime Rolle der Unternehmen in der Wirtschaft und diejenige der Regierung in der Politik anzuerkennen, wenn deren Rollenverständnis von bloßen Profit- bzw. Machtmotiven befreit ist. In bewußter Dreigliederung versuchen die Schlüsselinstitutionen ihre Programme so gut wie möglich miteinander abzustimmen und in einer Atmosphäre gegenseitigen Respekts und Vertrauens zu arbeiten.

Der Inhalt bewußter Dreigliederung wird immer mehr die sieben Dimensionen der Entwicklung mit einbeziehen. Politik und Wirtschaft werden ebenso wichtig bleiben wie vorher. Aber immer mehr werden ökologische, soziale, kulturelle, menschliche und spirituelle Belange in die Einzelheiten umfassender nachhaltiger Entwicklungsziele eingehen.

In einer bewußt dreigegliederten Welt werden die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen nicht mehr länger Vorrang vor allem anderen haben. Das Dogma "Kommerz über alles" wird dieser Welt ein Greuel sein. Die Interessen der beiden anderen Schlüsselinstitutionen der dreigegliederten Welt müssen mit einbezogen und ins richtige Gleichgewicht gebracht werden. Eine einseitige Wirtschaftspolitik dagegen wird sich nicht länger rechtfertigen lassen, andernfalls wird die Welt durch den Geist der Schlacht von Seattle erneut belehrt werden, daß die Agenda elitärer wirtschaftlicher und politischer Mächte dem Untergang geweiht ist.

In einer bewußt dreigegliederten Welt streben die drei "Weltmächte" dahin, ihre Ziele auf konstruktive Art in der Debatte um Globalisierung zur Geltung zu bringen. Deshalb wird bewußte Dreigliederung immer mehr eine zentrale Rolle in der Zukunft unseres Planeten spielen.

In bewußter Dreigliederung bringt sich die Zivilgesellschaft in kritischem Engagement ein. Die Philippinische Agenda 21 ist ein Beispiel aktiver bewußter Dreigliederung. (23)

Fortgeschrittene Dreigliederung ist die Erwachsenenphase der Dreigliederung. In der fortgeschrittenen Dreigliederung werden gegenseitiges Vertrauen und gegenseitiger Respekt geschaffen und gefestigt. Hier ist die Qualität der verschiedenen Bereiche, die durch die drei Schlüsselinstitutionen repräsentiert werden, so gut bekannt, daß kreative und radikal neue Initiativen anfangen, den Inhalt des Dreigliederungsprozesses immer mehr zu bestimmen.

Zwar werden in der bewußten Dreigliederung viele Aspekte neoliberalen ökonomischen Denkens in den Debatten um Dreigliederungsinhalte weiterleben. Und das gleiche gilt für viele konventionelle Regierungsansätze. Jedoch werden bei fortgeschrittener Dreigliederung nur solche Elemente bewahrt werden, die wirkliche empirische Entdeckungen darstellen, und diese werden in den Kontext assoziativer Wirtschaft eingebettet werden, wie oben gezeigt. So bleibt das Konzept des offenen Marktes (Konsum- und Gewerbefreiheit) erhalten, aber Preis"optimierung" und Profitmaximierung werden ihrer Rolle als zentrales wirtschaftliches Entscheidungskriterium entkleidet. Statt dessen werden Fragen von Preis und Gewinn in Assoziationen der Wirtschaftspartner behandelt, Organisationen, die sichern wollen, daß durch das wirtschaftliche System den Bedürfnissen der Menschen angemessen entsprochen wird. (24)

Die fortgeschrittene Dreigliederung gestaltet Dreigliederungsprozesse vor allem unter dem Gesichtspunkt, fortgeschrittene Dreigliederungsinhalte weiter auszuarbeiten und umzusetzen. Ein Test, ob die Phase der fortgeschrittenen Dreigliederung erreicht ist, besteht in der Frage, ob die Regierung freiwillig ihre Kontrolle über die Bildung aufgibt, denn die Bildung liegt in der Verantwortung des kulturellen Bereiches. Einen weiteren Prüfstein würde die Frage bilden, ob die Unternehmen aufhören, die Arbeitskraft als Ware zu behandeln und aufhören, von einem "Arbeitsmarkt" zu sprechen, als ob die Arbeitsfähigkeiten von Menschen nur tote Dinge seien, die man auf dem Markt kaufen und verkaufen kann und die dem "Gesetz" von Angebot und Nachfrage unterliegen. Ein weiterer Test, allerdings ein harter, wird darin bestehen, ob es gelingt, dem Zustand ein Ende zu machen, daß die Natur, der Boden, als verkäufliche Vermögenswerte behandelt werden. Statt dessen wird in der fortgeschrittenen Dreigliederung die weitreichende Vision eines Eigentums entwickelt und umgesetzt, das man als Treuhandeigentum ("operatives Eigentum") bezeichnen kann.

Bei der fortgeschrittenen Dreigliederung ist die Zivilgesellschaft nicht nur durch Kritik beteiligt. Ihre Rolle und Aufgabe wird weitgehend anerkannt und institutionalisiert. So gelangen Schenkungsgelder aus wirtschaftlichem Gewinn rechtmäßig direkt an die Zivilgesellschaft, die dadurch von der Gnade und Barmherzigkeit von Institutionen der Geschäftswelt unabhängig sein wird.

Sowohl Unternehmen als auch Regierung kennen und schätzen die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Schaffung sozialen, menschlichen und ökologischen Kapitals, das für die Lebensfähigkeit von Wirtschaft und Politik bzw. Staat so wichtig ist.

Zwischen den drei verschiedenen Arten der Dreigliederung besteht nicht notwendigerweise ein Konflikt. Die De-facto-Dreigliederung ist eine wesentliche Aufgabe der Zivilgesellschaft. So, wie jeder Erwachsene einmal ein Kind war; ist die De-facto-Dreigliederung eine notwendige Vorstufe der bewußten Dreigliederung. Bestehende wirtschaftliche und politische Mächte müssen oft dazu gezwungen werden, den kulturellen Raum, den sie gerne besetzen wollen, freizugeben. Diese politischen und wirtschaftlichen Mächte müssen oft durch eine Demonstration kultureller Macht aufgeweckt werden, um die Wirklichkeit der Zivilgesellschaft und des kulturellen Bereiches zu würdigen.

Auch wenn bewußte Dreigliederung umgesetzt wird, gibt es noch Reste aus der Phase der faktischen Dreigliederung. Weil in den Institutionen Menschen sitzen, gibt es so etwas wie institutionelle Gewohnheiten. Und problematische institutionelle Gewohnheiten verschwinden oft nur langsam und müssen durch Aktivitäten der Zivilgesellschaft angegangen werden.

Es ist wichtig, auf eine bewußte Dreigliederung hinzuarbeiten, sobald De-facto-Dreigliederung erreicht worden ist, überall dort, wo es angemessen ist. Denn keine De-facto-Dreigliederung allein kann eine neue Welt schaffen, die umfassender nachhaltiger Entwicklung entgegenstrebt. Es muß das echte Verständnis vorhanden sein, daß es in der Gesellschaft drei Bereiche gibt und daß keine der Schlüsselinstitutionen über die jeweils andere herrschen kann. Dieses Verständnis ist wesentlich für bewußte Dreigliederung und umgekehrt für die Erreichung umfassender nachhaltiger Entwicklung. Nur bewußte Dreigliederung hat die Kraft, die Globalisierung wirklich so zu gestalten, daß sie von elitärer Globalisierung weg und hin zu umfassender nachhaltiger Entwicklung führt.

Wieder ähnelt der Reifungsprozeß dem eines Kindes. Es muß die Erwachsenenphase erreichen und darf nicht in der Kindheit stehenbleiben. Andernfalls manifestieren sich alle Arten psychischer Krankheitsbilder, und das Kind kann nicht zu einem tüchtigen, liebesfähigen und kreativen Erwachsenen heranreifen.

Die nachstehende Tabelle faßt die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Arten und Phasen der Dreigliederung zusammen:

Merkmale der verschiedenen Dreigliederungstypen

Merkmal de facto bewußt fortgeschritten

Autonomie der Kultur erreicht, bewußt oder unbewußt ja ja ja

Erkennt bewußt die drei Bereiche der Gesellschaft an nein ja ja

Erkennt bewußt die drei Schlüsselinstitutionen in den drei Bereichen der Gesellschaft an nein ja ja

Schließt bewußt den Inhalt der drei Bereiche mit ein, wenngleich nicht vollständig ausgeglichen nein ja ja

Verändert bewußt den Inhalt der drei Bereiche hinsichtlich umfassender nachhaltiger Entwicklung. Inhalte werden letztlich ins Gleichgewicht gebracht nein nein ja

Zugänge zur Dreigliederung

Wir haben gesehen, daß die Dreigliederungsentwicklung Phasen durchläuft. De-facto-Dreigliederung kann zu bewußter Dreigliederung werden und in die weitreichende und wahrhaft revolutionäre Phase fortgeschrittener Dreigliederung eintreten. Es ist deshalb hilfreich zu wissen, daß es Zugänge oder Einstiegspunkte zur Dreigliederung gibt.

Einer dieser Zugänge ist ein sozialer Prozeß, ein Thema oder eine Handlung, die schließlich in die verschiedenen Arten der Dreigliederung führen. Ein solcher Zugang führt zur Möglichkeit, einen Dreigliederungsprozeß zu entfachen. Es ist wichtig zu wissen, daß diese Zugänge existieren, weil derjenige, der mit dieser Kenntnis ausgestattet ist, soziale Prozesse, Themen und Aktivitäten in Kontext mit der Dreigliederung bringen kann.

Nehmen wir die trisektorale Partnerschaft, ein Begriff, der immer häufiger auf höchster politischer Ebene zu hören ist. Dieser Begriff bezieht sich auf Drei-Wege-Partnerschaften zwischen Zivilgesellschaft, Unternehmen und Regierung. Da sie von der jeweiligen Situation abhängig sind, können trisektorale Partnerschaften sowohl ein Zugang für De-facto-Dreigliederung als auch für bewußte Dreigliederung sein.

Mit der Beteiligung der Zivilgesellschaft an einer Partnerschaft werden kulturelle Perspektiven de facto in die Diskussion miteingebracht, selbst wenn die beteiligten Sektoren keine bewußte Kenntnis über die drei Bereiche der Gesellschaft und die Schlüsselinstitutionen in diesen Bereichen haben. (25)

Trisektorale Partnerschaften können auch ein Zugang zu bewußter Dreigliederung sein. Dies ist möglich, wenn die Befürworter von trisektoralen Partnerschaften die drei Bereiche der Gesellschaft verstehen und anerkennen, daß Unternehmen, Regierung und Zivilgesellschaft aus diesen drei Bereichen kommen.

Weiterhin ist es wichtig zu bedenken, daß fortgeschrittene Dreigliederung davon abhängt, ob solche Partnerschaften von gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Verständnis getragen werden. Wenn alle drei Sektoren darin übereinstimmen, daß die kulturellen Belange der Zivilgesellschaft genauso wichtig sind wie die wirtschaftlichen und politischen Interessen von Unternehmen bzw. Regierung, können trisektorale Partnerschaften ein legitimer Einstieg für fortgeschrittene Dreigliederung sein und zu einem umfassenderen Ansatz nachhaltiger Entwicklung verhelfen. Diese Partnerschaften sind nicht authentisch, wenn z. B. Unternehmen sie als Mittel benutzen, um die Gesellschaft im weiteren Sinne zu einer reinen Marktgesellschaft zu machen, statt Märkte in die Gesamtgesellschaft einzubinden.

Auch "Multistakeholderships " können Einstiegspunkte für bewußte Dreigliederung sein. Aber sie müssen erst ihre eigene Grenzen überwinden.

Soziale Einbindung ist ein Begriff, den man zunehmend in Entwicklungsdebatten hört, besonders seit Amartya Sen 1998 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Sen argumentierte, daß die moderne Wirtschaft die Interessen und das Wohl der Armen als oberstes Ziel ihres Handelns haben sollte. Soziale Einbindung ist ein Einstiegspunkt für die De-facto-Dreigliederung, da sie die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Gestaltung von Entwicklungsprogrammen legitimieren wird. Die Zivilgesellschaft arbeitet sehr eng mit den Armen zusammen. Und die Zivilgesellschaft favorisierte dieses Projekt sogar, bevor Sen es in seiner Arbeit darstellte.

Die Präsenz tausender Zivilgesellschaftsorganisationen während des UN-Gipfels für Soziale Entwicklung bezeugt die Anerkennung der Rolle der Zivilgesellschaft bei der Arbeit gegen die Armut. Der Gipfel für Soziale Entwicklung zeigt auch, daß das Konzept sozialer Einbindung ein wichtiges Ziel auf den höchsten Ebenen der Politik geworden ist. Es ist höchst bezeichnend, daß die G-8-Staaten kürzlich bei einem Treffen im Anschluß an die Versammlung in Okinawa sowohl die Wichtigkeit der Zivilgesellschaft im Zeitalter der Globalisierung anerkannt haben als auch die Notwendigkeit, sich sozialen Problemen wie der Armut zu stellen. (26)

Es gibt noch viele andere Tore zur Dreigliederung, einschließlich direkter Demokratie, Regionalentwicklung, sozialverantwortlicher Wirtschaft sowie kulturellem Pluralismus und kultureller Diversität. Hier ist nicht der Platz für eine detaillierte Diskussion all dieser Zugänge. Wichtiger ist hier zu erkennen, daß solche Einstiegspunkte in die Dreigliederung existieren und daß sie bei der Entstehung neuer und besserer sozialer Prozesse von Bedeutung sein werden.

Leider gibt es dabei auch eine dunkle Seite. So, wie diese Tore zur Dreigliederung führen können, können sie auch zu Vereinnahmung führen. Weil sie aus der Natur der Sache heraus erst den Anfang einer Entwicklung darstellen, kann diese Entwicklung an diesen Stellen noch von ihren guten Möglichkeiten abgeschnitten und in eine andere Richtung umgelenkt werden. Ob die Zugänge zur Dreigliederung oder zur Vereinnahmung der Zivilgesellschaft führen, wird davon abhängen, wie tiefgreifend diese dabei hilft, vom Einstiegspunkt aus zur De-facto-Dreigliederung und zu bewußter Dreigliederung zu gelangen.

Diese Zweischneidigkeit zu erkennen ist eine wichtige Grundlage für zukünftige Diskussionen. Wie wir sehen werden, ist der Schritt von einem Einstiegspunkt in die Dreigliederung abhängig vom Bewußtsein der Zivilgesellschaft über ihre eigene Identität. (27) Die Kenntnis solcher Eingangsorte wird auch in der späteren Diskussion über Spaltungen innerhalb der Schlüsselinstitutionen der Gesellschaft hilfreich sein (28) und bei der Entscheidung, ob solche Gebilde wie trisektorale Partnerschaften Tore zur Dreigliederung oder zur Vereinnahmung sind. (29)

Die Spannungen in der Dreigliederung

Der Schritt von der De-facto-Dreigliederung hin zu bewußter Dreigliederung bringt, wie jeder Entwicklungsschritt, sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Beide Möglichkeiten müssen ausführlich besprochen werden. An dieser Stelle werde ich mich auf eine Einführung beschränken.

Mißverständnisse wirken meist sehr nachhaltig. Regierende können das Mandat der Zivilgesellschaft dahingehend hinterfragen, wen diese tatsächlich vertritt, da die Vertreter der Zivilgesellschaft nicht wie Politiker gewählt werden. Unternehmen, die die Zivilgesellschaft als Plage betrachten, können Verlockungen bieten, um ihre Organisationen schließlich zu kaufen. Innerhalb der Zivilgesellschaft wird es lange und erbitterte Debatten darüber geben, ob irgendeine Zivilgesellschaftsorganisation "weiß", "grün" oder "blau" geworden ist, (30) wenn sie von Regierungen und/oder Unternehmensinstitutionen unterstützt wird, die ein falsches Spiel treiben.

Konzeptionelle Mißverständnisse innerhalb der Zivilgesellschaft aufzulösen, ist besonders dringend. Einige Mitglieder der Zivilgesellschaft denken vielleicht, daß es irreführend und gefährlich ist, Zivilgesellschaft als kulturelle Institution zu definieren, daß solch eine Definition das politische Wesen der Zivilgesellschaft verdeckt und deren Aktivitäten entgegenwirkt. Oder die Zivilgesellschaft definiert sich selbst als reine Dienstleisterin. Inzwischen beteiligen sich die Mitglieder der Zivilgesellschaft an einer lebhaften und manchmal erbitterten Debatte darüber, ob sie sich gegenüber den zunehmenden Angeboten seitens führender globaler Mächte, trisektorale Partnerschaften zu gründen, ablehnend verhalten, sich kritisch einbringen oder sie einfach ignorieren sollen.

Die Schlacht von Seattle, die einen wichtigen Sieg brachte, hat daneben auch Herausforderungen und Chancen geschaffen. Entscheidend ist die Frage nach der wahren Identität der Zivilgesellschaft. Unterschiedliche Vorstellungen führen zu unterschiedlichen Taktiken und Strategien. Und solche Unterschiede führen wiederum zu Spaltungen innerhalb der Zivilgesellschaft, (31) gerade dann, wenn sich unvorhersehbare Chancen eröffnen und neue Herausforderungen durch wirtschaftliche und politische Institutionen entstehen. (32) Die globale Zivilgesellschaft besitzt enorme Fähigkeiten und Einflußmöglichkeiten zum Wohle aller. Aber wenn die Zivilgesellschaft auf dem Sieg über die mächtige WTO und ihre Agenda in Seattle aufbauen will, muß sie ihr wahres Wesen als dritte Kraft verstehen. Sie muß dazu innere Schwächen überwinden und bessere Ansätze entwickeln, um die Initiative der wirtschaftlichen und politischen Kräfte in der Welt anzusprechen. Denn die zukünftige Richtung der Globalisierung und ihre tiefgreifende Wirkung auf die Natur und auf Milliarden von Menschen stehen auf dem Spiel.

Der Begriff der Zivilgesellschaft: Unterschiedliche, sich jedoch ergänzende Bedeutungen

Da die Idee der Dreigliederung nun verdeutlicht wurde, wenden wir uns jetzt der kurzen Klärung der drei unterschiedlichen Anwendungen des Begriffs Zivilgesellschaft zu.

Die gebräuchlichste Anwendung ist die oben beschriebene. Zivilgesellschaft setzt sich hierbei aus denjenigen kulturellen Institutionen zusammen, die aktiv die Globalisierung gestalten - ob durch Demonstrationen oder Partnerschaften - und die sie zu echter oder nachhaltiger Entwicklung führen wollen. Die meisten der Zivilgesellschaftsorganisationen sind Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Bürgerinitiativen, Jugendgruppen und Frauengruppen usw.

Wir schlagen jedoch vor, den Begriff Zivilgesellscnaft auch als Oberbegriff für kulturelle Institutionen anzuwenden, gleich, ob sie an der Globalisierung und an der Debatte um nachhaltige Entwicklung beteiligt sind oder nicht. Das schließt die Institutionen der Zivilgesellschaft mit ein, die oben genannt wurden, aber auch Medien, religiöse Gruppen, Stiftungen, Freiwilligenorganisationen, Berufsgruppen, Schulen und Akademien sowie andere, deren direkte und vorrangige Aktivitäten weder wirtschaftlicher noch staatlich-politischer Art sind. (33)

Die dritte Möglichkeit, den Begriff Zivilgesellschaft anzuwenden, ist ebenso wertvoll, auch wenn er für unsere Betrachtung keine zentrale Rolle spielt: In der Tat, wenn der Prozeß der "Institutionalisierung" (34) zivilgesellschaftlicher Werte alle Bereiche der Kultur, Politik und Wirtschaft durchdringt, dann wird diese dritte Lesart des Terminus die angemessenste sein.

In dieser dritten Verwendungsform wird der Terminus "Zivilgesellschaft" benutzt, um die die Gesellschaft als Ganze zu bezeichnen, und nicht nur den kulturellen Bereich. Hierbei wird davon ausgegangen, daß die Werte der Zivilgesellschaft Politik und Ökonomie soweit durchdrungen haben, daß alle Operationen innerhalb dieser Bereiche von den Werten der Zivilgesellschaft geleitet werden. Wenn das geschieht und alle drei Bereiche der Gesellschaft zivilgesellschaftliche Werte artikulieren - wenn auch jeder auf unterschiedliche und unnachahmliche Art -, wird die Gesellschaft als Ganze zu einer echten Zivilgesellschaft.

Dies ist eine visionäre Anwendung des Begriffes Zivilgesellschaft, da diese Art der Zivilgesellschaft heute noch nicht existiert. Aber wenn die Dreigliederung die fortgeschrittene Stufe erreicht, können wir behaupten, daß die Gesamtheit der Gesellschaft in der Tat eine Zivilgesellschaft geworden ist. Hierbei ist der Begriff Zivilgesellschaft gleichzusetzen mit dem Begriff "nachhaltige Gesellschaft", und er kann auch benutzt werden, wenn man Regionen beschreibt, die umfassende nachhaltige Entwicklung erreicht haben.

Es ist hilfreich, diese Zivilgesellschaft dem Begriff kapitalistische Gesellschaft gegenüberzustellen, der auf so viele Industrieländer zutrifft und bereits in weiteren Ländern Einzug hält, und zwar als Ergebnis elitärer oder wirtschaftlicher Globalisierung. Dazu möchte ich David Körten und sein visionäres Verständnis der Zivilgesellschaft zitieren:

"Der entscheidende politische Kampf des 21. Jahrhunderts findet nicht so sehr zwischen politischen Ideologien, sondern vielmehr zwischen Lebenswerten und rein finanziellen Wertvorstellungen statt - zwischen einer Zivilgesellschaft und einer kapitalistischen Gesellschaft.

Der Gegensatz der Werte und Institutionen, die eine Zivilgesellschaft von einer kapitalistischen Gesellschaft unterscheiden, kann einfach dargestellt werden//

(siehe nebenstehende Abbildung 1).

ZTVIL ODER KAPITALISTISCH ?

Die Zivilgesellschaft beruht auf der Schaffung spiritueller Werte, die ihre Kultur durchdringen. Persönliche und institutionelle Beziehungen definieren sich durch den selbstorganisierten Fluß geistig fundierter Lebensenergien der einzelnen Mitglieder. Die Prozesse kultureller Erneuerung gründen sich auf dem reichen und dynamischen Gemeinschaftsleben und authentischen inneren spirituellen Erfahrungen der einzelnen Mitglieder. Das Ergebnis ist eine reiche und dynamische authentische Kultur, die auf lebensbejahenden Werten gründet.

In der Zivilgesellschaft werden die Institutionell von Politik und Wirtschaft mit Bedacht von den Bürgern gebildet, um lebensbejahende Werte, Symbole und Ansichten der authentischen Kultur zu reflektieren und zu nähren. Eine aktive Bürgerschaft ist stets wachsam, um sicherzustellen, daß die Institutionen von Politik und Wirtschaft ihnen zu Diensten sind, statt sich als ihre Meister aufzuspielen. Sie werden darauf bestehen, daß die Institutionen der Politik radikaldemokratisch im Sinne von Offenheit, Gleichheit, aktiver Bürgerbeteiligung und konsensorientierter Entscheidungsfin-dung sind. Ebenso werden sie fordern, daß die Institutionen der Wirtschaft auf dem Prinzip beruhen, auf produktive Weise ausreichenden Lebensunterhalt für alle zu sichern und dabei ein Gleichgewicht zwischen Menschen und Umwelt zu bewahren.

Wir können dann erwarten, daß die Wirtschaft vorrangig auf lokale und regionale Strukturen ausgerichtet wird und jeder einzelne seinen Anteil an den Produkten erhält, von denen sein Lebensunterhalt abhängt. Die Zivilgesellschaft ist konsequent selbstorganisiert, und zwar vorrangig kooperativ, wie es alle gesunden Lebenssysteme sind, und sie versucht, die Chancen für jeden einzelnen soweit zu erhöhen, daß er sich voll und frei entwickeln und sein kreatives Potential zugunsten aller entfalten kann. So unterscheidet sich eine Zivilgesellschaft in jeder Hinsicht von der kapitalistischen Wirtschaft, in der wir gegenwärtig leben.

In der kapitalistischen Wirtschaft ist Geld der bestimmende Wert und der Hauptfaktor für Beziehungen zwischen Menschen und Institutionen. Das ganze öffentliche Leben wird von globalen Finanzmärkten bestimmt, die das Leben nur am jeweils erzielbaren Preis messen. Indem sie das Geld als Kontrollinstrument benutzt, bindet die kapitalistische Wirtschaft die Lebensenergien der einzelnen und richtet sie auf die Aufgabe aus, Geld als das bestimmende Medium der kapitalistischen Gesellschaft zu vermehren.

Die Kontrolle über die Produkte liegt bei den Global Player, denen nur Manager großer Investmentfonds gewachsen sind. Deren Wert wiederum wird nur daran gemessen, wieviel Gewinn sie für ihre Anleger herausholen. Die Löhne der Arbeitnehmer werden gesenkt, um die Einnahmen der Wirtschaftskapitäne zu erhöhen. Wirtschaftliche Angelegenheiten werden von den Konzerngewaltigen zentral geplant. Diese gebieten über Haushalte, die oft größer sind als die der meisten Staaten. Durch ihr Eigentum an Massenmedien, ihren Einfluß auf Lehrpläne, durch die Kommerzialisierung der Kunst und die Massenwerbung beherrschen viele Global Player die Freizeitkultur - sie schaffen eine globale Monokultur, die auf Werten des Materialismus und Konsums beruht. Auf diese Weise wird die Stellung der Konzerne immer stärker, während der einzelne Mensch vom seinem inneren geistigen Leben entfremdet wird, so daß das "Logo" seiner Konsumartikel zur Hauptquelle seiner Identität und seines Lebenssinns werden.

Ähnlich benutzen die herrschenden Unternehmen ihre massive finanzielle Macht und Kontrolle über die Massenmedien, Meinungsforschung, Denkfabriken, Öffentlichkeitsarbeit und Pseudo-Bürgerinitiativen, um die Institutionen der Politik zu kontrollieren, Politiker zu kaufen und die öffentliche Diskussion zu beherrschen, um so eine weitverbreitete Ein-Dollar-Eine-Stim-me-Demokratie zu schaffen. Bis auf eine kleine Elite sind alle ihrer politischen Stimme beraubt und vom politischen Kernprozeß ausgeschlossen.

Geistig verarmt und in einen Überlebenskampf gezwungen, werden diejenigen, denen sowohl die politische Stimme wie auch der angemessene Lebensunterhalt fehlen, immer mehr einem System verschuldet, das von ihnen fordert, daß sie dessen Gesetzmäßigkeiten immer mehr Lebensenergie opfern. Ideale der Gleichheit werden zum Fenster hinausgeworfen, und individuelle Freiheit wird weitgehend eine Illusion.

Zerstörerisch für Leben und Geist muß die kapitalistische Gesellschaft als soziale Krankheit angesehen werden. Sogar die offenbare Fähigkeit, Wohlstand zu schaffen, ist weitgehend illusorisch, denn während sie immer mehr glitzernde Spielereien und Zerstreuungen produziert, zerstört sie die lebenswichtigen Systeme der Erde und das soziale Netz der Gesellschaft -und damit verarmt die gesamte Menschheit. Ihre Institutionen sind Krebsgeschwüre, die vergessen haben, daß sie Teil eines Ganzen sind, und die ihr eigenes unbegrenztes Wachstum jetzt ohne Rücksicht auf die Folgen suchen." (35)

Diese unterschiedlichen Anwendungen des Terminus Zivilgesellschaft mögen widersprüchlich scheinen. Für einzelne bezieht sich Zivilgesellschaft nur auf Institutionen des kulturellen Bereiches, einen der drei Bereiche der Gesellschaft. In der visionären Version bezieht sich Zivilgesellschaft auf die gesamte Gesellschaft einschließlich aller Bereiche - Kultur, Politik und Wirtschaft.

Diese unterschiedlichen Anwendungen ergänzen sich jedoch, wenn man sie aus zeitlicher Perspektive sieht. Denn in diesen drei möglichen Verständnisformen der Zivilgesellschaft liegt eine Entwicklungsreihenfolge.

In der Anfangsphase entstehen als starkes Herzstück kulturelle Institutionen, die sich den Herausforderungen der Globalisierung gegenüberstellen. Das ist die Zivilgesellschaft, die erfolgreich dem Fortschritt des WTO-Prozesses in der Schlacht von Seattle widerstanden hat. Dies ist die Zivilgesellschaft, die ebenfalls in vielen verschiedenen Ländern der Welt aktiv bei der Gestaltung der Globalisierung ist.

Da die Bedeutung dieser Form der Zivilgesellschaft mit der Zeit wächst, beeinflußt sie auch die Aktivitäten und Ziele anderer kultureller Institutionen. Hier entsteht dann die zweite, weiterreichende Bedeutung des Begriffes Zivilgesellschaft. (36)

Mit der wachsenden Vitalität des kulturellen Lebens, das durch die Zivilgesellschaft bewirkt wir, wird die daraus resultierende Wirkung der Kultur auf das politische und wirtschaftliche Leben der Gesellschaft immer bedeutsamer. Dieser Prozeß der Institutionalisierung oder des Einfließenlassens der Werte der Zivilgesellschaft in Politik und Wirtschaft wird Jahre dauern, wohl sogar Jahrzehnte. Doch wird dieser Prozeß von der Zivilgesellschaft als kultureller Institution notwendig vollzogen werden müssen, um die visionäre Zivilgesellschaft zu schaffen, welche die virusähnliche kapitalistische Gesellschaft ersetzen wird, die langsam die verschiedenen Teile der Welt infiziert.

Das visionäre Konzept der Zivilgesellschaft wird in gegenwärtigen Debatten kaum thematisiert. Von der Entwicklungsperspektive her gesehen erlaubt uns jedoch das gebräuchliche Konzept der Zivilgesellschaftsorganisationen und ihrer Netzwerke, die im Wesen kulturell sind, sie als Keimbeete für die Schaffung der zukünftigen Zivilgesellschaft zu sehen. In der Kultur und innerhalb ihrer Institutionen vollzieht sich heutzutage tatsächlich der Prozeß sozialer Umwandlung, an dessen Ende die Realisierung der Vision einer wahren Zivilgesellschaft stehen wird.

Der Rahmen

Um den Überblick über die neue Sprache der tripolaren Welt zu vervollständigen, stelle ich jetzt den Entwurf dar, den ich in meinem Buch "Die Globalisierung gestalten" benutze. Ich habe dort die sozialwissenschaftliche Basis für diesen Entwurf in Kapitel 9 sorgfältig entwickelt. Freunde, deren Urteil ich schätze, rieten mir jedoch, dieses Muster explizit an den Anfang zu setzen, damit die Leser das Folgende besser verstehen können. Der Entwurf umfaßt die gesamte Analyse der Globalisierung und behandelt zugleich den Kampf, sie in umfassende nachhaltige Entwicklung zu verwandeln. Zusätzlich faßt der Entwurf die hier abgehandelte Diskussion um Dreigliederung, Zivilgesellschaft und nachhaltige Entwicklung zusammen.

Aus den Diskussionen (im Buch in Kapitel 9) faßt die untenstehende Tabelle den Entwurf der Gesamtdarstellung zusammen. (37) Dieser Entwurf sieht die Gesellschaft dreigegliedert. Nur wenn die Gesellschaft einen Dreigliederungsprozeß durchläuft, kann elitäre Globalisierung zu umfassender nachhaltiger Entwicklung umgewandelt werden. Nur dann kann die kapitalistische Gesellschaft, welche die elitäre Globalisierung nährt, eine Zivilgesellschaft werden, die umfassende nachhaltige Entwicklung zum Hauptziel hat.

Diese dreigliedrige Gesellschaft trägt Sorge für ihre angemessene und fruchtbare Beziehung zur Natur, zum einzelnen und zum Geistigen.

Die laufende und langfristige Basis für diese globale Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in eine Zivilgesellschaft durch Dreigliederung ist eine kulturelle Revolution, die sich auf der Erde ausbreitet. (38) Konkret gesprochen bedeutet eine kulturelle Revolution, daß Millionen von Menschen eine Selbstumwandlung durchmachen, besonders hinsichtlich der Werte, die sie verinnerlicht haben und die sie in der Welt zu verwirklichen hoffen.

In diesem Prozeß der Selbstumwandlung betritt auch eine große Zahl sehr einflußreicher Persönlichkeiten den Bereich spiritueller Aktivität, gelangt an die Quelle schöpferischer Anfänge innerhalb der Gesellschaft.

Eine Dreigliederungs-Gesellschaft möchte auch ihre Beziehung zur Erde, zur Natur als ganzer, erneuern. Alle Bereiche der Gesellschaft und alle einzelnen in einer Dreigliederungs-Gesellschaft werden versuchen, die Natur zu regenerieren und ihr gegenüber einen größeren Respekt zu entwickeln.

Auf diesem Verständnis basierend erfolgt die Entwicklung zu einer globalen nachhaltigen Gesellschaft oder Zivilgesellschaft im sozialen und visionären Sinne folgendermaßen:

Die einzelnen üben sich aktiv in unterschiedlichen psychologischen und geistigen Disziplinen, um ihre innere Welt von allen Arten innerer Verschmutzung zu reinigen. Durch die Klarheit des Geistes und die Integrität ihrer Werte und ihres Verhaltens werden diese einzelnen aktiv Handelnde bei der Veränderung der Welt. Durch ihre spirituelle "Aktion" beginnen sie mit dem Prozeß der Schaffung einer neuen "sozialen Ordnung". Sie suchen von sich aus dann eine mehr geistige und nachhaltige Gesellschaft. Dies sind die Kulturschöpferischen. (39)

Durch ihre Lebensumstände betreten diese Menschen unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft. Sie schaffen sozial verantwortliche Unternehmen. Sie werden Regierungsbeamte, die sich von ethischen Prinzipien leiten lassen. Die meisten von ihnen werden jedoch aktiv in der Kultur, innerhalb der Zivilgesellschaft, im unmittelbar kulturellen Sinne.

Innerhalb der Zivilgesellschaftsinstitutionen beginnen diese Menschen dann, die verschiedenen Formen der Dreigliederung voranzubringen. Sie suchen Persönlichkeiten in Regierung und Unternehmen, die ihre Wertvorstellungen teilen und die wie sie selber Kulturell-Kreative sind. Die "Cultural Creatives" in den drei Bereichen der Gesellschaft bilden strategische Allianzen, um die Dreigliederung voranzubringen.

Mit der Zeit dringen die Werte der Kulturschöpferischen in eine wachsende Zahl von Institutionen in Kultur, Politik und Wirtschaft ein. Immer mehr wird sich die kapitalistische Gesellschaft wandeln, und die elitäre Globalisierung wird den Halt verlieren. Initiativen zu umfassender nachhaltiger Entwicklung werden weit verbreitet sein. Die Konturen einer wahren Zivilgesellschaft werden langsam entstehen. Freie geistige Aktivität schafft eine neue gesellschaftliche Ordnung. Eine neue Ära der Zivilisation hat begonnen.

Diese Folge von Ereignissen ist auch die Vision und Hoffnung dieses Buches. Und dieser Vision wenden wir uns jetzt zu.

Anmerkungen

(01) In Abhandlungen zur Begriffsgeschichte wird immer wieder der italienische Schriftsteller und kommunistische Politiker Antonio Gramsci (1891-1937) genannt. Er sah die Zivilgesellschaft als Gesamtheit aller nichtstaatlichen Organisationen, die auf das Alltagsbewußtsein und die öffentliche Meinung Einfluß haben. Im Zusammenhang der Globalisierung spielt er heute eine zentrale Rolle. Rolle und Aufgabe der Zivilgesellschaft aus Sicht von Nicanor Perlas sind ein zentrales Thema seines vorliegenden Artikels. Für eine eingehendere Erläuterung siehe den Abschnitt "Der Begriff der Zivilgesellschaft: Unterschiedliche, sich jedoch ergänzende Bedeutungen". (Anm. d. Übers.)
(02) Für Unternehmen kann auch der Ausdruck "Markt" eingesetzt werden. Für Regierungen kann auch der Ausdruck "Staat" eingesetzt werden. Sowohl der "Markt" als auch der "Staat" sind jeweils übergeordnete Institutionen der Wirtschaft bzw. der Politik (Englisch: "polity" = Polis, Gemeinwesen). Um eine erste Annäherung an diese Begriffe zu geben und mit einer bildhafteren institutionellen Repräsentation zu beginnen, aber auch des einfacheren Verständnisses für Laien wegen, verwende ich zunächst die Ausdrücke Unternehmen und Regierungen anstatt Markt und Staat. Später, in meinem Buch Shaping Globalization, dessen erstes Kapitel der vorliegende Artikel ist, besonders im 9. Kapitel dieses Buches, verwende ich Markt und Staat als jeweilige Repräsentanten von Wirtschaft und Politik. Dies gleicht die Diskussion in meinem Buch an andere Strömungen in den Sozialwissenschaften an, die sich mit diesen Themen befassen.
(03) Das Ende der Geschichte lautet der deutsche Titel des 1992 erschienen Buches von Francis Fukuyama, The End ofHistory and the Last Man. Im 17. Kapitel setzt sich Perlas damit auseinander. (Bzw. im 10. Kapitel der 1. Auflage: Nicanor Perlas, Die Globalisierung gestalten. Frankfurt 2000, Kapitel 10: "Die Zivilgesellschaft und der Anfang der Geschichte", S. 161 ff. - Anrn. d. Übers.)
(04) Neoliberaler Kapitalismus ist eine Form ökonomischer Organisation, welche ein einseitiges Vertrauen auf das Funktionieren eines idealisierten und fiktiven "Freien Marktes" setzt.
(05) Man braucht nur an die Wahlkampffond-Skandale in den USA und Europa zu denken, wo wirtschaftliche Machtblöcke sich die Loyalität von Politikern buchstäblich gekauft haben.
(06) Man kann auch den Ausdruck "tri-partitrte" oder "tri-sektoral" verwenden. Wie jedoch im Buch zunehmend deutlich wird, gibt es Aspekte der Dreigliederung, die in dem Konzept "tri-partitite" bzw. "tri-sektoral" nicht angemessen enthalten sind. Zum einen konzentriert der Ausdruck "tri-sektoral" die Aufmerksamkeit nur auf die äußeren Aspekte der sozialen Phänomene. Er gibt nicht an, woher in der Struktur eines Systems oder einer Gesellschaft der einzelne Sektor eigentlich kommt, woher er Bedeutung, innere Logik, Weltanschauung, Aufgabe und Existenzgrund erhält. Demgegenüber ist Dreigliederung ein relativ neuer Ausdruck, obwohl er aufgrund der Schriften und Aktivitäten des berühmten Geisteswissenschaftlers und Sozialphilosophen Rudolf Steiner am Anfang des 20. Jahrhunderts zeitweise globale Sichtbarkeit erlangte. Der Ausdruck "Dreigliederung" hat von daher noch eine Flexibilität und Offenheit in der Anwendung, die es erlauben, auf die tiefere und zugrunde liegende Struktur hinzuweisen, die einen Sektor beleben. Deshalb kann das bloße Verständnis der Zivilgesellschaft als Sektor nicht abdecken, daß die Zivilgesellschaft begonnen hat, sich selbst als aus dem kulturellen Bereich herkommend zu verstehen, daß sie im Grunde die Anliegen und Visionen des kulturellen Bereichs artikuliert. Die Kultur, zusammen mit der Ökonomie und der Politik, konstituiert die Dreigliedrigkeit oder die dreigliedrige Natur allen sozialen Lebens. Genaueres dazu im 13. Kapitel. (Bzw. im 8. Kapitel der 1. Auflage: Nicanor Perlas, Die Globalisierung gestalten. Frankfurt 2000, Kapitel 8: "Die Zivilgesellschaft und die Dreigliederung des nationalen und globalen sozialen Raumes", S. 129ff. - Anm. d. Übers.)
(07) Die technischen Referenzen zu diesem Gesellschaftskonzept finden sich im 9. Kapitel des Buches. (Bzw. im 5. Kapitel der 1. Auflage: Nicanor Perlas, Die Globalisierung gestalten. Frankfurt 2000, Kapitel 5: "Die kulturelle Natur der Zivilgesellschaft", S. 73ff. - Anm. d. Übers.)
(08) "Aufkommend" ("emergent") besagt, daß, von einem gewissen Gesichtspunkt die Charakteristi- ka des sozialen Lebens, obwohl sie aus kulturellen, politischen und ökonomischen Aktivitäten gebildet werden, mehr sind als die Summe ihrer Teile. Soziale Entwicklung bedeutet so, daß die Aufmerksamkeit auf die soziale Dimension als Ganzer gelegt wird. Armut ist ein Beispiel eines sozialen Problems, daß als Ganzes angegangen werden muß, nicht nur dessen ökonomische Aspekte.
(09) Die soziale Ebene beeinflußt wechselseitig die Dynamiken ihrer Einzelteile - kulturell, politisch, ökonomisch.
(10) In Kapitel 9, 10, und 11 wird mehr im Detail die Auffassung ausgeführt, daß der natürliche Lebensraum der Zivilgesellschaft die Kultur ist. (Das 10. Kapitel war noch nicht in der ersten Auflage enthalten, dem 9. Kapitel entspricht dort das 5, und dem 11. das 6 Kapitel: Nicanor Perlas, Die Globalisierung gestalten. Frankfurt: 2000, Kapitel 5: "Die kulturelle Natur der Zivilgesellschaft", S. 73ff. und Kapitel 6: "Kulturkraft", S. 109ff. - Anm. d. Übers.)
(11) Siehe Kapitel 11. (Bzw. Kapitel 6 der 1. Auflage; Kapitel 6: .Kulturkraft", S. 109ff. - Anm. d. Übers.)
(12) Siehe Kapitel 7. (Bzw. Kapitel 4 der 1. Auflage; Kapitel 4: "Fallen und Gefahren der Unkenntnis und die Bedeutung der Identität", S. 67ff. - Anm. d. Übers.)
(13) Siehe z. B. das Buch von Paul Ormerod: Impulse für den Aufschwung: das Ende der Volkswirtschaft? Düsseldorf 1995, sowie die verschiedenen Ausgaben von Third World Economics (http:/ /www.twnside.org.sg/twe.htm) und Thlrd World Resurgence (http://www.twnside.org.sg/twr.htm).
(14) Siehe Kapitel 5. (Bzw. Kapitel 2 der 1. Auflage; Kapitel 2: "Elitäre Globalisierung und die Weltmachtstruktur, die dahinter steht", S, 43ff. - Anm. d. Übers.)
(15) Das Entstehen der "Institutional Economics" (deutsch etwa: Institutionenökonomik) ist ein markantes Symptom für die Unzufriedenheit mit der neoliberalen Ökonomie. Ein weiteres wichtiges Symptom ist die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises 1993 an Douglas North (Die Rolle von Institutionen in der Wirtschaftsgeschichte) und 1998 an Amartya Sen (Die Bedeutung der Überwindung der Armut und ethische Gesichtspunkte in der Ökonomie). Beide sind bedeutende Sprecher der "Institutional Economics", allgemein definiert.
(16) Siehe hierzu Nicanor Perlas: Associative Economics: Responding to the Challenge of Elite Globalization, Metro Manila: Center for Alternative Development Initiatives, 1999, 2. Auflage.
(17) Die Agenda 21: ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, beschlossen von 178 Staaten auf der "Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen", (UNCED) in Rio de Janeiro (1992). Zentrales Thema ist nachhaltige Entwicklung (sustainable development). Mit ihr sollen durch anzupassende Wirtschafts- und Entwicklungspolitik die Bedürfnisse der heutigen Generation Befriedigung finden, ohne die Chancen künftiger Generationen zu beeinträchtigen. Nachhaltige Entwicklung - und damit die Agenda 21 - ist vielerorts zur Leitlinie öffentlichen Handelns geworden. Es haben sich oft Initiativen zur örtlichen Umsetzung der Agenda 21 gebildet als "Lokale Agenda 21". (Anm. d. Übers.)
(18) Selbstbegrenzung (Englisch: "Auto-Limitation") ist ein Ausdruck, der nach Aussage des Rechtsanwatts Raphael Lotilla, Stellvertretender Generaldirektor der Nationalen Wirtschaftlichen Entwicklungsbehörde der Philippinen (National Economic Development Authority, Republic of the Philippines), in Staatstheorien verwendet wird. In diesem Buch wird das Konzept der Selbstbegrenzung erweitert, um alle Gesellschaftsbereiche zu erfassen, nicht nur die Politik.
(19) Dies ist keine pauschale Billigung der Privatisierung. Die tatsächlichen Umstände können die staatliche Aufsicht über privatisierte Unternehmen in bestimmter Form notwendig machen, um sicherzustellen, daß ein Unternehmen die Übernahme eines öffentlichen Unternehmens nicht mißbraucht, besonders dann nicht, wenn es sich um Energie- oder andere Versorgungseinrichtungen handelt.
(20) Joseph Weizenbaum, Vorwort in: Rudolf Steiner: The Renewal of the Social Organism. Spring Valley 1985.
(21) Siehe Ken Wilber: Integrale Psychologie: Geist, Bewußtsein, Psychologie, Therapie, Freiamt. Arbor 2001. In dieser wirklich umfangreichen Arbeit beschreibt Wilber die Existenz von Phasen sowohl in der menschlichen wie in der sozialen Evolution und den Zusammenhang zwischen beiden.
(22) Es ist hier wichtig zu beachten, daß die Zivilgesellschaft zusätzlich zur Kultur soziale, ökologische, menschliche und spirituelle Entwicklungsaspekte einbringt.
(23) Siehe Kapitel 14. (Bzw. Kapitel 9 der 1. Auflage; Kapitel 9: "Das Beispiel der Philippinischen Agenda 21", S. 149ff. - Anm. d. Übers.)
(24) Dies ist keine Rückkehr zu zentralisierter staatlicher Planwirtschaft. Vielmehr werden Zusammenschlüsse (Assoziationen) von Verbrauchern, Händlern, Kreditgebern und Produzenten untereinander erwägen, wie die ökonomischen Produktionsfaktoren am besten zur Verfügung gestellt werden, um die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Zu Einzelheiten siehe Nicanor Perlas: Associative Economics, oben zit.
(25) Siehe hierzu die damit in Zusammenhang stehende Diskussion über unbewußte und bewußte autonome Interaktionen.
(26) Kommunique der G-8, Okinawa 2000 vom 23. Juii 2000. http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/friedenspolitik/g8_0700.pdf
(27) Siehe Kapitel 9. (Bzw. im 5. Kapitel der 1. Auflage; Kapitel 5: "Die kulturelle Natur der Zivilgesellschaft", S. 73ff. - Anm. d. Übers.)
(28) Siehe Kapitel 8: "Co-Optation - The Ironie Fruit of the Battle of Seattle?" (nicht in der 1. Auflage enthalten. - Anm, d. Übers.)
(29) Siehe Kapitel 15: "Tri-Sectoral Partnerships at the United Nations" und Kapitel 16: "The Juggernaut of Tn-Sector Partnerships". (nicht in der 1. Auflage enthalten, - Anm. d. Übers.)
(30) Die Ausdrücke "whitewash" (Weißwaschen) und "greenwash" (Grünwaschen) sind bekannte abfällige Bezeichnungen für die Versuche einiger Institutionen, sich gegenüber der Öffentlichkeit in ein vorteilhaftes Licht zu setzen, bei gleichzeitiger Fortsetzung der bisherigen fragwürdigen Praktiken. "Bluewash" (Blauwaschen) ist ein von zivilgesellschaftlichen Organisationen geprägter Ausdruck, die vor kurzem einige transnationale Konzerne für die Unterzeichung eines "Global Compact" (Globaler Vertrag) mit der UNO kritisiert haben, durch den sie ihre schlechte Umwelt-und Menschenrechtspraxis unter der Flagge der UNO verstecken können. Siehe L. Kahn: "Multinational Sigh U.N. Pact on Rights and Environment": The New York Times, 27. july 2000.
(31) Siehe Kapitel 8: "Co-Optation - The Ironie Fruit of the Battle of Seattle?" (nicht in der 1. Auflage enthalten. - Anm. d. Übers.)
(32) Siehe Kapitel 16: "The juggernaut ofTri-Sector Partnerships". (nicht in der 1. Auflage enthalten. - Anm. d. Übers.)
(33) Damit ist nicht gesagt, daß sich keine dieser Institutionen an der Globalisierungsdebatte beteiligt. Man spricht hier von einer allgemeinen Tendenz.
(34) Für eine ausführliche Diskussion der Bedeutung und der Tragweite der Institutionalisierung siehe Kapitel 9. (Bzw. im 5. Kapitel der 1. Auflage; Kapitel 5: "Die kulturelle Natur der Zivilgesellschaft", S. 73ff, - Anm. d. Übers.)
(35) David C. Korten, Civil-izing Societies, unveröffentlichtes Papier, 13. Juli 2000
(36) Im Kontext von Dreigliederung und Globalisierung besteht die Hoffnung, daß traditionelle kulturelle Institutionen echte Zivilgesellschaft im aktiveren Sinne werden.
(37) Man muß beachten, daß die hier verwendete Figur etwas umfassender ausgearbeitet ist, als die im 9. Kapitel verwendete Figur 9. Der Schwerpunkt im 9, Kapitel liegt auf der Synthese des sozialwissenschaftlichen Verständnisses der Zivilgesellschaft, nicht notwendigerweise auf deren Beziehung zur Natur und ihrer Aufgabe, die elitäre Globalisierung in umfassende nachhaltige Entwicklung zu transformieren. (Bzw. Figur 2 im 5. Kapitel der 1, Auflage; Kapitel 5: "Die kulturelle Natur der Zivilgesellschaft", S. 75. - Anm. d. Übers.)
(38) Siehe Kapitel 12. (Bzw. im 7. Kapitel der 1. Auflage; Kapitel 7: "Die Kulturschöpferischen und die kulturelle Revolution des 20. Jahrhunderts", S. 119ff. - Anm. d. Übers.)
(39) "Cultural Creatives": deutsch "Die Kulturschöpferischen" bzw. die "Kulturell Kreativen". Der Ausdruck wurde von dem US-amerikanischen Sozialforscher Paul H. Ray geprägt, um neben den Modernisten und Traditionalisten eine dritte gesellschaftlich prägende Subkultur beschreiben zu können. Sie umfaßt nach seinen Forschungen etwa ein Drittel der Bevölkerung der USA, und es wird vermutet, daß auch auf einen ähnlichen Prozentanteil in Westeuropa deren Charakteristik zutrifft: Sowohl zu aktiver sozialer Veränderung wie zu persönlicher spiritueller Entwicklung bereite hochmotivierte Individuen, die als Wegbereiter einer menschlicheren und nachhaltigeren Kultur begriffen werden können. Siehe Paul H. Ray und Sherry R. Anderson: The Cultural Creatives - How Fifty Million People are Changing the World. New York 2000.

Übersetzung aus dem Englischen: Ulrich Morgenthaler unter Mitwirkung von Christoph Strawe