Hartz IV und seine Alternativen - Eine Replik II

01.06.2005

Ich entdeckte gerade Deinen Aufsatz Soziale Dreigliederung - Hartz IV und seine Alternativen in Trigonal vom Juni 2005. Ein munterer, engagierter Text. Aber die Alternative kommt nicht so recht zum Vorschein.

Ich meine auch, daß die zwei Sorten des "bedingungslosen Einkommens" nicht so gegenübergestellt werden sollten, wie Du das getan hast, obwohl das ein netter Geck ist. Das bedingungslose Einkommen des Kapitalausleihers (einschließlich eingestrichener Zinsen) ist doch etwas ganz anderes, als die Existenzmittel des Menschen, die er unabhängig von einer Erwerbsarbeit erhalten müßte, wie das von Rudolf Steiner im Dornacher Mitgliedervortrag vom 24.11.1918 (8ter und letzter in GA 185a = Entwicklungsgeschichtliche Unterlagen zur Bildung eines sozialen Urteils) in den Absätzen 23 bis 25 (Auflage 163, Seite 213 oben bis 215 oben) unter Bezugnahme auf seine alte Aufsatzreihe in der Zeitschrift "Luzifer-Gnosis" dargestellt hat. Da geht es um die Trennung von Erwerbsarbeit und Existenzmitteln und sie wird auch recht anschaulich begründet. (Der Kapitalausleiher arbeitet ja gar nicht, sondern läßt sein Kapital "arbeiten".) Daß der Mensch nichts zu tun braucht, ist mit der Existenzsicherung durch ein "bedingungsloses Einkommen" ja nicht gesagt, folgt auch nicht aus ihr. Nur wird eben für andere gearbeitet, sei es in der Warenproduktion oder sei es im Haushalt und in der Kinderbetreuung und -erziehung. Aber es fällt der Zwang weg, für seinen eigenen Lebensunterhalt zu sorgen und es fällt die Möglichkeit weg, daß die sogenannten Arbeitgeber die Menschen zu einer Erwerbsarbeit zwingen können, womit die Macht der Geldgeber über andere Menschen gebrochen wäre, was ja wohl einer der Hauptgesichtspunkte bei der ganzen Angelegenheit ist.

Auf welche Weise genau die Existenzmittel an die Menschen übergeben werden sollen, kann man streiten. Herkommen müssen sie - meines Erachtens - aus dem Erlös für verkaufte Waren. Du schreibst da etwas pauschal und ohne nähere Erläuterung etwas vom "Staat". Den gibt es aber in der herkömmlichen Weise im Zuge der "Dreigliederung des sozialen Organismus" nicht mehr. Da würde der Beschluß über das Grundeinkommen von der Bevölkerung gefällt und die praktische Durchführung dieses Beschlusses wäre die Aufgabe von Angestellten, die an den Beschluß gebunden sind. In bezug auf die individuelle Arbeit des einzelnen hast Du ja (ohne Quellenangabe) auf den Aufsatz Nr. 1,7 in GA 24 Arbeitsfähigkeit, Arbeitswille und dreigliedriger sozialer Organismus vom August 1918 hingewiesen. Man braucht wohl nicht besorgt zu sein, daß niemand mehr arbeiten würde, wenn es ein "bedingungsloses Einkommen" gäbe. Jedenfalls erscheint es mir doch reichlich menschenverachtend, wenn unser Bundeskanzler die 5 bis 8 Millionen Arbeitslosen als arbeitsscheu bezeichnet, obwohl sie ihre Erwerbsarbeit ja nicht durch eigene Schuld verloren haben.

Nun noch etwas zur Alternative. Daß man die Erwerbsarbeitslosigkeit nicht beseitigen kann, geht aus Deiner drastischen Schilderung hervor. Es gibt, bedingt durch die Rationalisierung durch Maschinen und Computer, immer weniger Arbeitsplätze und das wird sich weiter steigern. Also da ist nichts zu erreichen. Das wußte der Lügner Helmut Kohl natürlich auch, als er versprach, die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren. Sein Nachfolger Gerhard Schröder hat sich vorsichtshalber nicht so deutlich geäußert. Also: Es kann sich nicht um "die Arbeitsplätze" und den "Standort Deutschland" handeln. Da kann die Alternative nicht liegen.

Das Schlimme ist die menschenverachtende "Wissenschaft" und die pausenlose Propaganda in fast allen Medien. Daher begrüße ich Deinen Satz: "In dieser Art von Wissenschaft steckt so viel Menschenverachtung, daß man sich fragt, wieso die Proteste gegen Hartz IV nicht noch stärker ausfallen."

Warum Du Dich gegen ein bedingungsloses Einkommen wendest (Spalte 2 unten / 3 oben) ist mir nicht so recht klar! Wie stellst Du Dir die Trennung von Erwerbsarbeit und Existenzmitteln vor, wenn nicht durch einen Beschluß im "Rechtsleben", also durch einen Volksentscheid der Landesbewohner?

Im übrigen bin ich mit Deinen engagierten Aussagen einig und würde mich freuen, wenn Du auf diesen Brief antworten würdest.