Aktien außerhalb des Casinos

01.07.2009

Es geht auch anders!

1670 Menschen haben sich von Ende September 2008 bis Ende März diesen Jahres Aktien im Gesamtwert von 760.000 Euro gekauft, wohl wissend, dass es für diese Aktien keine Gewinnbeteiligung gibt, diese nicht im Wert steigen und sie auch nicht mit einem Spekulationsgewinn weiterverkauft werden können. Ausgegeben hatte diese Aktien die Gemeinnützige Aktiengesellschaft Havelhöhe.

Die Aktiengesellschaft war im Oktober 2006 vom Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Berlin-Spandau mit einem Grundkapital von 50.000 Euro gegründet worden. Nach einer ersten Kapitalerhöhung 2007 war 2008 eine weitere nötig geworden, welche die eingangs beschriebene Resonanz hatte.

Die Aktienzeichner sind ehemalige Patienten oder Mitarbeiter des Gemeinschaftskrankenhauses, welches in der Gunst der Nutzer offensichtlich sehr hoch steht, da es 2007 in einer Patientenbefragung der Technikerkrankenkasse den ersten Platz eingenommen hatte.

Der Zweck der letzten Kapitalerhöhung ist der Erwerb des Grundstückes auf dem sich die Klinik befindet. Bislang musste für die Nutzung nichts bezahlt werden, doch nun möchte der Berliner Senat das Grundstück verkaufen, beruft sich auf eine Änderung des EU-Rechts und fordert einen zweistelligen Millionenbetrag.

Mit den jetzt eingenommenen Mitteln sieht sich die Geschäftsführung der Klinik im Besitz von genügend Eigenkapital um mit einem Bankkredit das Grundstück zu erwerben. Über die genaue Summe werden aber wohl noch Verhandlungen zu führen sein, da sich in zwei verschieden Gutachten erhebliche Differenzen in der Bewertung des Grundstückes gezeigt hatten.

Das Projekt gefördert haben nicht nur die Käufer der Aktien, sondern auch die Künstler, welche die Aktien gestaltet haben, wie etwa Maggie Ellis, Oliver Kagelmann und Christoph Schlingensief.

Originelle und auch prominente Gestalter gab es schon für die Aktien der ersten Kapitalerhöhung mit Udo Lindenberg, Olav Christopher Jenssen, Barbara Nemitz und Johannes Stüttgen.

Mit dem in der Öffentlichkeit eher weniger bekannten Modell der gemeinnützigen Aktiengesellschaft, welches bislang vornehmlich von Tierparks wie dem Berliner Zoo angewendet wurde, ist also eine verantwortungsvolle Finanzierung und Geldanlage auch im bestehenden System, zumindest partikulär, möglich.

Wieder einmal eine gute Nachricht von einer der vielen aus individueller Initiative gespeisten Bemühungen Aufbauarbeit zu leisten, in der allgemeinen Düsternis des selbstzerstörerischen Systems der Maximalrendite.

"Es geht auch anders", heißt aber gleichzeitig, dass es im wesentlichen noch immer so geht, wie es einige amerikanische Hedgefonds momentan in der US-Automobilkrise zelebrieren:

Jene Hedgefonds, welche zusammen mit mehreren Banken zum Gläubigerkreis von Chrysler gehören, haben sich nicht nur der persönlichen Initiative Präsident Obamas verschlossen, auf zwei Drittel ihrer Außenstände zu verzichten (die Banken waren dazu bereit), sondern "haben Papiere ausgegeben, mit denen Spekulanten auf einen Chrysler-Konkurs wetten können."1

Es wird noch viel Arbeit nötig sein, damit nicht die davon betroffenen Menschen, sondern dieses Finanz-Klientel für die Erfolgsaussichten seiner zynischen Praktiken, frei nach Karl Valentin, gezwungen sein wird zu sagen: "Die Zukunft war früher auch besser als heute."

1 Berliner Zeitung, 2./3. Mai 2009, S.3


Kritik an diesem Text von Johannes Mosmann: Rudolf Steiner und das Neue Eigentum