Anarchismus - Vorwort

01.04.2000

Aus Anarchismus und soziale Dreigliederung - Ein Vergleich

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Mein persönlicher Einsatz gilt nicht dem Anarchismus, sondern der sozialen Dreigliederung. Mich hindert es aber nicht daran, von den Anarchisten mehr zu halten als von den meisten heutigen sozialen Dreigliederern.

Was mich dazu bewegt, beide Ansätze zu vergleichen, ist nicht etwa der Wunsch, die soziale Dreigliederung durch andere Autoritäten irgendwie zu bestätigen: Von der Notwendigkeit einer sozialen Dreigliederung bin ich eben längst überzeugt. Und ob die Anarchisten begeistert wären, als Autoritäten mißbraucht zu werden, ist eher zweifelhaft. Es hat auch kein historisches Interesse hereingespielt. Ob die soziale Dreigliederung noch vor Rudolf Steiner von irgend jemandem schon gedacht wurde, ist mir ziemlich egal: Getan ist sie damit immer noch nicht.

Es reicht aber nicht aus, die soziale Dreigliederung denjenigen erklären zu können, die sich für die Anthroposophie interessieren. Nicht daß sie sich ohnehin damit beschäftigen würden, ganz im Gegenteil: Die meisten meiden lieber das Thema. Die soziale Dreigliederung ist aber nicht nur etwas für Anthroposophen. Wer sie auch anderen darstellen will, kommt nicht umhin, sich in ihre Gedankenwelt hineinzuarbeiten. Zu diesen Anderen gehören die Anarchisten. Sie gehören auch zu den spannendsten.

Ausgegangen bin ich von meiner eigenen Erfahrung mit Anarchisten. Einig sind wir uns immer gewesen, wenn es um den Respekt vor der individuellen Freiheit ging. Solche Namen wie Bakunin und Stirner haben mir damals überhaupt nichts gesagt. Aber eins war klar: Es ließ sich mit niemandem besser arbeiten, als mit Anarchisten. Erste Probleme gab es erst, als ich zu erklären versuchte, wie es meiner Meinung nach überhaupt dazu kommt, daß der Mensch auf Individualität etwas gibt. Meine Ausführungen haben sie nicht überzeugt und von mir waren sie dann auch nicht mehr so überzeugt.

Rudolf Steiner ist mit demselben Problem konfrontiert worden. Als er sich der Theosophie zuwandte, kehrte ihm der Anarchist John Henry Mackay, mit dem er bisher befreundet war, den Rücken. Den Grund dazu glaube ich darin gefunden zu haben, daß John Henry Mackay sich dem Materialismus verpflichtet fühlte. Dies scheint mir auch hinter der eigenen Erfahrung mit Anarchisten zu stecken, so daß ich davon nicht besonders überrascht gewesen bin.

Mich hat dagegen überrascht, daß ich bei diesem Vergleich zwischen Anarchismus und sozialer Dreigliederung immer wieder auf dasselbe gestoßen bin. Die hier aufgegriffenen anarchistischen Antworten auf soziale Fragen stoßen immer dort an ihre Grenzen, wo der Materialismus nicht mehr weiterbringt. An den Überschriften läßt es sich nicht ersehen, weil es mir erst im nachhinein klar geworden ist.

Jedes Geistige ist den Anarchisten so unheimlich, daß sie es auch dort meiden, wo es hingehört. Anstatt den Materialismus zu haben, hat sie der Materialismus. Und doch gehören sie zu den freiesten.